Hartz IV, prekäre Beschäftigung, Geschlecht

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 Präsentation transkript:

Hartz IV, prekäre Beschäftigung, Geschlecht Julia Graf

Übersicht Hartz IV und Geschlecht Fördern und Fordern Erwerbstätigkeit und Hartz IV

Hartz IV und Geschlecht 2005: Reform des 2. Sozialgesetzbuch Grundsicherung Geschlecht hat bei Einführung „keine“ Rolle gespielt „Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist als durchgängiges Prinzip zu verfolgen.“ (§ 1 Abs. 1 SGB II) Einführung der Grundsicherung  hoch umstritten „keine“ Rolle, zunächst war kein Bezug im Text vorgesehen, keine BCA, Gleichstellung nicht als Ziel  Protest Gleichstellungspasus aus SGB III sowie Förderung von Frauen angesichts ihres Anteils an Beziehenden

Hartz IV und Geschlecht Hilfequoten

Hartz IV und Geschlecht 4,45 Mio Personen 2,3 Mio Frauen (51,6%) Frauen verweilen meist länger im Bezug Frauen haben geringere Abgangsraten (3,4 vs. 4,0 bei Männern)

Die Bedarfsgemeinschaft Was ist eine Bedarfsgemeinschaft? Was ist das Problem mit der Bedarfsgemeinschaft? Abfragen!

Fördern und Fordern Rekord an Sanktionen (August 2001 – Juli 2012): über 1 Millionen Personen 2,0% der Frauen, 4,6% der Männer  Woran könnte das liegen? Sanktionen: (Aber: Es ist immer eine ganze Bedarfsgemeinschaft betroffen) BGS mit Kindern werden besonders häufig sanktioniert

Fördern und Fordern Förderquoten: Frauen werden weniger ´gefördert´ Besonders selten in arbeitsmarktnahen Maßnahmen 35,3% Maßnahmen z. Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei einem Arbeitgeber 31,9% Eingliederungszuschüsse Geringere Arbeitsmarktnähe von Frauen führt nicht zu mehr Qualifikation – anders bei Männern Erstens: Die quantitative Verteilung der Maßnahmen weist deutliche Geschlechterunterschiede auf, die nicht nur durch mangelnde Kinderbetreuung zu erklären sind. Zweitens: Die Qualität der Maßnahmen hat sich stark verändert. Drittens: Im Aktivierungsprozess realisieren sich bestimmte Vorstellungen von Geschlecht und Arbeitsteilung, die zudem weitgehend unreflektiert bleiben bzw. negiert werden.

Fördern und Fordern Anspruch: Gleichheit; ABER: Rollenbilder spielen bei ´Fördern´ große Rolle Staatliche Steuerung privater Lebens- und Geschlechterverhältnisse findet laufend statt. Grenze: Auflösung der innerfamiliären geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung Den Fachkräften fehlen aber oftmals Zeit, Handlungsräume und geschlechtergerechte Kompetenzen bei der Umsetzung. im Kontext der geschlechtlich strukturierten und restriktiven Rahmenbedingungen gibt es eine starke Tendenz zur Aufrechterhaltung patriarchaler Geschlechterverhältnisse und geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung.  Fordern gilt dann weniger für Frauen

Fördern Vorhandensein von Kindern als Grund für Unterrepräsentanz? auch arbeitslose oder arbeitssuchende Frauen mit Kleinkindern seltener auch Frauen mit Kleinkindern in den östlichen Bundesländern zählen seltener zu den Geförderten Geschlechterunterschied auch, wenn Betreuungssituation Erwerbstätigkeit/ Maßnahme zulassen würde nur ein Teil der Erklärung darstellen kann: Frauen mit Kleinkindern seltener Frauen mit Kleinkindern auch dann seltener einbezogen werden, wenn sie sich arbeitslos oder -suchend melden [hier nochmals zur Erinnerung: Der „Sorgeparagraph“ § 10 III SGB II sorgt in vielen Fällen dafür, dass Frauen mit Kleinkindern nicht als arbeitslos gelten.] Naheliegend ist deshalb die Vermutung, dass die unterschiedliche Verfügbarkeit von (Klein)Kinderbetreuung ist, die diese Geschlechterunterschiede im Aktivierungsprozess hervorbringt. Dem widerspricht jedoch, dass auch Frauen mit Kleinkindern in den östlichen Bundesländern seltener zu den Geförderten zählen.

Rollentausch? „Es ist total schwierig, in so einer Familie diese Rollen da mal zu verändern und da mal zu sagen: hier ist es einfach so: die Frau hat mehr Chancen, die sollte arbeiten und der Mann bleibt zuhause. Ich meine vom Gesetz her, denke ich, müsste das so sein, dass die Frau dann arbeiten geht, wenn sie einen Arbeitsplatz bekommt. Aber ich denk, das ist einfach von der Haltung her total schwierig, die Männer haben da zum Teil sehr diese Paschahaltung, da ärger ich mich manchmal auch drüber, dass die da so eingestellt sind.“ Diskussion dazu: Wie sehr ihr dasP

Aktivierung als Prozess Die eHb: etwas traditioneller, aber insgesamt modernisiert Die Fachkräfte: Eigenes Handeln ist geschlechtsneutral ... „Also ich stelle bei mir so jetzt keinen Unterschied fest, wie ich meinen Beratungsprozess aufziehe bei Frauen oder bei Männern, insofern dürfte es auch eigentlich beim Output keinen großen Unterschied geben in Bezug auf Männer und Frauen" (213_GD) ... vs. konkrete Aktivierung/Vermittlung von einer Person in Paar-BG: „Der klassische Fall, versicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung des Mannes und der andere Partner kümmert sich um die Kinder. Das ist für uns ein Fall, wo wir nur zahlen, und kein ‚Planfall’, wo wir die Integration planen. Da würden keine weitere Schritte zur beruflichen Integration vorgenommen werden.“ (171_FK) Negierung von Geschlechterunterschieden Geschlechterunterschiede = Kinderbetreuungsproblem

Integration in Erwerbstätigkeit Hohe Bedeutung prekärer Erwerbsintegration Grundsicherungsstellen integrieren gezielt in nicht bedarfsdeckende Beschäftigung Es zeigen sich deutliche Geschlechterunterschiede: Frauen nehmen in über 50% der Fälle einen Minijob auf Männer häufiger eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Zeitarbeit hat bei Männern eine hohe Bedeutung Geschlechtsspezifische Beeinflussung des Vermittlungsprozess durch Fachkräfte

Integration in Erwerbstätigkeit Minijobs und Leiharbeit haben selten eine ´Sprungbrettfunktion´ Beendigung der Hilfebedürftigkeit: Durch Minijobs nur selten Geringe Löhne bei Leiharbeit Häufig nur kurze Dauer des Ausstiegs aus SGB II-Bezug

Aufstocker/innen = Erwerbstätige, die Hartz IV beziehen Ursachen: Niedrige Löhne (Teilzeit, Stundenlöhne) Haushaltszusammensetzung Umbruch im System → flächendeckender Kombilohn

Aufstocken - Ausmaß und Entwicklung Aktuell: 1,3 Millionen Aufstocker/innen Starker Anstieg von 2005 - 2007 53,4% Frauen

Aufstocken - ein statistischer Überblick Anteil von Aufstocker/innen an allen Beschäftigten im März 2012 Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit

Beschäftigungsformen (November 2011)

Aufstocker/innen in Haushaltstypen (März 2012) Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit

Leiharbeit + Hartz IV rd. 100.000 Aufstocker/innen, davon ca. 10.500 geringfügig beschäftigt Löhne werden nach unten gedrückt: „Da haben die so frech schon beim Unterschreiben des Arbeitsvertrages gesagt: ´Das ist zwar nicht viel, was wir zahlen. Aber den Rest können Sie beim Amt beantragen’“ [00:18:49-2 – 00:19:00-8, Liebau].

Lage leiharbeitender Frauen häufig prekärer Leiharbeit + Hartz IV Vorhandene Probleme dieser prekären Beschäftigung treffen sich mit Druck durch Hartz IV: „Also das Problem ist eigentlich nur, dass ich mich jedes Mal wegen des Aufstockens finanziell oder persönlich nackig machen muss [dem Jobcenter, J. G.] gegenüber“ [00:53:12-8 - 00:53:33-5, Lessmer]. Lage leiharbeitender Frauen häufig prekärer

Geringfügige Beschäftigung Über die Hälfte aller Aufstocker/innen verdienen nur bis zu 400€ Hohe Armutsproblematik Fehlende Perspektiven Unterlaufen von Standards bei Arbeitsbedingungen Niedrige Stundenlöhne: rd. 6€ Wenig Unterstützung durch GSS

Verschärfung prekärer Arbeitssituation durch Hartz IV Regime Fehlende Unterstützung durch die Jobcenter Marginalisierung durch Eingebundensein in Hartz IV Regime Zusammenhang mit Sanktionen nicht immer gegeben

„Ja und die sitzen da so ein bisschen auf den Geldern, als ob es ihr eigenes wär. Intern hab ich erfahren, dass da manche Leute dann doch sehr individuell nach Sympathie und Nichtsympathie statt nach Aktenlage über die Auszahlung von Leistungen befinden. Die gehen damit sehr individuell um, je nachdem, ob sie einen schlechten Tag haben oder schlecht gelaunt sind oder grundsätzlich schlecht drauf sind “ [00:38:03-3 - 00:38:37-3, Lessmer].

Einschätzung der Möglichkeiten zur Verwirklichung von Chancen Repräsentation Einschätzung der Möglichkeiten zur Verwirklichung von Chancen Aufstockerinnen sehen ihre Chancen zur Verwirklichung von Zielen schlechter als erwerbslose Frauen!! Geschlechterunterschied: Frauen langfristiger und verfestigter, sehen weniger Möglichkeiten in Zukunft Chancen zu verwirklichen  Einschränkung indiviueller Handlungsfähigkeit Geringfügig Beschäftigte Aufstockerinnen sehen ihre Möglichkeiten zur Verwirklichung von Chancen besonders schlecht! Quelle: Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung 1. und 2. Welle; eigene Berechnungen auf Basis gewichteter Daten

Ja, und nun???? Was bedeutet das eurer Meinung nach für gewerkschaftliche Forderungen?

Schlussfolgerungen - Teilhabe ermöglichen Leiharbeit regulieren Mindestlohn durchsetzen Geringfügige Beschäftigung abschaffen Fordern abschaffen

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!