C. Popow Univ. Klinik f. Neuropsychiatrie d. Kindes- u. Jugendalters

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Dr. Peter Dobmeier Lech-Mangfall-Kliniken gGmbH
Advertisements

Krankheitsbild und Behandlungsmethoden bei Kraniosynostosepatienten
Medizinische Rehabilitation bei Abhängigkeitsstörungen:
Vorlesung: 1 Betriebliche Informationssysteme 2003 Prof. Dr. G. Hellberg Studiengang Informatik FHDW Vorlesung: Betriebliche Informationssysteme Teil3.
Temporallappenläsionen
Larynxcarcinom Von Silke Schynkowski
Aktuelle Diagnostik und Therapie der Neurofibromatose Typ 1
ADHS – Modediagnose oder klinische Realität ?
Tic-Störungen Professor Dr. Aribert Rothenberger
Das Gilles-de-la-Tourette Syndrom
Depression und Typ 2 Diabetes – Prävalenz und Patientencharakteristik: Ergebnisse der DETECT Studie Pieper, Lars1, Klotsche, Jens1, Eichler, Tilly1, Pittrow,
Ruth Reuter.
Kompetenzfeld Tod und Trauer
Individualisierte Medizin am Inselspital Genetik und Perioperative Medizin.
Borderline-Störung im System DSM IV
Hauptgruppen der Klassifikation I
Zentrum Psychosoziale Medizin
Vorlesung: 1 Betriebliche Informationssysteme 2003 Prof. Dr. G. Hellberg Studiengang Informatik FHDW Vorlesung: Betriebliche Informationssysteme Teil2.
Unzureichende Wahrnehmung / Diagnostik
ADS und Komorbiditäten ADS bei Erwachsenen
Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch nach ICD-10 und DSM-IV
AWA 2007 Natur und Umwelt Natürlich Leben
Kleine psychiatrische Krankheitslehre
Im Psychokino  Mit dem Film „Im Weltraum gibt es keine Gefühle“
Pathophysiologie des Morbus Rendu-Osler
Ein Gemeinschaftsprojekt der Univ. Klinik f
Von Maria Leisring und Hannah Bornschein
Möglichkeiten und Grenzen der orthopädischen Begutachtung
Schlaf und Schlaf Apnoe Syndrom.
Down-Syndrom / Trisomie 21
Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie)
Patienten sind Menschen. Die Krankheit ist Teil ihrer Biografie
Psychosomatik & Arbeitswelt
Persönlichkeitsstörungen
Grippeimpfung im Alter Gibt es valide Daten?
Pädagogischer Tag Dr. med. Ute Tolks-Brandau
GSB Deutsche Gesundheitssystemberatung GmbH
1 Arbeitsgemeinschaft Biologische Psychiatrie Verordnungsgewohnheiten von Psychopharmaka Statuserhebung 2005 W.Günther G.Laux T.Messer N.Müller M.Schmauss.
Psychopharmaka in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Ein Überblick
Psychosen By Kevin und Oliver.
Keine Panik auf der Titanic
Psychotherapie bei MS P. Calabrese.
Wie häufig ist ADHS?.
Offenlegung In den vergangenen fünf Jahren habe ich direkte finanzielle Zuwendungen für Vorträge, Beratungstätigkeiten und Studienteilnahmen oder indirekte.
Familien mit ADHS M. Romanos
Plötzlicher Herztod – Definition (I)
Prüfungskonsultation
Dr. C. Gamm, Hamburg Baby Blues oder Wochenbettdepression?
Die Parkinson-Krankheit
Prim.Univ.-Prof.Dr.Bernd Eber
Folie Beispiel für eine Einzelauswertung der Gemeindedaten (fiktive Daten)
1 Arbeitsgemeinschaft Biologische Psychiatrie Verordnungsgewohnheiten von Psychopharmaka Statuserhebung 2005 W.Günther G.Laux T.Messer N.Müller M.Schmauss.
11. Vorlesung Neurosenlehre II.
Folie Einzelauswertung der Gemeindedaten
Operative Eingriffe im Gehirn bei schweren Zwangsstörungen:
Welche Bedeutung hat das Ernährungsverhalten?
Die neue S3-Leitlinie Depression Antidepressiva Suizidalität
Autistische Menschen verstehen
Es gibt nichts Gutes außer man tut es!
Angststörungen im Kindes- und Jugendalter
Dissoziative Störungen, Konversionsstörungen
Klassifikationssysteme
Gilles de la Tourette Syndrom
ALBERT-LUDWIGS- UNIVERSITÄT FREIBURG Einführung „Klinische Psychologie“ Tobias Stächele - Vertiefendes Seminar zur Vorlesung Klinische Psychologie - Institut.
Kom verder. Saxion. SE Verhaltensbilder 11 ADHS, Störungen des Sozialverhaltens.
Hintergrund Verlauf und Diskussion Bildgebung OBERSCHWABENKLINIK Patient 1: 13-jähriger Junge. Symptome: Massives Erbrechen, epigastrische Bauchschmerzen.
01 Grundlagen der Psychiatrie
Entwicklung einer offenen Austauschplattform "GenderMed-Wiki"
multiple Spezifische Phobien Alter Jahre
Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern mit Autismus
 Präsentation transkript:

C. Popow Univ. Klinik f. Neuropsychiatrie d. Kindes- u. Jugendalters Tourette Syndrom C. Popow Univ. Klinik f. Neuropsychiatrie d. Kindes- u. Jugendalters

Inhalt Definition Häufigkeit, klinisches Bild, Prognose Therapie Fallberichte weiterführende Links und Literatur

Geschichte des TS erste Erwähnung durch Aretaios (80-138?) Fälle von Zuckungen, Grimassenschneiden, Gebell, plötzlichen Flüchen und unvermittelten blasphemischen Äußerungen Gaius Suetonius Tranqiullus (70-140) Kaiser Claudius wenn durch das Spiel oder ernsthafte Geschäfte erregt, unkontrolliertes Lachen, Speichelfluss, Stammeln, eine laufende Nase und anhaltende nervöse Tics. Mittelalter Sprenger/ Institoris: „Hexenhammer“ (1487) berühmte Persönlichkeiten mit Ticerkrankung Molière, WA Mozart, Napoleon, Peter der Große

Georges Gilles de la Tourette 1857 – 1904 Kaufmannssohn, ältestes von 4 Kindern aus St Gervais les Trois Clochers (Vienne) Studium in Poitiers und Paris 1844 Assistent von Prof. Charcot (1825-1893) Studien über Hysterie, Epilepsie 1885 Publikation: Etude sur une affection nerveuse... (Erstbeschreibung Itard, 1825, Marquise de Dampierre) 1886 Klinikchef bei Charcot 1901 Erkrankung (PP) Photoquelle: www.tourettes-disorder.com

Vorlesung bei Prof. J-M Charcot Quelle: MSN Encarta http://de.encarta.msn.com

Definition TS [F 95.2 (ICD-10), 307.23 (DSM IV)] multiple motorische und ein oder mehrere vokale Tics mehrmals täglich, im Verlauf eines Jahres immer wieder (ticfrei nicht > 3 aufeinander folgende Monate) (verursacht starke Anspannung oder deutliche Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen) Beginn vor dem 18. Lj nicht durch körperliche Wirkungen einer Substanz (z.B: Stimulantien) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z.B. Chorea Huntington, postvirale Encephalitis) A B (C) D E

Tics (F 95) motorische vokale Eigenschaften Komplexität: einfache unwillkürliche, rasche, wiederholte rhythmische Bewegung meist umschriebener Muskelgruppen vokale Lautproduktion Eigenschaften plötzliches Einsetzen, kein erkennbarer Zweck normalerweise nicht willkürlich beeinflussbar, aber unterdrückbar Belastungen verstärken Tics, im Schlaf verschwinden sie Komplexität: einfache Blinzeln, Kopfwerfen, Schulterzucken, Grimassieren Räuspern, Bellen, Schnüffeln, Zischen komplexe Sich-selbst-Schlagen, Springen, Hüpfen Wortwiederholungen, soz. unangebrachte, oft obszöne Wörter (Koprolalie) Wiederholung eigener Laute oder Wörter (Palilalie)

zugehörige Merkmale und Störungen Komorbidität nur 11-12 % ohne Zwangsgedanken und –handlungen (30-65%) ADHD (50-75%), Lernschwierigkeiten (24%) Angststörungen (19%), Panikattacken (33%), Schlafstörungen (14-26%), RLS (59%) mangelhafte Aggressions-kontrolle, Selbstver-letzungen (10-37%) soziale Konsequenzen soziales Unbehagen, Schamgefühle, Befangenheit, Nieder-geschlagenheit Zurückweisung durch andere andere Behinderung von Alltagstätigkeiten selten: körperliche Schäden Netzhautablösung, orthopädische Probleme, Hautprobleme

Ursache genet. Störung „Vulnerabilität“ 10% nicht familiär 26-115 / 10 000 M : F = 1.5-3 : 1 AD (2p11, 8q22, 11q23-24 ?) mit unterschiedlicher Penetranz Konkordanz: eineiige Zwillinge 53%, zweieiige 8% „Penetranz“: w: 70%, m: 99% „Vulnerabilität“ Typ/ Schweregrad kann unterschiedl. sein 10% nicht familiär diese zeigen häufig ER / Anfälle beteiligte Neurotransmitter D2, 5-HT2, α2

Differentialdiagnose chron. Ticstörung motor. oder vokale Tics vorübergehende Ticstörung motor. und/oder vok. Tics, >4w, < 12m Tics bei anderen Erkrankungen Chorea Huntington, Schlaganfall, Chorea Sydenham, MS Substanzwirkung (z.B. Neuroleptica) dystone Bewegungen langsame Drehbewegungen, längere musk. Anspannung Myoklonien kurze, unkoordinierte Zuckungen einzelner Muskeln hemiballistische Bewegungen period., grobe, ausholende Bewegungen der Gliedmaßen Spasmen stereotyp, langsamer, länger anhaltend; z.G. hemifaziale Spasmen Synkinesien unwillkürliche Bewegungen, die willkürliche begleiten

Verlauf Beginn in der Kindheit od. frühen Adoleszenz jedenfalls vor dem 18. Lj. früheste mit 2a, motor. Tics ca. 7a Dauer: meist lebenslang es gibt Remissionsphasen von Wochen oder Jahren meist nimmt Schweregrad in der Adoleszenz ab es gibt Spontanremissionen

Abklärung° ° Leitlinien DGKJP 028/025

Shapiro TS Schweregrad Skala

Therapie klass. (Pimozid (Orap®)) Neuroleptica klass. (Pimozid (Orap®)) atyp. (Risperidon, (Risperdal®), Olanzapin, (Quetiapin®), Tiaprid (Delpral®)) Clonidin (α2-Agonist, Catapresan®) Baclofen (GABA-B Antagonist, Lioresal®) Odansetron (5-HT3-Antagonist, Zofran®) Pergolid (D2-Agonist, Permax®)–insbesondere bei RLS sonstige (Δ9THC, Naloxon, Ig, Botulinum Toxin, Nikotin td) TS + Zwang: Sulpirid (NL, Dogmatil®), NL + SSRI TS + ADHD: trizykl. AD Psychotherapie

Therapie° ° Leitlinien DGKJP 028/025

Websites http://www.tourette.at http://www.tourette.de http://www.tourette-gesellschaft.de http://www.tourette.ch http://www.tsa-usa.org

Literatur BANASCHEWSKI T, ROTHENBERGER A: Verhaltenstherapie bei Tic-Störungen. In: Petermann F: Kinderverhaltenstherapie. Hohengehren: Schneider (2003), pp 204-243 COHEN DJ, BRUUN RD, LECKMANN JF (eds.): Tourette's Syndrome and Tic Disorders. New York: Wiley (1988). COHEN DJ, JANKOVIC J, GOETZ C (eds.): Tourette Syndrome, Advances in Neurology, Vol. 85. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkens (2001) LECKMANN J, COHEN D (eds.): Tourette Syndrome - Tics, Obsessions, Compulsions. Developmental psychopathology and clinical care. New York: Wiley (1999) ROBERTSON MM, STERN JS: Gilles de la Tourette Syndrome: symptomatic treatment based on evidence. Europ Child Adolesc Psych 9:160-175 (2000). ROTHENBERGER A: Wenn Kinder Tics entwickeln - Beginn einer komplexen kinderpsychiatrischen Störung. Stuttgart: Fischer (1991) ROTHENBERGER A: Tourette-Syndrom und assoziierte neuropsychiatrische Auffälligkeiten. Zeitschr Klin Psychologie 25: 259-279 (1996) ROTHENBERGER A, BANASCHEWSKI T: Tic-Störungen. In: Enzyklopädie der Psychologie, Bd. 5, Störungen des Kindes- und Jugendalters. SCHLOTTKE et al. (Hrsg.). Göttingen: Hogrefe (2005) SCHOLZ A, ROTHENBERGER A: Mein Kind hat Tics und Zwänge - erkennen, verstehen und helfen beim Tourette-Syndrom. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, (2001)

Filme The Tic Code 2 Tourette Betroffene in New York Schluckauf im Gehirn Kopfleuchten Doku über Hirnerkrankungen Das Tourette Syndrom

Zusammenfassung TS – chron. Ticstörung (vok.+motor.) Beginn im Kindesalter häufige Komorbidität: Zwang, ADHD genet. bedingt Therapie möglich (Catapresan, Neuroleptika u.a.; Psychotherapie)