Wirtschaftsinformatik als Design-Wissenschaft

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 Präsentation transkript:

Wirtschaftsinformatik als Design-Wissenschaft Universität Siegen Wirtschaftsinformatik und neue Medien Wirtschaftsinformatik als Design-Wissenschaft Zwischenstand eines wissenschaftstheoretischen Diskurses (Drama in drei Akten)

Agenda Hintergrund des laufenden Diskurses (Die Bühne) Beitrag von Alan R. Hevner et al. (MIS Quarterly 2004) (erster Akt) Beitrag von Björn Niehaves (ICIS 2007) (zweiter Akt) Unser eigener Beitrag (dritter Akt) Kritik an Hevner et al. Fragmente einer eigenen Theorie Diskussion

Hintergrund des laufenden Diskurses Wirtschaftsinformatik ist eine sehr junge Wissenschaft Interdisziplinarität und unterschiedliche internationale Forschungstraditionen kennzeichnen die Disziplin Es gibt keine „Theorie der Wirtschaftsinformatik“ Wozu braucht es eine solche? „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft Forschungsparadigmen prägen die Disziplin Behavioural Sciences Design Sciences Die Kulissen sind aufgebaut, die Bühne ist bereit.

Beitrag von Alan R. Hevner et al. Auftritt Hevner: Hevner, A.R.; March, S.T.; Park, J.; Ram, S.: Design Science in Information Systems Research. MIS Quaterly Vol 28, No. 1, 75-105, March 2004 Startpunkt eines Diskurses, der in allen relevanten IS Journals und auf den wichtigen Conferences stattfindet Versuch der Versöhnung der Forschungsparadigmen von Behavioural and Design Science BS versucht, menschliches und organisationales Verhalten zu theoretisch zu erklären und vorherzusagen ->Wahrheit DS versucht, durch die Entwicklung innovativer Artefakte (Werkzeuge) die Grenzen menschlicher und organisationaler (Handlungs-) Fähigkeiten zu erweitern -> Nützlichkeit Ziel eines konzeptionellen Rahmens (framework) und Richtlinien für Verständnis, Ausführung und Evaluation von (Design-) Forschung in IS

Ergebnisse von Alan R. Hevner et al. Wahrheit und Nützlichkeit sind untrennbar Design-Wissenschaft löst verzwickte (wicked) Probleme Diese Problemlösung basiert auf der zutreffenden Analyse des realen (wirtschaftlichen/technischen) Problems und der angemessenen Gestaltung eines neuen/innovativen Artefakts. Gute Problemlösung ist immer eine Gratwanderung zwischen theoretisch fundierter wissenschaftlicher Stringenz (rigor) und erfahrbarer Bedeutsamkeit für ein realweltliches Problem (relevance). Dabei unterscheidet sich eine Design-Wissenschaft von angewandtem Design durch einen signifikanten Beitrag zum design-relevanten Wissen. Hevner spielt seine Forschungsrichtlinien an drei Design-Studien aus IS Journals durch.

Research Framework

Forschungs-Richtlinien

Beitrag von Niehaves Jede Forschung ist durch erkenntnistheoretische Positionen vorgeprägt Fast nie werden die ontologischen und epistemologischen Grundpositionen offengelegt Ontologie: Existiert überhaupt eine reale, objektive Wirklichkeit? Epistemologie: Wie erlangen wir Wissen über die Wirklichkeit?

IS nach Niehaves (Teil 1)

IS nach Niehaves (Teil 2) IS beruht auf sozio-technischer Perspektive, d.h. die soziale Situiertheit von Artefakt-Gestaltung und Wissensgenese ist grundlegend. In der Suche nach „wahrem Wissen“ und „objektiver Erkenntnis“ entlarvt sich ein positivistisches Forschungsparadigma. Niehaves plädiert für ein pluralistisches, diversifiziertes IS-Verständnis, das unterschiedliche epistemologische Positionen und Forschungsperspektiven zulässt.

Unser eigener Beitrag (Theorie-Fragmente) Forschungsgegenstand und Beobachtungseinheit: BS: Verhalten DS: Artefakte WiNeMe: Praxis (in der Artefakt und Handeln zusammen kommen) absichtsvolles Handeln (intentional action vs. behaviour) Wechselwirkung zwischen Artefakten (technischen Systemen) und Nutzern/Organisationen (sozialen Systemen) in der sozio-kulturellen Situiertheit Wir suchen dabei den Dreiklang von Ist, Werden und Sollen d.h. epistemologische, ontologische und ethische Fundierung der Wirtschaftsinformatik Ontologie: Praxis und ihre Veränderbarkeit durch IT-Artefakte Epistemologie: begründete Annahmen über Entwicklungspfade von Praxis (vgl. Vygotsky‘s zone of proximal development) Ethik: permanenter Bewertungsdiskurs, zyklisch-evolutionäre und partizipative Evaluation

Unser eigener Beitrag (Folgerungen) Ontologisch: Rein positivistische Position verbietet sich aufgrund sozio-kultureller Situiertheit einer dynamischen Praxis Epistemologisch leitet sich unsere Präferenz für die Forschungsmethodik ab: Hypothesengenerierung durch Abduktion (vor In- und Deduktion) Suche nach plausiblen Erklärungen statt nach Wahrheit Es gibt nicht die eine beste Lösung, sondern mehrere, unterschiedlich wahrscheinliche und passende Alternativen Aus der ethischen Position legitimiert sich Designforschung mit dem Gegenstandsbereich der Praxis nur durch kontinuierliche Bewertung/Evaluation der technischen Systeme in ihrer sozio-kulturellen Praxis nach jeder neuen Intervention in die Praxis und unter Einbeziehung der betroffenen Menschen

Diskussion Der Vorhang fällt. Was bedeutet das für unsere Forschung/Projekte? Welche Methoden setzen wir ein? Wann ist ein von uns entwickeltes Artefakt (technisches System, Prototyp) gut? Wie evaluieren wir unsere Arbeit? Welche Kompetenzen/welches Wissen benötigen wir? Wie verhält sich diese (wissenschafts-) theoretische Fundierung zu unseren theoretischen Konzepten, z.b. OTE, EUD, Socio-/ Community-Informatics etc.? Wie beeinflusst dies unser Selbstverständnis? Wie verhalten wir uns gegenüber den konkurrierenden (wissenschafts-) theoretischen Positionen? … Der Vorhang fällt.