Die historische Richterswiler Fontäne von 1875
„Die Fontaine geht bis 280 Fuss hoch und ist deshalb wohl die grösste des Kontinents. Sie gewährt namentlich bei Sonnenschein, wenn Regenbogenstreifen hervortreten, ein imposantes und grossartiges Farbenspiel.“ Fremdenführer von 1887
Erbauer der Fontäne: Rudolf Zinggeler- Syfrig, 1819-1897 Sohn eines Leinenwebers und einer Hausweberin aus Elgg, Sekundarlehrer in Kilchberg 1852: betreibt mit Bruder Samuel eine Seidenweberei in Wädenswil 1873: Übernahme der Seidenspinnerei Stapfer in der Mülene, Richterswil, Gemeinderat in Richterswil, Kantonsrat, Nationalrat
Voraussetzungen für die Industrialisierung in Richterswil: Lage am See, Verkehrsdrehscheibe: Zürich-Richterswil-Einsiedeln (Pilger) Zürich- Richterswil- Schindellegi- Gotthard- Piemont Transportgewerbe (Schiffleute und Fuhrleute) Pilgerbetrieb (Einsiedeln), Gaststätten / Hotels Hanglage / Wasservorkommen Anlage von Fabrikweihern und Stauwerken Handwerk
Richterswil um 1772, Pilgerherbergen Dampffärberei Rotfarb auf dem Horn. Dampfschiff Republikaner (1840) Schifflände Zürich um 1820
5 Fabrikweiher in Richterswil Göldi,Töss, Erlenstrasse, Mülene, Sternenweiher Göldiweiher oberhalb Spital Richterswil Antrieb für Lohmühle, Lohstampfe in der Juchmatt (Verarbeitung von Baumrinde für Gerbereizwecke) Fabrikweiher Mülene Teigwarenfabrik Rebsamen (Nudli), 1931 abgebrannt
Handwerk als Grundlage der Industrialisierung Messerschmiede (Fam. Goldschmid/ Fam.Tanner „Dägeschmid“) Gerberei (Gerbi, Gerbestrasse) Färberei (alte Farb, Farbweg) Sägerei (Mülibach, Samstagern) Müllereibetriebe (Mülene, Mülibach) Bierbrauerei (Brauerei Wolz, Dorfstrasse) Ziegelei (im Hafen, Garnhänki, Leigrueb) Heimweberei (Hanf, Flachs (Leinen), Wolle, Baumwolle, Seide)
Johannes Hürlimann begründet das Industriezeitalter Johannes Hürlimann-Burkhard (Trager,Tüchler, Fergger), Sohn einer Handweberin und eines Schiffmannes 1803 Warenniederlassung in St. Gallen, Kunde der Baumwollspinnerei Escher in Zürich Gemeinderat, Kantonsrat, Statthalter des Bezirks Horgen
1812: erste Fabrik in Richterswil mech. Baumwollspinnerei von Johannes Hürlimann in der Mülene, zusammen mit den Gebrüdern Widmer (Müller in Mülenen) ( 1805: erste Fabrik in Zürich: Baumwollspinnerei von Hans Caspar Escher ) Erziehungsheim, Hintergrund Villa Stapfer (Waisenhaus) Baumwollspinnerei von 1812, Mühlen von Mülene
Weitere Expansion der Betriebe von Johannes Hürlimann 1822 Baumwolldruckerei im «Alten Rosengarten» 1836 lange Druckerei (ab 1900 Seidendruckerei Egli, später Zigarettenfabrik Mahalla) 1873 Expansion auf das Areal im Horn: Kattundruckerei, Dampffärberei (Rotfarb). Bezug der Kohle aus Käpfnach 1853 Verkauf der Kattundruckerei an die Firma Ziegler in Winterthur 1927 Verkauf an Heberlein (Wattwil), ab 1929 Gurit AG
ab 1854: Seidenindustrie in Richterswil 1850: ca. 400 häusliche Seidenweber in Richterswil 1854: Conrad Egli beginnt mit Seidenweberei auf dem Horn (heute Jugendherberge) 80 Arbeiter in der Fabrik , 500 Weber ausserhalb des Betriebs, davon 200 im Kanton Schwyz 1857: Heinrich Landis (Schwiegersohn von Johannes Hürlimann) erbaut Seiden- weberei, heutiges Gemeindehaus II 1857: im ersten Fabrikgebäude in der Mülene von 1812 Umstellung von Baumwolle auf Seidenspinnerei (Stapfer und Rüegg) Henry Landis Richtersweil near Zuric
1875: Turbine ersetzt Mühlrad, ein Industriepionier revolutioniert die Antriebskraft kauft ab 1872 die Wasserrechte im Mülibach und plant für den Bau eines Stausees im „Sternen“ und die Einrichtung einer Hochdruckanlage 1873 Beginn der Seidenzwirnerei in der Mülene (Fabrikgebäude Stapfer) 1875: Bau einer neuen Fabrik für die Seidenzwirnerei auf einem Areal in der „Garnhänki“, das er von der Gemeinde gratis erhält. Als Gegenleistung Weiterführung der Druckleitung durch die Dorfstrasse mit 5 Hydranten für die Feuerwehr Rudolf Zinggeler–Syfrig
1875: Aufbau eines Hochdruckleitungsnetzes in Richterswil Die ca. 2 km lange Druckleitung vom Sternenweiher bis zum Seeufer in der Garnhänki wird ergänzt durch eine Abzweigung in der Dorfstrasse bis zum Rosengarten. In der Folge schneller Ausbau zu einem Hochdruckleitungsnetz im Siedlungsgebiet am See bis zur Mülene (Teigwarenfabrik Rebsamen), Anschluss von vielen Industrie- Handwerks- und Bauernbetrieben Aufbau der Wasserversorgung, Anschluss der Grundwasserpumpen in der Mülene Anschluss der Kirche zum Betrieb eines „Orgelmotors“
Das „Zinggeler“- Druckleitungsnetz ab 1875 ► rot: ca. 2km lange Hauptleitung vom Sternenweiher zum See ► blau: 1. Abzweigung Dorfstrasse mit 5 Hydranten ► grün: spätere Erweiterungen ► rot: ca. 2km lange Hauptleitung vom Sternenweiher zum See ► blau: 1. Abzweigung Dorfstrasse mit 5 Hydranten ► grün: spätere Erweiterungen
1889: Elektrizität in Richterswil Zinggeler wird zum ersten Stromproduzenten am linken Seeufer. Villa Zinggeler ab 1893 erstes Wohnhaus mit elektr. Beleuchtung. (EW Waldhalde an der Sihl ab 1895 am Netz, liefert ab 1896 Strom für die Richterswiler Strassenbeleuchtung) Stromproduktion bis 1972
Weitere am Hochdruckleitungsnetz angeschlossene historische Industriebetriebe: Kattundruckerei auf dem Horn mech. Werkstätte Wild und Landis, ab 1946 KERAG (Dampfkessel) Teigwarenfabrik Rebsamen, Mülene Tapetenfabrik Strickler, Erlenstrasse Brauerei Richterswil mech. Werkstätte Sennhauser, Adlergasse (Mostpressen, Landwirtschafts-maschinen) Ziegeleien Widmer, (später Wunderli) an der Glarnerstrasse
1875: Richterswil erhält eine Fontäne 1875 Erste Erwähnung bei der Einweihung der linksufrigen Eisenbahn Springbrunnenbetrieb ca. 1964 eingestellt Die Wasserkonzession wird 1972 gelöscht, der Sternenweiher an die Gemeinde verkauft 1986 wird der Sternenweiher unter Naturschutz gestellt
Fontänenhaus von 1875 Die dekorativen Elemente sind verloren, einzig die gusseiserne Türe ist erhalten geblieben. Ende des Fontänen- betriebs ca. 1964, Zerfall der Druckleitung und teilweise Zerstörung beim Bau der Autobahn.
Aus einem Nachruf auf Rudolf Zinggeler-Syfrig in der NZZ vom 23 Aus einem Nachruf auf Rudolf Zinggeler-Syfrig in der NZZ vom 23. Oktober 1897 Viele…erinnern sich des überraschenden Anblicks, der sich bot, wenn der Dampfer in die heimelige Richterswiler Bucht einbog! … Prächtig steigt eine Riesenfontäne, wie die Schweiz eine zweite nicht hat, an die hundert Meter über den Seespiegel empor. Wie schön hebt sich die schimmernde Wassersäule ab vom Hintergrunde des Wollerauer Berghanges, im Angesicht des stattlichen Richtersweil... und wie lieblich spielen die Regenbogenfarben im steigenden und wieder fallenden Getropfe! Auf das Hüteschwenken und den Beifallsruf vom Boote her grüsst vom Ufer aus der Besitzer des mächtigen Wassersprutzes indem er sein Käpplein lüpft, bescheiden, aber im Innern bei so lauter Anerkennung seiner Schöpfung doch ein wenig geschmeichelt. Dann sank die Fontäne in sich zusammen, … die Festfeiernden fuhren dem idyllischen Gelände der schwyzerischen Höfe entlang der Ufenau und Rappersweil zu. Zinggeler aber begab sich in die Werkräume zurück: sein Fest war die Arbeit.
Rekonstruktion der Richterswiler Fontäne 1997: erste Bemühungen für eine Rekonstruktion der verfallenen Anlagen Verlegen einer Kunststoffleitung als Platzhalter am Wachthausplatz Fotografie G. Weber, ca. 1905
Weiteres Vorgehen: Erstellen des technischen Konzepts, Bewilligungen von Kanton (AWEL) und Gemeinde, Durchleitungsrechte Gründung der Fontänen-Gesellschaft 2003, Beschaffen der Finanzen Etappenweiser Ersatz der Druckleitung (1‘842 m) ab 2004 Bau eines Reservoirs mit 587 m3 Nutzinhalt Kosten total 2,2 Mio Fr. Einweihung der Fontäne am 8. Dez. 2007 neue Düse 2009 (neue Höhe von 101 m)
Technische Daten zur Richterswiler Fontäne Höhe der historischen Fontäne ca. 280 Fuss (84 m) Höhe der rekonstruierten Fontäne mit neuer Düse ca. 101 m (8. höchste Fontäne der Welt, höchste schwerkraftbetriebene Fontäne) Durchmesser der Druckleitung 40 cm, Gusseisen (beim Wachthausplatz Kunststoff, 25 cm) Wasserdruck bei der Düse ca. 17 bar Wasseraustritt pro Sekunde 176 l = 10,5 m3 pro min Wasseraustrittsgeschwindigkeit 52 m/sec = 187 km/h
Jet d‘eau in Genf Ähnliche Entstehungsgeschichte wie Richterswiler Fontäne als „Nebenprodukt“ des Genfer Hochdruckleitungsnetzes ab 1885 Druckerzeugung ursprünglich mittels Dampfmaschine. Dauerbetrieb ab 1891, Höhe seit 1951 140 m 2 Pumpen mit 1000 Kilowatt Leistung, Betriebskosten um 800‘000 Fr. pro Jahr, davon zur Hälfte Stromkosten 7. höchste Fontäne der Welt (höchste Fontäne der Welt in Dschidda, Saudi-Arabien mit 312 m)
Quellen: Kurt Wild: «Auf Richterswils alten Wirtschaftspfaden» Eidg. Archiv für Denkmalpflege, Sammlung Zinggeler Rudolf Zinggeler-Danioth 1864-1954 Seidenfabrikant und Fotograf
Richterswil hatte viele innovative, mutige Unternehmer und hervorragende Industriebetriebe. Es lohnt sich, an diese Industriebetriebe zu erinnern.
Historische Eisenbahnremise von 1875 Guter Standort um die Industriegeschichte von Richterswil darzustellen (Industriemuseum als Abteilung der Ortsmuseums „Bären“)
Werden Sie Mitglied der Gesellschaft historischer Springbrunnen Richterswil! Jahresbeitrag für Einzelmitglieder Fr. 80.-- Jahresbeitrag für Ehepaare Fr. 100.— Zuwendungen sind bei der Steuer abzugsfähig Generalversammlung am Donnerstag, 26. Mai 2016 im Hotel 3- Könige, Richterswil Vorgängig findet eine Seerundfahrt mit Aperitif statt, Abfahrt am Schiffsteg Richterswil um 19 Uhr. GV und Rundfahrt sind öffentlich, Angehörige und Gäste sind willkommen!
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