Alja Lipavic Oštir (Universität Maribor, Slowenien /UCM Trnava, Slowakei ): Sprachkarten als räumliche, kulturelle und soziale Vorstellungen unserer.

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 Präsentation transkript:

Alja Lipavic Oštir (Universität Maribor, Slowenien /UCM Trnava, Slowakei ): Sprachkarten als räumliche, kulturelle und soziale Vorstellungen unserer Welt

Zeichnen und beschriften Sie eine einfache Karte mit der Sprachlandschaft, in der Sie leben und sich bewegen! Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten sprachlichen Grenzen in Ihrer Umgebung?

Beispiel: Slowenien Wie weit ist es zu einer der Grenzen? Weniger als 100 km. Grenzregionen oder ein Grenzland? 14,6 22,7 73,8 87,5

andere Länder? Poznań, Polska (173 km) Београд, Србија (161 km) Скопје, Македонија (28 km) София, България (59 km) Bratislava, Slovensko (19 km) Zagreb, Hrvatska (31 km) Zadar, Hrvatska (178 km/326 km) Rijeka, Hrvatska (27 km) Osijek, Hrvatska (39 km) Wien, Österreich (76 km) Maribor, Slovenija (22 km) Timișoara, România (51 km) Poznań Timișoara

politische und sprachliche Grenzen?

geographisch? A SLO

zusammenfassend: Grenze im politischen Sinne als Begrenzung eines Territoriums; Grenze als Trennlinie zwischen Gebieten, in denen verschiedene Sprachen gesprochen werden; Grenze als naturräumlich-topografische Schranke

Grenze: → ursprüngliche Bedeutung: Trennlinie zwischen zwei Territorien → alltagssprachlich in vielerlei Zusammenhängen 1. eine deontische Komponente; es denotiert nicht nur neutral etwas, sondern beinhaltet zugleich Handlungsdirektiven für den Umgang mit dem Denotierten: Eine Grenze soll man respektieren, man darf sie nicht einfach übertreten oder missachten, und man muss das Ende oder den Übergang, der durch sie markiert wird, berücksichtigen. → Komposita, Kollokationen: Grenzen überschreiten, Grenzen missachten, Grenzverletzung, Grenzübertritt, Grenzkontrolle, Grenzschutz, Grenzwert, kritische Grenze

2. Ideologem: Grenzen sind etwas, das abzubauen ist: Grenzenlos, ohne Grenzen und ähnliche Ausdrücke werden verwendet, um positive Bedeutungskomponenten zu übermitteln: → Ärzte ohne Grenzen, Reporter ohne Grenzen, Apotheker ohne Grenzen, Homöopathen ohne Grenzen, Mathematik ohne Grenzen, Europa ohne Grenzen; Urlaub grenzenlos, grenzenlos tauchen

Grenze in der Linguistik: strukturelle Einheiten: → Silbengrenze, Grenzsignal, Morphemgrenze, Wortgrenze, Satzgrenze → in der Dialektologie: Isoglosse (= Grenzlinie zwischen zwei Arealen, in denen unterschiedliche Varianten einer Variable vorkommen. Eine genügend starke Konzentration von gleich oder ähnlich verlaufenden Isoglossen kann Dialektologen dazu bringen, von einer Dialektgrenze oder gar von einer Sprachgrenze zu sprechen) Dialekt und Sprache? Kontinuum und Grenze?

Beispiel: Basel und Kontinuum Dialektologie: Kontinuum, da der Rhein keine Grenze bedeutet. Soziolinguistik heute? D: Sprecher bewegen sich auf einem Dialekt-Standard-Kontinuum, CH: entweder Dialekt (die vorherrschende Wahl) oder schriftorientierte Standardsprache (beschränkt auf wenige Situationen), Diglossie, F (Südelsass): Zweisprachigkeit von französischer Standardsprache und deutschem Dialekt. → Der Rhein ist demnach innerhalb der letzten 50 bis 100 Jahre zu einer deutlichen Sprachgrenze in pragmatischer Hinsicht geworden, was sich mittlerweile klar erkennbar auch auf die Dialekte bzw. dialektnahen Sprachvarietäten ausgewirkt hat.

Hofer (2004), Sprachkarten: geografische Karte, in der das Dargestellte in einer ikonischen Beziehung zur Physis von Landschaft, Siedlungen und Territorien steht kognitive Karte, mit der primär Bewusstseinsinhalte verschiedener Art (die nicht mehr in unmittelbarer ikonischer Beziehung zur Physis stehen) visuell gegliedert werden. Es ist die kartographische Darstellung nicht primär geographischer Wissensbestände und Erlebnisinhalte gemeint.

Sprachkartenbeispiele E., 14 Jahre, Maribor geographische Karte

H., 16 Jahre, Maribor geographische Karte

kognitive Karte

Forschungsfragen Die meisten Regionen in Slowenien sind Grenzregionen. Wie werden die (Sprach)Grenzen wahrgenommen? Das Slowenische verfügt über mehr als 50 Dialekte, die im Alltag hoch positioniert werden und den Kern des L1-Erwerbs bilden. Wie reflektiert das in den Sprachkarten? In welchen Verhältnis wird das Slowenische gegenüber anderen Sprachen gestellt?

Kartentypen (Lipavic Oštir 2018, vier Gymnasien in Slowenien, 700 Sprachkarten ) Geographische Karte: Region/Land auf der Weltkarte

2. Geographische Karte: Region innerhalb des Landes

3. Geographische Karte: Region als Identifikationsmittel

4. Geographische und kognitive Karte: Mein Mikrokosmos

5. Geographische Karte: Landkarte mit Orten

6. Geographische Karte: Landkarte mit Regionen 12 vs. 7

7. Geographische Karte: Land (und die Nachbarländer)

8. Geographische/kognitive Karte: Sprachvarietäten und/oder Sprachen

9. Kognitive Karte: Sprachvarietäten und Sprachen in meinem Leben

10. Geographische/kognitive Karte: Region/Land, ohne Namen

Sprachkartentypen: 1. Region/Land auf der Weltkarte (GK) 2. Region innerhalb des Landes (GK) 3. Region als Identifikationsmittel (GK) 4. Mein Mikrokosmos (GK/KK) 5. Landkarte mit Orten (GK) 6. Landkarte mit Regionen (GK) 7. Land (und die Nachbarländer) (GK) 8. Sprachvarietäten und/oder Sprachen (GK/KK) 9. Sprachvarietäten und Sprachen in meinem Leben (KK) 10. Region/Land, ohne Namen (GK)

1. Region/Land auf der Weltkarte (GK) 2 1. Region/Land auf der Weltkarte (GK) 2. Region innerhalb des Landes (GK) 3. Region als Identifikationsmittel (GK) 4. Mein Mikrokosmos (GK/KK) 5. Orte in Slowenien (GK) 6. Regionen des Landes (GK) 7. Land (und die Nachbarländer) (GK) 8. Sprachvarietäten und/oder Sprachen (GK/KK) 9. Sprachvarietäten und Sprachen in meinem Leben (KK) 10. Region/Land, ohne Namen (GK)

Was sagt uns die Analyse der Sprachkarten? Sprachkarten als Werkzeug sind anwendbar. Lernenden nehmen die Grenzen zwischen den slowenischensprechenden Regionen und den Nachbarsprachen wahr. Ein hoher Anteil der Lernenden identifiziert sich mit der Region als ihrer Sprachlandschaft. Sprachkarten wiederspiegeln das Bild der Dialektlandschaft. Anhand der gezeichneten Karten lässt sich eine grundlegende Typologie (geografische vs. kognitive Karten) bestätigen und weiterentwickeln. Man kann die Existenz von zwei grundlegenden Kartentypen als Ausdruck zwei verschiedener, jedoch eng miteinander verbundener Wissensschichten interpretieren. Die eine dieser Schichten beinhaltet das sozial geteilte, medial und schulisch vermittelte und gefestigte Wissen (entsprechend dem Typ geografische Karte), die andere das individuell geprägte und entsprechend auch individuell repräsentierte Wissen (entsprechend dem Typ kognitive Karte). Ein Vergleich mit den Sprachkarten (Jugendlicher) aus anderen Ländern wäre angebracht. 

Wahrnehmung von Dialekten und anderen Varietäten im Raum und kognitiv. In mono- und plurizentrischen Sprachen. Fragen: Position der regionalen Identitäten beim Übersetzen/Dolmetschen in den EU-Institutionen. Position von substandardsprachlichen Varietäten.