Wissenschaftliches Arbeiten und Methodenlehre 1 Teil A: Wissenschaftstheoretische Grundlagen SS 2017 WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth 1.

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Wissenschaftliches Arbeiten und Methodenlehre 1 Teil A: Wissenschaftstheoretische Grundlagen SS 2017 WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth 1

Inhaltsverzeichnis A. Wissenschaftstheoretische Grundlagen 1 Wissenschaft – was ist das? 2 Wissenschaft – wozu? 3 Die Systematik der Wissenschaften – ein Überblick 4 Was heißt, wissenschaftlich arbeiten? 5 Methoden der Wissenschaft 6 Wissenschaftliche Aussagen WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth 2

Die drei Bedeutungsdimensionen von Wissenschaft Wissenschaft als Tätigkeit Wissenschaft als Institution Wissenschaft als Ergebnis Beschreibung = Deskriptive Aufgabe Bemühungen zur Gewinnung und Erweiterung der Erkenntnisse „Forschen und Lehren“ Der organisationale bzw. institutionelle Rahmen, in dem wissenschaftliche Tätigkeit stattfindet „Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen“ Das Ergebnis der Bemühungen in Form von Aussagen, Hypothesen und Theorien „Wissenschaftliche Disziplinen bzw. Fachgebiete“ WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Zweck und Hauptfunktionen von Wissenschaft Genereller Zweck: Erweiterung der Erkenntnis Fundierende Funktion Kritische Funktion Utopische Funktion WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Die Systematik der Wissenschaften Formalwissenschaften Realwissenschaften „Angewandte“ oder Handlungswissenschaften ( Theoretische und praktische Zielsetzung) „Reine“ oder Grundlagenwissenschaften (Theoretische Zielsetzung dominierend) Konstruktion von Zeichensystemen inkl. Regeln (ohne Bezug auf empirische Fakten) Beschreibung und Erklärung der empirischen Realität Kultur Analyse menschlicher Handlungen Natur Hilfsfunktion Sozial- und Kulturwissenschaften Naturwissenschaften Mathematik Logik Philosophie Ingenieur-Wissenschaften WI,FM, EI, BI Soziologie Ökonomie Physik Chemie WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Aufgaben von Wissenschaft Beschreibung = Deskriptive Aufgabe Erklärung = Explikative Aufgabe Gestaltung = Pragmatische bzw. prognostische Aufgabe Sachverhalte, Phänomene, Probleme beschreiben (Definitionen, Begriffe bilden...) Antwort auf die Frage: „Was ist/ war der Fall?“ Sachverhalte, Phänomene, Probleme erklären Antwort auf die Frage: „Warum ist/ war das der Fall?“ Beschriebene und erklärte Sachverhalte in Handlungen, Anwendungen, Techniken, Lösungsvorschläge umsetzen. Es geht um die Vorhersage von Handlungskonsequenzen. Antwort auf die Frage: „Was wird der Fall sein, wenn...?“ Sie bilden die Grundbausteine für die Theoriebildung WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Der wissenschaftliche Prozess Problem Problem Problem Problem Problem untersuchen D.h. beschreiben und erklären Dies geschieht intersubjektiv systematisch methoden- begründungs- nachvollziehbar gestützt orientiert WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Charakterisierung von Wissenschaftlichkeit Adjektive zur Kennzeichnung von Wissenschaftlichkeit bei der Beschreibung präzise, genau, sorgfältig, konsistent, widerspruchsfrei bei der Erklärung präzise, stringent (schlüssiger, beweiskräftiger Zusammenhang), falsifizierbar bei der Gestaltung/ Prognose begründungsorientiert, theoretisch fundiert, theoriengeleitet Deshalb: intersubjektiv nachvollziehbar: Beweise, Belege, Theorien aufdecken - vollständig, transparent systematisch: Einhaltung von bestimmten Regeln, Prinzipien und Abläufen begründungsorientiert: Durch direkte (evidente) oder indirekte Beweise (Argumentation, Experimente) methodengestützt: Durch exakte Methoden (Rechen-/ mathematische Methoden) und inexakte Methoden (Heuristiken, Analogien, Erfahrungsregeln) Prof. Dr. Richard Roth WAM 1

Wissenschaftliches Arbeiten Unter wissenschaftlichem Arbeiten wird der Vorgang verstanden, bei dem ein Thema, ein Problem auf wissenschaftliche Art und Weise, d.h. nach wissenschaftlichen Standards und Prinzipien mit wissenschaftlichen Verfahren und Techniken, behandelt und zu lösen versucht wird. Wissenschaftliches Arbeiten ist ein Vorgehen, bei dem die Ergebnisse der Arbeit für jeden anderen objektiv nachvollziehbar oder wiederholbar sind. Das bedeutet, Informationsquellen werden offengelegt, Experimente so beschrieben, dass sie reproduziert werden können. Wer eine wissenschaftliche Arbeit liest, kann stets erkennen, aufgrund welcher Fakten und Beweise der Autor zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist und auf welche anderen Wissenschaftler er sich beruft. WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Wissenschaftliche Arbeit Eine wissenschaftliche Arbeit ist ein systematisch gegliederter Text, in dem ein Wissenschaftler das Ergebnis seiner eigen-ständigen, methodischen Forschung darstellt. Darunter wird das niedergeschriebene Ergebnis wissenschaft-lichen Arbeitens verstanden, wobei auch die Niederschrift nach wissenschaftlichen Standards und Prinzipien mit wissenschaft-lichen Verfahren und Techniken erfolgen muss. Wissenschaftliche Arbeit = „ein Produkt“. Generell unterscheidet man theoretische Arbeiten, die Thesen auf Basis vorhandener Literatur entwickeln oder überprüfen (auch: Literaturstudie), und empirische Arbeiten, bei denen Forschung unmittelbar am Untersuchungsgegenstand betrieben wird, die dann im Rahmen der Arbeit dokumentiert wird. WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Grundlegende wissenschaftliche (Denk-)Methoden Prof. Dr. Richard Roth WAM 1

Wissenschaftliche Aussagen Wahrheitsfähige Aussagen Nicht-Wahrheitsfähige Aussagen Empirische Aussagen Metaphysische Aussagen Logische Aussagen Normative Aussagen WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Logische Argumentation Nach den Regeln der Logik besteht ein Argument aus mehreren Aussagen: Diese Aussagen sind im Wesentlichen Begründungen (Prämissen), die eine Schlussfolgerung (Konklusion) stützen Argument Aussage 1 (Prämisse) Aussage 2 (Prämisse) ….. Aussage n (Prämisse) Schlussfolgerung (Konklusion) WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Prämisse 1: Laubbäume werfen im Winter ihre Blätter ab. Beispiel Prämisse 1: Laubbäume werfen im Winter ihre Blätter ab. Prämisse 2: Linden zählen zu den Laubbäumen. Konklusion: Auch diese Linde vor unserem Haus wird im Winter ihre Blätter abwerfen. WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Konklusion: Dann haben wahrscheinlich alle Hechte Kiemen. Beispiel Prämisse 1: Jeden Hecht, den wir bisher untersucht haben, hatte Kiemen. Konklusion: Dann haben wahrscheinlich alle Hechte Kiemen. WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Falscher Analogieschluss Prämisse 1: Unser Hund Bello ist seit Tagen schlecht gelaunt. Prämisse 2: Als unser Freund Peter schlecht gelaunt war, hat ihm ein Kinobesuch geholfen. Konklusion: Bello darf ab sofort ins Kino. Vorschnelle Übertragung eines Sachverhalts. WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Prämisse 1: Emma war krank und hatte hohes Fieber. Kausaler Fehlschluss Prämisse 1: Emma war krank und hatte hohes Fieber. Prämisse 2: Alex schenkte ihr ein Iphone. Konklusion: Emma wurde gesund. Die zeitliche Nähe von Ereignissen bedingt keinen kausalen Zusammenhang! WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Induktion versus Deduktion Vom Speziellen auf das Allgemeine schließen. Deduktion: Vom Allgemeinen auf das Besondere schließen. WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Alle Menschen sind sterblich. (Regel oder allgemein gültiges Gesetz) Beispiel Induktion Platon war ein Mensch. Aristoteles war ein Mensch. Epikur war ein Mensch. (Fall, bzw. Fälle) Platon ist gestorben. Aristoteles ist gestorben. Epikur ist gestorben. (Resultate, Erfahrungen) Alle Menschen sind sterblich. (Regel oder allgemein gültiges Gesetz) WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth

Alle Menschen sind sterblich. (Regel oder allgemein gültiges Gesetz) Beispiel Deduktion Alle Menschen sind sterblich. (Regel oder allgemein gültiges Gesetz) Herr Müller ist ein Mensch. (Fall) Herr Müller ist sterblich. (Resultat) WAM 1 Prof. Dr. Richard Roth