Vom Wucherer zum Bankier Die finanzielle Revolution
Literatur Pohl, Hans (Hg.): Europäische Bankengeschichte, Frankfurt am Main 1993. Schremmer, Eckart (Hg.): Geld und Währung vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Stuttgart 1993. 08.11.2018 Helga Schultz
Gliederung Münzgeld – die Fallstricke der Tradition Knappes Geld oder Inflation? Von den Montes Pietatis zur Kreditbank Depositen- und Wechselbanken Staatskredit und Notenbanken Jüdische Bankiers 08.11.2018 Helga Schultz
1. Münzgeld – die Fallstricke der Tradition 08.11.2018 Helga Schultz
Zuflüsse von Münzmetall „Berggeschrei“ um die Silberfunde im Erzgebirge und Tirol (Ende 15. /16. Jahrhundert). Kupferabbau in Oberungarn (Slowakei) und in Schweden (Falun). Spanische Silbergruben in Peru (ab Mitte 16. Jahrhundert). Gold aus Brasilien (18. Jahrhundert). Silber aus dem Ural (18.Jahrhundert). 8 Real Münze aus den Silbergruben von Potesi (Peru/Bolivien) 1684. 08.11.2018 Helga Schultz
Münzfuss Der Münzfuß (festgelegter Metallgehalt der Münzen) verändert sich entsprechend dem Zufluss: Der Wert des Silbers zum Gold sinkt von 10: 1 (um 1500) auf 15: 1 (um 1800). Das Kupfergeld (Scheidemünze des Alltags) verliert gegenüber dem Silber dramatisch an Wert von 68 Kupferkreuzern pro Silbertaler auf mehr als 1000 im 17. Jahrhundert. Deshalb scheitert der schwedische Versuch, die Großmacht auf das heimische Kupfer zu gründen. Das Silber wird das eigentliche Münzmetall in Handel und Wirtschaft. 08.11.2018 Helga Schultz
Kipper und Wipper Geldfälscher kippen Münzen durch beschneiden und minderwertige Legierungen oder wippen es aus dem Verkehr. 08.11.2018 Helga Schultz
Gresham´s Gesetz Thomas Gresham (1519-1579), Finanzberater der englischen Königin Elisabeth I. und Gründer der Londoner Börse (Royal Exchange): Das schlechte Geld verdrängt das gute. Die Münzvereine der Staaten zur Festsetzung des Metallgehaltes der Münzen richten nur wenig dagegen aus. Anthonis Mor van Dashorst, um 1570. 08.11.2018 Helga Schultz
2. Knappes Geld oder Inflation? 08.11.2018 Helga Schultz
Inflation? Alle diese Ströme von Münzmetall erhöhen den europäischen Münzstock nur um 0,3 Prozent jährlich. Die Teuerung (Inflation) entsprach langfristig dem Wirtschaftswachstum. Der Silberpreis steigt und provoziert Münzverschlechterungen. Das Problem der Frühen Neuzeit war nicht der Zufluss an Münzmetall, sondern die Knappheit des Geldes. 08.11.2018 Helga Schultz
Bodenlose Fässer Kommerzialisierung von Gewerbe und Landwirtschaft, Wirtschaftswachstum. Der Passivhandel mit Ostasien. Die absolutistischen Staaten und ihre Kriege. 08.11.2018 Helga Schultz
Die finanzielle Revolution Der expandierende Handel der europäischen Weltwirtschaft auf allen Ebenen stieß an die Grenze der Münzgeldmenge. Die finanzielle Revolution musste die Geldmenge ausweiten und die Umlaufgeschwindigkeit erhöhen. 08.11.2018 Helga Schultz
Innovationen Die „finanzielle Revolution“ bezeichnet ein Bündel von Innovationen zur Ausweitung der Geldmenge: Kredit und Bankwesen. Bargeldloser Zahlungsverkehr. Papiergeld. Damit werden die Instrumente des modernen Finanzwesens entwickelt. 08.11.2018 Helga Schultz
3. Von den Montes Pietatis zur Kreditbank 08.11.2018 Helga Schultz
Ausweg Kredit Das kirchliche Zinsverbot weist die Geldleihe allein jüdischen Kaufleuten zu. Erst nach der Reformation werden Zinsen bis 6% erlaubt. Damit werden Leihbanken möglich, die Kredit an Privatleute geben. 08.11.2018 Helga Schultz
Montes Pietatis Ende des 15. Jhs. von Bettelmönchen im Mittelmeerraum begründet, um arme Christen aus den Händen der „jüdischen Wucherer“ zu befreien. Nach Aufhebung des Zinsverbotes werden sie europaweit zu Leihbanken. Um dem Wucher Einhalt zu gebieten, schlugen Franziskanermönche ein eigenes System vor. 1462 eröffnete die Stadt Perugia ein öffentliches Pfandleihhaus, ein Mons Pietatis (Berg der Barmherzigkeit), das nur zur Kostendeckung einen Kreditzins zwischen vier und zwölf Prozent verlangte. Trotz theologischer Bedenken gab Papst Pius II. dem Projekt seinen Segen, und das Modell vom barmherzigen Verleiher machte Schule. Von Italien bis England eröffneten Montes Pietatis ihre Schalter für die Unterschichten. Bald wurden sie zu veritablen Geldinstituten, die Guthaben von Privatleuten annahmen und ihnen dafür geringe Zinsen zahlten. Nach dem Vorbild der Montes Pietatis entwickelten sich in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert die in kommunaler Selbstverwaltung geführten Gemeindesparkassen 08.11.2018 Helga Schultz
4. Depositen- und Wechselbanken 08.11.2018 Helga Schultz
Ausweg bargeldlose Zahlung Vom privaten Pfandkredit streng geschieden war das Depositen- und Wechselgeschäft. Es geht aus den Messen hervor, wo die Kaufleute bei beeideten Bankiers ihre Guthaben hatten, Wechsel einlösten und die Warengeschäfte gegeneinander ausglichen. Auf den Zahlungsmessen von Piacenza lenkten im 16. Jahrhundert die Bankiers von Genua das internationale Finanzgeschäft. 08.11.2018 Helga Schultz
Schuldscheine und Wechsel Schuldscheine im Hanseraum und Wechsel im Mittelmeerraum gewährten im Messhandel notwendigen Zahlungsaufschub. Mit der Einführung der Inhaberklausel werden sie handelbares Zahlungsmittel. Dieselbe Aufgabe erfüllen die Noten der englischen Goldschmiede. Damit weiten sich die Zahlungsmittel über die Menge des Münzmetalls aus. 08.11.2018 Helga Schultz
Der Bankier und seine Frau Quentin Metsys, 1514 08.11.2018 Helga Schultz
Wechselbanken Die Entwicklung der Depositen- und Wechselbanken geht mit den Börsen einher. Die Gründung des Banco di Rialto durch die Republik Venedig gilt als Beginn des europäischen Bankwesens der Neuzeit. Die Amsterdamer Wechselbank (1609) schuf ein Bankgeld mit festem Silbergehalt. Damit stabilisierte sie das europäische Münzchaos des frühen 17. Jahrhunderts. 08.11.2018 Helga Schultz
5. Staatskredit und Notenbanken 08.11.2018 Helga Schultz
Staatskredit und Bankrott Die Augsburger Fugger geben den Habsburgern riesige Krediten für die militärische Sicherung des spanischen Weltreiches. Sie werden wie anschließend die Bankiers von Genua in den Strudel der spanischen Staatsbankrotte gerissen. Albrecht Dürer: Jacob Fugger, Der Reiche 08.11.2018 Helga Schultz
Staatskredit Der Geldhunger der neuen absolutistischen Staaten übersteigt die Leistungskraft einzelner Bankiers und Finanzzentren. Staatsbanken werden in Venedig, Amsterdam, Paris, Stockholm und London gegründet, um die Staatsausgaben zu kreditieren. Der Staatskredit bringt das frühneuzeitliche Bankwesen zur vollen Entfaltung. 08.11.2018 Helga Schultz
Ausweg Papiergeld Schweden ergreift diesen Ausweg zuerst in Europa, um die nordischen Kriege zu finanzieren. Die Staatsbanken werden zu Notenbanken. In der Regel führt dies ins Fiasko, wie bei John Laws Mississippi-Projekt. Die erste erfolgreiche Notenbank ist die Bank von England, weil ihr Papiergeld nicht gesetzliches Zahlungsmittel ist. 08.11.2018 Helga Schultz
John Law 1671-1729 Erkennt mangelnde Liquidität als Ursache stagnierender Wirtschaft. Gründet Überseekompanie (Mississippi-Projekt) und Notenbank (Banque Royal) zur Rettung von Frankreichs Staatsfinanzen. Irrtümer: Aktien seien wertbeständiges Zahlungsmittel. Notenemission befördert keine Inflation. 08.11.2018 Helga Schultz
Note der Banque Royal 1719 08.11.2018 Helga Schultz
Banknote aus Rom 1796 08.11.2018 Helga Schultz
6. Jüdische Bankiers 08.11.2018 Helga Schultz
Jüdische Hoffaktoren Im börsenlosen Mittel- und Osteuropa fehlen Banken. Der Staatskredit liegt in den Händen jüdischer Finanziers mit Verbindungen zur westeuropäischen Finanzwelt. Staatsversagen lässt sich so antisemitisch umdeuten. 08.11.2018 Helga Schultz
Des Kaisers Oberkriegsfaktor Samuel Oppenheimer aus Heidelberg (1635-1703). Finanzier der Türkenkriege, der Feldzüge Prinz Eugens und der polnischen Königswahl August des Starken. 08.11.2018 Helga Schultz
Die Tragödie des Joseph Süß Flugblatt zur Hinrichtung des württembergischen Finanzministers 1738. 08.11.2018 Helga Schultz
Zusammenfassung Münzgeld war trotz der amerikanischen Silber- und Goldvorkommen stets knapp. Der Geldbedarf stieg durch die Expansion der Wirtschaft; den asiatischen Passivhandel den Bedarf der Staaten für Kriegsführung. Auswege sind der bargeldlose Zahlungsverkehr über Depositen- und Wechselbanken, der Kredit über Leihbanken und Staatsbanken, das Papiergeld. 08.11.2018 Helga Schultz