Seminar: Weltraumwetter Vortrag: „Die Sonne und Sonnenwind“ Freitag, 05.11.2004 11:15 Uhr, KIS/Bibliothek Referent: Philippe Bourdin (altertümlicher Heliostat zur Sonnenbeobachtung)
Inhalt: „Die Sonne und Sonnenwind“ Innerer Aufbau der Sonne Entstehung des Sonnen-Magnetfeldes Der 22-jährige Sonnenzyklus Gesamtbild der Sonne Korona im Gleichgewicht ? Das Parker-Modell, Das Ballerina-Modell Langsamer und schneller Sonnenwind Wechselwirkungen der Sonnenwindtypen Entstehung von CMEs und Flares
Innerer Aufbau der Sonne
Innerer Aufbau der Sonne
Zahlen und Daten der Sonne Alter: ca. 4,5 Milliarden Jahre Sternklasse: G2V Leuchtkraft: 3,85 x 1026 J/s Radius: 6,96 x 105 km Masse: 1,99 x 1030 kg Massenverlust: 4,28 x 109 kg/s Temperaturen: Zentrum: 15 x 106 K Photosphäre: 5.700 - 6.100 K Korona: bis 5 x 106 K Effektiv: 5.778 K Gravitationsbeschleunigung (Oberfl.): 273,96 m/s2
Erkenntnisgewinn über das Sonneninnere Differentielle Rotation bereits Mitte 18. Jahrhundert entdeckt Molekulare Viskosität vernachlässigbar Effektive Viskosität durch Turbulenzen in Konvektionszone ist für den Transport des Drehimpulses geeignet Bewegungsgleichung der Hydrodynamik: Aufspaltung der Geschwindigkeiten in meridionalen, φ-gemittelten und fluktuierenden Anteil Drehimpuls-Transport durch Meridionale Geschwindigkeiten Reynolds‘sche Spannung (=Fluktuationskorrelation)
Erkenntnisgewinn über das Sonneninnere Neutrinos sind „Zeugen“ der Kernprozesse Die Sonne brummt ! ca. 1960 in Photosphäre beobachtet: > stehende Kompressionswellen (p-modes, T = 5 min.) - Quantenzahlen (l,m,n) bestimmen Oszillationsfrequenz - radiale Komponente (1 QZ) und Kugelfunktionen (2 QZ) Theoretisch vorhergesagt, aber stark gedämpft: > stehende Schwerewellen (g-modes, T = 1 h.) „Helioseismologie“ verschafft Einblick in das Sonneninnere
Helioseismologische Beobachtungen Leistungsdichte-Spektrum der solaren Oszillationen (p-modes)
Entstehung des Sonnen-Magnetfeldes
Entstehung des Sonnen-Magnetfeldes Betrachtung des Magnetfeldes interessant, weil Ursache für viele Aktivitätserscheinungen Induktionsgleichung (B hier axialsymmetrisches Feld) ( : magnetische Diffusivität) Cowling: Axialsymmetrie lässt keine Selbstanregung zu Das Sonnen-Magnetfeld ist nur geglättet axialsymmetrisch Separation von mittleren und fluktuierenden Größen: (Korrelationsterm)
Entstehung des Sonnen-Magnetfeldes v‘-B‘-Korrelation entspricht „eingefrorenen“ Magnetfeldlinien Näherung der Fluktuationsfunktion in erster Ordnung: Einsetzen gemittelter Größen in Induktionsgleichung ergibt: α-Term: elektromotorische Kraft parallel zu β-Term: zusätzliche magnet. Diffusivität durch Turbulenzen Axialsymmetrische Lösungen von sind nun möglich
Entstehung des Sonnen-Magnetfeldes Aufspaltung von B in toroidalen und poloidalen Anteil: : toroidale Richtung Einsetzen ergibt zwei Dynamo-Gleichungen mit α-Effekt Dynamo-Effekt führt zur Selbstanregung: Turbulenzen notwendig, damit sein kann, sonst nur Ohm‘sche Dissipation
Der 22-jährige Sonnenzyklus
Der 22-jährige Sonnenzyklus Selbstanregung durch den Dynamo-Effekt: Ströme (- - -) sind auf beiden Hemisphären gleich orientiert Magnetfelder (-----) sind entgegengesetzt orientiert ist antisymmetrisch bezüglich dem Äquator
Resultate der Dynamo-Gleichungen Induktion überwiegend aus Differentieller Rotation -Dynamo erzeugt toroidale Felder Durch numerische Lösung: > auch äquatorial-symmetrische Lösungen für α gefunden, aber viel schwächer angeregt > Tendenz zu magnetischen Flussröhren > Qualitative Übereinstimmung mit Sonnenfleckenwanderung und periodischem Verhalten Sonnenflecken-Anzahl oszilliert mit halber Sonnen-Periode (11 Jahre)
Gesamtbild der Sonne
Gesamtbild der Sonne Sichtbarer Bereich: Supergranulation der Sonne durch Konvektion Sonnenflecken durch Magnetfeld Sacramento Peak Obs. Ca-II K-Emission (NSO/AURA Inc.)
Gesamtbild der Sonne Protuberanz: Skylab, 1973 UV-Emission (NASA)
Gesamtbild der Sonne Sonnenflecken: SOHO UV-Emission (NASA/ESA)
Gesamtbild der Sonne Magnetfeld: (Sonnenfinsternis, 30. Juni 1973, Altschuler et al.)
Gesamtbild der Sonne Magnetfeld: (Sonnenfinsternis, 30. Juni 1973, S. Koutchmy)
Korona im Gleichgewicht ?
Korona im Gleichgewicht ? Aus Wärmeleitung und Zustandsgleichung ionisierter Gase erhält man die folgende Differentialgleichung: Die Lösungen mit lauten:
Korona im Gleichgewicht ? Annahme: die Sonne sei im hydrostatischen Gleichgewicht Führt zu der Lösung: Dafür muss aber T(r) schneller als 1/r abfallen: nicht erfüllt ! Also kein Druck-Gleichgewicht im interstellaren Raum Neues Modell für die Korona notwendig
Das Parker-Modell
Das Parker-Modell Stationäres dynamisches Gleichgewicht (Parker, 1958) Annahmen: sphärische Symmetrie, radiale Geschwindigkeit Kontinuitätsgleichung, Impulserhaltung, Zustandsgleichung: Durch einsetzen ergibt sich die Differentialgleichung: mit:
Das Parker-Modell Enthaltene Vereinfachungen im Parker-Modell: Rotations-Effekte des Magnetfeldes nicht berücksichtigt Isothermale Expansion statt Energieerhaltung betrachtet Folgerungen aus dem Parker-Modell: Es muss einen Teilchenabfluss geben (Sonnenwind) Sonnenwind in der Korona mit Überschallgeschwindigkeit
Das Ballerina-Modell
Das Ballerina-Modell Die Erde bewegt sich über verschiedene Aktivitätsgebiete Die Grenzschicht zwischen den Polaritäten des Magnetfeldes hat das Aussehen eines „Ballerina-Rocks“
Das Ballerina-Modell Sicht von der Erde auf die gemittelten magnetischen Polaritäten der Sonne IMP-1, 1963 - 64 (Wilcox, Ness, 65)
Maximale und Minimale Aktivität Variation der Stromschicht während Aktivitätsmaximum (negative Polarität schattiert) Die Stromschicht-Aufnahmen von 1979 - 1980 zeigen die Umpolung des Magnetfeldes Bei minimaler Aktivität ist die Stromschicht relativ klar getrennt Der „Ballerina-Rock“ hat dann fast keine Falten mehr
Langsamer und schneller Sonnenwind
Langsamer und schneller Sonnenwind Man unterscheidet „langsamen“ und „schnellen“ Sonnenwind Langsamer Sonnenwind entsteht über Aktivitätszentren Schnellen Sonnenwind findet man über Koronalöchern Koronalöcher sind bei einer ruhigen Sonnenphase häufig über den Polen, der Aktivitätsgürtel ist in der Ekliptik zu finden In aktiven Sonnenphasen sind fast überall Koronalöcher und Aktivitätsgebiete zu finden
Langsamer und schneller Sonnenwind Das Parker-Modell lieferte gute Übereinstimmung mit den Messwerten des „langsamen“ Sonnenwindes Charakteristische Daten des langsamen Sonnenwindes: - Minimum-Typ bei geringer Sonnenaktivität: > Geschwindigkeit: 250 - 400 km/s > sehr hohe Dichte: 10,7 x 106 / m3 > große Flussdichte: 3,7 x 1012 / m2s > Heliumanteil: < 2 %, sehr variabel > Quellregionen: Aktivitätszentren > variabel, enthält oft Sektorgrenzen, magnetische Wolken - Maximum-Typ bei hoher Sonnenaktivität (s.o., jedoch): > Heliumanteil: ca. 4 % > äußerst variabel, turbulent, oft von Stoßwellen durchsetzt
Langsamer und schneller Sonnenwind Charakteristische Daten des schnellen Sonnenwindes: - Schneller Sonnenwind (in schnellen Strömen): > Geschwindigkeit: 400 - 800 km/s > niedrige Dichte: 3 x 106 / m3 > kleine Flussdichte: 2 x 1012 / m2s > Heliumanteil: 3,6 %, stabil > Quellregionen: Koronalöcher > lange Zeit stabil, Eigenschaften immer sehr ähnlich - Auswürfe von CMEs: > Geschwindigkeit: 400 - 2.000 km/s > Heliumanteil: oft bis 30 % He++, manchmal He+, Fe+ > treiben oft Stoßwellen vor sich her, in 50 % Signaturen von magnetische Wolken
Langsamer und schneller Sonnenwind Sonnenwindparameter in Geschwindigkeitsklassen:
Langsamer und schneller Sonnenwind Sonnenwindparameter in Sonnennähe: Helios-1 (Juli 1983) 0,35 AE mehrere Flussröhren durchquert (Länge: 5°)
Langsamer und schneller Sonnenwind Sonnenwindparameter langfristig betrachtet: Helios-1 / Helios-2 (1974 - 1982) gemittelt über ganze Sonnenumdrehungen
Langsamer und schneller Sonnenwind Sonnenwindparameter und Magnetfeld-Polarität (Ulysses):
Langsamer und schneller Sonnenwind Sonnenwindparameter bei Aktivitätsminimum: Helios-1 (1974/75) ca. 1 AE typisch: zwei schnelle Ströme mit vorangehenden Kompressions- zonen (Dichte)
Wechselwirkungen der Sonnenwindtypen
Wechselwirkungen der Sonnenwindtypen Aufeinandertreffen von schnellem auf langsamen Sonnenwind führt zu Kompression Rotation der Sonne ergibt spiralförmige Grenzschicht Auf Erdbahn noch relativ kleine Kompressionszone
Wechselwirkungen der Sonnenwindtypen
Entstehung von CMEs und Flares
Entstehung von CMEs und Flares In aufsteigendes Material eingefrorene Magnetfeldlinien bilden Arkaden, die wiederum Teilchenströme anheben CME („Coronal Mass Ejection“)
Entstehung von CMEs und Flares Flares („Fackeln“) können einzeln oder mit CMEs auftreten:
Beobachtete CMEs und Protuberanzen Aufnahme vom Satellit Solar-Maximum-Mission (14. April 1980) => Oben rechts: CME, Hohlraum und Protuberanz sichtbar Wahrscheinlich sind CMEs blasenförmig, keine einfachen Bögen Protuberanzen sind dagegen bogenförmig
Beobachtete CME-Stoßwellen Aufnahme einer Stoßwelle nach einem CME mit 1.500 km/s am 14. Mai 1985 durch Helios-1 in 0,63 AE Sonnenabstand
Beobachtete Stoßwellen Aufnahme von Stoßwellen während großer Sonnenaktivität in 1978 durch Helios-1 über eine Sonnenumdrehung
Beobachteter C14-Anteil Der C14-Anteil in Baumringen zeigt Langfrist-Sonnenaktivität