ENTWICKLUNG DER MÜTTERLICHEN MORTALITÄT IN ÖSTERREICH

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 Präsentation transkript:

ENTWICKLUNG DER MÜTTERLICHEN MORTALITÄT IN ÖSTERREICH ADOLF BECK CHRISTIAN VUTUC Abteilung für Epidemiologie, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien Ich bedanke mich für die Einladung, hier vor Ihnen sprechen zu dürfen. Wir analysieren seit dem Jahre 1976 die Müttersterbefälle in Österreich, insgesamt sind es bisher über 300 Fälle.

Raphael Johann Steidele, 1774 Ich möchte damit nur aufzeigen, dass früher im Gegensatz zu heute der Tod einer Gebärenden für den Geburtshelfer nicht ungewöhnlich war.

Definition der Müttersterbefälle Entwicklung der mütterlichen Mortalität in Österreich A. Beck Definition der Müttersterbefälle Direkter Sterbefall: Resulting from obstetric complications of pregnancy or its management Indirekter Sterbefall: Caused by a pre-existing disease aggravated by the pregnancy Nicht gestationsbedingter Sterbefall: Fortuitous deaths are those without mention of any relation to pregnancy such as accidental death, homicide and suicide Der Zeitraum umfasst bis 42 Tage nach der Geburt bzw. Beendigung der Schwangerschaft und nach den neuen Empfehlungen bis zu einem Jahr. Unter den zufälligen Sterbefällen finden sich auch Ertrinken, Blitzschlag und Unfälle. International besteht auch keine Übereinstimmung in der Zuordnung zu diesen 3 Kategorien.

Erfassung der Müttersterbefälle in Österreich Geburtshilfliche Abteilungen Pathologisch-Anatomische Institute Statistik Austria Gerichtsmedizinische Institute Zeitungen Wer weiß etwas? Ich möchte mich bei allen herzlich bedanken für das Vertrauen, das man uns entgegengebracht hat, indem uns die Daten zur Vefügung gestellt wurden und eine Einzelfallanalyse möglich wurde. Wir haben die Einzelfallanalyse gewählt, weil wir in einzelnen Jahren nur 2/3 der Fälle in der offiziellen Statistik wiederfinden konnten, konkret gab es ein under-reporting von bis zu 38 %, wie auch in anderen Ländern. Unsere 1. Publikation aus dem Jahre 1982 …. 79 Fälle. Insgesamt haben wir 307 Fälle.

Todesfallanzeige

Müttersterblichkeit in Österreich 1946, 1956, 1975, 2006 Diagnose 1946 1956 1975 EFA 2006 Toxikosen 40 25 2 Blutungen 36 28 7 1 Fehlgeburt 161 17 3 Sepsis 63 33 Sonstige Komplikat. 65 38 8 Summe 365 141 22 Auf 100.000 Lebendgeb. 327,9 121,7 23,5 3,8 1946 starb eigentlich täglich eine Frau an Komplikationen einer Schwangerschaft oder Geburt. Im Jahre 2006 sterben in Österreich 3 Frauen, wir hatten 78 000 Lebendgeborene, somit 1 Todesfall unter 26 000 Geburten. Die offizielle Statistik 1975 wies nur 16 Fälle aus, d.s. 17,1/100.000 Lg.

Müttersterbefälle 2000 – 2006 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Direkte 4 6 3 1 2 Indirekte Nicht gest.bed 5 7 8 Die jährliche Zahl ist sehr klein geworden, etwa unter 5 jährlich, und es bietet sich daher nur mehr die Einzelfallanalyse an. Welsch gibt für Bayern in den Jahren 2001-2004 eine MST von 7,3/100.000 Lg an, wenn wir die österreichischen Zahlen dieser Jahre hochrechnen, kommen wir auf 7,7/100.000 Lg, allerdings unter Einschluss von 3 Fällen bis zu einem Jahr. Zieht man die ab, beträgt die Sterblichkeit nur 6,8/100.000 Lg.

Direkte Müttersterbefälle/100.000 Lg. 1976 – 1983 1984 - 1991 1992 – 1999 2000 - 2006 Thromboemb. (FW-Embol.) 2,0 1,1 2,3 0,9 Hypertension 2,2 1,7 0,3 0,7 Genitalblutung 3,6 Genital/Uro-Sepsis 1,0 0,6 Fehlgeburt 0,4 0,1 Ektopische Grav. Anästhesie ∑ 11,2 6,3 5,5 4,0 Beim Vergleich 8- bzw. zuletzt 7-jähriger Zeitabschnitte steht die Genitalblutung als primäres klinisches Symptom fast immer an erster Stelle. Es folgen thromboembolische und septische Komplikationen. In den nächsten Abbildungen zeige ich Ihnen einige Fälle aus unserer ersten Publikation und dann die Fälle der Jahre 2005 und 2006. Bei diesen Fällen ist der klinische Ablauf klar erkennbar und nachvollziehbar.

Fall 1: 46a, Multipara, Z.n. Sectio 32. SSW Gemini Uterus myomatosus Spontangeburt post partum Blutung Manuelle Plazentalösung, angewachsen an Sectio-Narbe Uterustamponade 2 Tage Uterusexstirpation 8 Tage Relaparotomie Adhäsionsileus Anurie Ikterus 5 Tage Obduktion: Hämatom vom linken Parametrium aus, die Niere umschließend 46-jährige Multipara, verheiratet, St.p.Sectio. In der 32. SSW Aufnahme: Gemini bei Uterus myomatosus. Spontangeburt zweier Mädchen aus HHH. Post partum starke Blutung, manuelle Plazentalösung: im Bereich der alten Sectionarbe angewachsen. Tamponade des Uterus. Zwei Tage p.p. Exstirpatio uteri et adnex. sin. et tub. dext. Postoperativ Anurie. 5 Tage nach Uterusexstirpation Re-Laparotomie, massiver Adhäsionsileus, neuerlich Anurie, Ikterus, Exitus nach 8 Tagen. Obduktion: riesiges Hämatom, ausgehend von den linken Parametrien, das die gesamte linke Niere umschloss

Fall 2: Multipara, 34a, Hausfrau Interruptio 6 Wochen Patientin bewußtlos im Auto aufgefunden im Krankenhaus gynäkologische Untersuchung unauffällig Tod im Schock Obduktion: Hämoperitoneum, in einem Koagel Fruchtblase mit 14 cm großer Frucht Uterusruptur nach Interruptio bei Zwillingsschwangerschaft 34-jährige Multipara, verheiratet, Hausfrau. Patientin bewusstlos in ihrem Auto aufgefunden, vor 6 Wochen Interruptio Gynäkologische Konsiliaruntersuchung o.B. Schockzustand und Exitus Obduktion: Hämoperitoneum, in einem der Koagula eine eröffnete Fruchtblase mit 14 cm langer, männlicher Frucht. Gebärmutter faustgroß, an der linken Hinterfläche medial vom Tubenwinkel eine 4 cm lange Zerreißung der Gebärmutterwand, aus dieser quillt Plazentagewebe. Uterusruptur nach Interruptio bei Zwillingsschwangerschaft

Fall 3: Multipara, 37a, 4. Grav. 34. SSW vorzeitiger Blasensprung Tokolyse 2 Wochen Spontangeburt 10 min. später Kollaps manuelle Plazentalösung Zervixriß Naht Blutung persistiert Uterustamponade Obduktion: Verblutungstod 10 cm langer Durchriß der Zervix und Uteruswand links hinten mit Blutung in das Parametrium 37 Jahre, 4. Grav. 34. SSW Vorzeitiger Blasensprung, Tokolyse, nach 2 Wochen Spontangeburt, nach 10 min. Kollaps. Manuelle Plazentalösung, Zervixriss über den Isthmus hinauf, Naht, jedoch bleibt Blutung bestehen. Uteruscavum tamponiert. Obduktion: Verblutungstod, ca. 10 cm langer Durchriss der Zervix und Uteruswand links hinten mit Blutung in die Parametrien.

Müttersterbefälle 2005 Fruchtwasserembolie St. post Sectionem Polyhydramnion, Blasensprung, Krämpfe Kreislaufkollaps, Sectio, Kind lebt, gerichtl. Obd. Vorz. Blasensprung, Sectio 36. SSW, nach 1 Stunde Blutung im Überwachungsraum, Exitus 25 min. später, gerichtl. Obd. Ruptur. intramurale Grav. Z.n.hysteroskop. Myom-OP vor 2 J. (Perfor.), Myokarditis (stat.), Kollaps, ca. 11. SSW Bei den Fällen der Jahre 2005 und 2006 ist der klinische Ablauf nicht mehr so klar erkennbar, weil die letzte Behandlung oft auf einer Intensivstation erfolgt und dann auch die Obduktion oft keine Klärung bringt.

Müttersterbefälle 2006 Placenta percreta (Sectionarbe) St.p.Sectionem, Pl. praevia, massive Blutung, Notsectio, Hysterektomie, Teilresektion der Blase, Candida-Sepsis, Multiorganversagen HELLP-Syndrom, Myelodysplastisches Syndrom in Transformation in akute myeloische Leukämie 50 min. postpartal vag. Blutung, HELLP, neurolog. auffällig, Krampfanfall, Hirnmassenblutung, 2 Tage später Exitus HELLP-Syndrom Primäre Sectio SSW 31+0, p.p. Hypertonie, Thromboseprophylaxe bis 9 Tage p.p., am 12. Tag zu Hause zentrale Lungenembolie

Wie können wir uns die Zukunft vorstellen? Einzelfallanalyse Datensammlung an Abteilung für Epidemiologie Analyse unter Einbeziehungen vor allem von Anästhesisten (Schnittstelle Blutungen) 5-jährige Analyse, Berichte und Empfehlungen (Vortrag, Leitlinien, Literaturhinweise) Jede Abteilung erstellt für sich einen Notfalls-Plan Die Einzelfallanalyse sollte eine genaue Diskussion der Ursachen und Details des klinischen Managements umfassen. Vorbild ist die englische Analyse „Why mothers die: the confidential enquiries into maternal deaths in the U.K.“ Ziel muss sein, die Zahl der Müttersterbefälle noch weiter zu reduzieren im Sinne einer Qualitätssicherung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! adolf.beck@meduniwien.ac.at