Akutes Nierenversagen („Akuter Nierenschaden“) Dr. Andreas Schnitzler 11-05-25 13h35
Fallbeispiel (1) Herr W.S., 85 Jahre Vorgeschichte: Am 4.5.11 pertroch. OSH-Fraktur. Mit Marknagel versorgt. Auffällige Einblutung in den Oberschenkel. Krea 1,5, Hstf 80 Anschließend in der Kurzzeitpflege. Medikamente: Bisoprolol, Amlodipin, Atacand, Lisinopril, Amilorid/HCT. Metformin. Aggrenox, Pantozol. Simvastatin. NEU: Ferro-Sanol, Ciproflox.
Fallbeispiel (2) am 13.5.11 Aufnahme wegen schlechtem AZ Hstf 320, Krea 8,9, Kalium 7,2 über Nacht weiterer Anstieg RR 85/55, Puls 120, HKT 28 (Hb 9,6)
Fallbeispiel (3) Diagnose: Akutes (normurisches) Nierenversagen Azotämie, Hyperkaliämie Ursachen: Vorbestehende cNI Anämie (‚ischämisch‘) Dehydratation (‚Exsiccose‘) Hypotonie (‚zirkulatorisch‘) DD allergische TIN (Ciproflox.?)
Szenenbild …
Wasserdefizit Osmolalität = 338 mosmol/l (2x Na + BZ (/18) + HSTF (/6), Norm=290) (vgl. hyperosmolares Coma diabeticum: wie bei BZ ~ 1.200 mg/dl) => kalkulatorisches Wasserdefizit: ca. 7,7 Liter (OSM-290/290*TBW (0,6*KG) )
Fallbeispiel (4) Blutdruck + Puls unter 1. Dialyse (14.5.11) NaCl 1000 ml NaCl 1000 ml NaCl 1000 ml
Themen Pathophysiologie des ANV / AKI Ursachen Management Literatur, Leitlinien, Quellen
Grundlagen: „Clearance“
CLEARANCE: X (Milli-)Liter Blut werden pro Zeit Y ‚vollständig‘ von Substanz Z gereinigt (100 ml/min => 144 L tgl)
Unabdingbare Voraussetzung: ‚steady state‘ innerhalb der Messzeit! Also: eine MESSUNG während des ANV ist völlig unsinnig! Bspw. werden täglich ausgeschieden: Normal => ca. 1g Kreatinin /die Im ANV (Anstieg) => < 0,3 g /die Erholung (Abbau) => 2-5 g/die
Extrazellulär Intrazellulär
Intravasal – interstitiell - intrazellulär
Berechnung der Clearance CKD-EPI: „Der Stein der Weisen“ …
WICHTIG !!! Ob Cockcroft-Gault, MDRD oder CKD-EPI, VÖLLIG EGAL, WIE man die GFR berechnet: MACHEN !!!
Stadien der Niereninsuffizienz
Risikofaktoren => Ein ANV trifft „fast immer“ vorgeschädigte Nieren! Alter Multimorbidität Vorbestehende Niereninsuffizienz (incl. eingeschränkte Funktionsreserve!) Schwere der akuten Erkrankung / des Eingriffs
Ablauf des ANV / AKI Eigentlich praktisch immer das gleiche: Schaden entsteht Akute Tubulusnekrose (Organschwellung) Stabilisierung Erholung (hoffentlich) Evtl. Wiederherstellung, ganz oder teilweise (wenn der Patient Glück hat…)
Die 4 Stadien des ANV /AKI
Biopsie? Warum? Wenn begründete Zweifel am ANV bestehen (DD RPGN) => frühzeitig Urinsediment! Wenn Unklarheiten über eine mögliche Funktionswiederherstellung bestehen (Frage bspw. nach Shuntanlage) Wann? diagnostisch: umgehend prognostisch: frühestens nach 3-4 Wochen
Grundlagen ANV Einteilung Häufigkeit RIFLE-Kriterien
80% 10% 10%
Der Urin ist der „Rauchmelder“ des Nephrologen: „Ohne Rauch kein Feuer“!
Konservatives Management Vorbeugung Identifizierung von Risikopatienten! Bspw.: Blutdruckabfall intraoperativ! Vermeidung / effektive Beseitigung von Volumenmangel Niedrigem Blutdruck Nephrotoxinen Behandlung s.o. Ultima ratio: Dialyse
Einmalig !
Konservatives Management Wasser (ZVD) Blutdruck Prävention = Behandlung
Weitere mögliche Maßnahmen Isotone NaBic-Lösung? (scheint sinnvoll, muss aber nicht) ACC vor KM-Gabe? Man macht nichts falsch Ist billig (und eine „deutsche“ Erfindung ;-) ) Hält Metaanalysen eher nicht stand BZ-Normalisierung Vorsicht: Unterzuckerungen schaden!
Konservatives Management Volumen (ZVD > 12, „Schockindex“!) Blutdruck (MAD >90 / syst. > 120) HKT > 33 (HB > 10) Medikamente (Dosis) anpassen (GFR abschätzen) Nephrotoxine vermeiden Hypervolämie begrenzen (Ursache erhöhter Mortalität oder Kennzeichen schwerer Krankheit?)
Schleifendiuretika (z.B. Furosemid) RICHTIG einsetzen: ERST UNBEDINGT sicherstellen, dass ausreichend Volumen verfügbar ist (ZVD, „Schockindex“) („Lasix ohne Wasser ist wie Denken ohne Hirn …“) AUSREICHEND HOCH dosieren Bspw. 250 mg mit 50 ml HA 20% in 20‘ („Kickstarter“) Falls erforderlich bis 1.000 mg tgl. !!! Rechtzeitig BEENDEN Falls Diurese < 500 ml/die: ABSETZEN Diurese > 1.500: REDUZIEREN (auf 1/2 bis ¼) „Diuretika“ machen DIURESE, KEINE GFR !!!
Dialysebeginn – früh oder spät? Anurie => unverzüglich (<= 12-24h) Bei Überwässerung, Hyperkaliämie: SOFORT! Oligurie => bald ? Volumen, RR; Versuch Schleifendiuretika? Normurie => ??? (eher spät?) Harnstoff > 160 (evtl. > 130?) Kreatinin ist KEIN Maßstab! Generell: Es gibt keine bessere Diurese als die eigene! Euvolämie und Normotonie IMMER beachten!
ACHTUNG: bei Urämie oft ZENTRAL (auskultatorisch NICHT hörbar!)
Dialyse … ist NUR eine Überbrückung der Entgiftungsfunktion … ist (per se) KEINE ‚gute‘ Maßnahme
Nachtrag – Diskussion – Warum empfiehlt der Nephrologe die Dialyse eher zurückhaltend? Ein Nephrologe, der „alles dialysiert, was nicht bei DREI auf dem Baum ist“, verliert jegliche Glaubwürdigkeit! Es ist also seine oberste Aufgabe, die Dialyse zu vermeiden, wo immer möglich. Wenn aber der BEHANDELNDE Arzt – der den Patienten „als Ganzes“ sieht – die Indikation stellt, ist es die verdammte Pflicht und Schuldigkeit des Nephrologen, ihn dabei bestmöglich zu unterstützen.
BREAKING NEWS ANV durch EHEC – key facts –: Inkubationszeit 2-8 Tage. Eher Kleinkinder (Schmierinfektion: Tiere). Blutige Diarrhoe (D+). Shiga-Toxine => diss. Mikrothrombosen: ZNS, Niere,… Anämie, Thrombo(---), LDH(+++), Fragmentozyten HUS/TTP: Mortalität (unbeh.) bis 90%. Plasmapherese bei drohendem Nierenversagen o.a. vital bedrohlichen Organkomplikationen Antibiotika (gegen EHEC-Toxin) eher nutzlos; bei systemischen Infektionen (nach Plasmaph.) abwägen! Folgeschäden bei Überleben (50%): Dialyse; HT, ProtU
BREAKING NEWS Meldepflicht, Isolation keine Tätigk. bis 3 neg. Stuhlproben Lit.: Zimmerhackl et al.: „Das hämolytisch-urämische Syndrom“. DÄB 2002 A198 ff. Karch et al.: „Erkrankungen durch enterohämorr- hagische Escherichia cloi (EHEC). DÄB 2000, A2314 ff.