Modul II 13. Vorlesung (1.2.2017) KVV 10 280 / Wintersemester 2016/ 17 Strafprozessordnung Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich Mittwochs von 14 bis 16 Uhr.

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Modul II 13. Vorlesung (1.2.2017) KVV 10 280 / Wintersemester 2016/ 17 Strafprozessordnung Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich Mittwochs von 14 bis 16 Uhr c.t. Unter den Linden 6, Raum 2116

Urteil I. Das erstinstanzliche Urteil Das Urteil ist die formgebundene und mit besonderen Wirkungen versehene, prozesserledigende Entscheidung des erkennenden Gerichts aufgrund einer Hauptverhandlung. Zu unterscheiden sind Prozessurteil, das die Fortsetzung des Verfahrens wegen eines Prozesshindernisses für unzulässig erklärt (z.B. § 260 III), und Sachurteil, das aufgrund des materiellen Anklagevorwurfs freispricht oder verurteilt. VL Strafprozessordnung Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich

Von einem Urteil abzugrenzen sind prozessbegleitende oder prozessbeendende Beschlüsse (z.B. Gem. §§ 28, 153 II), die entweder nicht den Prozess erledigen (Richterablehnung) oder nicht aufgrund einer obligatorischen Hauptverhandlung ergehen, sowie Verfügungen des Vorsitzenden, also prozessbegleitende Einzelanordnungen des/der Vorsitzenden (z.B. Zuteilung von Sitzplätzen für Pressevertreter). VL Strafprozessordnung Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich

2. Gegenstand der Urteilsfindung Gegenstand ist die im Anklagesatz, wie er im Eröffnungsbeschluss zugelassen ist, bezeichnete Tat im prozessualen Sinne, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung aus Sicht des Gerichts darstellt (§ 264). Prozessuale Tat ist das gesamte Verhalten des Beschuldigten, soweit es mit dem angeklagten geschichtlichen Vorkommen nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet, kurz: ein einheitlicher Lebenssachverhalt, dessen Aufspaltung unnatürlich erschiene. Bei Änderungen in der rechtlichen Würdigung durch das Gericht bedarf es eines richterlichen Hinweises (§ 265 I); die Aburteilung anderer Taten setzt eine Nachtragsanklage voraus, die der Zustimmung des Angeklagten bedarf (§ 266). VL Strafprozessordnung Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich

Unechte Wahlfeststellung: Sonderfall Wahlfeststellung (hierzu näher Pohlreich, ZStW 128 (216), S. 676 ff.) Unechte Wahlfeststellung: Bei jedem denkbaren Sachverhalt ist derselbe Tatbestand erfüllt. Echte Wahlfeststellung: Mehrere Sachverhaltsvarianten sind möglich, lassen sich aber nicht unter demselben Straftatbestand subsumieren.  Gesetzesalternative Verurteilung, wenn die Delikte rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind. Alle Sachverhaltsvarianten müssen angeklagt und vom Eröffnungsbeschluss umfasst sein. Wenn Wahlfeststellungssituation erst in der Hauptverhandlung deutlich wird, bedarf es der Nachtragsanklage. Die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat würde etwa bei Diebstahl und Hehlerei unter Umständen sehr weit auseinanderliegende Geschehnisse willkürlich zu einer Einheit verklammern (BGHSt 35, 60, 64). VL Strafprozessordnung Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich

3. Freie richterliche Beweiswürdigung Das Gericht muss über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnenen Überzeugung entscheiden (§ 261). Erforderlich ist die persönliche Überzeugung des Richters von der Schuld des Angeklagten; lediglich theoretische Möglichkeiten eines abweichenden Geschehensverlaufs stehen einem Schuldspruch nicht entgegen, wohl aber schließen vernünftige Zweifel nach Abschluss der Beweisaufnahme nach dem Grundsatz in dubio pro reo eine Verurteilung aus. VL Strafprozessordnung Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich

ist das Gericht grundsätzlich an keine formalen Beweisregeln gebunden. Abgesehen von gesetzlich geregelten Ausnahmen (z.B. in § 274 StPO, § 190 StGB, § 51 I BZRG) ist das Gericht grundsätzlich an keine formalen Beweisregeln gebunden. Allerdings ist das Gericht an die formalen Grenzen der Logik sowie an allgemeingültige und naturwissenschaftliche Erfahrungssätze gebunden (z.B. absolute Fahruntüchtigkeit bei einer BAK von 1,1 Promille). Vor allem muss das Gericht gem. § 261 das gesamte in der Hauptverhandlung ausgebreitete Beweismaterial erschöpfend würdigen. Beweise, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, dürfen nicht berücksichtigt werden. Aus der Wahrnehmung seiner Rechte (z.B. seines Schweigerechts) dürfen für den Angeklagten keine negativen Schlüsse gezogen werden. Gleiches gilt für eine berechtigte Zeugnisverweigerung. Allerdings darf eine Teileinlassung des Angeklagten zu dessen Lasten berücksichtigt werden, weil er sich hierdurch selbst zum Beweismittel im weiteren Sinne gemacht hat. VL Strafprozessordnung Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich