Ringbeschleuniger - 03, SS13 U. Ratzinger in Vertretung 3. Emittanz- und Phasenraumkonzept 3.1 Beschreibung des Strahltransports Vorausgegangen waren Betrachtungen zur Bewegung von Einzelteilchen relativ zu einer vorgegebenen Sollbahn bei linearen Rückstellkräften. Für eine konstant wirkende Rückstellkraft bekommt man dann die homogene Hill‘sche Differentialgleichung (3.1) mit konstant wirkender Fokussierkraft. u steht für die transversalen Koordinaten x(s), y(s). Dieser Fall ist zum Beispiel bei Bewegung des positiven Ionenstrahls in einer homogenen, um die Sollbahn symmetrisch verteilten Ladungswolke gegeben. Für positive K (Ladungswolke negativ geladen) ergibt sich als allgemeine Lsg.: (3.2) mit (3.3)
Hill‘sche Differentialglg. Veranschaulichung der Startbedingung bei s=0: (3.4) Skizze Als Ableitung von (3.2) nach s ergibt sich: (3.5) Für linear abstoßende Kräfte (positive Raumladungswolke) gelten (3.2), (3.4) und (3.5) ebenfalls, mit den Lösungen für C und S für negative K: (3.6)
Hill‘sche Differentialglg. Bei realen Ringen sind Fokussierelemente, Dipolmagnete, Driftstrecken sowie Beschleunigungsstrecken über den Ringumfang verteilt, daher ist K in der Hill‘schen Differential von s abhängig. Man erhält dann: (3.7) Hierfür gibt es kein allgemein gültiges Lösungsrezept, welches für alle Verteilungen K(s) brauchbar wäre. Daher entstand der Matrizenformalismus, wobei für Abschnitte Δs mit die Lösungen (3.2), (3.5) gelten. Diese lauten in Matrizenschreibweise: (3.8)
Hill‘sche Differentialglg. Damit lassen sich Bahnverläufe für beliebige Kombinationen von Ringelementen in guter Näherung ( nämlich für abschnittsweise konstant gehaltenes K) beschreiben. Im Folgenden werden einige Matrizen explizit angegeben.
Hill‘sche Differentialglg. Drift, Länge L: (3.9) Dünne Linse, Brennweite f, s → s0: (3.10)
Hill‘sche Differentialglg. Drift L1, dünne Linse, Drift L2 über Matrizenmultiplikation: (3.11)
Hill‘sche Differentialglg. 3.2 Wronski - Determinante Aus der allgemeinen Theorie linearer, homogener Differentialgleichungen lassen sich Aussagen über die Strahltransporteigenschaften machen. Allgemein lasen sich diese Gleichungen in zweiter Ordnung schreiben als (3.12) Hierfür gilt: Es gibt nur eine Lsg. zu gegebenen Randbedingungen u(s0) und u‘(s0) Wenn zwei Lösungen u1(s) und u2(s) zu der geg. Diff.glg. gefunden wurden, so ist auch jede Linearkombination davon eine Lösung. Zu den beiden Lösungen u1(s) und u2(s) wird die sog. Wronski – Determinante wie folgt gebildet: (3.13)
Hill‘sche Differentialglg. Für die Wronski-Determinante lässt sich folgende Differentialglg. bilden, wenn man die beiden Lösungen u1 und u2 jeweils in (3.12) einsetzt und mit –u2 bzw. mit u1 multipliziert: (3.14) Mit (3.13) lässt sich (3.14) direkt schreiben als (3.15) mit der Lsg. (3.16)
Hill‘sche Differentialglg. Wenn wir nun (3.12) mit der Hill‘schen Differentialglg. (3.1) vergleichen, So stellen wir fest, dass in unserem Fall der Koeffizient v(s) = 0 ist (das bedeutet das Fehlen von Reibungskräften wie z. B. Restgaswechsel- wirkung, Abstrahlung von Synchrotronstrahlung, aber auch von „Pseudoreibungskräften“ wie Beschleunigung in s-Richtung etc.) Damit bleibt in diesem Fall der Wert der Wronski – Determinante konstant. Für die Lösungen der Hill‘schen Diff.glg. zu konstantem K(s) ergibt sich dann aus (3.4) die allgemein gültige Bedingung (3.17) Dies bedeutet, dass in diesem Fall von Teilchen besetzte Flächeninhalte durch die Transformation erhalten bleiben. Allgemein wird dieser Sachverhalt durch den Liouville‘schen Satz ausgedrückt.
Liouville‘scher Satz 3.3 Liouville‘scher Satz Ein Teilchenensemble lässt sich im 6 – dimensionalen Phasenraum über die Verteilungsfunktion f charakterisieren: gibt die Anzahl der Teilchen im Volumen d3q d3p an der Stelle q, p an. Wegen Teilchenzahlerhaltung gilt bzgl. f die Kontinuitätsgleichung im 6 – dim. Phasenraum: (3.18) Dabei steht U für die Geschwindigkeit im Phasenraum (3.19)
Liouville‘scher Satz Weiterhin bedeutet (3.20) Aus (3.18) ergibt sich (3.21) Die ersten beiden Terme stehen für die totale zeitliche Ableitung (3.22)
Liouville‘scher Satz Elektromagnetische Felder, welche als Summe aus äußeren Feldern und Gemittelten Eigenfeldern entsprechend der Teilchenverteilung dargestellt werden, erlauben eine Beschreibung mittels kanonischen Bewegungsgleichungen (3.23) mit ν=1,2,3, und dem kanonischen Impuls (3.24) Damit erhält man für den dritten Term in (3.21) (3.25)
Liouville‘scher Satz Das Verschwinden dieses Terms begründet den Liouville‘schen Satz, da nun aus (3.21),(3.22) folgt: (3.26) Beim Strahltransport bleibt die Phasenraumdichte der Teilchen unverändert, damit bleibt also das besetzte Phasenraumvolumen konstant. Der 6-dim. Phasenraum ist für Anschauung und experimentelle Untersuchung nicht unmittelbar zugänglich. Falls Unterräume des Phasenraums entkoppelt sind (kein Volumenaustausch mit Den anderen Dimensionen), so bleiben die Unterraumvolumina für sich ebenfalls erhalten, um den Liouville‘schen Satz zu erfüllen. Dies ist das Konzept der zweidimensionalen Emittanzflächen, welches nun genauer betrachtet werden soll.
Emittanz 3.4 Emittanzen, zweidimensionale Unterräume Zerfällt die 3-dim. Bewegungsgleichung eines Teilchens in 3 unabhängige Bewegungsgleichungen in den Koordinaten x,y,s, so sind die Phasen-Unterräume voneinander entkoppelt. Die Fläche, die die Teilchen einnehmen ist ein Maß für die Qualität des Strahls. Diese Phasenraumfläche ist proportional zur sogenannten Emittanz des Strahls. Statt der Impulskoordinaten verwendet man als Achsen (3.27) Die Emittanzflächen liegen dann in der xx‘-, yy‘-, sowie der ss‘ - Ebene Longitudinal nimmt man meist die HF-Phasenlage φ sowie die Energieabweichung als Koordinatenachsen (aus Bequemlichkeit).
Emittanz Die Phasenraumfläche, welche die Teilchen eines Strahls im Unterraum xx‘,(und entsprechend in yy‘ oder ss‘) einnehmen, beträgt (3.28) Die Emittanz ergibt sich aus der belegten Phasenraumfläche als (3.29) Die effektive X% - Emittanz bezeichnet eine Ellipse, welche X% der Teilchen eines Teilchenhaufens enthält. Entsprechend (3.28) würde bei dieser Definition die Emittanz von der Strahl- energie abhängen . Den Erhalt der Phasenraumdichte nach Liouville kann man hingegen mittels der normierten Emittanzen verfolgen:
Emittanz (3.30) Transversal wird dabei die Reduzierung von x‘, y‘ bei zunehmender Teilchenenergie ausgeglichen (vgl. auch (3.28)): (3.31) Quantitativ genauere Aussagen über die Qualität des Teilchenstrahls und seine Dichteverteilung innerhalb der besetzten Phasenraumfläche erhält man mittels der sogenannten „Root Mean Square“- Emittanz, kurz rms – Emittanz genannt, welche über die zweiten Momente der Verteilung definiert wird: (3.32)
Emittanz Um wieder Unabhängigkeit des Emittanzwertes vom Beschleunigungsvorgang zu erhalten normiert man auch hier mit dem Faktor βγ: (3.33) Bei einer homogen mit Teilchen belegten Ellipsenfläche ergibt der rms – Wert gerade ein Viertel der entsprechenden „effektiven Emittanz“. Bei zentrisch stark gepeakten Dichteverteilungen werden noch weit größere Umrechnungsfaktoren erreicht, da der rms – Wert diese Dichteverteilung mit berücksichtigt. Als nächstes fragen wir, wie man den Transport des Teilchenensembles beschreiben kann, welches bei s0 innerhalb einer definierten Ellipse liegt.
Ellipsentransformation 3.5 Ellipsentransformation beim Strahltransport Die eingeschossene Phasenraumverteilung sowie die Stärke der linearen Ablenk- systeme entlang einer Sollbahn seien definiert. Dann gilt ohne Kopplung zwischen den Phasenraumebenen xx‘, yy‘, ss‘ der Erhalt der belegten, normierten Emittanzen entsprechend dem Liouville‘schen Satz. Die einhüllende Emittanzellipse, die sogenannte Phasenraumellipse, wird daher Orientierung und Form entlang der Sollbahn ändern, nicht aber die Fläche. Die Gesamtheit der Randteilchen bewegt sich auf der Einhüllenden, ihr Aufenthaltsort wird also über die Ellipsentransformation beschrieben. Man wählt zur Darstellung der Phasenraumellipse ganz spezielle Ellipsenparameter, die sogenannten Twiss – Parameter α, β, γ, deren Bedeutung später – beim Transport der Einzelteilchen – noch klarer ersichtlich wird, nämlich bei der Beschreibung der Betatronoszillationen. Wir gehen jetzt von einem unbeschleunigten Strahl aus, dann bleiben auch die effektiven, unnormierten Emittanzen konstant.
Ellipsentransformation Die Ellipsengleichung lautet in diesem Fall (3.34) mit Die Veranschaulichung der Twissparameter zu einer an einer Stelle s definierten Ellipse ist in untenstehender Skizze dargestellt.
Ellipsentransformation Teilchenkoordinaten werden entsprechend (3.8) durch ein Element mit konstantem K mittels Matrizenmultiplikation transportiert: (3.35) Dabei gilt an der Stelle s Glg. (3.34) zur Beschreibung der Phasenraumellipse. An der Eingangsseite s0 gilt: (3.36) Wenn man Glg. (3.35) ausmultipliziert kann man x0 und x0‘ als Funktionen von x und x‘ darstellen. Diese Ausdrücke setzt man in (3.36) ein. Dann ergeben sich für die Twiss-Parameter bei s folgende Ausdrücke:
Ellipsentransformation Diese Größen definieren also die transformierte Phasenraumellipse bei s. Transformation der Phasenraumellipse entlang einer Transportstrecke
Ellipsentransformation Beispiel: Driftstrecke Bei einer Drift ändern sich die Winkel x‘, y‘ nicht, daher ist g konstant. Die b-Funktion, welche den Strahlradius bestimmt verläuft parabelförmig. Die Halbachsen der Ellipse zeigen in die Achsenrichtungen, wenn a = 0 wird. Dann hat der Strahl eine Taille. Ist a0 > 0, d.h. der Strahl am Anfang konvergent, so wird dieser die Taille oder "waist" an der Stelle haben.
Einzelteilchenbewegung 3.6 Einzelteilchenbewegung, Courant-Snyder Invariante Wir gehen von der Hill‘schen Differentialgleichung aus, nehmen einen allgemeinen Lösungsansatz und stellen schließlich eine Verknüpfung zu den Twiss-Parametern her: (3.37) Hill – DGL Allgemeiner Lösungsansatz Die zweite Ableitung x‘‘ ergibt:
Einzelteilchenbewegung x und x‘‘ werden nun in die DGL eingesetzt: Der Ansatz soll für alle Teilchen und Winkel gelten, daher müssen die beiden Klammerausdrücke jeweils identisch Null sein. Rechte Seite: (3.38) Eingesetzt in den linken Klammerausdruck bekommt man Jetzt wird die Verbindung zu den Twiss-Parametern hergestellt, durch folgende Umbenennungen im obigen Ansatz: (3.39)
Einzelteilchenbewegung Einsetzen dieser Größen in den Lösungsansatz (3.37) und Verwenden von (3.38) ergibt Diese Gleichungen stellen die parametrische Darstellung einer Ellipse dar, mit Fläche επ. Die Startwerte bei s=0 lauten Die Phasen ψ lassen sich eliminieren und man kommt zur Koordinatendarstellung mit (3.40)
Einzelteilchenbewegung Dies ist die sogenannte Courant-Snyder-Invariante. Hiermit wird ausgesagt, dass ein betrachtetes Einzelteilchen sich als Punkt auf einer Ellipse beschreiben lässt. Diese Ellipse hat die konstante Fläche επ, wo bei ε zwischen 0 und dem Wert der Phasenraumellipse liegt. Die Ellipsenform ändert sich entlang s. Hiermit wird der zunächst umständlich anmutende Twiss-Parameter- Formalismus gerechtfertigt.
Einzelteilchenbewegung Darstellung einer einzelnen Teilchenbahn (oben) sowie von Teilchen auf der Phasenraumellipse mit unterschiedlicher Startphase. In der xs- Projektion trägt jede Bahn abschnittsweise zur Definition der Enveloppe bei.
Emittanzmessung 3.7 Emittanzmessung In der Praxis wird insbesondere bei niedrigen Strahlenergien die effektive Emittanz deutlich vergrößert – durch Abbildungsfehler Effektive X%-Emittanz Randemittanz Daher ist die Messung der Emittanzen sehr wichtig.
Emittanzmessung Strahlzerstörende Messungen (Linac) Schlitz-Gitter-Methode Pepperpot-Methode
Emittanzmessung Alternativ kann man an einer Stelle das Strahlprofil beobachten – in Abhängigkeit einer kontrolliert veränderten Linsenstärke vor der Messstelle. Die gemessenen Profile der unterschiedlich orientierten Ellipse lassen eine näherungsweise Bestimmung der Effektiven Strahlemittanz zu. Die vorstehend erwähnten Methoden erlauben dagegen eine detaillierte Untersuchung sowie die Bestimmung der rms-Emittanz.