Minderjährigenehen/Frühehen Umgang des Jugendamtes Düsseldorf mit dem Phänomen minderjährige Verheirate Jugendamt, Matthias Ditges

Eine Begriffsklärung: Minderjährigenehe oder Frühehe ist die (zivilrechtliche oder religiöse) eheliche Verbindung eines Paares, bei der mindestens einer der Partner jünger als 18 Jahre ist Kinderehe meint, dass einer der Partner unter 14 Jahre alt ist. Jugendamt, Matthias Ditges

Davon ist unbedingt abzugrenzen: Zwangsheirat! Davon sprechen wir, wenn mindestens einer der beiden Heiratskandidaten ohne volle und freie Zustimmung die Ehe eingeht/eingegangen ist. (Definition UNHCR) Eine solche Heirat nimmt den Betroffenen das Recht auf Selbstbestimmung und verstößt gegen das Recht auf freiheitliche Eheschließung aus Art. 6 Abs. 1 GG. Jugendamt, Matthias Ditges

Zwangsehen sind seit 2011 strafbar! Mit dem 2011 eingeführten Straftatbestand droht demjenigen Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 5 Jahren, der „einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt“. (§ 237 StGB) Zwangsehen können auch Minderjährigenehen sein. Jugendamt, Matthias Ditges

Eine im Ausland wirksam geschlossene Ehe ist in Deutschland anzuerkennen. Das ist die Regel im internationalen Privatrecht. Ausnahme: Die Ehe verstößt gegen den „ordre public“, Art. 6 EGBGB: Ist die ausländische Eheschließung „mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar“, ist die Ehe in Deutschland nicht anzuerkennen. Jugendamt, Matthias Ditges

Haltungsfrage… Für das Jugendamt Düsseldorf gilt, dass die Frage der (juristischen) Anerkennung der Ehe und die (Hilfs-)Maßnahmen im Einzelfall nicht zu verwechseln sind mit der grundsätzlichen Zustimmung zur Eheschließung Minderjähriger. Wir sind dezidiert für die Bekämpfung von Minderjährigenehen – auf politischer Ebene. Im Einzelfall ist aber durchaus denkbar, dass gerade die Nichtanerkennung der Ehe eines/einer Minderjährigen eine Gefährdung des Kindeswohls darstellt. Jugendamt, Matthias Ditges

3 Altersgruppen bei Minderjährigenehen: 16 bis 18 Jahre 14 bis 16 Jahre Jünger als 14 Jahre („Kinderehen“) Jugendamt, Matthias Ditges

Ehepartner 16 bis 18 Jahre alt Hier prüfen wir im persönlichen Gespräch, ob es sich um eine freiwillig eingegangene Ehe handelt. Ist dies der Fall, ist die Ehe anzuerkennen. Auch in Deutschland können junge Menschen ab 16 Jahre heiraten, wenn das Familiengericht nach Anhörung des Jugendamtes die Befreiung von der Ehemündigkeit ausspricht, § 1303 BGB. Jugendamt, Matthias Ditges

Ehepartner 14 bis 16 Jahre alt Hier nehmen wir sofort Kontakt auf, recherchieren die Umstände der Eheschließung, überzeugen uns von der Freiwilligkeit und prüfen, ob Jugendhilfe geboten ist; Verfahren nach § 8a SGB VIII. Zwar ist bei einem Partner, der älter ist als 21 Jahre, mgw. der Straftatbestand des sexuellen Mißbrauchs erfüllt, allerdings wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, § 182 StGB. Dieser Umstand allein erfüllt aber nach Auffassung des „Deutschen Instituts für Jugendhilfe- und Familienrecht“ nicht die Voraussetzungen des ordre public. Damit wäre auch diese Ehe bei vorhandener Freiwilligkeit und Absicht der Ehepartner, zusammen zu bleiben, anzuerkennen. Jugendamt, Matthias Ditges

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Ehepartner unter 14 Jahre alt Hier geht das Jugendamt Düsseldorf immer von einer Kindeswohlgefährdung aus und setzt sofort ein Schutzkonzept um. Das ist stets von den Umständen des Einzelfalles abhängig und geht von der Inobhutnahme des Kindes, der Rückführung zu seinen Eltern, der Entfernung des Mannes aus der Wohnung, bis hin zur Unterbringung des Kindes in einer geeigneten Unterbringungsform. In jedem Fall wird unverzüglich das Familiengericht informiert und eine Vormundschaft eingerichtet. Jugendamt, Matthias Ditges

Ehepartner unter 14 Jahre alt Diese Ehe ist nach herrschender Meinung grundsätzlich wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht anerkennungsfähig. (a.A. z.B. OLG Bamberg, 2 UF 58/16 v. 12.05.2016) Der Vollzug der Ehe erfüllt den Tatbestand des sexuellen Mißbrauchs von Kindern, wenn der Ehepartner strafmündig, also über 14 Jahre alt ist, § 176 StGB. Die Einwilligung des Kindes ist unbeachtlich. Jugendamt, Matthias Ditges

Das Vorgehen des Jugendamtes… …ist also nach dem rechtlichen Auftrag bestimmt von der differenzierten Würdigung des Einzelfalles. Bei allen Fällen unter 16 Jahren wird geprüft, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und das Verfahren nach § 8a SGB VIII in Gang gesetzt. Ziel: Schutz der Kinder und Jugendlichen und Hilfe. Jugendamt, Matthias Ditges

Konkret: Im Regelfall richtet das Jugendamt eine Vormundschaft für den minderjährigen „Ehepartner“ ein, um dessen Interessen wirksam zu vertreten. Jugendamt, Matthias Ditges

Ein paar Zahlen: 1.475 minderjährige Verheiratete registriert Davon 67 % (994) zwischen 16 und 18 Jahre 361 unter 14 Jahre Häufigkeit: 1. Syrien (664) 2. Afghanistan (157) 3. Irak (100) Aber auch: Bulgarien (65), Rumänien (33), Griechenland (32) (Quelle: Bundesinnenministerium, Stichtag 31.07.2016) Jugendamt, Matthias Ditges

Zur Einordnung Um sich der quantitativen Relevanz zu nähern, folgende Überlegung: Für NRW ergeben sich zum Stichtag 31.07.16 rechnerisch bei 20% der Einwohnerzahl der Bundesrepublik (361 x 20%) gut 70 Verheiratete unter 14 Jahren. Gesamtzahl der Jugendämter in NRW: 186 Das Jugendamt Düsseldorf hatte in den letzten 10 Jahren 12 Fälle mit Verheirateten unter 16 Jahren, davon 4 unter 14 Jahren. Aktuell betreuen wir eine 15jährige syrische Ehefrau und Mutter. Jugendamt, Matthias Ditges

Ausblick: Das „Deutsche Institut für Jugendhilfe- und Familienrecht“ und das „Deutsche Institut für Menschenrechte“ haben im November 2016 Positionspapiere zu Minderjährigenehen veröffentlicht. Von den Überschriften: Kinderschutz erfordert Differenzierung Differenziertes Vorgehen erforderlich fühlen wir uns als Jugendamt bestärkt! Jugendamt, Matthias Ditges

Bis hierhin: Vielen Dank! Und nun beantworte ich gerne Ihre Fragen! Jugendamt, Matthias Ditges