Theorie der autoritären Persönlichkeit

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 Präsentation transkript:

Theorie der autoritären Persönlichkeit Erich Fromm (1900 -1980) – ein deutsch-US-amerikanischer Psychoanalytiker, Philosoph, Sozialpsychologe, Vertreter des normativen Humanismus Theodor W. Adorno (1903 - 1969) - ein deutscher Philosoph, Soziologe, Hauptvertreter der Kritischen Theorie / Frankfurter Schule

Die Autoritäre Persönlichkeits- bzw. Charakterstruktur = System von Eigenschaften, die für das Entstehen antidemokratischer und (prä-)faschistischer Einstellungen und Verhaltensweisen maßgeblich sind Entstehung aus der Verarbeitung (emotionaler) Erlebnisse und Erfahrungen im Kindes- und Jugendalter (Adoleszenz) Der Ursprung der Autoritarismusforschung Das Experiment von Milgram belegte, wie stark Menschen bereit sind, Autoritäten zum Schaden anderer Menschen zu folgen. In der Sozialpsychologie beschäftigt sich die Forschung zum Thema Autoritarismus u.a. mit solchen Phänomenen des Gehorsams gegenüber Autoritäten. Während Milgram aber insbesondere daran interessiert war herauszufinden, unter welchen situativen Bedingungen der Gehorsam gegenüber etablierten Autoritäten besonders stark ist, versucht die Autoritarismusforschung u.a. zu erklären, welche Persönlichkeitsmerkmale einen Menschen besonders anfällig dafür machen, Autoritäten bedingungslos zu folgen. Das ursprüngliche Ziel der Autoritarismusforschung war es, vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland, die Empfänglichkeit der Bevölkerung für faschistische und antidemokratische Ideologien zu erklären. Wie war es möglich, dass Millionen von Deutschen die Verfolgung und die Ermordung von Jüdinnen und Juden, Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung, homosexuellen Menschen, politischen Dissidenten und Angehörigen anderer Minderheitengruppen unterstützen? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchten, die psychologischen Kräfte des Faschismus zu identifizieren, damit dieser besser bekämpft werden könne. Ein Ergebnis dieser Bestrebungen war die Theorie der autoritären Persönlichkeit (Adorno, Frenkel-Brunswik, Levinson & Sanford, 1950). Die autoritäre Persönlichkeit wurde als ein in der Gesellschaft weit verbreiteter Sozialtypus aufgefasst, der durch die frühkindliche Sozialisation in der durch patriarchale Familienstrukturen geprägten autoritären Herrschaftsordnung der 1920er und 1930er Jahre entstand. Damit ergaben sich in der Gesellschaft stark verankerte Tendenzen zur bedingungslosen Unterordnung und Konformität gegenüber den herrschenden Autoritäten und zur Unterstützung aggressiver Strafmaßnahmen als Mittel sozialer Kontrolle. Als psychologisches Erklärungsmodell zur Entstehung der autoritären Persönlichkeit wurde die Psychoanalyse herangezogen. Demnach führte eine auf Disziplin und Gehorsam ausgerichtete und straforientierte Erziehung dazu, dass die Kinder ihre Eltern idealisierten und deren Werte und Normen unkritisch übernähmen. An die Stelle der Eltern träten dann im Erwachsenenalter gesellschaftliche Autoritäten. Obwohl das Konzept der autoritären Persönlichkeit und insbesondere die psychoanalytischen Erklärungsansätze stark kritisiert wurden, hatten diese Forschungsarbeiten einen nachhaltigen Einfluss auf spätere Studien zu diesem Thema.

F(aschismus)-Skala nach Adorno beschreibt „implizite antidemokratische Tendenzen und Faschismuspotential"

Denkmuster – Merkmal - Beispiel Konventionalismus (coventionalism): starre Bindung an die konventionellen Werte des Mittelstands (konventionell = herkömmlich) „Gehorsam und Respekt gegenüber der Autorität sind die wichtigsten Tugenden, die Kinder lernen sollen."

Autoritäre Unterwürfigkeit (authoritarian submission) = Unkritische Unterwerfung unter idealisierte Autoritäten der Eigengruppe „Was dieses Land vor allem braucht, mehr als Gesetze und politische Programme, sind ein paar mutige, unermüdliche, selbstlose Führer, denen das Volk vertrauen kann."

Autoritäre Aggression (authoritarian aggression) = Tendenz, nach Menschen Ausschau zu halten, die konventionelle Werte missachten, um sie zu verurteilen, ablehnen und bestrafen zu können. „Sittlichkeitsverbrechen, wie Vergewaltigung und Notzucht an Kindern verdienen mehr als bloße Gefängnisstrafe; solche Verbrecher sollten öffentlich ausgepeitscht und noch härter bestraft werden."

Anti-Intrazeption (anti-intraception) = Abwehr des Subjektiven, des Phantasievollen, Sensiblen „Der Geschäftsmann und der Fabrikant sind viel wichtiger für die Gesellschaft als der Künstler und der Professor."

Aberglaube und Stereotypie (substitution and stereotypes) = Glaube an die mystische Bestimmung des eigenen Schicksals; die Disposition , in rigiden Kategorien zu denken „Kriege und soziale Unruhen werden wahrscheinlich eines Tages durch ein Erdbeben oder eine Flutkatastrophe beendet werden, welche die Welt vernichtet."

Machtdenken und "Kraftmeierei“ (power and toughness) = Denken in Dimensionen wie Herrschaft – Unterwerfung, stark – schwach, Führer – Gefolgschaft; Identifizierung mit Machtgestalten; Überbetonung der konventionalisierten Attribute des Ich; übertriebene Zurschaustellung von Stärke und Robustheit. „Weder Schwäche noch Schwierigkeiten können uns zurückhalten, wenn wir genug Willenskraft haben."

Destruktivität und Zynismus (destructiveness and cynicism) = Allgemeine Feindseligkeit, Diffamierung des Menschlichen „Es wird immer Kriege und Konflikte geben, die Menschen sind nun einmal so.“

Projektivität (projectivity) = Disposition, an wüste und gefährliche Vorgänge in der Welt zu glauben; Projektion unbewusster Triebimpulse auf die Außenwelt „Die meisten Menschen erkennen nicht, in welchem Ausmaß unser Leben durch Verschwörungen bestimmt wird, die im Geheimen ausgeheckt werden.“

Sexualität (sex) = Übertriebene Beschäftigung mit sexuellen „Vorgängen“ „Die sexuellen Ausschweifungen der alten Griechen und Römer waren ein Kinderspiel im Vergleich zu gewissen Vorgängen bei uns, sogar in Kreisen, von denen man es am wenigsten erwarten würde."

Das Konzept des Autoritarismus aus heutiger Sicht drei Dimensionen einer generalisierten Einstellung (nach Altemeyer, 1996) : Konventionalismus (Unterstützung etablierter Normen und Regeln der Gesellschaft) autoritäre Unterwerfung (Betonung von Respekt und Gehorsam gegenüber anerkannten gesellschaftlichen Autoritäten) autoritäre Aggression (Intoleranz und Härte gegenüber Personen und Gruppen, die etablierten Regeln und Normen der Gesellschaft widersprechen und die als Aggressionsziele „gebrandmarkt“ sind)

Unterordnung der persönlichen Interessen und Bedürfnisse unter die (An-)Forderungen von anerkannten Autoritäten (Duckitt, 1989) soziale Konformität > individuelle Freiheit (Feldman, 2000) Autoritarismus in Gruppen am Bsp. Der zustimmung zum Ksovo-Krieg durch Bündnis90/Die Grünen (Stellmacher, 2004) Bereitschaft zur Übernahme, Repräsentation und ggf. aggressiven Verteidigung der von anerkannten Autoritäten repräsentierten Werte und Normen

Autoritarismus als Persönlichkeitsmerkmal Frühe Kindheit: Mangel an Zuwendung, fehlende bzw. unsichere Bindungen (Adorno) Heranwachsende: keine Ausbildung von Fähigkeiten zum konstruktiven Umgang mit Krisensituationen (Oesterreich) z.B. bei überbehütendem Erziehungsstil Jugendliche: im Ablösungsprozess vom Elternhaus, Rolle der Peergroup (Duckitt), ungenügende Kontakte mit Diversität (Altemeyer, Feldman) Medien: Konstruktion von Bedrohungsszenarien

Autoritarismus als Verhaltensweise Auslöser: Direkte Anweisungen durch Autoritäten oder vorherrschende Normen Wahrnehmung von Bedrohung der Gesellschaft oder der eigenen sozialen Gruppe Wahrnehmung der Bedrohung der individuellen Sicherheit und Existenz

Reduktion von Autoritarismus direkte Reduzierung individueller autoritärer Dispositionen durch kritische Reflektion der eigenen Werthaltung, Förderung des moralischen Urteils, Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwar-tungen Elterntraining  autoritativer Erziehungsstil, sicherer Bindungsstil Verhinderung von Mediendiskursen, die Bedrohungen suggerieren Herstellung von Kontakten zu fremden Lebenswelten

"Wer … ständig unreflektiert und in aggressiver Art und Weise solche rigiden Parolen verkündet, neigt zu einem autoritären Charakter und muss sich fragen lassen (bzw. selbstkritisch fragen), wie anfällig er/sie für menschenverachtende Ideologien und totalitäre Politik ist.“ (Klaus Hufer, 2001)

Quellen: http://www.teachsam.de/psy/psy_pers/psy_aut_pers/psy_aut_pers_2.htm http://de.in-mind.org/article/nie-wieder-faschismus-zur-psychologie-des-autoritarismus? Hufer, Klaus: Konstruktivismus in der Kritik. Konstruktivismus - die Entpolitisierung der politischen Bildung mit Hilfe einer Erkenntnistheorie. 2001 Keupp, Heiner: Vom Ringen um Identität in der spätmodernen Gesellschaft. 2010 Lindau Adorno, Theodor W.: Kulturkritik und Gesellschaft I/II: Erziehung nach Auschwitz. S. 8516. In: Adorno, Th. W.: Gesammelte Schriften. 1970.