Digitale Medien im DaF-Unterricht – historische Entwicklungen und aktuelle Perspektiven Gastvortrag von Jun.Prof. Dr. Katrin Biebighäuser (Pädagogische Hochschule Heidelberg) an der Universität Wien in Rahmen der Einführungsvorlesung DaF/DaZ 19.05.2016 biebighaeuser@ph-heidelberg.de
Agenda Fazit Begriffsannäherung Eine kleine Geschichte der digitalen Medien im DaF-Unterricht Digitale Medien als Lernmedien Fertigkeiten und Fähigkeiten durch digitale Medien fördern Digitale Medien als Kommunikationsmedien Perspektiven: Auf dem Weg in eine neue Lernkultur? M-Learning Augmented Reality Big Data und Fremdsprachenlernen Fazit
Begriffsannäherung „digitale Medien“ vs. „neue Medien“ Neue Medien = „alle Verfahren und Mittel (Medien), die mit Hilfe neuer oder erneuerter Technologien neuartige, also in dieser Art bisher nicht gebräuchliche Formen von Informationserfassung und Informationsbearbeitung, Informationsspeicherung, Informationsübermittlung und Informationsabruf ermöglichen“ Ratzke (1982, 16) Digitalisierung als neue Qualität der Medien: Multimedialität, Multimodalität, Interaktivität
Begriffsannäherung Funktionen von (digitalen) Medien im Fremdsprachenunterricht Material Übungsmedium Werkzeug Kommunika-tionsmedium CMC Computer Mediated Communikation CALL Computer Assisted Language Learning
Eine kleine Geschichte der digitalen Medien im DaF-Unterricht - Computer -
In der Anfangszeit (1980/1990er) Eine kleine Geschichte der digitalen Medien im DaF-Unterricht - Computer im Fremdsprachenunterricht - In der Anfangszeit (1980/1990er) Selbstlernmaterialien Alleinstehende Übungen Lernprogramme Diskette CD-ROM Entwicklung in der Grafik Aber: Didaktisch immer „drill and kill“-Übungen Später: multimediale Lernprogramme Aber: immer individualisiertes Lernen Computerlabore
Eine kleine Geschichte der digitalen Medien im DaF-Unterricht http://cms.gymnasium-moosburg.de/uploads/ pics/19780223_sprachlabor.jpg http://multimedia-fl.com/wp-content/uploads/2015/09/slide_digital_language_lab.jpg
Eine kleine Geschichte der digitalen Medien im DaF-Unterricht - Das Internet - 1989/1991: World Wide Web 1993: erste grafikfähige Browser (1993 Mosaik, 1994 Netscape Navigator) Donath (1992/1994): Klassenpartnerschaften per E-Mail 1995: Vier didaktische Chancen des Internets für den Fremdsprachenunterricht : Schülerorientierung, Interdisziplinarität, interkulturelles Lernen, Authentizität der Sprache und Interaktion (Eck, Legenhausen & Wolff 1995, 113ff) 1998: Hot Potatoes 2003: Web 2.0 Hot Potatoes was first released in version 2.0 in September 1998, at the EuroCALL conference in Leuven, Belgium.
Potentiale digitaler Medien Distribution Repräsentation Exploration Kommunikation Kooperation und Kollaboration Distribution (die zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit von Informationen und Materialien), Repräsentation (multi- und hypermediale Darstellung von Informationen), Exploration (exploratives Lernen durch Interaktion und Bearbeitung von Informationen), Kommunikation (Interaktion mit anderen Nutzern) und Kooperation bzw. Kollaboration (das gemeinsame Arbeiten mehrerer Nutzer). Reinmann (2005, 76 ff.)
Digitale Medien als Lernmedien Schreiben Schreiben häufig als Mittlerfertigkeit geschlossene Schreibübungen „Schreib-Boom“ durch Web 2.0 Problem: Feedback auf freigeschriebene Texte Potential durch Automatisches Feedback auf freie Lernertexte (Heringer, 2015) Feedback von Mitlernenden oder Tutoren Kooperatives & Kollaboratives Schreiben Wikis Kollaborative Texteditoren (Google Docs, etherpad, titanpad, hackpad) Heringer: App zum Simulieren der Prüfung Zertifikat Deutsch
http://huachengaussingapur.blog.de/2008/05/10/ersteintrag-4155058
Quelle: Platten (2008): http://zif. spz. tu-darmstadt
https://titanpad.com/B13wikivorbereitung, Bericht: Girbinger (2012): https://gibirger.wordpress.com/2012/10/26/task-basiertes-deutschlernen/
Digitale Medien als Lernmedien Leseverstehen, Hörverstehen und Hörsehverstehen Digitale Medien als Lieferant authentischer, aktueller Inhalte Digitale Medien vor allem als Lernmaterial Verstehensförderung durch Multimodalität Überprüfung der Verstehensleistung durch geschlossene Übungen ? Einsendeaufgaben Kommunikation mit anderen Lernern im Foren, Wikis etc. Didaktisiertes Material vs. unbearbeitete Inhalte
http://www.dw.com/de/deutsch-lernen/top-thema/s-8031
Digitale Medien als Lernmedien Sprechen Nachsprechübungen analog zum Sprachlabor Durch Spracherkennung Feedback möglich Freies Sprechen durch Web 2.0 Anwendungen Voki (Jahns &Krauss 2015) Voxopop http://www.voxopop.com/topic/18a1a815-ad4a-4ad8-b1cf-83dd5fe7ac62#.VziZ2uQquK4
Digitale Medien als Lernmedien Grammatik Traditionell Fokus auf Grammatik in Lernsoftware Nicht mehr nur Training, auch Vermittlung Animationen als Erklärhilfen nutzen Scheller (2009): Animationen eignen sich zur Darstellung sequenzieller oder kausaler Sachverhalte, solange dies nicht zu einer Reizüberflutung oder Ablenkung führt. Interaktive Animierte Grammatik (Zeyer, Bernhard, Ivanovska 2015) Aus der Diskussion ergibt sich ein differenziertes Bild verschiedener Parameter des Einsatzes von Animationen. So kann nicht grundsätzlich von einem Nutzen multimedialer Animationen ausgegangen werden. Da die menschlichen Verarbeitungsressourcen begrenzt sind, kann der Unterhaltungswert übermäßiger oder falsch platzierter Animationen genauso kontraproduktive Ergebnisse hervorbringen.
Digitale Medien als Kommunikationsmedien Schnelligkeit Kostenfreiheit Anhang digitaler Inhalte (Bilder, Tondokumente, Videos) Asynchrone Kommunikation: Klassenpartnerschaften und Tandems: von der Snailmail zur E-Mail und darüber hinaus Synchrone Kommunikation: von Telefon über Chat zur Konferenzsoftware
Komplexe Umgebungen als Lern- und Kommunikationsmedien Biebighäuser, Katrin (2014): Fremdsprachenlernen in virtuellen Welten, S. 146
Komplexe Umgebungen als Lern- und Kommunikationsmedien Authentisches Material (?) Kooperation und Kommunikation Entdeckendes Lernen Aber: hoher Cognitive Load Biebighäuser, Katrin (2014): Fremdsprachenlernen in virtuellen Welten, S. 146
Perspektiven: Auf dem Weg in eine neue Lernkultur? Verknüpfung von „Freizeit“ und „Lernen“ „private“ Endgeräte werden zum Lernen verwendet zeit- und ortsunabhängiges Lernen Game Based Learning: Edutainment und Gamification
http://www.magazin-forum.de/2014-so-viele-handys-wie-menschen/
M-Learning „M‐Learning als Sammelbezeichnung für alle Lehr‐ und Lernvorgänge […], die mit Unterstützung elektronischer Geräte ablaufen […] und bei denen die Lernenden lokal nicht mehr an bestimmte, explizit für das Lernen vorgesehene Orte wie Schule, Unterrichtsraum oder Arbeitsplatz zu Hause gebunden sind. Im Kern ist es dabei unerheblich, ob die Geräte selbst mobil sind, oder ob dies nur auf die Lernenden zutrifft, die über an verschiedenen Orten fest installierte Geräte auf ihre Lernmedien und -werkzeuge zugreifen.“ (Mitschian, 2010,S.17)
Innerhalb des Unterrichts Außerhalb des Unterrichts m-learning Selbst-lernen Material-suche Partner-/ Gruppen-arbeit individuell Innerhalb des Unterrichts Außerhalb des Unterrichts
m-learning außerhalb des Unterrichts: Selbstlernen mit Apps
App: 50 Sprachen
App: babbel
App: lingibli
Fazit: Sprachlernapps Häufig auf Vermittlung von Vokabeln beschränkt Pro: Kann schnell zwischendurch bearbeitet werden Contra: Kontext? Aufmerksamkeit? http://www.absatzwirtschaft.de/wp-content/uploads/2014/12/Handy_Ubahn_Pendler_Studie.jpg
Edutainment-App: Lernabenteuer Deutsch - Das Geheimnis der Himmelsscheibe
m-learning innerhalb der Klasse
(Geschlossene) Übungen selbst programmieren
M-Learning – neue Aufgabenformen mit mobilen Endgeräten als Werkzeug Phonecasting Phoneblogging Personal Response Systeme
PACER- Ein Modell zur Integration des M-Learnings in der Unterricht Stunde 1a M-Learning in der Klasse (Material) Stunde 1b M-learning außerhalb der Klasse (üben) Stunde 2 Pre-teaching Authentic Input via Handheld Classroom communication practice External practice via Handheld Reinforce in Classroom Carrier (2011)
m-learning außerhalb der Klasse: Materialsuche und -Erstellung
Materialsuche und -erstellung mit mobilen Endgeräten Alltag kann mit ins Klassenzimmer gebracht werden Fotos Interviews Filme Als Tool in Projektarbeit (z.B. Blogs, Podcasts) Handys im Unterricht erlauben?
m-learning außerhalb der Klasse: Fremdsprachenlernen mit augmented reality
Augmented Reality „Erweiterte Realität“ Kontextuelles Lernen, Lernen an realen Orten Potential für landeskundliches Lernen www.wikitude.com
Augmented reality Actionbound.de: Schnitzeljagden für mobile Endgeräte
„Big Data“ und Fremdsprachenlernen? „Big data is a term describing the storage and analysis of large and or complex data sets using a series of techniques “ (Ward & Baker 2013)
„Big Data“ und Fremdsprachenlernen? Korpuslinguistik und Fremdsprachenlernen? (Fandrych & Tschirner 2008, Lüdeling &Walter, 2009) Als Informationslieferant für Lerner: Entdeckendes Lernen an authentischen Texten (Data Driven Learning, Ludewig 2005) Als Informationslieferant für Forscher und Lehrer: Analyse von Lernertexten (FALKO: Lüdeling u.a. 2008) Nicht übergeneralisierbar!
„Big Data“ und Fremdsprachenlernen? Rutkin, 2014
duolingo
Fazit: Didaktische Maßgaben zum Einsatz von digitalen Medien im DaF-Unterricht Primat des Didaktischen: „Der Einsatz der digitalen Medien ist nur da sinnvoll, wo er sinnvoll ist” (Rösler 2006, 69) Motivation (nur kurzfristig) Individualisierung in Übungsphasen Weitergehende Kooperationen (CMC) Sinnvolle Einbettung in den Unterricht - Aufgabenorientierung als didaktisches Konzept im Einsatz digitaler Medien im DaF-Unterricht
Task-Based Language Learning „Eine task nennt den Zweck und das erwartete Ergebnis einer Aktivität, sie legt den Schwerpunkt auf die Bedeutung dessen, was gesagt wird und nicht auf die Verwendung einer bestimmten Form (z.B. die Anwendung einer grammatischen Struktur), und sie versucht, die Sprache so zu verwenden, wie sie im Alltag vorkommen könnte (real or authentic language use).“ Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2005,2
Gütemerkmale guter (digitaler) Aufgaben Bedeutungsgehalt und Lebensweltbezug von Aufgaben Lernende als ernst genommene fremdsprachlich Handelnde Transparenz von und angemessene Herausforderung durch Aufgaben Sprachenlernen durch Bedeutungs- und Formfokussierung Thematische und inhaltliche Angemessenheit von Aufgaben und Lerneräußerungen Ergebnisorientierung von Aufgaben Sorgfältige Vor- und Nachbereitung, Scaffolding (Biebighäuser, Zibelius & Schmidt 2012, 19ff.)
Literatur (1) Biebighäuser, Katrin (2014): Fremdsprachenlernen in virtuellen Welten. Empirische Untersuchung eines Begegnungsprojekts zum interkulturellen Lernen. Tübingen: Narr. Biebighäuser, Katrin; Zibelius, Marja & Schmidt, Torben (Hrsg.): Aufgaben 2.0 – Konzepte, Materialien und Methoden für das Fremdsprachenlehren und -lernen mit digitalen Medien. Tübingen: Narr. Carrier, Michael (2011): Handheld Learning: theory & practice. Online unter http://www.englishuk.com/uploads/assets/members/membership_matters/agm/2011_presentations/Microsoft_PowerPoint_-_EUK_-_Handheld_v1e_Michael_Cornes_Compatibility_Mode.pdf Donath, Reinhard (1992): Das AT&T Learning Network.In: Computer und Unterricht 7, 22-26 Donath, Reinhard (1994): Goethe goes E-Mail. In: LOG IN 14/5,54-57. Eck, Andreas, Legenhausen, Lienhard & Wolff, Dieter (1995): Telekommunikation im Fremdsprachenunterricht. Bochum: AKS-Verlag Fandrych, Christian & Tschirner, Erwin (2007): Korpuslinguistik und Deutsch als Fremdsprache. Ein Perspektivwechsel. In: Deutsch als Fremdsprache 44, 4, 195-204. Girbinger (2012): Task basiertes Deutschlernen [Online]. Abrufbar unter: https://gibirger.wordpress.com/2012/10/26/task-basiertes-deutschlernen/ Heringer, Hans Jürgen (2015) Ein Prüfungssimulator für DaF. German as a foreign language 2, 2015. Platten, Eva (2008), Gemeinsames Schreiben im Wiki-Web - Aktivitäten in einer untutorierten Schreibwerkstatt für fortgeschrittene Deutschlernende. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online] 13: 1, 22 S. Abrufbar unter http://zif.spz.tu-darmstadt.de/jg-13-1/beitrag/Platten1.htm Lüdeling, Anke & Walter, Maik (2009): Korpuslinguistik für Deutsch als Fremdsprache. Sprachvermittlung und Spracherwerbsforschung [Online]. Abrufbar unter https://www.linguistik.hu-berlin.de/de/institut/professuren/korpuslinguistik/mitarbeiter-innen/anke/pdf/LuedelingWalterDaF.pdf
Literatur (2) Lüdeling, Anke; Doolittle, Seanna; Hirschmann, Hagen; Schmidt, Karin & Walter, Maik (2008): Das Lernerkorpus Falko. In: Deutsch als Fremdsprache 2(2008), 67-73. Ludewig, Petra (2005): Korpusbasiertes Kollokationslernen: Computer-Assisted Language Language Learning als prototypisches Anwendungsszenario der Computerlinguistik. Berlin u.a.: Lang. Müller-Hartmann, Andreas & Schocker-von Ditfurth, Marita (2005), Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht. Entwicklungen, Forschung und Praxis, Perspektiven. In: Müller-Hartmann, Andreas & Schocker-von Ditfurth, Marita (Hrsg.), Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht. Task-Based Language Learning and Teaching. Tübingen: Narr, 1-51. Reinmann, Gabi (2005): Blended Learning in der Lehrerbildung. Grundlagen für die Konzeption innovativer Lernumgebungen. Lengerich et al: Pabst. Rösler, Dietmar (2007): E-Learning Fremdsprachen. Eine kritische Einführung (2. Auflage) Tübingen: Stauffenburg. Rösler, Dietmar (2006): Deutsch als Fremdsprache mit digitalen Medien – ‚Freund’ und ‚Feind’ des interkulturellen Lernens. In: Reeg, Ulrike (Hrsg): Interkultureller Fremdsprachenunterricht: Grundlagen und Perspektiven. Bari; edizioni di pagina, 67-77. Rutkin, Aviva (2014): My duolingo learning app can reshape Education. In: Newscientist. Online unter: https://www.newscientist.com/article/mg22229694.900-my-duolingo-learning-app-can-reshape-education Scheller, Julija (2009): Animationen in der Grammatikvermittlung. Multimedialer Spracherwerb am Beispiel von Wechselpräpositionen. Berlin u.a.: Lit Verlag. Ward, Jonathan Stuart; Barker, Adam (2013): Undefined By Data: A Survey of Big Data Definitions. Online unter: http://arxiv.org/pdf/1309.5821 Zeyer, Tamara; Bernhardt, Lara & Ivanovska, Inga (2015): Hinter den Kulissen der Interaktiven Animierten Grammatik: Didaktische Konzeption und Entwicklung einer App zum Grammatiklernen. German as a foreign language 2, 2015.