Von der Kinder- zur Kindheits- forschung Univ.-Prof. in Dr. in Cornelia Wustmann Karl Franzens Universität Graz.

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Von der Kinder- zur Kindheits- forschung Univ.-Prof. in Dr. in Cornelia Wustmann Karl Franzens Universität Graz

Gang der Vorlesung 1.Was ist ein Kind und was sind Kindheiten? – Konstrukten nachgehen 2.Wer erforschte wie Kinder? Ein historischer Rückblick 3.Kindheitsforschung in ihrer Entwicklung 4.Aktuelle Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl 5.Ergebnisse der Kindheitsforschung und das pädagogische Handeln Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 2

Was ist ein Kind und was sind Kindheiten? – Konstrukten nachgehen  „ Kindsein“ und „Kindheit“ = soziale Konstrukte, d.h. Sicht auf Mädchen und Jungen ist in historische, gesellschaftliche und kulturelle Kontexte und Leitbilder eingebunden  Jede Epoche entwickelt eigene Kindheitskonstrukte  Einstellungen, Haltungen, Verhalten, Erziehungs- und Bildungsvorstellungen sind davon bestimmt  Kindheitsbilder = Konstruktionen, die Theorien und Leitbilder von Erwachsenen widerspiegeln (Scholz 1994, S. 8) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 3

Was ist ein Kind und was sind Kindheiten? – Konstrukten nachgehen Pieter Bruegel, d. Ä.: "Kinderspiele", 1560, Kunsthistorisches Museum, Wien Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 4

Was ist ein Kind und was sind Kindheiten? – Konstrukten nachgehen Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 5

Was ist ein Kind und was sind Kindheiten? – Konstrukten nachgehen ( Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 6

Wer erforschte wie Kinder? Ein historischer Rückblick  Sozialwissenschaftliche Forschung mit Kindern hat sich über viele Jahrzehnte, wenn nicht sogar über Jahrhunderte entwickelt  Ursprünge und Ansätze der Kindheitsforschung bereits im 18. Jahrhundert (Krüger und Grunert 2002) : o Erziehungsroman „Emile oder Über die Erziehung“ (1762) von Jean Jacques Rousseau: Möglicher Ansatzpunkt früher biographisch-orientierter Kindheitsforschung o Weiterer Entwicklungsschritt: Arbeit des französischen Arztes Jean Itard (1972) Ende 18. Jhd. (Zivilisierung des „wilden Kindes“) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 7

Wer erforschte wie Kinder? Ein historischer Rückblick  Beginn der Kleinkindforschung: Beobachtungen des Philosophen Dietrich Tiedemanns (1787)  Jean Piaget: Beobachtung der Entwicklung seiner Kinder o Konzeption seiner kognitiven Theorie anhand dieser Ergebnisse o Kind als Ko-Konstrukteur  Konstruktionsleistung erfolgt immer in Interaktion mit der sozialen und materiellen Umwelt o Denken als „innerliches Handeln und Umgehen mit innerlich repräsentierten Gegenständen, Personen und Situationen“ (Völkel 2002: 104) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 8

Wer erforschte wie Kinder? Ein historischer Rückblick  Ursprünge qualitativ orientierter Kindheitsforschung: Bereits im 18. Jhd.  Anknüpfung an diese Ansätze erst im 19 Jhd.  Physiologe William Thierry Preyer das Buch „Die Seele des Kindes“  Dokumentation der Entwicklung seines Kindes  Studie gilt vielen als ein wesentlicher Ausgangspunkt für die Psychologie der frühen Kindheit  Beobachtungsstudien in dieser Zeit stark verbreitet „Vatertagebücher“ Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 9

Wer erforschte wie Kinder? Ein historischer Rückblick  Beginn des 20. Jahrhunderts: William und Clara Stern erfassen „Kinderstubenleben“ mit Tagebuchmethode o Langzeitstudie ist heute noch eine bedeutende empirische Grundlage für die Entwicklungspsychologie  Psychologe William Stern, u.a. neben Charlotte Bühler (1929) und Siegfried Bernfeld (1931): o Untersuchung der psychischen Entwicklung eines Menschen am Übergang zwischen Kindheit und Jugend anhand biographischer Dokumente (Stern 1925, S. 3) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 10

Kindheitsforschung in ihrer Entwicklung  Tenor vieler Studien damaliger Zeit: Entwicklung ein naturgemäßer Prozess, Verlauf nach bestimmten Regeln zu einem je individuellen Endpunkt  Zunehmende Forderung: Stärkere Einbeziehung von Kontexten, welche die Lebensbedingungen von Mädchen und Jungen beeinflussen  Wissenschaftliche Etablierung der Anfänge der Kindheitsforschung: 1920er Jahren o Einsetzende „institutionelle Konsolidierung wissenschaftlich orientierter Kindheits- und Jugendforschung“ (Krüger/Grunert 2002, S. 12) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 11

Kindheitsforschung in ihrer Entwicklung  Keine Trennung von Kindheits- und Jugendforschung  Entstehung eigenständiger Institute der Kindheits-, aber auch Jugendforschung (Wien, Hamburg)  Zu Beginn der Etablierung dieses Forschungsfeldes: Diskussionen adäquater methodischer Zugänge o Datenquellen: Beobachtungen, Tagebücher, Aufsätze, Briefe usw. (vgl. Grunert 2002) o Interviews, Beobachtungen, quantitative Methoden  Theoretischer Bezugspunkt: Entwicklungspsychologie Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 12

Kindheitsforschung in ihrer Entwicklung  Unterbrechung kindheitsbezogener Forschungsaktivitäten während Nationalsozialismus  Trennung Forschungsfelder Kindheits- und Jugendforschung  Forschungstätigkeit der 1950er und 1960er Jahre: Anknüpfung an Vorstellungen über Kindheit der 1920er Jahre o Stufenmodelle wie bei Piaget oder Freud dominieren Forschungslandschaft Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 13

Kindheitsforschung in ihrer Entwicklung  Wenige Forscher knüpfen Forschungstradition der 1920er an (Roessler 1957, Bertlein 1960, Küppers 1964)  Ende der 1970er Jahre: qualitative Kindheitsforschung eher randständiges Forschungsgebiet o Zunehmende Orientierung an US-amerikanischer Psychologie o Quantitative Methoden dominieren  1980er Jahren: Entwicklung und Etablierung sozialwissenschaftlich orientierter Kindheitsforschung Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 14

Kindheitsforschung in ihrer Entwicklung  Ausgangspunkt Veränderungen: Veränderter Blick auf Kinder und Kindheit als Lebensphase Kindheit als Vorbereitungsphase auf das Erwachsensein gegenüber Vorstellung von Kindheit als eigenständige Lebensphase  Veränderung der Forschungsschwerpunkte in Soziologie und Pädagogik (Im Zentrum: Lebenswelten und Alltag der Mädchen und Jungen) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 15

 Keine einheitliche Begriffsbestimmung von Kindheitsforschung o Je nach Disziplin und Erkenntnisinteresse unterschiedliche definitorische Schwerpunktsetzungen  Kindheitsforschung wird immer komplexer = Kindheiten werden immer komplexer und vielgestaltiger  Keine präzise Definition des Gegenstandsbereich aufgrund des Umfanges des Forschungsfeldes Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 16 Kindheitsforschung in ihrer Entwicklung

 Erforschung der frühen Kindheit zum jetzigen Zeitpunkt in ihrer systematischen Ausgestaltung am Anfang  Kindheitsforschung ist durch drei Strömungen gekennzeichnet. Der Anerkennung von o Kindern als „Werdende“ o Kindern als „Seiende“ o Kindern als „eigenständige Fremde“ (vgl. Bock 2009)  Bedeutung qualitativer Zugänge  Ziel für die Zukunft: engere Verzahnung von Theorie, Forschung und elementarpädagogischer Praxis Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 17 Kindheitsforschung in ihrer Entwicklung

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl  Inhaltliche Schwerpunktsetzungen der Kindheitsforschung: Ausgestaltung der Kindheit aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungstendenzen  Veränderungen von Kindheit seit der Nachkriegszeit im Kontext modernisierungstheoretischer Überlegungen  Aktuelle Schwerpunkte der deutschsprachigen Kindheitsforschung haben als Bezugspunkt gesellschaftliche Wandlungstendenzen, die allesamt Einfluss auf kindliche Entwicklung, Kinderalltag und kindliche Lebenswelten nehmen Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 18

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl  Moderner Kinderalltag:  Veränderungen im Kontext von Individualisierungs- und Pluralisierungstendenzen  Verstädterung, zunehmende Mobilität, veränderte Familienstrukturen, Zunahme an Freizeit-möglichkeiten, Veränderungen in den sozialen Netzwerkbeziehungen etc.  Fokus: Alltag von Kindern im Alter von acht bis zwölf Jahren  Untersuchungen zum Alltag jüngerer Kinder stehen bislang aus Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 19

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl  Kindheit im Kontext von Familie  Bedeutung der „Familien“ als Orte der Bildung  Problematik: Von welchem Familienbegriff ist auszugehen?  unreflektierte Auffassungen und Hoffnungen über eine „richtige Familie“ oder ein „richtiges Familienleben“ (vgl. Lenz 2002: 147) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 20

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl A Forschungsfeld „Gesamtsystem Familie“: o „Dresdner Kinderstudien“ 2000 und 2005 (Lenz et al 2000 und Lenz/Fücker 2005) o Aufwachsen in Familien – Kinderpanel des DJI München (Alt 2005) o World Vision Studien (Hurrelmann/Andresen 2007/2010) o Aufwachsen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften (Rupp 2009) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 21

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl B Forschunsgfeld „Beziehungsqualität in familialen Subsystemen“: o Mutter-Kind-Interaktion (z.B. Ainsworth, Wittig 1969, Brake 2005) o Seit den 1970er und 1980er Jahren: Vater-Kind-Interaktion o Bedeutung von Geschwistern (Schmidt-Denter 1993,van Aken et al. 1996, Liegle 2000, Kasten 2003, Teubner 2005) o Peerbeziehungen (Krappmann/Oswald 1995, Ahnert 2003, Viernickel 2011) o Beziehungen in der Familie (Büchner/Fuhs 1996, Walper/Wendt 2005) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 22

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl  Kindheit im Kontext von Institutionen  Kindheit in pädagogischen Institutionen (bis auf den kontrovers diskutierten Besuch der Kinderkrippen) Teil der „Normalbiographie“ von Mädchen und Jungen  Aufwachsen in „öffentlicher Verantwortung“  Anforderungen an beteiligte Erziehungsinstanzen  kooperatives Miteinander statt additives Nebeneinander Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 23

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl Notwendigkeit der Erforschung dreier Ebenen: 1.Ebene der Interaktionen zwischen Mädchen und Jungen mit den pädagogischen Fachkräften 2.Ebene der Interaktion zwischen Müttern und Vätern und den pädagogischen Fachkräften 3.Ebene der Gestaltung der Institution  Berücksichtigung historischer, sozialpolitischer, ausbildungs- und berufspolitischer, familien- und frauenpolitischer sowie bildungspolitischer Kontexte Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 24

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl 1. Untersuchung der Interaktionen zwischen Mädchen und Jungen mit den pädagogischen Fachkräften:  Frage nach dem Miteinander der Personengruppen in Kindertageseinrichtungen in Dtl. bislang vernachlässigt  Relevanz der Erforschung der Gestaltung von Beziehung in Betreuung, Erziehung und Bildung angesichts der Zeit, die Mädchen und Jungen dort verbringen (Textor 2009)  Rückbindung der Forschungsergebnisse an Kindertages- einrichtungen als Orte sozialer Dienstleistung mit und deren realer Ausgestaltung Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 25

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl  Bedeutung der Relation von Erzieherinnen bzw. Erziehern und Kindern  Unterstützende Verhaltensweisen der Erzieher/innen überwiegen  Mittelwerte liegen aber bei allen Verhaltenseigenschaften unterhalb der Werte der Eltern (Sturzbecher et al. 2001: 63)  Mitbestimmungsrechte: 71 % der Kinder wählen ihre Aktivitäten weitgehend selbst; Umgang mit Konflikten: 38% des pädagogischen Personals reagieren mit Schimpfen, 30% mit Festlegen, was zu tun sei, 23% mit Bestrafung  nur jedes vierte Kind berichtete von Konfliktlösungen (Roux 2002) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 26

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl 2. Untersuchung der Interaktion zwischen Müttern und Vätern und den pädagogischen Fachkräften:  Pflege- und Erziehungspflicht obliegt in Deutschland nach dem Grundgesetz den Eltern.  pädagogische und organisatorische Orientierung des Leistungsangebots der Institutionen an den Bedürfnissen der Kinder und der Familien (§ 22 SGB VIII)  Untersuchungen zu zwei Prämissen:  gemeinsame Gestaltung des Übergangs vom Elternhaus in eine Kindertageseinrichtung (Eingewöhnungszeit)  Wahrnehmung der Rechte und Pflichten von Eltern sowie deren Realisierung Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 27

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl  Frühe Kindheit  Übergänge u.a. zwischen Familie und Erziehungs- und Bildungseinrichtung  Übergangsforschung beschäftigt sich mit normativen Ereignissen im Leben eines Menschen (Griebel/Niesel)  Transitionsforschung (Welzer 1993): Untersuchung der Schnittstelle zwischen 1.individuellem Handlungs- und Bewältigungsvermögen und 2.gesellschaftlichen Handlungsvorgaben und Anforderungen. Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 28

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl 3. Untersuchung zur Gestaltung der Institution, vor allem in Hinsicht auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf  Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts (Bien et al. 2004)  „Trierer Kindergartenstudie“ (Honig et al. 2004)  Studie „Öffnungszeitenbedarf in Kindertageseinrichtungen in der Stadt Dresden“ (Wustmann et al. 2008) + „Flexible Öffnungszeiten“ (Wustmann et al. 2009)  Studie zur Thüringer Kinderbetreuung (Stickelmann/Will 2008) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 29

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl Erkenntnisinteresse Kindheitsforschung:  Auswirkungen gesellschaftlicher Modernisierungs- tendenzen auf kindliche Biografieverläufe  Unterschiedliche Formen von Kindheit: Phänomen der „Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeiten“ (Grunert/Krüger 2006)  Auswirkungen der Modernisierungstendenzen auf die Lebensphase Kindheit Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 30

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl Kindheit im Kontext verschiedener Lebenslagen  „Inbegriff aller Umstände, die verhältnismäßig unmittelbar die Verhaltensweisen eines Menschen, seinen Schmerz, seine Freude bedingen. Wohnung, Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege, Bücher, Theater, freundliche menschliche Umgebung, all das gehört zur Lebenslage“ (Neurath zit. nach Haller/Höfer 1981: 512)  Ergänzung um fünf „Spielräume“ zur Erfassung von Lebenslagen, v.a. Armutslagen (Nahnsen 1976) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 31

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl 1. Einkommens- und Versorgungsspielraum 2.Lern- und Erfahrungsspielraum 3.Kontakt- und Kooperationsspielraum 4.Muße- und Regenerationsspielraum 5.Entscheidungs- und Dispositionsspielraum (vgl. Chassé et al. 2007) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 32

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl  Kinderarmut: verbreitete Armutsform in der BRD  Bremer Kinderarmutsstudie (Butterwege 2000): Abhängigkeit der Entwicklung der Armut vom sozialen und soziokulturellen Wandel sowie wirtschafts-, verteilungs- und sozialpolitischen Weichenstellungen insbesondere im Kinderleben  Ausmaß und Dauer der Armut bestimmt durch „zentrale Lebensereignisse“ und „soziologische Risikofaktoren“  Kinder in Abhängigkeit von der jeweiligen Familienform und Erwerbsbiographie ihrer Mütter und Väter Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 33

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl  Rechte eines Kindes begründen sich nicht aus der eigenen Identität als Kind sondern aus der Beziehung zu einem anspruchsberechtigten Elternteil („Infantilisierung der Armut“)  Dritter Armuts- und Reichtumsbericht (2008): bis zu zwei Millionen arme Kinder in Deutschland  Kinder sind die am häufigsten von Armut betroffene Bevölkerungsgruppe (u.a. Holz et al. 2005)  Armutsrisiko bei unter 18-Jährigen: 17,3 % (BMFSJ)  Jedes zehnte Kind lebt in relativer Armut (UNICEF). Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 34

Themen der Kindheitsforschung – eine Auswahl  „Auseinanderentwicklung der Lebensbedingungen der heranwachsenden Generation“ (vgl. Klocke/Hurrelmann 2001)  Armut als „mehrdimensionale Problemlage“ (Chassé et al. 2007: 18)  Studie: Bewältigungsverhalten von Grundschulkindern in ländlicher Region (Richter 2000) Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 35

Ergebnisse der Kindheitsforschung und das pädagogische Handeln  Eine Reihe von Studien können Nachteile belegen, die Armut für die Sprach- und Intelligenzentwicklung und schulische Leistungsfähigkeit der Kinder mit sich bringt. (Walper 2007)  Armut bedeutet auch ein erhöhtes Risiko für Fehlernährung und gesundheitliche Belastungen (Klocke/Hurrelmann 2007)

Ergebnisse der Kindheitsforschung und das pädagogische Handeln Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 37

Ergebnisse der Kindheitsforschung und das pädagogische Handeln Nicht zuletzt tragen Armut, finanzielle Verknappung und Arbeitslosigkeit der Eltern zu emotionalen Beeinträchtigungen bei, die sich in  Minderwertigkeitsgefühlen,  Ängstlichkeit,  Depressivität, aber auch  Ärgerreaktionen,  Feindseligkeiten  Aggressivität und  erhöhter Bereitschaft zu Normverstößen manifestieren Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 38

Ergebnisse der Kindheitsforschung und das pädagogische Handeln Scheinbar eindeutige Situationen gibt es selten. Es geht vielfach um die Kaschierung von Armutsanzeichen. Wenn Pädagog/innen die Kaschierung nicht einschätzen können, nehmen sie dem Mädchen notwendige Bildungs- und Erfahrungsmöglichkeiten und tragen dazu bei, dass dem Mädchen wesentliche Bereiche der Bildung unzugänglich sind. Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 39

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Von der Kinder zur Kindheitsforschung / Prof. Dr. Cornelia Wustmann / 40