Repetitorium im öffentlichen Recht Sozialstaat Verhältnis der Strukturprinzipien unter sich Weitere Strukturprinzipien?
Grundgehalt des Sozialstaatsprinzips allgemeine Wohlfahrt Solidarität Schutz der Schwachen Schutz vor Armutsrisiken Chancengleichheit
Historischer Ursprung 18. Jht.: –US-Unabhängigkeitserklärung: « right to pursuit of happiness » –« fraternité » der französischen Revolution 19. Jht.: –christliche und marxistische Lehren –BV-1848: allgemeine Wohlfahrtsförderung (« liberaler Nachtwächterstaat ») 20. Jht.: –Durchbruch mit Sozialversicherungen –in 2. Hälfte: erste Sozialrechte sowie Internationali- sierung (UNO-Pakt I, Europäische Sozialcharta)
Sozialstaatlichkeit der BV Präambel und Art. 2 BV Sozialrechte Sozialziele Wohlfahrt in Wirtschaftsverfassung Sozialversicherungen Sozialhilfe
Sozialrechte Leistungsrechte –Hilfe in Notlagen –Grundschulunterricht –unentgeltliche Rechtspflege –Förderung von Kindern und Jugendlichen? –Lohngleichheit? –Familienleben? –Versammlungsfreiheit?
Sozialziele Verfassungsziele an alle staatlichen Organe auf allen Stufen Inhaltlich: soziale Sicherheit, Arbeit, Wohnung, Gesundheit, Alter, Jugend, Armutsrisiken Subsidiarität keine Leistungsansprüche Wirkung?
Wohnen, Arbeit und Gesundheit Wohnbau- und –eigentumsförderung Mietwesen Arbeitnehmerschutz Gesundheitsschutz –Lebens- und Heilmittel –Bekämpfung übertragbarer Krankheiten –Schutz vor ionisierenden Strahlen
Sozialversicherungen Arten –AHV/IV –Berufsvorsorge –Arbeitslosenversicherung –Familienzulagen und Mutterschaftsversicherung –Kranken- und Unfallversicherung Merkmale –häufig paritätische Finanzierung, jedenfalls Mitbetei- ligung der Versicherten –Gesetzliche Ansprüche auf Leistungen –Ziel: (Wieder)Eingliederung, soweit möglich
Sozialhilfe « Netz unter dem Netz » rein staatliche Finanzierung traditionell kein Anspruch auf Leistung; heute aber zunehmend auch gesetzliche Ansprüche Minimalanspruch gemäss Art. 12 BV oft mit Auflagen oder Bedingungen verknüpft (z.B. Wiedereingliederungs- massnahmen)
Verhältnis der Strukturprinzipien unter sich teilweise deckungs- oder richtungsgleiche Gehalte z.B. Legalitätsprinzip lässt sich demokratisch und rechtsstaatlich herleiten teilweise gegengleiche bzw. auseinander- driftende Gehalte –z.B. können rechtsstaatliche Ansprüche inhaltlicher Art an die Gesetzgebung in Widerspruch zum Demo- kratieprinzip geraten –Gibt es eine Rangordnung der Strukturprinzipien?
Mögliche Widersprüche Demokratie und Rechtsstaat: Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber demokratischen Entscheiden (z.B. Bundesgesetze, Einbürgerungsentscheide) und materielle Schranken von Volksrechten Demokratie und Föderalismus: Privilegierung der kleinen Kantone bzw. Benachteiligung der « Halbkantone » und Allgemeinverbindlicherklärung von Konkordaten bzw. Beteiligungspflicht; Zwang der Kantone zu Demokratie Rechtsstaat und Föderalismus: Zwang der Kantone zu Rechtsstaatlichkeit (insbes. Grundrechte; Justizgewährleistung) Demokratie/Rechtsstaat/Föderalismus und Sozialstaat: Legalitätsprinzip in der Leistungsverwaltung und zwingende Nothilfe an erfolglose Asylbewerber; Zwang der Kantone zu Sozialstaatlichkeit (insbes. Sozialhilfe)
Weitere Strukturprinzipien? Vorschlag von René Rhinow: wettbewerbsorientierte Wirtschafts- verfassung Subsidiarität Nachhaltigkeit weltoffener und kooperativer Verfassungs- staat
Neue Strukturprinzipien = neue Konflikte? Mögliche Fragen: Wieweit beschränken der Grundsatz der Marktwirtschaft oder das Subsidiaritätsprinzip den demokratischen Ge- setzgeber? Braucht es künftig eine « ökologische Bremse », welche die demokratischen Freiheiten limitiert (wie etwa die « Schuldenbremse », vgl. Art. 126 Abs. 2 BV)? Vergrössert die Weltoffenheit bzw. die Orientierung nach aussen nicht die ohnehin schon bestehenden demokra- tischen Defizite in der Aussenpolitik bzw. bei der Interna- tionalisierung (Globalisierung) der Rechtsordnungen?
Fazit Auf die Strukturprinzipien lassen sich viele Rechtsregeln zurückführen. Die Strukturprinzipien stehen untereinan- der nicht in absoluter Harmonie. Die Strukturprinzipien sind grundsätzlich gleichwertig. Konflikte sind völkerrechts- und verfas- sungskonform zu lösen. Dennoch bleiben Wertungsfragen.