REPETITORIUM IM ÖFFENTLICHEN RECHT I 3. STUNDE RA Philipp Franke, wiss. Mit.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Dr. Handl - Politische Bildung
Advertisements

Politische Instutionen in der BRD
Präsentation zum Europäischen Parlament
Einführung in das Öffentliche Recht für Nichtjuristen
Einführung in das Öffentliche Recht für Nichtjuristen
Einführung in das Öffentliche Recht für Nichtjuristen
Grundkurs Verfassungsrecht II Übung im Öffentlichen Recht für Anfänger
Das Mehrparteiensystem
Probeklausur Staatsorganisationsrecht
Staats- und Regierungsformen
Verfassungsorgane + Bundestag + Bundesrat + Bundesregierung
Mehrherrschaft (Republik)
Lernarrangement 2 S. 23/24 Übungen
Menschen- und Bürger-rechte Politische Philosophie Wahlen und
Das Wahlsystem der USA Von Michel Esser und Johannes Frings.
Einführung in das Öffentliche Recht für Nichtjuristen
Parteien in der Bundesrepublik Deutschland
Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene
WS 2004/ Staatsorganisationsrecht - PD Dr. Jürgen Bröhmer
Einführung in das Öffentliche Recht für Nichtjuristen
Einführung in das Öffentliche Recht für Nichtjuristen
Proseminar Grundzüge der Rechtwissenschaft I
Wie wird der Deutsche Bundestag gewählt?
Partner im Dialog: Volksentscheide, Demokratie und Rechtsstaat. Das rheinland-pfälzische Reformprojekt mehr Bürgerbeteiligung wagen im Lichte schweizerischer.
Ein Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger - von Geburt an!
Der juristische Streit um die UN-Behindertenrechtskonvention
Die Verfassung des deutschen Reiches vom 16
Deutschland Das Politische System
Einführung in das Staatsrecht PD Dr. Martin Kment, LL.M.
Bundesvorstandssprecher Mehr Demokratie e.V.
Die Bundesrepublik Deutschland
Das politische Quiz Personen und Ämter Aus der Geschichte Wahlen und
DEUTSCHE POLITIK.
Gruppe IV © 2008 A.D. Backhaus, Kalpakidis, Schumann, Zimmer
法學德文名著選讀(一) Lektion 4 范文清 / 蕭雯娟.
法學德文名著選讀(一) Lektion 6 范文清 / 蕭雯娟.
Übung zur Vorlesung „Grundrechte“
法學德文名著選讀(一) Lektion 3 Text 1
STAATSAUFBAU DER BRD - das Grundgesetz trat am in Kraft
Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland
Das Demokratiemodell des Grundgesetzes
Vorüberlegung zum Prüfungsaufbau: Zulässigkeit Begründetheit Ergebnis
Übung zu den Vorlesungen im Verwaltungsrecht
Die Datei der Verdächtigen
Parteienlandschaft Deutschland
Verfassung – allgemein (1)
Herzlich Willkommen zur 11
Der Bundestag Art Art. 48 GG.
Ρ. ri x ecker.recht Tödliche Luftsicherheit Vorüberlegungen: Was ist die genaue Fragestellung? (K erhebt Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, zu fragen.
Die Konsolidierung der Wohnungsbauhilfe
Ρ. ri x ecker.recht Freie, gleiche und geheime Wahlen Vorüberlegungen: Worum geht es?  Der Sache nach: Klärung einer Vielzahl möglicher Wahlfehler im.
Öffentliches Wirtschaftsrecht I
Ρ. ri x ecker.recht Die Exzellenzinitiative Vorüberlegung: Was ist die Fragestellung? Landesregierung beantragt beim BVerfG „festzustellen“, das das „Gesetz.
Ρ. ri x ecker.recht Eine streitige parlamentarische Untersuchung Vorüberlegungen: Worum geht es? Zu erkennen: Anträge werden gestellt -von zwei Fraktionen.
Was sagt das Grundgesetz über unsere Verwaltungsordnung aus? (Teil 1)‏
 Verfassungsgesetze und Bestimmungen des Bundesrechtes › Gesetze › Einzelne Bestimmungen › Staatsverträge  Beschluss 1920  Unterbrechung
RA Philipp Franke, wiss. Mit. Übung zu den Grundlagen des Rechts I 1. Stunde I. Die Prüfung eines (formellen) Gesetzes (sehr vereinfacht) 1. Formelle Rechtmäßigkeit.
RA Philipp Franke, wiss. Mit. Übung zu den Grundlagen des Rechts I 5. Stunde Fall: Nach der Handwerksordnung kann nur derjenige selbständig ein Handwerk.
RA Philipp Franke, wiss. Mit. Übung zu den Grundlagen des Rechts I 3. Stunde ALLGEMEINE GRUNDRECHTSLEHREN I. Einteilung der Grundrechte 1. Freiheitsgrundrechte.
Klausur in der Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene – Lösungsvorschlag –
RA Philipp Franke, wiss. Mit. Übung zu den Grundlagen des Rechts I 4. Stunde Art. 14 GG - Eigentumsgarantie I)Schutzbereich 1)Personaler Schutzbereich.
Wie wird der Deutsche Bundestag gewählt?
Das politische System Österreichs Quelle: Bernauer T. et al.: Einführung in die Politikwissenschaft, Nomos, Baden-Baden,
ALLGEMEINE GRUNDRECHTSLEHREN I. Einteilung der Grundrechte
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Herzlich Willkommen zur 8
Vorlesung Medienrecht (SMK 7) an der Deutschen Sporthochschule Köln im Wintersemester 2017/18 Dienstag, bis Uhr.
Einheit 2: Staatsrecht I
 Präsentation transkript:

REPETITORIUM IM ÖFFENTLICHEN RECHT I 3. STUNDE RA Philipp Franke, wiss. Mit.

DAS DEMOKRATIEPRINZIP Fall 1: In Anbetracht der immer gefährlicheren Auslandseinsätze kommt der Gedanke auf, ein Abstimmungsgesetz auf Bundesebene zu erlassen, nach dem bei sicherheitsrelevanten Fragen eine Volksabstimmung durchzuführen ist. Wäre ein solches Abstimmungsgesetz mit der Verfassung zu vereinbaren? Fall 2: Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken, kommt der Gedanke auf, hierfür Art. 20 GG um einen Absatz 5 zu ergänzen, der bei sicherheitsrelevanten Fragen, die Möglichkeit einer Volksabstimmung zulässt. Wäre eine solche Verfassungsänderung verfassungsrechtlich möglich?

DAS DEMOKRATIEPRINZIP Die Staatszielbestimmungen, Art. 20 GG Demokratie, Art. 20 II GG Republik, Art. 20 I GG Rechtsstaat, Art. 20 III GG Sozialstaat, Art. 20 I GG Bundesstaat, Art. 20 I, 28 GG (Umweltschutz, Art. 20 a GG)

DAS DEMOKRATIEPRINZIP II. Das Demokratieprinzip, Art. 20 II GG Demokratie (von gr. δήμος [démos], „Volk“, und κρατία [kratía], „Herrschaft“) bedeutet Volksherrschaft. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, Art. 20 II 1 GG

DAS DEMOKRATIEPRINZIP 1. Repräsentative Demokratie, Art. 20 II GG Unmittelbar: Wahlen (Landtage, Bundestag) und Abstimmungen (über Sachfragen), z.B.: Volksentscheid, -begehren, und –befragung; im GG: Art. 29 GG mittelbar durch vom Volk gewählte Organe jede Ausübung staatlicher Gewalt bedarf der demokratischen Legitimation (ununterbrochene Legititimationskette)

DAS DEMOKRATIEPRINZIP 2. Wahlrechtsgrundsätze, Art. 38 I 1, 28 I 2 GG Wahlen: Direkte Legitimation durch das Volk nach dem Mehrheitsprinzip Wahlrechtsgrundsätze: allgemein (für alle Bürger) - Problem: Minderjährige/Ausländer unmittelbar, d.h. ohne zwischengeschaltete Instanz wie z.B. Wahlmänner frei (ohne Druck oder Zwang) gleich (Gleichwertigkeit der Stimmen, Zähl- und Erfolgswert) geheim (Wahlentscheidung nach außen nicht erkennbar)

DAS DEMOKRATIEPRINZIP III. Parlamentarische Demokratie nur der Bundestag wird direkt vom Volk gewählt Alle anderen Organe müssen durch Handlungen des Bundestages quasi indirekt demokratisch legitimiert werden (Legitimationskette) Wesentlichkeitstheorie: grundrechtsrelevante Entscheidungen sind vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu treffen Das Parlament wählt den Kanzler und kann ihn wieder abwählen (konstruktives Misstrauensvotum)

DAS DEMOKRATIEPRINZIP IV. Parteiendemokratie, Art. 21 I 1GG Parteien sind für die politische Willensbildung notwendig, Art. 21 I 1 GG Element der demokratischen Ordnung (auch intern) „Parteienprivileg“ des Art. 21 II GG (Verbot nur durch das Bundesverfassungsgericht)

DAS DEMOKRATIEPRINZIP Lösung der Ausgangsfälle: Fall 1: Verfassungsmäßigkeit des Abstimmungsgesetzes I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1.Die Zuständigkeit des Bundes ergäbe sich Kraft Natur der Sache. 2.Verfahren und Form sind einzuhalten.

DAS DEMOKRATIEPRINZIP II. Materielle Verfassungsmäßigkeit 1. Es dürfte kein Verstoß gegen höherrangiges Recht vorliegen. Art. 42, 46, 51 GG nennt Anstimmungen, aber nicht Volksabstimmungen Art. 29 III GG, Neugliederung des Bundesgebietes Art. 118, 118a GG, Neugliederungen Einschlägig ist Art. 20 II 2 GG

DAS DEMOKRATIEPRINZIP 2. Verstoß gegen Art. 20 II 2 GG Ob ein Verstoß gegen Art. 20 II 2 GG vorliegt ist durch Auslegung zu ermitteln. a)Grammatikalische Auslegung (Wortlaut) kein Verbot für die geplante Abstimmung

DAS DEMOKRATIEPRINZIP b) Systematische Auslegung aa) „Innere Systematik“ der Norm Verbot aus der Systematik des Satzes 2? (+), wenn Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen dem Handeln des gesamten Volkes in Wahlen und Abstimmungen auf der einen Seite und den Willensbetätigungen der besonderen Staatsorgane auf der anderen Seite vorliegen würde. Durch das „und...und...“ keine Vorrangstellung für mittelbare Demokratie

DAS DEMOKRATIEPRINZIP bb) Stellung der Norm im gesamten Normgefüge Verhältnis Art. 20 II 2 GG zu Art. 29 GG Einordnung: Art. 20 II 2 GG: generelle Regelung, Art. 29 GG: spezielle Regelung Dafür: Art. 29 GG, Erst-Recht-Schluss Dagegen: Art. 29 GG, argumentum e contrario Art. 38 I GG und Art. 24 GG Das freie Mandat der Abgeordneten und die Entscheidungsbefugnis des Parlaments bei wesentlichen Entscheidungen innerhalb kollektiver Sicherheitsbündnisse spricht gegen die Einführung von Volksabstimmungen über sicherheitspolitische Fragen.

DAS DEMOKRATIEPRINZIP c) Teleologische Auslegung Frage nach Sinn und Zweck einer Norm System der repräsentativen Demokratie Gefahr populistischer Entscheidungen Bündnisfähigkeit in kollektiven Sicherheitssystemen (Art. 24 GG) spricht gegen die Einführung von Volksabstimmungen über sicherheitspolitische Fragen.

DAS DEMOKRATIEPRINZIP d) Historische Auslegung Die restriktive Auslegung von Art. 20 II 2 GG findet ihre Stütze auch in den Erfahrungen der Weimarer Republik (Volkswahl des Reichspräsidenten, Emotionalisierung der Bürger durch Volksabstimmungen...mit den Nachwirkungen im Dritten Reich, Stichwort: „Volksgerichtshof“).

DAS DEMOKRATIEPRINZIP Ergebnis: GG beschränkt unmittelbare Volks- entscheidung auf verfassungsrechtlich genau abgesteckte Ausnahmen. Eine Volksabstimmung durch einfaches Gesetzesrecht würde somit gegen Art. 20 II 2 GG i. V. m. weiteren Grundsätzen der Verfassung verstoßen.

DAS DEMOKRATIEPRINZIP Lösung Fall 2: Verfassungsmäßigkeit der Einfügung eines neuen Absatzes V in Art. 20 GG Es müsste sich gem. Art. 79 GG bei der Einfügung des Absatzes V in Art. 20 GG um ein verfassungsänderndes Gesetz handeln. Ein solches liegt vor, wenn der Wortlaut oder aber der Inhalt (vgl. Art. 23 I 3 GG) der Verfassung geändert oder ergänzt wird. Die Einfügung des neuen Absatzes V in Art. 20 GG wäre verfassungsgemäß, wenn die Anforderungen einer Verfassungsänderung gem. Art. 79 GG eingehalten wurden.

DAS DEMOKRATIEPRINZIP A. Formelle Verfassungsmäßigkeit Die Einfügung des neuen Absatzes müsste formell verfassungsmäßig sein. I. Bundeskompetenz Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers: Unmittelbar aus Art. 79 II GG. II. Gesetzgebungsverfahren Verfahrensnormen der Art. 76 ff. GG eingehalten worden sind. Hinzu kommt das besondere Mehrheitserfordernis des Art. 79 II GG: qual. 2/3-Mehrheit im BT und BR. III. Form:Textänderung bzw. -ergänzung Ausdrückliche Änderung od. Ergänzung des Wortlauts des GG, Art. 79 I 1 GG.

DAS DEMOKRATIEPRINZIP B. Materielle Verfassungsmäßigkeit „Ewigkeitsgarantie“ des Art. 79 III GG. Verletzung der in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze? Art. 20 II 2 GG geht seinem Wortlaut nach nicht von einem Vorrang der mittelbaren vor der unmittelbaren Demokratie aus. Unter Berücksichtigung der nach der systematischen und historischen Auslegung gefundenen Wertung (s. o.) lässt sich indessen eine Entscheidung des GG für die mittelbare Demokratie als Regelfall ableiten.

DAS DEMOKRATIEPRINZIP Aus teleologischer Sicht spricht insbesondere die Gefahr populistischer Entscheidungen gegen die Einführung (weiterer) direktdemokratischer Elemente. Auch die Bündnisfähigkeit innerhalb kollektiver Sicherheitssysteme (Art. 24 GG) wäre nicht unproblematisch. Durch eine Volksabstimmung über Fragen der äußeren Sicherheit würde daher das Schwergewicht von den an sich zuständigen Staatsorganen hin zum Volk verschoben. Damit wäre das Prinzip der repräsentativen Demokratie in diesem wichtigen Bereich verschoben. Die Einfügung des neuen Absatzes V in Art. 20 GG könnte folglich ein Verstoß gegen Art. 79 III i. V. m. 20 II 2 GG darstellen und mithin verfassungswidrig sein

DAS DEMOKRATIEPRINZIP Durch eine Verfassungsänderung würde allerdings eine systematische Auslegung anders ausfallen können und insbesondere aufgrund der positiven Erfahrungen mit direkt-demokratischen Elementen auf kommunaler und Landesebene wird eine verfassungsändernde Einführung direktdemokratischer Elemente (Volksabstimmung) auf Bundesebene heute mehrheitlich als möglich angesehen. Allerdings, str. D. Ergebnis Strittig