Tutorium: Kommunalrecht Gerrit Hoss.

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Tutorium: Kommunalrecht Gerrit Hoss

Tutorium Kommunalrecht Sachverhalt: Der Rat des niedersächsischen Kurbades Moorhausen (Landkreis Moorland) besteht neben dem Bürgermeister aus 24 Ratsfrauen und Ratsherren. Zur Sitzung am 01.03.d.J. wurde er vom BM Dörries per E-Mail eingeladen. Die Ladung entspricht ansonsten den Anforderungen. Vor einem halben Jahr war beschlossen worden, ein neues Kurhaus zu bauen. Der Erwerb der dafür benötigten Flächen bereitet allerdings einige Schwierigkeiten. Der Eigentümer des für den Bau benötigten Grundstückes ist X, der Bruder des Ratsherrn A. X ist aber nicht bereit, das Grundstück an die Gemeinde zu verkaufen, sondern will es nur im Tausch mit einem gemeindeeigenen Grundstück hergeben, das etwa den gleichen Wert wie sein Grundstück hat. Der bereits notariell beurkundete Vertrag steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Rat zustimmt.

Tutorium Kommunalrecht Der Rat beschließt nun nach ordnungsgemäßer Vorbereitung in öffentlicher Sitzung (Top 4 der TO), bei der einige Gemeindeeinwohner als Zuhörer anwesend sind, mit 13 zu 12 Stimmen, dem Grundstückstausch zuzustimmen. Neben A stimmt auch C (ebenfalls RH) für den Antrag. C ist Architekt bei der Baufirma, die sich Hoffnung macht, den Bauauftrag von der Gemeinde zu erhalten. Auszug aus der Geschäftsordnung: § 6 Ladung des Rates per E-Mail Der Rat kann auch per E-Mail geladen werden. Alle Ratsmitglieder werden an das verwaltungsinterne Netzwerk angeschlossen und mit entsprechenden Computern, Programmen und Druckern ausgestattet. Die Ratsmitglieder sollen ihre elektronischen Briefkästen an allen Werktagen mindestens einmal auf neue Eingänge kontrollieren.

Tutorium Kommunalrecht Aufgabe: Bestehen wegen der Mitwirkung von A und C am Entscheidungsprozess Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des Beschlusses zu Top 4 und kann die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde den Beschluss deshalb beanstanden?

Tutorium Kommunalrecht Lösungsskizze: Arbeitsziel: Tätigwerden des Landkreises mittels Beanstandung II. RGL: § 173 I 1 NKomVG "Beanstandung"

Tutorium Kommunalrecht III. Formelle Rechtmäßigkeit (der Beanstandung): 1. Zuständigkeit der Kommunalaufsichtsbehörde sachlich: eWK: §§ 170 I 2i.V.m. §§ 4 I 1; 5 I Nr.1 (Finanzhoheit.) = KAB b) instanziell:   §§ 171 II, 14 NKomVG = LKr. c) örtlich: § 3 I Nr. 3 b VwVfG, i.V.m. dem SV LK M. , da kreisangehörige Gemeinde im Landkreisgebiet M.

Tutorium Kommunalrecht (2. Form und Verfahren  Vorbereitung einer Erstentscheidung = Beanstandungsvfg.(VA); im Entscheidungsvorschlag ansprechen) Formelle Rechtmäßigkeit der Beanstandung zunächst (+)

Tutorium Kommunalrecht IV. Materielle Rechtmäßigkeit: 1. Tatbestand = Vorauss. der RGL a) „beanstandungsfähige Maßnahme“: hier: Beschluss des Rates der Gemeinde Moorhausen (+) DEFINITION: Ein Beschluss ist eine abschließende Entscheidung eines Kollegialorgans in Form von Abstimmungen oder Wahlen. b) der Gemeinde (Zurechnung)

Tutorium Kommunalrecht c) Gesetzesverletzung, die auf formellen und/oder materiellen Grün­den beruhen kann  Beschlussprüfung „Grdst.kauf/-tausch“ : (I.) RGL: §§ 124 I, 110 NKomVG (II.)Formelle Rechtmäßigkeit (des Ratsbeschlusses): 1. Organzuständigkeit Rat gem. § 58 I Nr. 14 NKomVG Erklärung: Grundstückstausch als vergleichbares Rechtsgeschäft - „insbesondere“ - miterfasst (Veräußerung eines Grundstücks)

Tutorium Kommunalrecht 2. Beschlussfähigkeit, § 65 I 1 NKomVG zu Beginn: Alt. 1 oder 2? Ordnungsgemäße Ladung Schriftliche Ladung per E-Mail (§ 59 I 1) unter Angabe von Ort, Zeit und Tagesordnung (TO) (+) Ladungsfrist eingehalten? Fristberechnung gem. §§ 187 I, 188 II BGB analog, da keine Verweisungsnorm vorhanden ist. Frist wurde lt. SV eingehalten. Alle Ratsmitglieder anwesend (vgl. Abstimmung 13:12) zu Beginn beschlussfähig gem. § 65 I 1 1.Alt. Beschlussfähigkeit zu Top 4? besteht grds. fort gem. § 65 I 3 NKomVG, keine abweichenden Angaben im SV Beschlussfähigkeit zu Top 4 (+)

Tutorium Kommunalrecht 3. Ordnungsgemäße Vorbereitung durch den VA gem. § 76 I 1 NKomVG (+) 4. Abstimmung, § 66 I NKomVG Erforderliche Mehrheit gem. § 66 I NKomVG? einfache Mehrheit benötigt, Def.: Mehrheit der abgegebenen Stimmen hier 13:12 (+) Abstimmung (+)

Tutorium Kommunalrecht 5. Mitwirkungsverbote für A, C gem. § 41 NKomVG i.V.m. § 54 III NKomVG A: Persönliche Voraussetzungen: Bruder X ist Verwandter i.S.v. § 41 I 1 Nr.3 NKomVG Persönl. Voraussetzungen: (+)

Tutorium Kommunalrecht Sachliche Voraussetzungen: Vor-/Nachteil: Tausch des Grundstücks ein Vorteil? (+), auch Umwandlung des statischen Vermögens  er erhält etwas, was er haben wollte

Tutorium Kommunalrecht Unmittelbarkeit? Definition: § 41 I 2 NKomVG bei Einzelbeschlüssen, die nur noch durch den BM ausgeführt werden müssen (hier: - ) oder wenn bei der Umsetzung im Einzelfall für die Verwaltung oder Dritte kein Entscheidungsspielraum mehr bleibt, d.h. die Umsetzung lediglich einen formellen Akt darstellt. Eine Unmittelbarkeit ist nicht gegeben, wenn noch weitere selbständige, durch die vorherige nicht vorbestimmte Entscheidungen notwendig sind [z.B. Ermessens-VA] (Baugenehmigung nach der NBauO). hier: Unmittelbarkeit (+), weil durch den Beschluss die aufschiebende Bedingung (§ 158 I BGB) eintritt und der Tauschvertrag (§ 515 BGB) wirksam wird.

Tutorium Kommunalrecht A könnte mitwirken i.S.v. § 41 I 3 NKomVG, wenn X Teil einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe ist, deren gemeinsamen Interessen beeinträchtigt sind. Berufsgruppe (-) Bevölkerungsgruppe? Def.: Ein nach obj. Merkmalen bestimmbarer Personenkreis Hier: +, X ist Teil der Grundstückseigentümer

Tutorium Kommunalrecht gemeinsames Interesse? gemeint ist das „beteiligt“ sein, d.h. der Anteil an der Sache hier: nur Grundstück des X betroffen. kein gemeinsames, sondern ein Individualinteresse Ergebnis: Mitwirkungsverbot für A gem. §§ 41 I i.V.m. 54 III NKomVG

Tutorium Kommunalrecht Mitwirkungsverbot für C gem. § 41 NKomVG i.V.m. § 54 III NKomVG? pers. Voraussetzungen? (+) , gem. § 41 I 1 Nr.1 NKomVG als Beschäftigter gegen Entgelt bei einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts tätig ist sachliche Voraussetzungen? unmittelbarer Vor-/ Nachteil für die Firma? Firma erhofft sich den Zuschlag für den Bauauftrag. Dieser muss aber noch ausgeschrieben werden Unmittelbarkeit: (-) Ergebnis: kein Mitwirkungsverbot für C

Tutorium Kommunalrecht Zwischenergebnis: A hat trotz Mitwirkungsverbot mitgewirkt Verfahren und Rechtsfolge: Ist A seiner Mitteilungspflicht gem § 41 IV 2 NKomVG nachgekommen? Wenn keine Entscheidung erfolgt, liegt darin ein schwerer Verfahrensfehler(= Unwirksamkeit des Beschlusses) A ist seiner Pflicht nicht nachgekommen

Tutorium Kommunalrecht b) Unbeachtlichkeit des Verstoßes? Verstoß muss aber innerhalb eines Jahres gerügt werden, sonst ist der Fehler unbeachtlich, § 41 VI 2 i.V.m. § 10 II 1NKomVG. hier: lt. SV keine Rüge erfolgt Beschluss ist folglich nur formell rechtswidrig

Tutorium Kommunalrecht 6. Öffentlichkeit der Sitzung, § 64 NKomVG Berechtigtes Interesse des X? (-), da es nur um einen Tausch geht öffentliches Wohl betroffen? hier: (-) Sitzung fand öffentlich gem. § 64 1 NKomVG statt ortsübliche Bekanntmachung i.S.v. § 59 V NKomVG offensichtlich (+), da lt. SV Zuhörer anwesend waren

Tutorium Kommunalrecht III. Materielle Rechtmäßigkeit des Beschlusses Mangels fehlender Angaben im SV nicht weiter überprüfbar. Materielle Rechtmäßigkeit ist folglich anzunehmen. Ergebnis: Beschluss ist formell rechtswidrig.

Tutorium Kommunalrecht 2. Rechtsfolge: Eingreifen der KAB Entschließungs- und Auswahlermessen, § 40 VwVfG Beschluss ist formell rechtswidrig, da A trotz eines Mitwirkungsverbotes an der Entscheidung mitgewirkt hat. möglicherweise Unwirksamkeit des Beschlusses (als Steigerung) gem. § 41 VI 1 NKomVG Stimme des A entscheidend? Folge einer Unwirksamkeit: Entschließungs- und Auswahlermessen reduziert sich auf 0, d.h. die KAB muss beanstanden (str.; andere Ansicht siehe Aufbaumuster).

Tutorium Kommunalrecht Stimme entscheidend? bei offener Abstimmung kann es genügen, wenn der Betroffene erklärt, wie er abgestimmt hat bei geheimer Abstimmung Zurechnung der Stimme zur Mehrheit Problem: Mitwirkung des A bei der Beratung? i.d.R. keine Beanstandung nötig, weil es um die Abstimmung geht (vgl. Zweck des § 41 VI 1 NKomVG)

Tutorium Kommunalrecht Stimme entscheidend? Lt. SV stimmt A für den Antrag. Stimme war also entscheidend, weil sonst keine Mehrheit zustande gekommen wäre Beschluss ist unwirksam gem. § 41 VI 1 NKomVG KAB wird den Beschluss wegen Verstoßes gegen § 41 VI 1 NKomVG beanstanden.