Dritte Forensische Fachtagung – Neue Entwicklungen in der Forensischen Psychiatrie Psychiatrische Klinik Münsterlingen Die Forensik als entsexualisierte.

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 Präsentation transkript:

Dritte Forensische Fachtagung – Neue Entwicklungen in der Forensischen Psychiatrie Psychiatrische Klinik Münsterlingen Die Forensik als entsexualisierte Zone? Ergebnisse einer Umfrage in deutschsprachigen Forensikeinrichtungen Prof. Dr. Ian Needham Pflegewissenschafter MSc, Rechtspsychologe MSc Kantonale Psychiatrische Dienste - Sektor Nord Center of Education & Research (COEUR ) Zürcherstrasse 30, Postfach Wil Switzerland Reto A. Wernli Kaufmann Berufsschullehrer HF Trainer Aggressionsmanagement Berner Bildungszentrum Pflege Freiburgstr Bern Switzerland

2 Inhalt  Hintergrund  Problem, Methode, Durchführung  Ausgewählte Ergebnisse  Diskussion  Fallbeispiel  Schlussfolgerungen

3 Hintergrund Patientensexualität ist für viele forensisch psychiatrische Einrichtungen (auch für den Strafvollzug) und deren Mitarbeitende herausfordernd Vieles ist bekannt über sexuelle Störungen, Sexualität und Devianz, Brandstiftung usf: Wenig ist verschriftlicht über den Umgang damit in der Forensik Wenig ist verschriftlicht über Sexualität als gewöhnliches, normales Bedürfnis psychiatrisch forensischer PatientInnen Verdacht: Implizite «Regelwerke», rechtliche und ethisch/moralischer Ängste, Medikalisierung gewöhnlicher Sexualität

Peter Fiedler Michell e Foucau lt Michael Lindenm ann «Sexuelle Orientierung & sexuelle Abweichung», 2004 «Der Wille zum Wissen», 1976 «Die Sanktionierung unbotmässigen Patientenverhaltens», 2004

2015 Ehe «Beichten & Busse» Sexualität d. Kinder/Jugend «Sexualität in Heimen» «Mutter – Kind- Beziehung» Perversionen Sexualität d. unverheirateten Homosexualität Ich-dystone Homosex. (DSM – III-R, 1987) 90er Jahre …. 50er Jahre …. Gesellschaftliche Liberalisierung Paraphilien/St. Sexualpräferenz Sanktionierung Massnahmevollzug … Umfrage über die Einstellung […] sexuellem Verhalten forensischer Pat. «Fortpflanzug = Leben» (Purves et al., 2006) Philip Larkin ( ) Annus Mirabilis Sexual intercourse began In nineteen sixty-three (which was rather late for me) - Between the end of the "Chatterley" ban And the Beatles' first LP.

6 Fragestellungen Was gilt aktuell als akzeptierte Form von Sexualität forensisch psychiatrischer Patienten*? Mit welcher Haltung wird der Sexualität von forensisch psychiatrischen Patienten aus der Perspektive professioneller Mitarbeitenden begegnet? Welche Interventionen sind im Rahmen des Vollzugs vorstellbar (oder üblich), um auf verbotene sexuelle Handlungen reagieren? Wie kann die Bereitschaft gefasst werden, Vorgehensweisen und Handhabungen formal zu regeln?

Fragebogen übersetzen u. Validieren Mailingliste Institutionen Aufsetzen der Umfrage in Survey monkey Umfrage durchführen Auswertung und Analyse

8 Ausgewählte Ergebnisse

9 Menschenrechtsverletzung? ggg

10 Beziehung zu Prostituierten? DACH P =.001

11 Beziehung zu Prostituierten? DACH = n.s.

12 Intime Berührungen? ggg Intime Berührungen zwischen Patienten sollen sein...

13 Rückzugsraum? Forensische Stationen/Einrichtungen sollten einen privaten Rückzugsraum zur Verfügung stellen, damit Patienten unbeaufsichtigt Besuche von ihren Ehepartnern/Lebenspartnern erhalten können? DACH p n.s.

14 Akzeptierte Sexualität «voll und ganz» emotionale Beziehungen, Masturbieren, Umarmungen, Hände halten «unter bestimmten Umständen» Sexualität mit PartnerInnen, mit MitpatientInnen, mit Prostituierten, sowie Küssen, der Konsum von Pornografie, intime Berührungen, als auch Eheschliessungen zwischen PatientInnen «verboten» sexuelle Aktivitäten zwischen PatientInnen und Mitarbeitenden

15 Interventionen bei «verbotener» Sexualität Als «wichtig» für die Erwägung einer Intervention/Regelung der Sexualität forensischer Patienten gilt: –Einverständnisfähigkeit –Vulnerabilität –Delikt –Risiko für übertragbare Krankheiten –Diagnose Beratung, Bericht und Teambesprechung sind akzeptierte Formen der Intervention Medikation und Isolation sind (eher) nicht erwünschte Interventionsformen

16 Formales Regelwerk? Es besteht eine grundsätzliche Bereitschaft zur fachlichen Auseinandersetzung mit der Sexualität forensischer Patienten Eine «Nachlese»-Möglichkeit hinsichtlich Sexualität für Patienten wird begrüsst Richtlinien und Standards werden eher zugestimmt. Einer Aufklärung von Patienten über die Nebenwirkungen von Medikamenten wird «zugestimmt»

- ++ Emotionale Bez., Masturbieren, Umarmung, Hände halten Einverständnisfähigkeit, Vulnerabilität, Delikt, Risiko für übertragbare Krankheiten, Diagnose Sicherheitsniveau Beratung, Bericht, Teambesprechung, Verwarnung + + Sexualität mit Partner, Mitpatient/Innen, Prostituierten Küssen, Pornografie, intime Berührungen, Eheschliessung Sicherheitsniveau d. Station, Diagnose, Dauer Aufenthalt Risiko übertragbare Krankheiten - - Küssen (om), intime Berührung, Eheschliessung, SexDVD’s Sexuelle Präferenz, Dauer d. Aufenthaltes/Massnahme, Sicherheitsniveau d. Station Leitlinien, Rege- lungen, Richtlinien Sexuelle AusdrucksformenGründe für die RegelungFolgen verbotener Sex Regelungen-- Sexualität mit Personal Δ Meinungen in Strafvollzug (n=59) & Forensik (n=149) gering Zusammenfassung der Ergebnisse

18 Fallbeispiel

Diskussion „Hr. B. wurde demzufolge im Tagesraum angetroffen, wobei er mit der Patientin Frau D. Zärtlichkeiten ausgetauscht hätte (im Arm halten, wobei die Patientin auf seinem Schoss sass).“ Herr B. wurde in sein Zimmer eingeschlossen, die Raucherwaren wurden ihm vorübergehend entzogen. Das Personal hat des Weiteren während der Überlappung über weitere Massnahmen befunden. Herr B. musste übers Wochenende in seinem Zimmer bleiben; „ggf. wurde erwogen, dass er die Mahlzeiten in der Gruppe zu sich nehmen könne.“ (Quelle: Patient B, Pflegedokumentation 398/407 in Lindenmann 2014, S. 158). Fallbeispiel: Meinung (2015) vs Wirklichkeit (2004) „Unerwünschte Sexualkontakte, sexuelle Belästigung und Anzüglichkeiten“ in der Forensik (Lindenmann, 2004)

20 Diskussion Liberale Haltung im deutschsprachigen Raum gegenüber der Sexualität forensischer Patienten Meinungen 2015 liberaler als Vorgehen 2004 (vgl. Fallbeispiel Österreich scheint am liberalsten (Stichprobenverzerrung?) und UK am konservativsten Sexualität = anthropologische Konstante: Meinung/Haltung wahrscheinlich kulturgebunden Die Haltungen der MA in Strafvollzug und forensischer sind ähnlich historisch beschriebene «Marginalisierungen» sind nicht erkennbar

21 Schlussfolgerungen Vieles ungeklärt etwa Regelwerke, Beratungsmodelle Mögliche weitere Projekte –Rechtliche und/oder ethisch/moralische Betrachtungen und Entscheidungsmodelle –Einfluss der jeweiligen Gesellschaft und des derzeitigen politischen Klimas (Soziologie) –Abgrenzungskriterien: Normale und Pathologische Sexualtität (Psychiatrie/Psychologie) –Handhabung im psychiatrisch forensischen Alltag (Pflege)

22 Literatur Assalian, P. F., & al., D. &. ( 2014). Attitudes toward sexuell Expression in secure forensic setting. University Nottingham. Fiedler, P. (2004). Sexuelle Orientierung und sexuelle Abweichung. Heterosexualität – Homosexualität – Transgenderismus und Paraphilien – sexueller Missbrauch – sexuelle Gewalt. Weinheim, Basel: Beltz Verlag. Foucault, M. (1976 in 2013). Der Wille zum Wissen in Michel Foucault -Die Hauptwerke. Frankfurt am Main: Suhrkamp quatro. Head-König, A.-L. (15. August 2007). Historisches Lexikon der Schweiz. Von Konkubinat: abgerufen Kornmeier, M. (2008). Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht - für Bachelor, Master und Dissertationen. Göttingen, Stuttgart: Haupt Berne, UTB. Lindenmann, M. (2004). Die Sanktionierung unbotmässigen Patientenverhaltens. Disziplinarische Aspekte des psychiatrischen Massregelvollzugs,. Berlin: De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag- GmbH. Purves, W., Sadava, D., & Orians, G. (2006). Biologie. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag. Schmidt-Quernheim, F., & Hax-Schoppenhorst, T. (2008). Professionelle forensische Pschiatrie. Behandlung und Rehabilitation im Massregelvollzug. Bern: Verlag Hans Huber. Tiwana, M. V. (2014). International policies on sexual expression in secure forensic-psychiatric settings in different European countries. University Nottingham. Wernli Kaufmann, R. V. (2015 (unveröffentlicht)). Attitudes Towards Sexual Expression in Secure Psychiatric-Forensic Settings – German Version. Nottingham, Wil, Bern