Thema 8: Soziale Gliederung des deutschen Wortschatzes

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Thema 8: Soziale Gliederung des deutschen Wortschatzes

Plan Existenzformen der Sprache. Varietätenfeld der deutschen Gegenwartssprache Die soziale Differenzierung der Lexik Sondersprachen und Sonderlexik Fachsprachen und Fachwörter

Existenzformen der Sprache Natürliche Sprachen sind nicht homogen, sondern heterogen, sind vielfältig gegliedert. Die Sprache ist ein Polysystem, ein Konglomerat der Sprachen. Man spricht von der Standartsprache, Dialekten, Umgangssprachen, Fachsprachen, Sondersprachen usw. Die Erscheinungs- bzw. Existenzformen der Sprache werden in der Sprachwissenschaft Sprachvarietäten genannt.

Richtungen der Untersuchung der Sprache historisch-diachronisch auf der Zeitachse (Frage nach der Entwicklung) synchronisch-diatopisch auf der Ebene des Raumes (Frage nach dem Geltungsbereich) sozial-diasituativ auf der Ebene der Redesituation (Frage nach dem Gebrauch)

Sprachvarietäten Die Standartsprache bildet das Zentrum sprachlicher Kommunikation (seit dem 19. Jh.) Die Standartsprache ist in die Stilschichten bzw. Funktionalstile differenziert. Um dieses Zentrum lagern sich `Kreise`: Literatursprache Fachsprachen usw.

Sprachvarietäten „Konzept der inneren Mehrsprachigkeit“ (von H.Henne) - man spricht zu Hause und im Beruf oder in der Öffentlichkeit verschiedene Sprachen. Die Leute sind mehrsprachig in allen Regenbogenfarben des soziokulturellen Spektrums. Code-Switching / Sprachwechsel – Man wechselt von der Alltagssprache zur Feiertagssprache, von der Kultursprache zur Vulgärsprache.

Varietätenfeld der Sprache Die Sprachvarietäten existieren nicht nur nebeneinander, sondern miteinander. Ständige Kontakte und wechselseitiger Einfluss Innersprachliche Entlehnungen: Standart.  Umgspr. Kraut `Tabak` Umgspr.  Standart. Bombenstimmung Standart.  Sonderspr. Käfer ´Mädchen` Sonderspr.  Standart. mogeln ´unehrlich handeln` (beim Kartenspielen, bei den Kontrollarbeiten)

Diasystem / Diasubsysteme (nach E.Coseriu) Diaphasische Unterschiede / funktionale Sprachvarietäten, Funktiolekte Diatopische Unterschiede (raumgebundene) / Dialekte, Regiolekte Diastratische Unterschiede (an eine soziale Gruppe gebundene) / Soziolekte

Soziale Differenzierung des Lexik Die soziale Gliederung des Wortschatzes ist durch die Art der sozialen Beziehungen bestimmt. Klassische soziale Parameter: - Schicht / soziale Herkunft - Berufszugehörigkeit - Alter - Geschlecht - Ethnie (ethnische / regionale / kulturelle Herkunft)

Soziale Differenzierung des Lexik Allgemeinwortschatz die Lexik, die von allen Sprachbenutzern verstanden und gebraucht wird. Sonderwortschatz / gruppenspezifischer Wortschatz die Lexik, in der sich Beruf, Alter, Geschlecht, Interessen des sozialen Trägers sprachlich auswirken.

Alterssprachen / transistorische Lexik Kindersprache (Erstspracherwerb, bis ins Vorschulalter) Schüler- und Jugendsprache (Schwerpunkte bei den Wertausdrücken fett, geil, Personen- und Gruppenbezeichnungen Torte, Macker, provokanten Lexemen, Tabuwörtern Wichser, schöpferischer Abwandlung der Standartlexik anbaggern und Wortspielen Er ist in Topf-Form, Radio Schnulzenburg) Erwachsenensprache während der Berufstätigkeit (gilt als Normalstufe) Seniorensprache (starke Frequenz der veralteten Lexeme, häufiger Gebrauch der Phraseologismen, entwickeltere semantische Kompetenz)

Sondersprachen Geheimsprachen Kontrasprachen (z.B. Rotwelsch/eine alte Gaunersprache, Drogensprache ) geheimer Code, der für andere nicht verständlich ist Denotation ist wichtig Kontrasprachen (z.B. Jugendsprache, Szenesprachen/ in der Subkultur) distanzieren sich von anderen Sprechweisen Konnotationen sind wichtig, situationsabhängige emotive Zugriffe

Geheimsprachen Die Abgrenzung der Sprecher und die Veränderung der Bedeutung ist pragmatisch zu sehen. Ein Wort kann zwei Bedeutungen erhalten: Eisbär – ‚Silbermünze‘ und ‚Geizhals‘ (Rotwelsch) Zwei Wörter haben die gleiche Bedeutung: Schokolade, Schimmel – ‚Haschisch‘ (Drogensprache)

Kontrasprachen Jugendsprache Originelle Bedeutungsveränderung: Trachtengruppe ‚Verkehrs-polizei‘, Strampelanzug ‚Trainingsanzug‘ Wertende Bedeutungsveränderung: Dinosaurier ‚alter Mensch‘, Freizeitkiller ‚Streber‘ Szenesprache Originelle Bedeutungsveränderung: Troll ‚Saboteur von Internet-beiträgen‘, Moorwasser ‚Mischgetränk‘ Wertende Bedeutungsveränderung: Toy ‚Neuling unter Sprayern‘, Bremser ‚Praktikumsbetreuer‘

Soldatensprache SS im 2. Weltkrieg im Mittelpunkt Krieg und Kriegsereignisse extralinguist. Anlass innere, erlebte Beziehung zur Schlacht, Schützengraben, Kriegsgefangenschaft, Tod auf dem Schlachtfeld SS in der Bundeswehr heute Keine Kriegsbezüge psycholog. Anlass, Expressivität, Humor Viele Personenbezeich-nungen, Dienstgrade Blindenführer (Leutnant) Bundi, Bundeswehrboy Bezeichnungen der Funktionen Bomber, Berghase, Blutlecker

Sozialdifferenzierte Lexik ist den anderen sozialen Gruppen der Sprachträger nicht bekannt oder (häufiger) nicht gebraucht, ist oft kurzlebig und sogar nicht allen Angehörigen von Gruppensprachen bekannt. hat Funktion, originell und wertend zu sein. Die gruppenspezifischen Wörter bekommen einen Symbolwert und werden als Zeichen der Gruppenzugehörigkeit verwendet und gedeutet. Durch die Abweichungen in der Lexik, besondere Anrede-, Grußformeln zeichnen sich Gruppensprachen, Sondersprachen oder Soziolekte aus. Idiolekt – (griech. idios `eigentümlich`, lex `Rede`) für ein bestimmtes Individuum charakteristischer Sprachgebrauch

Fachsprachen sind die Sprachvarietäten, die Fachleute sprechen, wenn sie über Fragen und Gegenstände ihres Faches reden. In einzelnen Fächern dienen die FS als Erkenntnis- und Verständigungsinstrumente. sind Spezialsprachen von Fachleuten für Fachleute. Die Nicht-Fachleute sind aber kommunikativ nicht ausgeschlossen. Man unterscheidet fachinterne (Arzt – Arzt), interfachliche (Arzt – Psychologe) und fachexterne Kommunikation (Arzt – Patient).

Fachsprachen beeinflussen die Standartsprache heute wesentlich (standartsprachliche Verwissenschaftlichung), z.B. Fremdwörter. kennen keine eigene Grammatik, Syntax. Aber es gibt einige grammatische syntaktische Besonderheiten der FS: - Passiv und Passivsynonyme, - Satzglieder anstelle Gliedsätze, - Nominalisierung von Verben und Adjektiven.

Fachwortschatz Im Fachtext kommen 3 Typen von Wörtern vor Standartwörter: Artikel, Präpositionen, Verben (öffnen, beginnen), Adverbien (noch, später) nicht fachspezifische Wörter, kommen in mehreren FS vor (absoluter Druck, Gase) Fachwörter, typisch für konkrete FS, oft als Terminologie (System von Termini) bezeichnet

Fachwortschatz Man spricht von 3 Typen der Fachwörter: Terminus (Termini) – ein definiertes Fachwort Halbterminus – nicht definiertes Fachwort Fachjargonismus (im alltäglichen vertrauten Umgang mit Arbeitskollegen, nicht frei von Konnotationen) – „Arbeitswörter“ ohne Anspruch auf Genauigkeit

Merkmale der Termini fachorientiert (gehören zu einer FS) systemorientiert (gehören zu einem Terminosystem) exakt definiert (monoreferenzielle Polysemie ist ausgeschlossen) kontextunabhängig neutral (frei von Konnotationen) ableitbar (produktive Wortbildungsprozesse sind möglich) sprachökonomisch (kurz, knapp)

Besonderheiten des Fachwortschatzes Internationalismen und fremdsprachliche Elemente (Semantik, Morphologie, Aquaplaning) Komposita (Rechtschreibreform) Mehrwortbenennungen (nonverbale Kommunikation) Wortkürzungen (OT/UT oberer/unterer Totpunkt) fachsprachlich häufige Wortbildungsmuster, z.B.: substantivierte Infinitive (Sprechen, Drehen), Nomen auf -er (Sprecher, Hörer), Zusammensetzungen mit Buchstaben, Ziffern (O-Umlaut, 60-Watt-Lampe), Adjektive auf –bar, -los, -reich, -sicher usw.