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Vortrag: Wie könnte eine allgemeine Theorie institutionellen Wandels und seiner Verlaufsmuster aussehen? zugleich: Einführung in den Evolutorischen Institutionalismus.

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Präsentation zum Thema: "Vortrag: Wie könnte eine allgemeine Theorie institutionellen Wandels und seiner Verlaufsmuster aussehen? zugleich: Einführung in den Evolutorischen Institutionalismus."—  Präsentation transkript:

1 Vortrag: Wie könnte eine allgemeine Theorie institutionellen Wandels und seiner Verlaufsmuster aussehen? zugleich: Einführung in den Evolutorischen Institutionalismus TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

2  Das sind durchaus herausfordernde Fragestellungen, wobei tragfähige Antworten auf sie für die historischen Kultur- und Sozialwissenschaften wohl sehr nützlich wären. Worum geht es? Lassen sich – und ggf. wie – Prozesse des Wandels von sozialen Strukturen, v.a. von Institutionen, über die historiographische Nachzeichnung des jeweils Faktischen hinaus beschreiben, verstehen und erklären? d.h.: Läßt sich – und ggf. wie – eine allgemeine Theorie strukturellen Wandels formulieren, die dann eben – und zwar in wirklich erhellender Weise – auf verschiedene Gegenstände (vergleichend) angewendet werden kann? Lassen sich – und ggf. wie – bei Prozessen strukturellen Wandels auch Verlaufsmuster über die historiographische Nachzeichnung des jeweils Faktischen hinaus beschreiben, verstehen und erklären? d.h.: Läßt sich – und ggf. wie – eine allgemeine Theorie historischer Verlaufsmuster formulieren, die dann eben – und zwar in wirklich erhellender Weise – auf verschiedene Fälle historischen Wandels (vergleichend) angewendet werden kann? … und es zeigt sich, daß sowohl im SFB 580 Jena/Halle als auch im SFB 537 Dresden an Antworten auf diese Fragen gearbeitet wird. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

3 Versuche und Anschlußfragen
SFB 580 Jena/Halle befaßt sich mit ‚Diskontinuität, Tradition und Strukturentwicklung‘ bei ‚Gesellschaftlichen Entwicklungen nach dem Systemumbruch‘ hat als Rahmentheorie einen – von Arnold Toynbee inspirierten – Challenge-Response-Ansatz entwickelt ist vorwiegend empirisch interessiert SFB 537 Dresden befaßt sich mit ‚Institutionalität und Geschichtlichkeit‘, d.h. mit der Herausbildung und Verstetigung von institutionellen Strukturen als besonderem ‚Aggregatzustand‘ sozialer Wirklichkeit verwendet als gemeinsame Beschreibungssprache von Gerhard Göhler und Karl-Siegbert Rehberg entwickelte Kategorien ‚institutioneller Analyse‘ entwickelte im Teilprojekt K ‚Instrumentelle und symbolische Funktionen von Vertretungskörperschaften‘ einen überwölbenden Theorieansatz, welcher ‚die Evolutionstheorie‘ mit der institutionellen Analyse verbindet und für die empirische Untersuchung der Geschichtlichkeit von Institutionen erschließt: den ‚Evolutorischen Institutionalismus‘. Fragen: Befassen sich der Challenge-Response-Ansatz (CRA) und der Evolutorische Institutionalismus (EI) bei der Analyse von strukturellen Entwicklungen mit im Grunde dem gleichen Gegenstand? Falls ja: In welchem Verhältnis stehen dann die beiden Theorieansätze – und wie könnten sie voneinander Nutzen ziehen? Welche Antwort können diese Ansätze auf die Frage nach einer allgemeinen Theorie strukturellen Wandels bzw. historischer Verlaufsmuster geben? TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

4 Gedankengang Aufriß des Challenge-Response-Ansatzes (CR) in einer Weise, welche die Schnittstellen mit dem Evolutorischen Institutionalisms (EI) leicht zu erkennen erlaubt knappe Vorstellung des Evolutorischen Institutionalismus Darstellung der Verbindungsmöglichkeiten von CR und EI und Plausibilisierung des analytischen Mehrwerts, den ihre Nutzung erbringt Antwort auf die Frage, wie wohl – auf der Basis dieser Ansätze – eine allgemeinen Theorie strukturellen Wandels bzw. historischer Verlaufsmuster aussähe TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

5 Leitgedanken des Challenge-Response-Ansatzes I: Grundlagen
Schnittstellen zur Evolutionstheorie: Leitgedanken des Challenge-Response-Ansatzes I: Grundlagen Fragestellung: Wie lassen sich komplexe historische Prozesse über eine Beschreibung ihrer Faktizität hinaus erfassen? D.h.: Welche im Hintergrund geschichtlicher Prozesse wirkenden Regelmäßigkeiten lassen sich auf Theorieebene erkennen und somit allen konkreten Analysen geschichtlicher Prozesse zunächst heuristisch-hermeneutisch, sodann analytisch-explanatorisch zugrunde legen? analytische Perspektive: Die Umwelt eines sozialen Systems wirkt auf dieses ein (‚stellt Herausforderungen‘). Auf diese Herausforderungen wird von den Akteuren (≈ ‚Eliten‘) des sozialen Systems reagiert (‚Antworten werden gegeben‘). Die auf Herausforderungen reagierenden Handlungen verändern ggf. sowohl das soziale System selbst sowie dessen Umwelt (‚rekursive Verursachung‘, ungeplante Nebenwirkungen …), woraus ‚Herausforderungen zweiter, dritter … nter Ordnung‘ entstehen Bei halbwegs stabilen Umwelten (‚Wenig Bedarf an Reaktionen auf Umweltherausforderungen‘) treten jene Herausforderungen in den Vordergrund, die sich aus dem Inneren von Systemen selbst reaktionserfordernd stellen (Selbstreferentialität, ‚Reflexivität‘ usw.) = Frage der (nicht nur biologischen!) Evolutionstheorie = Perspektive der Evolutionstheorie TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt = Leitgedanke der Evolutionären Erkenntnistheorie, d.h. des auf die Entwicklung von ‚Erkenntnisapparaten‘ spezialisierten Teils der Evolutionstheorie

6 äquivalente evolutions-analytische Begriffe:
Leitgedanken des Challenge-Response-Ansatzes II: Präzisierung einzelner Konzepte = ‚Nischenturbulenz(en)‘ ‚Herausforderung‘ = was den Erzeugungs- und Reproduktionsmodus eines Sozialgebildes in Frage stellt ‚Erteilen von Antworten‘ (durch Akteure / Eliten): geht nicht nur um intentionale, sondern auch um zufallsgetriebene Prozesse mit verschieden großen Wahrscheinlichkeitsdichten für das Auftreten und die Realisierung einzelner Optionen dabei Wechselwirkung von … ‚Situationslogik‘: Was ist / gilt in der jeweiligen Situation als funktionell gefordert? ‚Selektionslogik‘ seitens der Akteure: Was sind ihre ‚modalen Response-Modi‘, d.h. die von ihnen routinisierten, für erfolgversprechend oder für möglich (usw.) gehalten Reaktionsweisen? Prägung der Wahrscheinlichkeitsdichten von Reaktionen durch … Grad der Rigidität der sich stellenden funktionellen Anforderungen Grad der Persistenz von solchen Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Verhaltensdispositionen, die aus der Zeit vor dem Auftreten der neuen Herausforderung stammen Wechselwirkungen zwischen beidem Situativ überlagernd wirken zusätzliche exogene und endogene Faktoren, verursacht von mit der analysierten Herausforderung nicht (unmittelbar) zusammenhängenden Ereignissen bzw. Entwicklungen = zufällige Variationen, Mutationen und Rekombi- nationen von strukturbil- denden kulturellen Mustern (‚Memen‘) sowie bei deren Konkretisierungen (‚Phämen‘) = (Wechsel-) Wirkungen ‚innerer‘ und ‚äußerer‘ Selektions- bedingungen = Wirken weiterer – oft durchaus auch ihrerseits strukturierter – stochastischer Prozesse im evolvierenden System und / oder in dessen Nische TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

7 ‚Wahrscheinlichkeitsdichte‘
meint: die Wahrscheinlichkeit, daß ein Ereignis in einem interessierenden Intervall im Ereignisraum eintritt z.B. in einem bestimmten Werteintervall unter einer Gauß-Verteilung meint nicht: die Wahrscheinlichkeit, daß ein bestimmtes Ereignis auftritt. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

8 = Wechselwirkungen von funktionellen und memetischen Bürdestrukturen im Bauplan von Arten oder Institutionen; Teleonomie äquivalente evolutionsanalytische Begriffe: Wechselwirkungen von ‚Herausforderungs-rigidität‘ und ‚Reaktionspersistenz‘ Anpassungsdruck neuer Umweltbedingungen stark schwach hoch gering äußerliche Anpassung etablierter Orientierungs- und Handlungsmuster; ohne nachhaltige Stabilität; Quelle von Spannungen Beibehaltung etablierter Orientierungs- und Handlungsmuster klar ‚gerichtete‘ Entwicklung ‚innengeleitet‘ Reaktionsprädisposition der Akteure ‚außengeleitet‘ Improvisationen, richtungs-loses Experimentieren, bisweilen nachhaltig wirksame Innovationen Offenheit für das Neueinsetzen einer fortan klar ‚gerichteten‘ Entwicklung Improvisationen, richtungs-loses Experimentieren, bisweilen nachhaltig wirksame Innovationen Etablierung neuer Orientierungs- und Handlungsmuster in der Vier-Felder-Tafel: einige historische Verlaufsmuster TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

9 Leitgedanken des Challenge-Response-Ansatzes III: Erfassung von Geschichtlichkeit
äquivalente evolutions-analytische Begriffe: = Orthogenese, ‚gerichtete Entwicklung‘, Teleonomie, Durchhalten einmal geprägter Baupläne … erlaubt Erklärung, unter welchen Umständen es zu gerichteten Entwicklungen kommt, nämlich: starke Reaktionsdisposition & geringer Anpassungsdruck neuer Umweltbedingungen schwache Reaktionsdisposition & großer Anpassungsdruck neuer Umweltbedingungen Neuformierung von dann sich alsdann stabilisierenden Reaktionsdispositionen durch Versuch und Irrtum bei geringem Anpassungsdruck neuer Umweltbedingungen dabei ‚analytisch mitgenommen‘: Theoreme zur Pfadabhängigkeit von Entwicklungsprozessen ( Historischer Institutionalismus; vgl. Mahoney 2000) dabei keinerlei Spur von … Historizismus oder Teleologie Stetigkeits-, Progressivitäts- oder Linearitätsannahmen Also: Theorie sozialen bzw. institutionellen Wandels, welche … Phänomene ‚stimmiger Entwicklung‘ ebenso zu erfassen zuläßt wie solche der Fehlanpassung und des Scheiterns oder von ‚Entwicklungsumwegen‘ bzw. von ‚zyklischen Schwankungen‘ = Typogenese = ‚um das speziell Evolutions- theoretische reduzierte Form von Evolutorischem Institutionalismus‘ dergestalt erfaßt: einige historische Verlaufsmuster TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt = ebenso wie Evolutorischer Institutionalismus

10 Der Challenge-Response-Ansatz (CRA): analytischer Mehrwert
nicht nur ‚façon de parler’ oder bloße Beschreibungssprache sondern … heuristisch-hermeneutisch sehr fruchtbar (‚Man sieht nur, was man weiß!’) analytisch recht auflösungskräftig (‚Was liegt hinter der Ereignisgeschichte?‘) von einer allgemeineren Theorieperspektive her im konkreten Untersuchungsfall sehr erklärungskräftig (‚Warum geschieht dergleichen – in anderen Fällen und hier?‘) geeignet zur Verbindung der Mikroebene personaler Akteure und ihrer Wissensstrukturen mit der Mesoebene von Institutionen und der Makroebene ganzer Systemkonfigurationen interdisziplinär integrationsfähig theoretisch vielfach anschlußfähig. Dabei Anschlußfragen: Läßt sich sozialer und institutioneller Wandel nicht – entlang der offenbar evolutions- theoretischen Leitgedanken des CR-Ansatzes – noch auflösungskräftiger erfassen? Läßt sich die Erklärungskraft des CR-Ansatzes nicht durch dessen Einbettung in eine umfassendere Theorie ausdehnen? Ja – durch Verbindung mit dem Evolutorischen Institutionalismus! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

11 Leitgedanken des Evolutorischen Institutionalismus
Fragestellung: Wie entstehen, stabilisieren und wandeln sich institutionelle Strukturen? Wie lassen sich die dabei ablaufenden komplexen historischen Prozesse sowie ihre Muster über eine Beschreibung ihrer Faktizität hinaus erfassen? D.h.: Welche im Hintergrund geschichtlicher Prozesse wirkenden Regelmäßigkeiten lassen sich auf der Theorieebene erwarten und dann allen konkreten Analysen geschichtlicher Prozesse zunächst heuristisch-hermeneutisch, sodann analytisch-explanatorisch zugrunde legen? Grundrichtung der Antwort: Wenn die biologische Evolutionstheorie diese Fragen hinsichtlich der Entstehung, Stabilisierung und des Wandels biologischer Strukturen erfolgreich und offenbar empirisch wahr beantwortet – warum sollten dann ihre Kategorien und Theoreme nicht auch hilfreich sein für die Beantwortung der ganz parallelen Frage nach der Entstehung, Stabilisierung und dem Wandel sozialer bzw. institutioneller Strukturen? Ausprobieren! Allerdings: Soziale/institutionelle Strukturen sind etwas ganz anderes als biologische Strukturen, so daß eine simple Parallelisierung von Begriffen und Theoremen allenfalls heuristisch interessant sein kann, doch weit hinter dem zurückbleibt, was anzustreben ist. = gleiche Frage wie im CR-Ansatz ! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

12 Theoriebausteine des EI
 erschließen sehr weit reichende Kontexte sowie tiefe Einblicke in die übergreifenden Verursachungsgefüge des Gegenstandsbereichs des Challenge-Response-Ansatzes Theoriebausteine des EI Erfassung der Konstruktion, Reproduktion, Modifikation und Destruktion sozialer Strukturen: Allgemeine ethnomethodologische Theorie (Patzelt 1987) Erfassung der Entstehung von Institutionalität als verfestigtem Aggregatzustand sozialer Wirklichkeit: Dresdner SFB-Ansatz ‚institutioneller Analyse‘ (etwa Rehberg 1990) Erfassung der biologischen Grundlagen sozialen Handelns: Soziobiologie (etwa Voland 2000), Humanethologie (etwa Eibl-Eibesfeldt 1997) Schaffung der Schnittstelle zwischen der biologischen Evolutionstheorie und einer zu ihr parallel aufgebauten soziologischen oder kulturwissenschaftlichen Evolutionstheorie: Memetik (Dawkins 1976, Blackmore 2000) systematische Erfassung der Prozesse und Muster der Entwicklung, Tradition sowie Diskontinuitätsherbeiführung sozialer bzw. institutioneller Strukturen durch die von ihrem ursprünglichen biologischen empirischen Referenten abstrahierte und dann auf einen sozialen empirischen Referenten angewendete Systemtheorie der Evolution (Riedl 1990, 2003)  Alles das ist systematisch entfaltet und mit exemplarischen empirischen Fallstudien veranschaulicht in Patzelt 2006 TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

13 Gewinnung und Anwendung der Allgemeinen Evolutionstheorie
 ‚Übersetzungstabelle‘ Gewinnung und Anwendung der Allgemeinen Evolutionstheorie ‚Allgemeine Evolutionstheorie‘ Abstraktion vom biologischen empirischen Referenten unter Beibehaltung der bewährten Konzepte und Theoreme gegenstandsspezifische Konkretisierung durch gegenstandsangemessene Anwendung ihrer Konzepte und Theoreme auf nicht-biologische empirische Referenten KEINE bloße ‚Heuristik‘ oder ‚Analogie‘ !! Sozialwiss. Evolutionstheorie erfaßt durch die biologische Evolutionstheorie: von Darwin über die Synthetische Theorie weiterentwickelt zur Systemtheorie der Evolution Entwicklung von Institutionen (= sozialer Strukturen) CR-Ansatz kulturwissenschaftl. Evolutionstheorie Entwicklung von Kompositions- und Maltechniken, Baustilen, Dichtungsformen, Denkgebäuden … (= kultureller Strukturen) Entwicklung der Arten (= biologischer Strukturen) TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

14 ‚Übersetzungstabelle‘ (Auszug)
biologische Evolutionstheorie: soziologische Evolutionstheorie: Gen, Genom epigenetisches System Phän Art Grundbauplan Generation: jeweils neue Organismen der Art, geschaffen über genetische Replikation Mem, Memplex epimemetisches System Phäm Institution Grundbauplan, ‚institutionelle Form‘ Generation: jeweils neue Mitglieder einer Institution, ‚geschaffen‘ über memetische Replikation (= institutions-spezifische Sozialisation) gleiche Begriffe: Variation, Mutation, Rekombination; innere und äußere Selektionsfaktoren; Passung und Fitneß … TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

15 Was ist ‚Memetik‘? Ist die Weiterführung der Einblicke in den (rein chemisch ablaufenden) genetischen Replikationsmechanismus ins Verständnis kultureller Replikationsmechanismen deren Grundeinheit: kulturelle Muster, die nachgeahmt und auf diese Weise tradiert werden können (Verhalten, Reden, Denken …; Begriff: Mem bzw. Memplex), und zwar … entweder unmittelbar durch Nachahmung, z.B. durch Nachsingen einer Melodie oder Befolgen eines Rollenmodells oder mittelbar durch Erlernen von Regeln, bei deren Anwendung das zu tradierende Muster neu entsteht, z.B. durch Erlernen der Notenschrift und der Fähigkeit, die in Notenschrift codierte Melodie auf einem Instrument zum Klingen zu bringen, oder durch Erlernen und Befolgen jener Regeln, die eine soziale Rolle konstituieren Meme/Memplexe sind die Durchführungsmittel sämtlicher Prozesse sozialer Struktur-, Rollen-, Organisations- und Institutionenbildung. begriffliche Schnittstelle: biologische Evolutionstheorie: Weitergabe jener Informationen, aus welchen biologische Strukturen reproduziert werden, in chemisch codierter Form, nämlich in Genen soziologische Evolutionstheorie: Weitergabe jener Informationen, aus welchen soziale Strukturen reproduziert werden, in kulturell codierter Form, nämlich in Memen Es zeigt sich: Alle Theoreme der Evolutionstheorie, in denen der Begriff des ‚Gens‘ bzw. dessen Derivate (Genpool und Genotyp; sowie Phän, Phänpool und Phänotyp) eine Rolle spielen, bleiben empirisch sinnvoll, wenn in sie der parallele Begriff des ‚Mems‘ und dessen Derivate eingesetzt werden (Mempool und Memotyp; sowie Phäm, Phämpool und Phämotyp). TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

16 vereinfacht: Strukturbildung und Meme
Strukturen werden über Prozesse aufgebaut, bei denen die Replikation von Memen (= von kulturellen Mustern) eine große Rolle spielt. z.B. Mem (= kulturelles Muster) ‚Frauen gehören zu Haushalt und Kindern!‘ Ändern sich Meme (=kulturelle Muster), so ändern sich auch soziale Strukturen – vor allem dann, wenn grundlegende Meme verändert werden z.B. Mem ‚Frauen sollen gleiche Rollen spielen wie Männer!‘ Genau deshalb werden ‚Reformen‘ und ‚gesellschaftlicher Wandel‘ oft über das Hinwirken auf einen ‚Bewußtseinswandel‘ (= Veränderung bewußter und handlungsleitend akzeptierter kultureller Muster) angestrebt. z.B. Viktimisierungsargumente im Gender-Diskurs, Bemühen um ‚geschlechtsneutrale Sprache‘, proaktives ‚gender mainstreaming‘ TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

17 Zentralaussagen der Systemtheorie der Evolution
 ‚Steuerungsstrukturen‘ aller Art = (implizite) Kategorien des CR-Ansatzes Zentralaussagen der Systemtheorie der Evolution Grundlage aller Evolution sind rein zufällige Variation, Mutation oder Rekombination von Genen / Memen, die ihrerseits ‚Programme‘ zur Bildung biologischer / sozialer Strukturen sind. Im Lauf von Generationenfolgen werden, über Mutationen und Rekombinationen, Gene / Meme miteinander gekoppelt, wobei Gene / Meme ‚höherer Ordnung‘ (in der Fachsprache der biologischen Evolutionstheorie: ‚Strukturgene‘, ‚Regulatorgene‘) ihrerseits für die Vornahme solcher Kopplungen sowie für den Einbau der verkoppelten Meme / Gene in komplexe Programmsequenzen sorgen (‚epigenetisches‘ System / ‚epimemetisches System‘). Auch an den Struktur- und Regulatorgenen setzt das Spiel des Zufalls in Form von Variation, Mutation und Rekombination an, diesmal aber gleich ganze ‚Baugruppen‘ von biologischen / sozialen Systemen betreffend. Nur solche Variationen, Mutationen und Rekombinationen von Genen / Memen aller Art werden sich durchhalten und verbreiten, welche zu den funktionellen Anforderungen aus der Umwelt an das mittels ihrer produzierte biologische oder soziale Gebilde passen (= äußere Selektionsbedingungen). Folge: Bleibt die Umwelt stabil, so werden über viele Generationen bestehende Arten und Institutionen die funktionellen Anforderungen ihrer Umwelt gleichsam in ihrer eigenen Gestalt ‚abbilden‘ – so wie die Flosse des Fisches die hydrodynamischen Eigenschaften des Wassers ‚abbildet‘ oder Microsoft die Nachfragewünsche von PC-Benutzern (= Kerngedanke der Evolutionären Erkenntnistheorie; siehe Lorenz 1973). Im Vorfeld dessen werden nicht alle beliebigen Variationen, Mutationen und Rekombinationen von Genen / Memen zu einem lebensfähigen biologischen oder sozialen Gebilden führen, sondern nur solche, die dessen Grundbauplan nicht zerstören. Dieser setzt dem Spiel des Zufalls somit ‚innere Selektionsbedingungen‘. Folge: Biologische und soziale Gebilde entwickeln sich in Form von immer weiterer Überschichtung und Modifikation ihres einst entstandenen Grundbauplans bzw. durch funktionell äquivalente Ersetzung und anschließende Verkümmerung ihrer einst tragenden Elemente. Eben macht ihre Entwicklung zu einer gerichteten, pfadabhängigen und dennoch ergebnisoffenen. Anders formuliert: Die Geschichte sedimentiert sich in einem Geschichte. zweistufiger Selektionsprozeß TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

18 ‚kognitive Landkarte‘ zum gesamten Forschungsfeld: Schichtenbau der Wirklichkeit
Fragestellung und Theoriestruktur des Evolutorischen Institutionalismus Ausgangs- und Zentralfrage: Wie entstehen, stabilisieren und wandeln sich institutionelle Strukturen? Theorie- und Forschungsbereiche, aus denen analytisches Werkzeug zu gewinnen war: Theoriekandidaten mittlerer Reichweite v.a.: Historischer Institutionalismus (Pfadabhängigkeit …) Rational choice-Institutio- nalismus (Stabilitäts- bedingungen …) ökonomische Populationsöko- logie (strukturelle Trägheit …) konkretisierende Anschlußfragen: ‚Institutionelle Analyse‘ - Was sind ‚institutionelle Strukturen‘ als sozialer Aggregatzustand zwischen Wandel und Dauer?  Wie läßt sich ein ‚geistiges Band‘ all dieser Theorien finden und dem auf den Grund gehen, wovon sie handeln? Analysen der Konstruktion sozialer Strukturen und gesellschaftlicher Wirklichkeit (v.a. Ethnomethodologie) - Wie kommen soziale Strukturen als Ausgangs- material institutioneller Strukturen überhaupt zustande? Einsichten in die biologische Basis sozialen Handelns (v.a. Ethologie, Soziobiologie) Allgemeine Evolutionstheorie Bindeglied zur institutionellen Analyse‘: Memetik Bindeglied zu praktischen Fragen des Institutionen- wandels: ‚Evolution als evaluierbarer Lernprozeß‘ alltagstheoretische Kategorien: Wandel im Generationenwechsel, Krise, Verdichtung von Wandel (‚Beschleunigung‘), Neubildung, Zusammenbruch ... - Wie wandeln sich (insti- tutionelle) Strukturen‘? Wie methodisch ansetzen? - Erklärung geschichtlicher Verlaufsmuster - Institutionenmorphologie - Evaluation institutioneller Lernprozesse  Wie über derlei hinausgelangen? TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

19 Schichtenbau sozialer Wirklichkeit
(Mit-) Prägung von Systemen auf allen Wirklichkeitsschichten durch die Wirkung jeweils höherer und (!) niedrigerer Schichten; doch keinerlei ‚Determination‘ und somit auch keinerlei ‚Reduktionismus‘ Entstehen von neuartigen Systemeigenschaften auf den jeweils höheren Schichtebenen (‚Emergenz‘); doch keineswegs unabhängig von jenen Voraussetzungen, welche das Milieu der niedrigeren und höheren Schichten dem jeweiligen Sys- tem bietet Schichtenbau sozialer Wirklichkeit  neue Systeme entstehen jeweils zwischen zwei schon bestehenden Schichten globale ‚natürliche Umwelt‘ internationales System supranationale Systeme Makroebene ‚nationalstaatliche‘ politische Systeme Kernbereich institutioneller Analyse Organisationen / Institutionen setzen Rahmenbedingungen (‚constraints‘) Mesoebene bieten die Bestandteile (‚constituents‘) Rollen, Rollengefüge, Kleingruppen ‚hier und jetzt‘ lebende Einzelmenschen Mikroebene (kulturspezifische) Wissensbestände, Deutungsroutinen, Normen genetisch verankerte Repertoires von Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Empfindung und Verhalten TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt ‚molekulare und (sub-) atomare Umwelt‘

20 Institutionenbildung
= ‚Dresdner institutionelle Analyse ‘ = oft ‚response‘ auf eine neue ‚challenge‘ LI LD (2) Es ist möglich, daß Menschen ein gemeinsames Ziel verfolgen oder sich gemeinsam abgrenzen: Leitidee (LI), Leitdifferenz (LD) Leitideenbündel, Leitdifferenzenprofil Dabei: Wechselwirkungen von vorgeblen-deter und real befolgter Leitidee möglich! LI LI (3) Dann entstehen von dieser Leitidee usw geordnete Strukturen, nicht selten in hier archischer Schichtung, und sorgen für Hand lungssicherheit / erwartbare Handlungsmuster (4) Menschen können die Ordnungsvorstellun-gen und Geltungsansprüche dieser Leitidee usw. auch noch für sich und andere symbolisch zum Ausdruck bringen (‚Ästhetisierung‘) und so in der Tiefenschicht emotionaler Bindung verankern. (5) Genau dadurch entsteht eine Institution und wird – möglicherweise – verfestigt durch eine Reihe von Mechanismen (1) Menschen … beziehen ihre Handlungen sinnhaft aufeinander und bauen Rollenstrukturen auf Grundlage: ‚natürliche Sozialität‘ (d.h. ange borene Kompetenzen)  Evolutionstheorie I TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt (6) Anschließend prägt eine Institution (teilweise) einesteils die sie tragenden Menschen (‚Subjektformierung‘), andernteils die ‚Umwelt‘ der Institutionen / der sie tragenden Menschen

21 = ‚biologische Basis‘ allen sozialen Handelns und somit auch der Institutionenbildung
Evolutionstheorie I aber: nicht der zentrale Anwendungs- bereich der Evolutionstheorie im Evolutorischen Institutionalismus! (Human-) Ethologie zeigt: Vieles Verhalten, das auch Menschen an den Tag legen, taucht schon im Tierreich auf und wird folglich eine nicht allein kulturelle, sondern bereits kreatürliche (‚biologische‘) Grundlage haben. darunter: Territorialität, Possessivität, Rangstreben, Kooperationsfähigkeit, Bestrafungsbereitschaft … dieser Befund ist sozialwissenschaftlich fruchtbar zu machen über eine Theorie des ‚Schichtenbaus sozialer Wirklichkeit‘ Spieltheorie und Populationsökologie zeigen: Nicht alle Verhaltensweisen sind auf Dauer gleich stabil, weswegen sich in lange bestehenden Systemen unterschiedliche Handlungsstrategien in unterschiedlichen Häufigkeiten finden werden und es höchst plausible Muster im Auf und Ab ihrer jeweiligen Häufigkeiten gibt darunter: Habicht/Taube-Relation, ‚do ut des‘-Muster von Kooperation (‚tit for tat‘- cooperation), reziproker ‚Altruismus‘ … sozialwissenschaftlich fruchtbar zu machen durch Einbau solcher Einsichten in Theorien nachhaltig stabilen sozialen Handelns und der Institutionenbildung Soziobiologie erklärt: Die grundlegende Fähigkeit, so zu handeln und derlei Handlungsstrategien auch wechselseitig zu unterstellen, wird zwar zufällig entstanden sein, hat sich aber deshalb so weit verbreitet, … weil Populationen mit anderen Handlungsstrategien nicht nachhaltig stabil waren bzw. weil Populationen mit selbstverständlicher Fähigkeit sowohl zur Kooperation als auch zur Bestrafung kooperationsverweigernden Verhaltens in der Konkurrenz um knappe Ressourcen immer wieder gewannen und sich samt ihren Eigenschaften somit stärker verbreiteten als ihre Konkurrenten. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt unterschiedliche Erfolgsaussichten unterschiedlicher ‚responses‘ auf gleich welche ‚challenges‘ setzen den für Evolution grundlegenden Prozeß der – unterschiedlich erfolgreichen – Selektion aus Varianten in Gang

22 ‚Generation‘ bei Institutionen = die Kohorte der zu einem gemeinsamen Zeitpunkt eintretenden Novizen – mit den gleichen Überlappungen, wie sie sich bei einer biologischen Art im Zusammenleben von Großeltern, Eltern und Kindern ergeben.  keinerlei ‚Biologismus‘ oder Reduktionismus! Evolutionstheorie II: basaler Evolutions mechanismus von Institutionen = auf genau diese Weise erfolgt eine sich institutionell auf Dauer stellende ‚Antwort‘ auf eine ‚Herausforderung‘ Eine Institution zieht neue Mitglieder an (‚Novizen‘) und sozialisiert sie (‚memetische Replikation‘). Dabei kommt es zu Variation im Mempool: Die Novizen haben unterschiedliche Hintergründe, weswegen sie die vermittelten ‚kulturellen Muster‘ nicht völlig identisch, sondern auch mehr oder minder unterschiedlich auffassen und sich variantenreich anverwandeln. Immer wieder kommt es auch zu Mutationen (‚Weitergabefehlern‘) bei der memetischen Replikation: Meme werden – auch aufgrund von Problemen mit ihren Vehikeln – fehlerhaft weitergegeben; Meme werden kreativ neu- oder mißverstanden bzw. in neue, anderen Sinn stiftende Kontexte gerückt; Meme werden in bisher unbekannter Art neu kombiniert; neue Meme werden aus Negationen oder Abwandlungen bisheriger Meme erzeugt. Viele Memvariationen oder Memmutationen (‚Memvarianten‘) werden … folgenlos sein nicht zu nachhaltig stabilen Verhaltensmustern und sozialen Strukturen führen, da sie nicht zu den handlungsleitenden Selbstverständlichkeiten in der Institution oder zu den zu erfüllenden funktionellen Anforderungen passen (‚Fitness‘; ‚innere‘ Selektionsfaktoren vs. ‚äußere‘ Selektionsfaktoren). Manche Memvarianten werden aber so gut zu den bisherigen ‚handlungsleitenden Selbstverständlichkeiten‘ (= inneren Selektionsfaktoren) in der Institution und zu den von der Institution zu erfüllenden Funktionen (= äußere Selektionsfaktoren) passen, daß ihre Träger (= entsprechend sozialisierte Mitglieder) in Konkurrenz mit anders sozialisierten Institutionsmitgliedern größere Durchsetzungs- und Karrierechancen haben (= memetische Reproduktionsvorteile). Diese Memvarianten werden dann auch besonders große Chancen weiterer Weitergabe haben, womit sich im Lauf der Zeit der Mempool der Institution verändert und es zur Memdrift kommt. Diese mag im Nachhinein wie ein ‚logischer‘ oder ‚notwendiger‘ Prozeß anmuten, verdankt ihre Richtung aber nur dem Wechselwirken von zwei Faktoren: zufällige, in einigen Einzelfällen wohl auch intentionale Memvariationen und Memmutationen ( Kontingenz) größere Durchsetzungschancen solcher Memvarianten, die (1) zu den wirksamen ‚kulturellen Mustern‘ einer Institution und (2) zu den von ihr zu erfüllenden funktionellen Anforderungen passen, also: welche die Filterwirkung sowohl der inneren (=1) als auch der äußeren (=2) Selektionsfaktoren überstehen. Auf genau diese Weise sind die kulturellen Voraussetzungen (= intern) einer Institution sowie die funktionellen Anforderungen an sie (= extern) höchst folgenreich für institutionelle Evolutionsprozesse.  kann unabsichtlich oder absichtlich geschehen, letzteres etwa bei Reformen TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

23 Steuerungsmuster von Replikationsprozessen
Schnittstelle: ‚politics of reality‘ / Ethnomethodologie Steuerungsmuster von Replikationsprozessen  Überlagern der deklamatorisch bekundeten Leitidee einer Institution durch die operativ tatsächlich befolgte Leitidee; etwa: Volkskammer der DDR Bildung und Reproduktion von Institutionen vollziehen sich auf der Grundlage vieler an sich verfügbarer ‚kultureller Muster‘ (= Meme, Memplexe), von denen meist nur ein Teil jenem Handeln zugrunde gelegt wird, das seinerseits soziale Strukturen produziert, stabilisiert, modifiziert usw. Beispiel: Binnen weniger Jahrzehnte ließ sich in Deutschland der so unterschiedliche Parlamentarismus Weimars, des III. Reiches, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR aufbauen und stabilisieren, ohne daß die in Deutschlands politischer Kultur verfügbaren ‚Muster‘ (= Meme, Memplexe) sich grundsätzlich verändert hätten. Frage: Wie wird gesteuert, welche der an sich verfügbaren Meme jeweils in welcher Weise und Reihenfolge handlungsleitend verwendet und institutionenbildend kombiniert werden? Antwort aus der Systemtheorie der Evolution: Reformulierung der Frage: Wie wird gesteuert, welche Elemente des Mempools einer Institution aktiviert, in einer bestimmten Hierarchie und zeitlichen Abfolge kombiniert, dergestalt bei der Sozialisation von Novizen zu Bestandteilen von deren Memotyp gemacht werden, anschließend deren Phämotyp (mit-) prägen und somit den Phämpool der Institution (mit-) erzeugen? Antwort: Es sind zwei Schichten von Memen zu unterscheiden: (1) die an sich verfügbaren ‚kulturellen Muster‘, und (2) solche ‚Baupläne‘ (auch Meme!), welche – geleitet von den Interessen und getragen von den Machtmöglichkeiten ihrer Träger/Verfechter – festlegen, welche der Meme/Memplexe aus (1) auf welche Weise dem tatsächlichen Handeln und dessen ‚institutionell korrekten‘ Deutungen zugrunde gelegt werden. Beispiel: In NS-Diktatur bzw. DDR setzten NSDAP bzw. SED durch, daß die für Parlamentarismus typischer-weise verfügbaren Handlungsweisen und Deutungsmuster nur in einer sehr besonderen Auswahl, Überformung und Handhabung beim institutionellen Handeln verwendet wurden:  Leitidee. Name für diese steuernden ‚Baupläne‘ (2) : ‚epimemetisches System‘ ( ‚epigenetisches System‘) z.B.: Zusammenbruch der SED-Dominanz  institutioneller Wandel der Volkskammer Achtung: Das epimemetische System unterliegt dem gleichen basalen Evolutions mechanismus wie alle Meme; nur haben Variation und Selektion im epimemetischen System wesentlich größere Hebelwirkungen – insbesondere dann, wenn es um die Reproduktion von Trägern struktureller oder funktioneller Bürden geht! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

24 institutionengenerierende und institutionenverfestigende Mechanismen
 Was dazu beiträgt, die Stabilisierung eines Sozialarrangements um eine Leitidee/Leitdifferenz zu för- dern bzw. zu sichern, ist ein ‚institutionengenerierender‘ bzw. ‚institutionenverfestigender‘ Mechanismus‘. institutionengenerierende und institutionenverfestigende Mechanismen ≠ ‚institutionelle Mechanismen‘ ethnomethodologisch: ‚politics of reality‘ Hinweis auf nähere Konzeptualisierung: memetisch: ‚epimemetisches System‘ ‚institutionengenerierende‘ bzw. institutionenverfestigende‘ Mechanismen‘, z.B. … symbolische Selbstrepräsentation Ästhetisierung Enthistorisierung Stabilitätsfiktionen Machtverdeckung Subjektformierung Kanonisierung ‚institutionelle Mechanismen‘, z.B. Wiederwahlmechanismus Mehrheitsmechanismus Kontrasignaturmechanismus Verantwortlichkeitsmechanismus Koppelungsmechanismus Gegenseitigkeitsmechanismus Mannschaftsmechanismus Übersteuerungsmechanismus Achtung: ‚institutionengenerierende‘ und ‚institutionenverfestigende‘ Mechanismen heißen bei Rehberg & Göhler sowie im Projekt TAIM ‚institutionelle Mechanismen‘ – ein Begriff, der im Evolutorischen Institutionalismus eine andere Bedeutung hat, nämlich: Institutionelle Mechanismen sind verläßlich auslösbare und zielgerichtet einsetzbare Handlungsketten, die – angeleitet von Interessen, entlang von Regeln und beruhend auf Positionen sowie auf den mit diesen Positionen verbundenen Ressourcen – in und zwischen Sozialorganisationen zur Erfüllung von Funktionen genutzt werden können, sofern Interessen-, Struktur- und Verhaltensstabilität für Erwartungssicherheit und verläßlich wirkende Antizipationsschleifen sorgen. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

25 Institution und Umwelt (‚Nische‘)
LI  ‚Nischenanpassung‘, d.h.: der Nische an die Institution! Leistungsanforderungen, welche die Umwelt (‚Nische‘) einer Institution dieser stellt (= funktionelle Anforderungen, ‚Challenges‘) Leistungen, welche die Institution für ihre Umwelt (‚Nische‘) erbringt  Funktionen rekursive Wirkung der Funktionserfüllung einer Institution über ihre Umwelt (‚Nische‘) auf die Bedingungen ihrer Reproduktion Institution Selbstsymbolisierung Hierarchieebenen von Positionen und von Regeln formale und informale Regeln, welche Positionen aufeinander beziehen Positionen Elemente institutioneller Mechanismen = Umwelt (‚Nische‘) der Institution Ressourcen, welcher die Institution aus ihrer Umwelt (‚Nische‘) bedarf gegeben / geformt: Wissensbestände und Kompetenzen (samt ihren ‚Kanonisierungen‘) bei den Akteuren und Adressaten der Institution TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt gegeben / geformt: Interessen der Akteure und Adressaten der Institution

26 Umwelt und (ökologische) ‚Nische‘ einer Institution
Umwelt = alles, was nicht zur Institution A gehört Nische = jener Teil der Umwelt einer Institution A, der für die Institution A wichtig ist: finanzielle, personelle, materielle und informationelle Ressourcen, welche die Institution A für ihre Existenzsicherung und Funktionserfüllung benötigt; Personen oder andere Institutionen (‚Akteure‘), die bei der Entscheidung über die Zuteilung dieser Ressourcen eine Rolle spielen; andere Systeme oder Institutionen, für welche die Institution A Leistungen erbringt und dafür Ressourcen erhält; jene Personen oder Institutionen, die mit der Institution A um gleiche Ressourcen konkurrieren oder ähnliche Funktionen erfüllen wie die Institution A. analytische Folgen Die Nische einer Institution ändert sich nicht nur gemeinsam mit Veränderungen der Umwelt, sondern auch gemeinsam mit Veränderungen im Funktions-spektrum der Institution A. Während die Institution A auf ihre Umwelt keinen nennenswerten Einfluß haben mag, kann sie sehr wohl nennenswerten Einfluß auf ihre Nische haben – etwa: indem sie andere Teile ihrer Umwelt als bislang durch Modifikation ihrer Leitidee oder Verlagerung ihres Funktionsspektrums für sich relevant macht. Beispiel: Ein Unternehmen weicht auf neue Produkte oder Märkte aus. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

27 Die ‚Architektur‘ einer Institution und die Folgen von deren Veränderung
 Analyse der Muster institutionellen Wandels = Institution, d.h.: ein verfestigter ‚Aggregatzustand‘ sozialer Wirklichkeit, der dauerhaft sein, sich wandeln oder wieder ‚entfestigen‘ kann. Systemaufgabe A: Aufbau und Sicherung tragfähiger Strukturen dabei: ‚Unten‘ müssen sehr belastungsfähige grundlegende Regeln und Positionen bestehen, da ihr Wegbrechen ihren ganzen ‚Überbau‘ ebenfalls wegbrechen ließe TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

28 Die ‚Architektur‘ einer Institution und die Folgen von deren Veränderung
 Wandel der Institution dieses Parlaments z.B.: ein Parlament im parlamen-tarischen Regierungssystem wegbrechender Teil der Institution Wegfall parlamentarischen Rückhalts für die Regierung Wegfall von Fraktionsdisziplin Abschaffung der Regel, wonach das Parlament die Regierung stürzen kann = Institution, d.h.: ein verfestigter ‚Aggregatzustand‘ sozialer Wirklichkeit, der dauerhaft sein, sich wandeln oder wieder ‚entfestigen‘ kann. Träger ‚struktureller Bürden‘: Müssen gebildet sein, bevor sich weitere Strukturschichten auf ihnen aufbauen können, und müssen diese dauerhaft tragen können (d.h. ‚verkoppelt sein‘) Systemaufgabe A: Aufbau und Sicherung tragfähiger Strukturen dabei: ‚Unten‘ müssen sehr belastungsfähige grundlegende Regeln und Positionen bestehen, da ihr Wegbrechen ihren ganzen ‚Überbau‘ ebenfalls wegbrechen ließe TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Achtung: Soziale Strukturen werden anhand von Memen (re-) generiert, weswegen es bei ‚strukturellen‘ Bürden letztlich um memetische Bürden geht!

29 … ein zweites Muster institutionellen Wandels:
Systemaufgabe B: Sicherung funktionserfüllender Strukturen dabei: In der Regel bestehen ‚Funktionsketten‘, weshalb die Entfernung von tragenden Kettengliedern auch die ganze folgende Funktionskette reißen ließe … ein zweites Muster institutionellen Wandels: Leistungsanforderungen (‚funktionelle Anforderungen‘) aus der Umwelt an die Institution (… sonst keine Ressourcen!) Umwelt der Institution Funktion der Institution für ihre Umwelt (manifest oder latent, instrumentell oder symbolisch)  Was geschieht, wenn z.B. ein Parlament keine gesetzgebenden Mehrheiten mehr zustande bringt? = Institution, d.h.: ein verfestigter ‚Aggregatzustand‘ sozialer Wirklichkeit, der dauerhaft sein, sich wandeln oder wieder ‚entfestigen‘ kann. Träger ‚struktureller Bürden‘: Müssen gebildet sein, bevor sich weitere Strukturschichten auf ihnen aufbauen können, und müssen diese dauerhaft tragen können (d.h. ‚verkoppelt sein‘) Systemaufgabe A: Aufbau und Sicherung tragfähiger Strukturen dabei: ‚Unten‘ müssen sehr belastungsfähige grundlegende Regeln und Positionen bestehen, da ihr Wegbrechen ihren ganzen ‚Überbau‘ ebenfalls wegbrechen ließe TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

30 Systemaufgabe B: Sicherung funktionserfüllender Strukturen
dabei: In der Regel bestehen ‚Funktionsketten‘, weshalb die Entfernung von tragenden Kettengliedern auch die ganze folgende Funktionskette reißen ließe Umwelt der Institution wegbrechender Teil der Funktionserfüllung Leistungsanforderungen (‚funktionelle Anforderungen‘) aus der Umwelt an die Institution (… sonst keine Ressourcen!) reduzierte Möglichkeiten ‚guten Regierens‘ Funktion der Institution für ihre Umwelt (manifest oder latent, instrumentell oder symbolisch) Träger ‚funktioneller Bürden‘: Müssen bestehen bleiben, damit die jeweilige Funktion erfüllt werden kann reduzierte rechtsstaatliche Problemlösungsmöglichenten = Institution, d.h.: ein verfestigter ‚Aggregatzustand‘ sozialer Wirklichkeit, der dauerhaft sein, sich wandeln oder wieder ‚entfestigen‘ kann. keine Gesetzgebungs- mehrheit Träger ‚struktureller Bürden‘: Müssen gebildet sein, bevor sich weitere Strukturschichten auf ihnen aufbauen können, und müssen diese dauerhaft tragen können (d.h. ‚verkoppelt sein‘) Systemaufgabe A: Aufbau und Sicherung tragfähiger Strukturen dabei: ‚Unten‘ müssen sehr belastungsfähige grundlegende Regeln und Positionen bestehen, da ihr Wegbrechen ihren ganzen ‚Überbau‘ ebenfalls wegbrechen ließe TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

31 Systemaufgabe B: Sicherung funktionserfüllender Strukturen
dabei: In der Regel bestehen ‚Funktionsketten‘, weshalb die Entfernung von tragenden Kettengliedern auch die ganze folgende Funktionskette reißen ließe Veränderungen an den Trägern struktureller (= memetischer) oder funktioneller Bürden werden weitest-reichende Folgen haben für die … - Stabilität der Institution - Funktionsfähigkeit der Institution Je ‚tiefer‘ eine Veränderung (z.B. durch Reformen) ansetzt, um so schwerer vorhersehbar werden ihre Auswirkun-gen auf den ‚oberen‘ Schichten der Institution sein. - ‚oben‘: wenig Risiko / viele Freiheitsgrade beim ‚Experimentieren‘ - ‚unten‘: großes Risiko / wenig Freiheits grade beim ‚Experimentieren‘ Veränderungen bei den funktionellen Anforderungen an eine Institution kön-nen die bisherigen Träger funktioneller Bürden nutzlos (‚bürdelos‘) machen.  eröffnet strukturelle Freiheitsgrade des ‚Experimentierens‘ (vgl. CR-Ansatz). Leistungsanforderungen (‚funktionelle Anforderungen‘) aus der Umwelt an die Institution (… sonst keine Ressourcen!) Umwelt der Institution Funktion der Institution für ihre Umwelt (manifest oder latent, instrumentell oder symbolisch) Träger ‚funktioneller Bürden‘: Müssen bestehen bleiben, damit die jeweilige Funktion erfüllt werden kann = Institution, d.h.: ein verfestigter ‚Aggregatzustand‘ sozialer Wirklichkeit, der dauerhaft sein, sich wandeln oder wieder ‚entfestigen‘ kann. Träger ‚struktureller Bürden‘: Müssen gebildet sein, bevor sich weitere Strukturschichten auf ihnen aufbauen können, und müssen diese dauerhaft tragen können (d.h. ‚verkoppelt sein‘) Systemaufgabe A: Aufbau und Sicherung tragfähiger Strukturen dabei: ‚Unten‘ müssen sehr belastungsfähige grundlegende Regeln und Positionen bestehen, da ihr Wegbrechen ihren ganzen ‚Überbau‘ ebenfalls wegbrechen ließe TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

32 Wechselwirkungen von ‚Herausforderungs-rigidität‘ und ‚Reaktionspersistenz‘
Anpassungsdruck neuer Umweltbedingungen = challenge für funktionelle Bürdenstrukturen = Wechselwirkungen von funktionellen und memetischen Bürde-strukturen im Bauplan von Arten oder Institutio-nen; Teleonomie hoch gering stark äußerliche Anpassung etablierter Orientierungs- und Handlungsmuster; ohne nachhaltige Stabilität; Quelle von Spannungen Beibehaltung etablierter Orientierungs- und Handlungsmuster klar ‚gerichtete‘ Entwicklung Reaktionsprädisposition der Akteure = Selektionswirkung memetischer Bürdenstrukturen Improvisationen, richtungs-loses Experimentieren, bisweilen nachhaltig wirksame Innovationen Improvisationen, richtungs-loses Experimentieren, bisweilen nachhaltig wirksame Innovationen Offenheit für das Neueinsetzen einer fortan klar ‚gerichteten‘ Entwicklung Etablierung neuer Orientierungs- und Handlungsmuster schwach TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Folge typischer Eingriffe in funktionelle und memetische Bürdestrukturen: typische historische Verlaufsmuster

33 ‚funktionelle Bürden‘
 Soll eine Institution nachhaltig stabil sein (‚Passung‘), müssen ihre funktionserfüllenden Strukturen zu den realen Funktionsanforderungen der Umwelt passen – wobei es keine Garantie dafür gibt, daß sich das wirklich so einspielt! ‚funktionelle Bürden‘ NB: Wichtige geschichtliche Verlaufsmuster resultieren aus Eingriffen in die Trägerstrukturen funktioneller Bürden! Eine Struktur, welche eine Funktion erfüllt, trägt eine ‚funktionelle Bürde‘ Beispiele: Fundamente eines Hauses tragen die Mauern Disziplinübende Fraktionen im parlamentarischen Regierungssystem tragen eine Regierung Üblich sind Schichten von funktionellen Bürden: Die Fundamente eines Hauses tragen die Mauern, die Mauern tragen das Dach, das Dach trägt im Winter den Schnee Disziplinbereite Abgeordnete tragen die Fraktionsführung, die Fraktionsführung die Regierung, die Regierung eine berechenbare Position in einer internationalen Organisation Folglich wird es fatale Folgen haben, an den tieferen Trägerschichten funktioneller Bürden etwas zu verändern, solange nicht funktionelle Äquivalente zur verläßlichen Erfüllung der bisherigen Trageleistung bereitstehen. Beispiel: Es ist fatal, eine stabile Regierung eines Landes zu stürzen, solange nicht eine alternative stabile Regierung zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung verfügbar ist oder wenigstens verläßlich in Aussicht steht; siehe Irak! Funktionelle Bürdestrukturen geraten in Gefahr, bei plötzlichen neuen Anforderungen aus der Umwelt (‚challenges‘) bei Problemen mit der (memetischen) Replikation der funktionserfüllenden Strukturen ( d.h. bei Problemen mit den memetischen Bürdestrukturen) TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

34 … also beschränken memetische Bürdestrukturen als ‚innere Selektionsbedingungen‘ jene Reaktionen, die eine Institution auf neue Umweltanforderungen hier und jetzt geben kann. Memetische Bürdestrukturen kanalisieren dergestalt die ‚responses‘ auf neue ‚challenges‘. ‚memetische Bürden‘ NB: Wichtige geschichtliche Verlaufsmuster resultieren aus Eingriffen in die Trägerstrukturen memetischer Bürden! ≈ stehen ‚im Hintergrund‘ aller strukturellen Bürden Ein ‚Mem‘ ist (unter anderem) ... ein Informations- oder Sinndeutungsmuster, das weitergegeben werden kann (z.B. eine Aussage darüber, wie Fraktionsdisziplin entsteht oder wie sie zu verstehen ist) eine Regel, die befolgt werden kann (z.B. eine Geschäftsordnungsregel) eine Handlung, die nachgeahmt werden kann (z.B. ein Führungsstil) Wird durch ein Mem A die unter ‚kompetenten kulturellen Kollegen‘ ( Ethnometho-dologie) als korrekt geltende Bedeutung des Mems B festgelegt, so kann sich A nicht mehr frei verändern, ohne daß damit auch B verändert wird. Beispielsweise tragen Meme, von denen folgendes abhängt, eine ‚memetische Bürde‘: Plausibilität einer weitergehenden Argumentation oder Interpretation (z.B. ist das Werturteil unplausibel ‚Es ist gut, daß es Fraktionsdisziplin gibt!‘, wenn nicht zunächst verstanden wurde, wie und zu welchem Zweck Fraktionsdisziplin überhaupt entsteht) Gültigkeit bzw. Überzeugungskraft einer Regel (z.B. wird eine Rechtsverordnung ungültig, wenn das sie begründende Gesetz außer Kraft tritt) Nachahmungswahrscheinlickeit einer Handlung (z.B. werden Handlungen charismatischer oder angesehener Politiker eher nachgeahmt als die von für ganz unbegabt gehaltenen Politikern) Formeln dafür: ‚A und B sind hierarchisch miteinander verkoppelt‘; ‚A ist mit B bebürdet‘; ‚Mem A trägt Mem B als seine Bürde‘ Üblich sind – wie bei funktionellen Bürden – Schichten von memetischen Bürden. Folglich wird es fatale Folgen haben, an ‚tieferliegenden‘ Memen etwas zu verändern, solange nicht funktionelle Äquivalente zur verläßlichen Erfüllung der bisherigen Trageleistung bereitstehen. z.B. wäre es fatal, das Verbot von Kinderpornographie aufzuheben, wenn man einen Markt für Kinderprostitution gerade nicht will; analog: Drogen, Gewalt ... TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Wie erfolgt die memetische Bebürdung von A?  u.a. durch die Rückwirkung antizipierter Folgen auf ihretwegen dann unterlassene Veränderungen von A, oder durch rechtsförmliche Erschwerung von Veränderungen des Mems A.

35 Folgen von Eingriffen in funktionelle bzw. memetische Bürdestrukturen
Folge: ‚memetische Attraktivität‘ von Veränderungsvorstellungen führt nicht notwendigerweise zu ‚funktioneller Tauglichkeit‘; und somit scheitern viele höchst plausibel anmutende Reformen! Folgen von Eingriffen in funktionelle bzw. memetische Bürdestrukturen  Wechselwirkung von (ideologisch geprägten) Weltbildapparaten und memetischer Fitness Strukturen erfüllen Funktionen z.B. Parteien die Funktion politischer Rekrutierung Veränderte Strukturen werden bisherige Funktionen manchmal besser, häufiger schlechter und bisweilen überhaupt nicht mehr erfüllen. z.B. verächtlich gemachte, wenig attraktive Parteien die Funktion politischer Rekrutierung Zu genau solchen, nicht verläßlich vorhersagbaren Effekten werden dann auch (oft auch: bewußt) veränderte Meme führen. z.B. ein gesellschaftlich immer weiter kultivierter ‚Anti-Parteien-Affekt‘ Es gibt keine Garantie dafür, daß memetisch attraktive Veränderungen zu funktionell besser geeigneten Strukturen führen. z.B. die Schwächung der Stellung von Parteien zur Rekrutierung besseren politischen Personals Besonders dramatische Konsequenzen können darum Veränderungen an Trägern solcher memetischer Bürden haben, die ihrerseits dem Aufbau und der verläßlichen Reproduktion funktionell stark bebürdeter Strukturen dienen. z.B. die Verächtlichmachung von Parteien für das Funktionieren eines von starken Parteien getragenen politischen Systems Die von diesen ‚Weltbildapparaten‘ gelieferten Wirklichkeits- bilder sind stets perspektivisch sowie selektiv, und sie können darüber hinaus (eher) korrekt oder (eher) falsch sein Folge typischer Reformversuche von funktionellen und memetischen Bürdestrukturen: typische historische Verlaufsmuster Grundlage für Veränderungen: Vorstellungen von zu lösenden Problemen, von wünschenswer- ten Entwicklungen und von dafür geeigneten Mitteln Grundlage dessen: persönliche und institutionelle ‚Weltbildapparate‘ ( Evolutionäre Erkenntnistheorie) TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

36 Wandel von Institutionen
Sieben unabhängig (!) voneinander wirkende Ursachen von Wandel, die besonders weitreichenden, beschleunigten oder sich verdichtenden institutionellen Wandel genau dann nach sich ziehen werden, wenn es zu Veränderungen an den Trägern struktureller (memetischer) oder funktioneller Bürden kommt. Wandel von Institutionen = Ursachen und Formen typischer Verlaufsmuster ‚challenge‘ Ursache III: Wandel in der Umwelt/Nische ‚Turbulenzen‘, d.h. mehr oder minder chaotische Veränderungsprozesse außerhalb der Institution veränderte funktionelle Anforderungen an die Institution (manifest oder latent, instrumentell oder symbolisch) Info Umwelt / Nische der Institution Institution Ursache II: Veränderungen wirklichkeits-konstruktiver Prozesse phämotypische Variation und Mutation memetische Variation und Mutation epimemetische Variation und Mutation ‚response‘ Info Ursache I: Wechselwirkungen zwischen Generationenwechsel und Institutionalität veränderte biographische Prägungen von Novizenkohorten führen zu Variationen im Phäm- und Mempool Mutationen bei memetischer Replikation im Sozialisationsverlauf Generationen, welche in die Institution eintreten, sie durchlaufen und aus ihr ausscheiden TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

37 starre Strukturen vs. Freiheitsgrade von Wandel
Prägefaktoren und Formen von historischen Verlaufsmustern: starre Strukturen vs. Freiheitsgrade von Wandel aber: keinerlei Garantie, daß sich nach strukturellen Veränderungen weiterhin die funktionellen Bürden tragen lassen! dann: Krise der Institution‘ meist schwer zu ändern, ganz gleich ob zufällig oder absichtlich: die fundamentalen Träger memetischer oder funktioneller Bürden Beispiele: Träger memetischer Bürden: Verfassung eines Staates, Konstitutionen (oder gar die Regel) eines Ordens Träger funktioneller Bürden: ein Parlament als Organ der Gesetzgebung, das Amt des Ordensoberen als Leitungsorgan seiner Institution oft leicht zu ändern, sowohl zufällig als auch absichtlich: die ‚äußeren‘ bzw. ‚oberen‘, weder memetisch noch funktionell bebürdeten Strukturschichten einer Institution Detailvorschriften in einem Ministerium zur Abrechnung von Reisekosten funktionelle Details am Habit eines Ordens (Art des Stoffes, Länge des Gewands …) Folgen: Eingriffe an fundamentalen Trägerschichten memetischer oder funktioneller Bürden … werden entweder in der Praxis verpuffen oder zu dramatischen Veränderungen der Institution führen – möglicherweise bis hin zu Krisen mit für die Institution selbstzerstörerischen Folgen Eingriffe an den ‚oberen‘ bzw. ‚äußeren‘ Strukturschichten einer Institution … werden leicht möglich sein, am ‚Bauplan‘ und an der grundsätzlichen Funktionslogik der Institution nur wenig ändern. Das heißt: In der Regel werden Institutionen … hinsichtlich ihres ‚Grundbauplans‘ sich nur sehr langsam durch Überbauung und Umnutzung ihrer Grundstrukturen verändern oder aber, bei im Wortsinn ‚tief greifenden‘ Reformen, in Krisen geraten und im Anschluß an solche Krisen … entweder einen Teil der Reformen rückgängig machen oder sich durch Veränderung ihrer Leitidee(n) auf eine andere memetische Grundlage stellen und / oder sich auf andere Funktionen ausrichten oder zerfallen. große Starrheit  wenig Freiheitsgrade Wandel dennoch leicht aus-gelöst durch epimemetische Variation und Mutation geringe Starrheit  viele Freiheitsgrade Genau das gibt der Entwicklung von Institutionen ihre ‚Richtung‘! ‚Restabilisierung‘ TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

38  keinerlei Teleologie, Determinismus, Finalismus, Historizismus !
Richtung von Wandel = ein typisches Verlaufsmuster sondern: Die Richtung von Evolutions-prozessen ergibt sich ganz einfach aus der Selektionswirkung fixierter Baupläne Theoretische (‚metahistorische‘) Begriffe zur Erfassung der Geschichtlichkeit von Institutionen: ‚Teleonomie‘ bzw. ‚Orthogenese‘ = Institutioneller Wandel vollzieht sich so, daß auf fixierten, memetisch und funktionell stark bebürdeten Strukturen weitere institutionelle Strukturen aufgebaut werden, die zwar nach und nach das Aussehen und Funktionieren der Institution verändern werden, doch eben innerhalb der Prägeform eines beibehaltenen Bauplans. Goethe: ‚geprägte Form, die lebend sich entwickelt‘ Beispiel: Entwicklung von den Landständen über die Herren- und Abgeordnetenhäuser des Frühparlamentarismus zu den heutigen (bikameralen) Parlamenten ‚Pfadabhängigkeit‘ = auch ganz zufällig aufgebaute Strukturen können sich memetisch und funktionell bewähren. Sie werden dann memetisch und funktionell weiter bebürdet und legen damit fest, welche Veränderungen an den ‚oberen‘ bzw. ‚äußeren‘ Strukturen einer Institution schadlos möglich sind. Die weitere Entwicklung ist dann teleonom abhängig vom an einer bestimmten Stelle zufällig eingeschlagenen Entwicklungspfad. Beispiel: USA legten sich bei der Verfassungsgebung eine republikanische Version des im 18. Jahrhundert im englischen Mutterland entstandenen Machtgleichstands zwischen Krone und Parlament zu (‚präsidentielles Regierungssystem‘), das sich memetisch und funktionell gut bewährte; in England hingegen ging der Machtaufstieg des Parlaments weiter, reduzierte die Krone auf symbolische Funktionen und entwickelte sich ins ‚parlamentarische Regierungssystem‘ TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

39 institutionelle Reformen
= typische geschichtliche Verlaufsmuster Grundlage: von den ‚institutionellen Weltbildapparaten‘ vermittelte Lagebilder, welche (eher) zutreffend oder (eher) falsch sein können. institutionelle ‚Fitness‘, Passungs- mängel und Reformen institutionelle Reformen stabiler Zustand einer Institution: Sie erbringt für ihre Umwelt / Nische solche Leistungen, in Austausch für welche sie jene Ressourcen erhält, die für ihr Weiterbestehen ausreichen. Begriffe: ‚Passung‘; Fähigkeit, diese zu sichern: ‚Fitness‘ Veränderungen dieses stabilen Zustands ergeben sich bei … Wegbrechen wichtiger Träger von memetischen oder funktionellen Bürden durch faktisch – auch unabsichtlich! – falsch ansetzenden inner-institutionellen Wandel Veränderungen der funktionellen Anforderungen der Umwelt an die Institution, so daß bisherige Funktionsketten leerlaufen und Ressourcenentzug einsetzt Turbulenzen in der Umwelt, welche die bisherige funktionelle oder strukturelle Passung der Institution an ihre Umwelt beeinträchtigen. Folgen: entweder … korrigiert die Institution Pathologien inner-institutionellen Wandels verändert sie ihre Leitidee(n) und Strukturen so, daß sie den neuen funktionellen Umweltanforderungen ressourcensichernd gerecht werden kann schafft sie es, durch Mobilisierung von Ressourcen Umweltturbulenzen abzupuffern oder die Institution gerät in eine Krise mit für die Institution möglicherweise selbstzerstörerischen Folgen ‚challenges‘ ‚response‘ = ‚institutionelles Lernen‘ = aufgezwungener, mitunter nicht mehr zu bewältigender Institutionenwandel = Chancen und Risiken von institutionellen Reformen TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

40 Institutionen als erkenntnisgewinnende Systeme
= typische geschichtliche Verlaufsmuster Folgerung: Sehr lange bestehende Institutionen hatten entweder Glück – oder sind besonders lernfähig und darin vorbildhaft (= ‚memetisch fit‘) Institutionen als erkenntnisgewinnende Systeme Achtung: Institutionen können auch ihre Umwelt verändern und ihre Nischen an sich selbst anpassen! Institutionenbildung und Institutionenwandel beginnen oft recht zufällig: Zwischen Handelnden und ihrer Umwelt / Nische wird ein – durch Selbstsymbolisierung usw. – sich selbst stabilisierendes Strukturgefüge aufgebaut. Manche Strukturen bewähren sich: memetisch: Sie lassen sich bei der alltagspraktischen Wirklichkeitskonstruktion routinemäßig und auch unter Belastungen verläßlich reproduzieren funktional: Sie erbringen für ihre Umwelt / Nische solche Leistungen, im Gegenzug für welche sie bestandssichernde Ressourcen erhalten. Memetisch und funktional bewährte Strukturen können bebürdet werden (= institutionelle Ausdifferenzierung): Mittels Variation, Mutation, Rekombination handlungsleitender Meme werden sie – innerhalb des gleichen Grundbauplans – durch immer weitere (‚höhere‘, ‚äußere‘) Schichten von Strukturen überlagert. So entstehen auch neue institutionelle (Unter-) Arten. Bei diesem Überlagerungsprozeß wirken innere und äußere Selektionsfaktoren: innere: Nur solche Memvarianten werden zum nachhaltigen Aufbau weiterer Schichten sozialer Strukturen beitragen, welche – gerade auch mit ihren sozialstrukturellen Konsequenzen – zum mehr oder minder starren Grundbauplan passen. Die anderen Memvarianten geraten entweder außer Gebrauch oder führen auf den Weg zum Zusammenbruch der Institution. äußere: Nur solche Memvarianten werden zum nachhaltigen Aufbau weiterer Schichten sozialer Strukturen beitragen, die zu jenen funktionellen Anforderungen passen, welche die Umwelt / Nische an die Institution richtet, oder die es gar erlauben, neue ressourcenverschaffende Funktionen zu übernehmen. Die anderen Memvarianten geraten entweder außer Gebrauch oder führen auf den Weg zum Zusammenbruch der Institution. Durch diese inneren und äußeren Selektionsfaktoren wird das Möglicheitsfeld des – nach wie vor ‚blinden‘ – Zufalls für nachhaltig bestandsfähige Memvariation und Memmutation immer stärker eingeengt. Insbesondere werden sich keine Memvarianten dauerhaft durchsetzen, welche die Erfüllung der an eine Institution gerichteten funktionellen Anforderungen unmöglich machen, da in diesem Fall der Institution Ressourcenentzug droht und, einmal eingetreten, im Lauf der Zeit zum Zusammenbruch der Institution führen wird. Aufgrund dieser scharfen Selektion von Memvarianten durch die äußeren Selektionsbedingungen (= Umwelt) werden sich für die nachhaltige Reproduktion der institutionellen Strukturen nur solche Meme erhalten, die für einen solchen Bauplan der Institution (= innere Selektionsbedingung) sorgen, welcher zu einer in ihre Umwelt / Nische passenden Institution führt. Solange die Umwelt / Nische stabil bleibt, werden ihre für die Institution wichtigen Merkmale darum immer besser im Bauplan der Institution gleichsam ‚nachgebildet‘. Genau darin sind Institutionen erkenntnisgewinnende Systeme und können einem Gesellschaftssystem, das über sie verfügt, seinerseits Evolutionsvorteile verschaffen. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Verändert sich die Umwelt, nicht aber alsbald auch das – strukturell bedingte – Funktionsprofil der Institution, so gerät diese Institution in eine ‚evolutionäre Sackgasse‘

41 Verlaufsmuster von Institutionenwandel
Hier schließen sich weitere Theoriebereiche an, v.a. zur homologen und analogen Ähnlich-keit von Institutionen sowie zur Morphologie und Genealogie von Institutionen  Info Verlaufsmuster von Institutionenwandel … neben Pfadabhängigkeit und Teleonomie Wandel einer Institution im Generationenwechsel entsteht durch Variationen im Phäm- und Mempool bei veränderten biographischen Prägungen von Novizenkohorten und / oder durch Mutationen / Rekombinationen bei der memetischen Replikation im Sozialisationsverlauf Krise einer Institution entsteht durch inner-institutionellen Wandel, der zum Wegbrechen von wichtigen Trägern memetischer und funktioneller Bürden führt (= pathologischer Wandel); durch Veränderung der funktionellen Anforderungen der Nische an die Institution; oder durch Umweltturbulenzen Restabilisierung einer in die Krise geratenen Institution kann gelingen durch freiwilliges oder aufgezwungenes institutionelles Lernen (d.h. durch Reformen in Gestalt einer Veränderung von Leitidee(n) und / oder von funktionserfüllenden Strukturen) sowie – zeitweise – durch die Erschließung (weiterer) krisenabpuffernder Ressourcen (z.B. solchen zur Verdichtung von Symbolisierung und/oder Repression) Verdichtung institutioneller Wandlungsprozesse ergibt sich auf den ‚oberen‘ oder ‚äußeren‘ Strukturschichten einer Institution, sobald die mit ihnen memetisch oder funktionell bebürdeten Trägerstrukturen aufgrund pathologischer Wandlungsprozesse wegbrechen und an unerwartet vielen Stellen auch ganz unerwartete Wandlungsprozesse auslösen. Zeitlich wird das als ‚Beschleunigung von Geschichte‘ erfahren. institutionelle Typogenese Entstehung einer neuen Variante der sich wandelnden Institution oder überhaupt einer neuen Art von Institution entweder durch Ausrichtung der bisherigen Institution an einer neuen Leitidee bzw. Leitdifferenz oder durch Austausch bisheriger Träger memetischer und funktioneller Bürden aufgrund kontinuierlichen Struktur- und Funktionswandels regulative Katastrophe eine Institution ist in einer evolutionären Sackgasse gelandet und bricht zusammen TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

42 Fragestellungen von ‚Morphologie‘
morphé = griech. ‚Gestalt‘ (ähnlich wie typós)  Morphologie = Analyse von ‚Gestalten‘ Kommt es bei Prozessen des Wandels vielleicht nicht nur zu Mustern des Wandels, sondern auch zu Mustern von Strukturen (griech.: morphaí, typoí), die sich ihrerseits – mehr oder minder weitgehend – wandeln? z.B. Muster von ‚Familien‘, ‚Kultgemeinschaften‘, ‚Verwaltungen‘, ‚Verbänden‘, ‚Parteien‘, ‚Vertretungskörperschaften‘ usw. Falls ja: Kommt es bei Prozessen des Wandels vielleicht auch zu einander ähnlichen Strukturmustern? z. B. zu Ähnlichkeiten von Familienstrukturen, Verwaltungsstrukturen, Verbändestrukturen, Parteienstrukturen, Verfassungsstrukturen, Regimestrukturen usw. Falls wiederum ja: Anhand welcher Kriterien ließe sich ‚Ähnlichkeit‘ von Strukturmustern feststellen? Aus welchen Gründen kommt es wohl zur Ähnlichkeit von Strukturmustern – rein zufällig oder auch aus ‚systematischen‘ Gründen? Falls aus letzteren: Worin bestünden ‚systematische Verursachungsmechanismen‘ der Ähnlichkeit von Strukturmustern? Wie entwickeln sich ähnliche Strukturmuster wohl weiter: ähnlich bleibend, weiter konvergierend, divergierend – und warum jeweils so? Wie hängen – sich ihrerseits weiterentwickelnde – Ähnlichkeiten von Strukturmustern wohl zusammen mit Mustern von Wandlungsprozessen? Können uns ähnliche Prozeß- und Strukturmuster, die wir im Geschichtsverlauf identifizieren, vielleicht Aufschluß geben über das, was im Geschichtsverlauf Kohärenz stiftet und sich in Kontinuität entfaltet – und vielleicht auch darüber, wie und warum Diskontinuität entsteht? TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

43 Vorgehen von Morphologie
 einige wenige vertiefende Hinweise Suchen und Entdecken von ‚Strukturmustern’ bzw. von ‚Gestalten’, um aus ihnen Aufschluß über die entwicklungsmäßigen Zusammengehörigkeitsbeziehungen von Strukturen zu gewinnen erfolgreichstes Unterfangen dieser Art: Klassifikation der Pflanzen und Tiere, die ihrerseits Grundlage unseres Wissen um das Werden des Lebens auf der Erde ist Analyse des Zustandekommens und des – die jeweilige ‚Identität‘ bewahrenden – Wandels solcher Strukturmuster bzw. Gestalten (‚Genealogie‘) hier: ‚analytischer Ort‘ der Evolutionstheorie, insbesondere der Systemtheorie der Evolution Untersuchung der wechselseitigen – und in vielen Fällen eine gemeinsame Geschichte teilenden – Beziehungen solcher Strukturmuster und Gestalten untereinander. durch Aufdeckung von Homologien, Analogien, Homoiologien, Homodynamien und Homonomien Ziel: herausfinden, … warum was wie geworden ist ob und welche Entwicklungspfade weniger wahrscheinlich waren / sind als andere ‚Ingenieurnutzen‘: ‚savoir pour prévoir pour pouvoir‘, und zwar mit großer intellektueller Bescheidenhei t– wobei mangelnde oder geringe Prognosefähigkeit einer Theorie nicht auf einen Mangel jener Theorie zurückgehen muß, sondern einfach die fehlende Prognostizierbarkeit des Gegenstandsbereichs der Theorie widerspiegeln mag! Im übrigen prognostizieren auch Ingenieure nur die Leistungen ihrer Maschine, nicht aber die kommende Geschichte von deren Einsatz … Fazit: Morphologie ist eine auf Gestalterkenntnis und Gestalterklärung ausgehende, vergleichende Betrachtung von Strukturmustern, d.h. eine vergleichende Systemanalyse – ganz gleich, ob es sich um vergleichende Analysen von Sprachen oder Baustilen, von philosophischen Systemen, von Institutionen oder von Lebewesen handelt. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

44 Achtung: Die Entdeckung von Homologien oder Analogien ist die Vorstufe zur Theoriebildung über historische Verlaufsmuster, noch nicht die Theoriebildung selbst! Homologie vs. Analogie Homologie: Ähnlichkeit, die aus der gemeinsamen Abstammungsgeschichte von Systemen herrührt und sich darum in geschichtlich gewordenen grundlegenden Strukturen (bzw. ‚Tiefenstrukturen’) niederschlägt. Achtung: Im Bereich biologischer Strukturen braucht Homologie eine durchgehende Kette chemischer Replikation, während im Bereich sozialer / kultureller Strukturen es allein um memetische Replikation geht, die über physisch trennende Kontinente und Jahrhunderte hinweg funktioniert! Beispiele: die Skelettstrukturen der Vorderextremitäten von Fledermaus und Wal, von Pferd und Mensch; im Bereich politischer Institutionen: der Immerwährende Reichstag des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und der Bundesrat, sowohl der des föderalen Bismarckreichs als auch jener der Bundesrepublik Deutschland. ‚Analogie’: Ähnlichkeit, die sich aufgrund der Anpassung tiefenstrukturell ganz unterschiedlich ausgeprägter Strukturen an gleiche Funktionserfordernisse oder Umweltbedingungen ergibt. Es handelt sich also um Ähnlichkeit in der ‚Oberflächenstruktur‘ von Vergleichsgegenständen. Beispiele: Die Flügel eines Insekts sind denen eines Vogels sehr ähnlich, obwohl der tiefenstrukturelle Bauplan jeweils ganz verschieden ist; im Bereich politischer Strukturen gilt dasselbe etwa für die Verfassungsgerichtshöfe Deutschlands und Frankreichs, die sich ziemlich ähnlich ausnehmen, obwohl sie ganz anders zusammengesetzt sind, ins Amt kommen und agieren. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

45 Näheres zu Homologien Da Homologie die Ähnlichkeit von Tiefenstrukturen bezeichnet, bleibt homologe Ähnlichkeit auch dann erhalten, wenn ganz unterschiedliche Umweltanforderungen an die von solchen Strukturen zu erfüllenden Funktionen zur großen Unterschieden in jenen Oberflächenstrukturen führen, zu denen die ähnlichen Tiefenstrukturen in der Entwicklung der verglichenen Systeme transformiert werden. Solchen Oberflächenstrukturen ist mitunter irgendwelche tiefenstrukturelle Verwandtschaft und homologe Ähnlichkeit gar nicht mehr unmittelbar abzulesen. Beispiele: Die Vorderextremitäten von Vogel und Pferd erfüllen sehr verschiedene Funktionen und sind darum, trotz tiefenstruktureller Ähnlichkeit, so unterschiedlich ausgeprägt, daß sie niemand für tiefenstrukturell sehr ähnlich halten würde, der weder Skelettstrukturen zu deuten versteht noch die Stammesgeschichte der Wirbeltiere kennt. Im Bereich politischer Systeme waren die Parlamente der realsozialistischen Staaten ihrer Herkunft und Struktur nach ganz homolog zu jenen der demokratischen Verfassungsstaaten; doch eingebettet in andere Obersysteme und Systemumwelten erfüllten sie ein sehr anderes Funktionsprofil und galten darum vielen Parlamentarismusforschern als von ihnen völlig verschieden. Offenbar kann bereits die rein hypothetische Suche nach tiefenstrukturellen, homologen Ähnlichkeiten zu überaus erkenntnisträchtigen Fragestellungen vergleichender Analyse führen. Kriterien für die Feststellung von Homologien: ‚Lage‘ und ‚spezielle Qualität‘ eines Strukturelements; ‚Existenz von Übergangsformen‘; Zusatzkriterien TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

46 Achtung: Es kann auch auf homologer Grundlage zur Analogiebildung kommen! Begriff: „Homologie + Analogie = Homoiologie“ Näheres zu Analogien Nach analogen Ähnlichkeiten zu suchen, öffnet den Blick für … das Zusammenwirken von System und Umwelt die Prägekraft ausgeübter Funktionen auf die sie erfüllenden Strukturen. Dies ist vor allem für die Formulierung und Überprüfung bedingter Hypothesen überaus nützlich. Also: Es ist überhaupt nichts daran falsch, beim Vergleichen nach Analogien aller Art zu suchen! besonders wichtig: historische Analogien Achtung: Nie Analogien (= Oberflächenstruktur) mit Homologien (= Tiefenstruktur) verwechseln! Merksatz: ‚Homologien sind dauerhaft, Analogien umstandsabhängig‘ TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

47 Vorgehen bei der Suche nach Homologien und Analogien
Entweder: Man sucht nach einer am Vergleichsfall A bereits entdeckten Konfiguration in den Vergleichsfällen B bis P. ‚deduktive’ Analogie- bzw. Homologiebildung Beispiel: Was wäre in der Geschichte deutscher politischer Systeme das Analogon zur Französischen Revolution? Bauernkrieg oder 1918 oder 1989 – oder nichts? Oder: Man hofft, daß sich beim ratenden und deutenden Hin und Her zwischen den an verschiedene Gegenstände herangetragenen Vermutungen und den an jenen Gegenständen abgreifbaren Informationen eine gegebenenfalls diesen Vergleichsfällen Q bis Z gemeinsame Merkmalkonfiguration schon werde erkennen lassen. ‚induktive’ Analogie- bzw. Homologiebildung’ Beispiel: Wird sich wohl ein gemeinsames Merkmal aller scheiternden Revolutionen finden lassen? Man … sucht also nach Ähnlichkeiten unter den Vergleichsfällen und hofft, vom jeweils Entdeckten zu einer erkenntnisträchtigen Fragestellung an interessierende Gegenstände oder gar zu einer tragfähigen Antwort auf sie inspiriert zu werden – vor allem darüber, … warum etwas genau so ist und wurde, wie es nun ist welche weiteren Entwicklungschancen / Reformmöglichkeiten es darum wohl hat TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

48 Mehrwert von Morphologie
Fazit: Morphologie erschließt den Kulturwissenschaften in für Gegenwart und Zukunft erkenntnisträchtiger Weise die Geschichte, nämlich ihre Verlaufs- und Strukturmuster! Mehrwert von Morphologie in der Biologie einst offensichtlich: Da ganz unbekannt war, wie die Vielfalt der Pflanzen oder Tiere – auch historisch! – zusammenhing, mußte der Versuch unternommen werden, von festgestellten Ähnlichkeiten der Struktur her auf ‚innere‘ und geschichtliche Zusammenhänge zu schließen. Also gab es einen starken Anreiz, Morphologie zu betreiben und ihr begriffliches Analyseinstrumentarium zu kultivieren andere Lage in den Kulturwissenschaften: Seit der Verfügbarkeit schriftlicher Quellen ist meist gut bekannt, wie kulturelle Formen, z.B. Institutionen, geschichtlich zusammenhängen  allerdings: Unterscheidung von ‚Geschichte‘ (= Schriftlichkeit existiert) und ‚Vorgeschichte‘ (= Schriftlichkeit existiert nicht) mit sehr unterschiedlichen methodischen Zugängen! Für meist auf die Gegenwart fixierte Disziplinen wie die Soziologie und Politikwissenschaft gab es darum erst recht keinen Anreiz, das analytische Instrumentarium der Morphologie zu entwickeln. problematische Auswirkungen dieser Lage für die Kulturwissenschaften: Weil der Begriff der Homologie fehlt, mangelt es auch an einem klaren Begriff der Analogie – und der Homoiologie erst recht. Folglich mangelt es an einer differenzierten Beschreibungssprache für strukturelle Ähnlichkeiten und deren Ursachen (z.B. gemeinsame Abstammung vs. gleichartige Umwelteinwirkungen vs. Zufall). Resultat: endloser Streit um ‚falsche Analogien‘ oder ‚hinkende Beispiele‘. weitreichende Folgen: Typologien und Klassifikationen sind oft recht willkürlich, den gegliederten Gegenständen äußerlich und ohne historische Auflösungskraft (‚ahistorisch-systematisierende Sozialwissenschaften‘ vs. ‚idiographische Geschichtswissenschaft‘) Es läßt sich mit Geschichte und historischen institutionellen Ordnungen nicht systematisch sauber vergleichende Forschung betreiben – was den Blick der Kultur- und Sozialwissenschaften auf die innere Zusammengehörigkeit der von ihnen untersuchten Sachverhalte ziemlich stark trübt und deren üppigste Datenquelle – die Geschichte nämlich – analytisch weithin ungenutzt läßt. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

49 Evolutorischer Institutionalismus und Challenge-Response-Ansatz
Beide Ansätze befassen sich im Grunde mit dem gleichen Gegenstand: der Entwicklung, Tradition und Diskontinuität sozialer bzw. institutioneller Strukturen. Beide Ansätze stehen in einem Teilmengenverhältnis: Der CR-Ansatz befaßt sich mit System/Umwelt-Interaktionen vom Typ der Wirkungskette ‚challenge – response – Auswirkung der response – challenge zweiter Art – response …‘ und modelliert ergebnisoffene, doch pfadabhängige Entwicklungsprozesse in Abhängigkeit von ‚Anpassungsdruck‘ und ‚Reaktionsdisposition‘. Der Evolutorische Institutionalismus befaßt sich mit alledem auch, wenngleich in mitunter etwas anderer Begrifflichkeit. Obendrein leistet der EI u.a. folgendes: Einbettung der Theorie von System/Umwelt-Interaktionen in eine umfassende sozial- und kulturwissenschaftliche Evolutionstheorie Präzisierung von ‚Reaktionsdisposition‘ und ‚Anpassungsdruck‘ in Gestalt der Theorie innerer und äußerer Selektionsbedingungen Präzisierung des Konzepts ergebnisoffener Pfadabhängigkeit in Gestalt einer Theorie sowohl zufallsgetriebener als auch teleonomer Entwicklungsprozesse Verbindung dieser ‚Geschichtstheorie‘ mit einer empirisch sehr fruchtbaren Theorie von Institutionenbildung und Institutionalitätssicherung Folgerung: Es wäre gut, beide Ansätze miteinander zu verschmelzen und doppelseitig zu profitieren: von der Anschaulichkeit und einfachen konzeptuellen Überschaubarkeit des CR-Ansatzes von der aus noch vielen weiteren Forschungszusammenhängen her ihr Potential gewinnenden großen Erklärungskraft des Evolutorischen Institutionalismus. … und das zu versuchen, böte eine gewiß fruchtbare Gelegenheit für eine nicht nur an gemeinsamen Fragen und Daten, sondern gerade auch an gemeinsamer Theoriebildung interessierte substantielle Kooperation zweier Sonderforschungsbereiche! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

50 Fazit: Was ist ‚Evolutorischer Institutionalismus‘?
Insgesamt: eine sehr weit ausgreifende Fortentwicklung jenes Theorieansatzes, mit welchem der SFB 537 ‚Institutionalität und Geschichtlichkeit‘ einst startete … … mit großer interdisziplinärer Integrationskraft Fazit: Was ist ‚Evolutorischer Institutionalismus‘? Evolutorischer Institutionalismus ist ein Theorie- und Forschungsansatz zur vergleichenden empirischen Aufklärung des Zusammenhangs von Institutionalität und Geschichtlichkeit sowie der aus ihm resultierenden ähnlichen Strukturmuster und Verlaufsmuster von Wandel. Er verbindet in der Dresdner Forschungsperspektive ‚institutioneller Analyse‘ empirische Studien zur Konstruktion sozialer Strukturen auf der Mikroebene mit Untersuchungen zu den Stabilitätsbedingungen, Wandlungsprozessen und Funktionen von sozialen Strukturen auf der Makroebene: Analyse von Institutionalität  Ethnomethodologie, ihrerseits verbindbar mit mancherlei anderen mikroanalytischen Ansätzen Analyse von Geschichtlichkeit  Evolutionstheorie, ihrerseits Rahmentheorie aller Strukturbildungs- und Strukturentwicklungsanalysen Evolutionsforschung kommt im Evolutorischen Institutionalismus zweifach ins Spiel: ansatzextern als Analyse der biologischen Tiefenstruktur institutionenbildenden sozialen Handelns ansatzintern als Anwendung der Allgemeinen Evolutionstheorie (von welcher die Evolutionsbiologie nur eine spezielle Applikation ist) auf die Analyse der Geschichtlichkeit institutioneller Strukturen Insgesamt ist der Evolutorische Institutionalismus ein interdisziplinärer (meta-) historischer Theorie- und Forschungsansatz, der den Bogen von der Naturgeschichte über die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte bis hin zur (politischen) Institutionengeschichte und Ideengeschichte zu schlagen erlaubt. Anwendungsformen u.a.: Erklärung geschichtlicher Verlaufsmuster, historische Vergleichsanalysen, evolutorische Morphologie, Planung und Evaluation von Reformen TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

51 einige Literaturhinweise
Blackmore, Susan, 2000: Die Macht der Meme. Heidelberg. Dawkins, Richard, 1976: Das egoistische Gen. Heidelberg. Eibl-Eibesfeldt, Irenäus, 1997: Die Biologie menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie. München Göhler, Gerhard (Hrsg.), 1994: Die Eigenart der Institutionen. Zum Profil politischer Institutionentheorie. Baden-Baden. Lorenz, Konrad, 1973: Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte menschlichen Erkennens. München/Zürich. Mahoney, James, 2000: Path Dependence in Historical Sociology, in: Theory and Society 29, Patzelt, Werner J., 1987: Grundlagen der Ethnomethodologie. München. Patzelt, Werner J. (Hrsg.), 2006: Evolutorischer Institutionalismus. Theorie und empirische Studien zu Evolution, Institutionalität und Geschichtlichkeit. Würzburg (im Erscheinen) Rehberg, Karl-Siegbert, 1990: Institutionen als symbolische Ordnungen, in: Göhler 1994. Riedl, Rupert, 1990: Die Ordnung des Lebenden. Systembedingungen der Evolution. München/Zürich. Riedl, Rupert, 2003: Kulturgeschichte der Evolutionstheorie. Berlin u.a. Thelen, Kathleen, 2002: How Institutions Evolve, in: Mahoney, James / Rueschemeyer, Dietrich (Hrsg.): Comparative Historical Analysis in the Social Sciences. New York, Voland, Eckart, 2000: Grundriss der Soziobiologie. Heidelberg. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt


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