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Arbeitsrecht im Betrieb 12
Arbeitsunfähigkeit & Betriebliche Gesundheitsförderung Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arbeitnehmerschutz bei Krankheit Krankheitsbegriff: Einheitlich Entgeltschutz: AG Lohnfortzahlung 6 Wochen, § 3 EntgFG: Je Krankheit Krankenkassen, SGB V: Krankengeld 78 Wochen Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit, § 146 SGB III: Danach Rente wg. Erwerbsminderung, § 43 SGB VI: Keine 6 Std. täglich erwerbsfähig Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII: BG- Rente ab Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 % Kündigungsschutzgesetz: Betriebliches Eingliederungsmanagement, § 84 II SGB IX Personenbedingte Gründe (3 Jahre beobachten, negative Prognose, erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit) Schwerbehinderte Menschen: Beschäftigung und Bes. Kündigungsschutz, §§ 81 ff SGB IX Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses, § 92 I Nr. 7 SGB V § 1 Gegenstand: Feststellung durch Ärzte der Arbeitsunfähigkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer in bundesweit standardisiertem Verfahren § 2 Arbeitsunfähigkeit: Abs. 1 AN kann seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausführen oder Tätigkeit würde die Unfähigkeit unmittelbar hervorrufen Abs. 4 Arzt befragt Patienten zur Tätigkeit, ihren Anforderungen + Belastungen § 4 Maßgeblich gleichermaßen: Körperlicher, geistiger & seelischer Gesundheitszustand Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses, § 92 I Nr. 7 SGB V § 5 Abs. 3 Bescheinigung für Entgeltfortzahlung auf Vordruck: Ab erster Inanspruchnahme des Arztes, Rückwirkend bis 2 Tage nach gewissenhafter Prüfung für Dauer Entgeltfortzahlung Bei unterschiedlichen Diagnosen ist für die zweite Arbeitsunfähigkeit eine Erstbescheinigung auszustellen Verdacht auf Versicherungsfall gem. § 7 SGB VII: Hinweis § 6 Nach Ablauf Entgeltfortzahlung: Attest des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit auf der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung § 7 Zusammenwirken mit Medizinischem Dienst Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Anzeige & Nachweis, § 5 EntgFG Mitteilung Erkrankung: Sofort, vor Arbeitsbeginn Vorlage Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung: Entgeltfortzahlungsgesetz: Einholung erst nach 3 Tagen vertraglich ab 1. Tag vereinbar Vorlage an Arbeitgeber unverzüglich, auch nach 6 Wochen Hoher Beweiswert: Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig: Mit Vorlage tatsächliche Vermutung für bescheinigte Arbeitsunfähigkeit Erschütterung durch AG: Beweis des Gegenteils erforderlich bei EU- Ausland Konkrete Umstände, die zu ernsthaften Zweifeln Anlass geben: - Arbeitsunfähigkeit angekündigt, z.B. bei Urlaubsverweigerung - Schwarzarbeit o. ganztätig auf Eigenheimbaustelle gearbeitet - gleichartige Tätigkeit bei anderem Arbeitgeber ausgeführt - Nichterscheinen zum medizinischen Dienst Nicht: Am späten Abend in Bars - Diskotheken angetroffen Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arbeitgeberoptionen Krankheit Arbeitsvertrag: Anwesenheits- + Leistungsprämien Betrugsverdacht: Detektiv verdeckte Überwachung Ohne hinreichenden Anfangsverdacht: Verwertungsverbot Rehabilitation Sozialversicherungsträger anstoßen: Schwerbehinderte: Versorgungsämter, SGB IX Krankenkasse: Arbeitsplatzbezogen Dt. Rentenversicherung: Arbeitsfähigkeit 6 Stunden täglich Offensive Betreuung AN in allen Notlagen: Medizinisch, sozial und finanziell Ggf. extern und anonym Insbes. Führungskräfte durch Psychologen/ Coach Gutes Arbeitsklima Bei Gefährdung Arbeitssicherheit: Initiativrecht AG Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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AG-Reaktionen bei Erkrankung: Frage an AN nach Art + Grund Erkrankung? § 5 EFZG: Ärztliches Arbeitsunfähigkeitsattest neutral Kein weitergehendes Fragerecht o. Krankengespräch Kontrolle der Arbeitsunfähigkeit / Widerlegung Krankenkasse: Medizinischer Dienst, § 275 SGB V Stufenweise Wiedereingliederung,§ 74 SGB V Betriebliches Eingliederungsmanagement (BGM), § 84 SGB IX: Nach Erkrankung Ggf. bereits vor Ablauf 6 Wochen Prävention: Betriebliches Gesundheits-Management (BGM) Kündigung aus personenbedingten Gründen: Innerhalb 3 Jahren > 6 Wochen, neg. Prognose Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arten der Krankheit: Körperlich: Reversibel? AN rehabilitierbar? Orthopädische Leiden Organ - Erkrankung Suchterkrankungen, insbes. Alkoholabhängig: Aus 1. Rückfall nicht automatisch auf Sinnlosigkeit schließen(Statistik: Bei Alkoholtherapie 50 %) Strukturiertes Verfahren mit „dosierten Druck“ Psychische Beeinträchtigungen: Burn-out + Mobbing: Ist AG Teil des Problems? Depressionen: Chronische Persönlichkeitsstörung o. Krise, z.B. Verlust einer nahestehenden Person (versuchter) Suizid, Ausdruck einer Krise: PsychKG Hinzuziehung eines externen Mediators Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Kündigung bei Sucht-Erkrankung Alkohol- und Drogensucht sind Krankheit: Sofern willkürlich nicht steuerbar: MA ist schwach Verpflichtungen Arbeitnehmer: Entbindung alle Ärzte von Schweigepflicht Krankheitseinsicht + Therapiewilligkeit, Grenze: Ein (?) Rückfall Verpflichtungen Arbeitgeber: Vor Kündigung: Verhaltensbedingte Verstöße abmahnen Krankheit feststellen: Gespräche + Arbeitsmedizinische Untersuchung Unterstützung einer Therapie / Versuch Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Betriebliches Eingliederungs-management, § 84 II SGB IX Arbeitnehmer, auch nicht schwerbehindert ist innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen erkrankt: AG- Pflicht, bereits vorher sinnvoll Inhalt: - AG- Gespräch mit AN, BR +Beteiligten - Entbindung aller Ärzte von Schweigepflicht Ziel: Ursachen der Erkrankungen beseitigen, insbes. durch leidensgerechte Tätigkeit Wichtiges Element zum Erhalt der Arbeits- und Leistungsfähigkeit Überwachung durch Betriebsrat, § 80 I Nr. 1 BetrVG Schwerbehindertenvertretung, § 95 I Nr. 1 Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Betriebliches Gesundheits-management – BGM: Beteiligte Arbeitgeber (Direktionsrecht, Fürsorgepflicht): Geschäftsleitung, Personalabteilung Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit Betriebsrat, §§ 81, 87 I Z. 7, 88 Z. 1 BetrVG Schwerbehindertenvertretung, §§ 94 ff SGB IX Bundesanstalt für Arbeit, SGB III Krankenkassen, §§ 20 ff, 74 SGB V Rentenversicherung, § 16 SGB VI Berufsgenossenschaften, § 35 SGB VII Fürsorgestelle, §§ 33, 34 SGB IX Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Wirkungen auf Kündigungsschutz Konkretisierung Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Erkennen und entwickeln milderer Mittel zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung BEM erfolgt: Ergebnis für Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Arbeitsgerichtsprozess grds. maßgeblich Kein BEM: Arbeitgeber muss im Arbeitsgerichtsprozess umfassend vortragen, dass Arbeitnehmer auf seinem Arbeitsplatz nicht eingesetzt werden kann, dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung ausgeschlossen ist und der AN nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden kann. AG hat darzulegen, warum denkbare oder aufgezeigte Alternativen zur Reduzierung der Fehlzeiten nicht in Betracht kommen. BAG AZR 1012/2006 Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arbeitgeberpflichten Behinderte § 106 S. 3 GewO: AG hat bei der Ausübung des Direktionsrechts auf die Behinderung Rücksicht zu nehmen Stufenweise Wiedereingliederung, § 28 SGB IX: Soll = Anspruch BAG – 9 AZR 229/05 Verbot der Benachteiligung von Beschäftig-ten wegen einer Behinderung, §§ 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG § 81 Abs. 4 SGB IX: Ansprüche = einklagbar Beschäftigung mit voller Verwertung Fähigkeiten Ausstattung mit technischen Arbeitshilfen Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Betriebliche Gesundheitsförderung Ganzheitlich – integrierter Ansatz: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) Unternehmens- Individueller Auslöser - Initiative: Hohe Krankenstände Hohe Fluktuation, innere Kündigungen Investition in Humankapital Strukturelle + planerische Rahmenbedingungen: Zieldefinition und Zielstrukturierung Festlegung von Zuständigkeiten + Verantwortlichkeiten Auswahl von Organisationseinheiten Planung und Steuerung Vernetzung mit anderen Managementansätzen Aufbau von Kooperationsbeziehungen Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Integriertes Gesundheitsmanagement Ziele Personal- + Organisationsentwicklung: Arbeits- und Gesundheitsschutz, unter Einbindung und Kostenbeteiligung von Krankenkassen, §§ 20 a – c, 40 SGB V Unfallversicherung (BG), § 33 SGB VII Schwebehinderung, §§ 15, 44 I, 53,54 SGB IX Rentenversicherung, §§ 28 SGB Vorsorge, Gesundheitsförderung Mitarbeiter- u. Konfliktberatung, Suchtprävention Projektleitung: Koordination von Schwerbehindertenvertretung Sicherheitsfachkräften, Betriebsarzt Sozial-/ Suchtberatung Betriebliches Gesundheitsmanagement von uni-hannover.de Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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BGM: Außerbetriebliche Kostenträger Bundesanstalt für Arbeit, SGB III §§ 19, 112 Behinderte § 119 Ausbildung § 130 Befristete Leistungen § 45 Aktivierung und berufliche Eingliederung § 51 Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen Krankenkassen SGB V: § 20 Primäre Prävention § 20 a Betriebliche Gesundheitsförderung § 20 b Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren § 74 Stufenweise Wiedereingliederung Rentenversicherung § 16 Verweis auf SGB IX SGB VI Berufsgenossenschaften § 35 Verweis auf SGB IX SGB VI Fürsorgestelle, Leistungen SGB IX § 33 zur Teilhabe am Arbeitsleben Abs medizinische und psychologische Hilfen § 34 an Arbeitgeber Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Handlungsoptionen AG bei „Krankfeiern“ Verkürzung der 3-Tagesfrist zur Vorlage AU- Bescheinigung: Vertraglich o. Aufforderung AG Einschaltung des medizinischen Dienstes, § 275 SGB V Mitwirkung bei „Stufenweiser Wiederein-gliederung“, § 74 SGB V Krankenrückkehrgespräch (weder Mitwirkungs- noch Offenbarungspflicht!) Betriebliches Eingliederungsmanagement, § 84 II SGB IX Kündigung, personenbedingt bei neg. Prognose Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Medizinische Rehabilitation o. Rehabilitierung (lateinisch: rehabilitatio, „Wieder-herstellung“) bezeichnet die Bestrebungen, einen Menschen wieder in seinen vormals existierenden körperlichen Zustand zu versetzen: Maßnahmen, um die körperlichen und psychischen Folgen einer Behinderung bzw. Aktivitätseinschränkung (engl. früher: Disability, jetzt: Activity) und Störung der Teilhabe (früher: Handicap, jetzt: Participation) auf ein Minimum zu beschränken. Die rehabilitative Medizin unterscheidet sich prinzipiell von der kurativen Medizin, deren Aufgabe die Heilung von Krankheiten ist. In der Suchttherapie spricht man von Rekuperation: Wiedergewinnung des Zugangs zu selbstbestimmtem Handeln Im Arbeitsleben bedeutet Rehabilitation heute die Wiedereingliederung in das berufliche Leben. Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Medizinische Rehabilitation Kosten- Träger: Berufsgenossenschaft, § 33 SGB VII: Nach Arbeitsunfällen & bei Berufskrankheiten Deutsche Rentenversicherung: Minderung oder erhebliche Gefährdung der Erwerbstätigkeit Versorgungsämter, §§ 26 ff SGB IX: Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Krankenkassen, § 40 SGB V: Nachrangig, um die gesundheitliche Situation zu verbessern Bundesanstalt für Arbeit: Arbeitssuchende, aber Schwerpunkt Wiedereingliederung Arbeitsmarkt Kommunale Träger: Bezieher von Sozialleistungen Voraussetzungen: Ärztliche Empfehlung & Bewilligung Kostenträger Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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STEAG „LIFE“: Langfristige individuelle Förderung der Eigenverantwortung Ganzheitliches Konzept: Begleitung der Mitarbeiter in allen Lebensbereichen und Hilfestellung zu Problemen Gesundheitliche: Ziel Sicherung der Arbeitsfähigkeit finanziellen und soziale Prävention Gruppenschulung Stressbewältigung Minderung arbeitsbedingter Belastungen Bewegungsapparat Führungskräfteschulung: Gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung Leistungen des Unternehmens: Betriebssport Konfliktmanagement Hilfe in schwierigen Lebenssituationen Kooperationspartner: Knappschaft und weitere Beteiligte Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arbeiten im Schongang? WDR Der Molkereizulieferer Satro in Lippstadt hat Ärzte aufge-fordert, erkrankte Mitarbeiter nur teilweise krankzuschrei-ben. Auf freiwilliger Basis sollten diese Mitarbeiter auf sogen. „Schonarbeitsplätzen“ arbeiten. Die Idee für den Vorstoß bei den Ärzten kam nach Auskunft der Firma so: Einige der 300 Mitarbeiter des Lippstädter Milchpulverherstellers fragten die Personalleitung, ob sie trotz Krankschreibung arbeiten dürften, sie wollten nicht zu Hause rumsitzen. So sei man darauf gekommen, Schon-arbeitsplätze anzubieten. Tipps für die Ärzte: "Wir können befristete Arbeitsplätze, die nur geringe körperliche Belastungen mit sich bringen, zur Verfügung stellen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie in medizinisch dafür geeigneten Fällen einen vorübergehen-den Einsatz verletzter bzw. erkrankter Mitarbeiter als Alter-native zur Krankschreibung in Erwägung ziehen würden. Eine kurze schriftliche Mitteilung gegenüber unserem Mitarbeiter wäre für uns ausreichend." Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Arbeiten im Schongang? Hoheitsrecht der Mediziner: Viele Ärzte im Kreis Soest sind empört. Sie wollen sich nicht in die Diagnose hineinreden lassen, so der Sprecher der Ärztekammer im Kreis Soest, Dr. Heinz Ebbinghaus: "Wir als Ärzte sehen das Ganze schon bedenklich. Für uns stellt das auch einen Vertrauensbruch dar. Wir als Ärzte haben das Hoheitsrecht, die Menschen krank zu schreiben. Wir sehen uns da schon etwas bedrängt. Wir Mediziner wissen schon zu unterscheiden, wer krankgeschrieben werden muss und wer nicht. Das lassen wir uns auch nicht nehmen." Der Soester Arbeitsrechtler Dr. G. hält den Vorstoß für problematisch. "Gegen eine freiwillige Teilnahme des Arbeitnehmers ist nichts einzuwen-den. Davon zu halten ist meines Erachtens aber nichts. Ich rate davon dringend ab, das zu machen. Der Arbeitnehmer hat gesetzlichen Schutz durch das Entgeltfortzahlungsgesetz und darauf sollte er auch bestehen.“ Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten bezeichnet den Vorschlag der Firma als „ungeheuerlich“. Mit der Aktion wolle sie die Mitarbeiter nur zusätzlich unter Druck setzen, um die Zahl der Krankheitstage zu senken. Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Teilarbeitsunfähigkeit Es gibt Fallgestaltungen, in denen der Arbeitnehmer auf Grund seiner Erkrankung nur teilweise nicht in der Lage ist, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Zu unterscheiden sind folgende Fälle: Der Arbeitnehmer ist nicht in der Lage, die geschuldete Leistung in vollem zeitlichem Umfang zu erbringen (quantitative Teilarbeitsunfähigkeit). Der Arbeitnehmer kann einige, aber nicht sämt-liche zu seinem Arbeitsplatz gehörende Tätigkeit-en erbringen (qualitative Teilarbeitsunfähigkeit). Hat Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung ? Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Teilarbeitsunfähigkeit EntFZ kennt keine teilbare o. teilweise Arbeitsun-fähigkeit, weder in quantitativ, noch qualitativ. Quantitative Teilarbeitsunfähigkeit: Kann der AN die geschuldete Arbeitsleistung und -zeit nicht voll erbringen, ist er arbeitsunfähig und hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung, § 3 EFZG. BAG AZR 940/ AZR 37/91 Qualitative Teilarbeitsunfähigkeit: AG kann durch Zuweisung einer Tätigkeit, die AN trotz seiner Erkrankung erbringen kann, die volle Arbeitsfähigkeit herstellen (wie mutterschutz- konformen andere Beschäftigung). Änderung Einsatzbereich muss arbeitsvertraglich zulässig sein: Vom Direktionsrecht gedeckt o. AN einverstanden Praktische Abwicklung bedingt Rücksprache des Arztes (Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit) mit dem AG (Arbeits-platzgestaltung). Hierzu sind Ärzte weder bereit, noch ohne Einverständnis ihres Patienten berechtigt. Auch die Initiative zu leichterer Beschäftigung müsste vom AN ausgehen. Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Teilarbeitsunfähigkeit Praxis-Beispiel Arbeitnehmerin A arbeitet als Telefonistin im Empfang eines großen Unternehmens. In ihrem Arbeitsvertrag ist der Tätigkeitsbereich mit "Bürotätigkeiten" umschrie-ben. Auf Grund einer Erkältung ist sie in einem solchen Maß heiser, dass sie keine Telefonate mehr führen kann. Für den Zeitraum der Erkrankung setzt der Arbeitgeber sie im Schreibpool ein. Die Krankheit führt hier nicht zu einer Arbeitsunfähig-keit. A ist zur Arbeitsleistung verpflichtet. Bleibt sie gleichwohl zu Hause, hat sie keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung und verletzt ihre Leistungspflichten. Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Fall: Krankenschwester in Nachtschicht Die K GmbH betreibt ein Krankenhaus der Vollversorgung mit 2.000 Mitarbeitern. S ist seit 1983 als Krankenschwester im Schichtdienst (Nachtschichten 21:45 bis 6:15 Uhr) tätig. Arbeitsvertraglich ist sie im Rahmen betrieblicher Notwen-digkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Gem. Betriebsvereinbarung ist eine gleichmäßige Verteilung der Arbeit auf alle Beschäftigten anzustreben. S ist gesundheitlich zu Nachtdiensten nicht mehr in der Lage, weil sie medikamentös behandelt wird. Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflegedienst-leiter S am 12. nach Hause, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei. S bot ihre Arbeitsleistung - mit Ausnahme von Nachtdiensten - ausdrücklich an. S beansprucht 1. Beschäftigung und 2. Vergütungszahlung für die Zeit der Nichtbeschäftigung. Zurecht? BAG AZR 637/13 Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Lösung: Krankenschwester in Nachtschichten 1. S ist weder arbeitsunfähig krank, noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Kann sie aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. 2. S hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden. K muss bei der Schichteinteilung auf gesundheitliche Defizit der S Rücksicht nehmen. 3. Die Vergütung steht S unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Fall: AG verweigert AN Aufnahme der Arbeit H, geb. 1957, ist seit 1984 bei Zeche Z unter Tage beschäftigt, zuletzt als Hauer. Von April 2009 bis zum war er krank. Seinen Antrag auf Rente wg. Erwerbsminderung, § 43 SGB VI, wies die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid zurück. Am teilt H an Z mit, dass gem. gutachter-lichen Feststellungen eine Befundverbesserung einge-treten und von Arbeitsfähigkeit auszugehen sei. Am reicht H ein Arztattest nach, dass er „vor-aussichtlich ab dem wieder arbeitsfähig sei“. Z veranlasst eine arbeitsmedizinische Untersuchung, die am feststellt, dass H „seine arbeitsver-traglich geschuldete Tätigkeit nur unter Verschlechter-ung seines Gesundheitszustandes ausüben könne“. H klagt seinen Lohn ab dem ein. LAG D`dorf – 11 (6) SA 145/03 Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Lösung: AG verweigert Arbeitsaufnahme Annahmeverzug Z, §§ 293, 615 BGB: AG muss einen funktionstüchtigen Arbeits-platz zur Verfügung stellen und ihm eine Betätigung zuweisen. a) Arbeitsangebot H: Grds. tatsächliches, § 295 oder gem. § 296 BGB wörtliches ausreichend b) Nicht, wenn H außerstande war, § 297. 2. Arbeitsunfähigkeit a) Begriff in § 3 EFZG und § 44 SGB V identisch. b) Darlegungs- und Beweislast trägt Z: - Misslingt ab dem - jedoch durch arbeitsmedizinische Untersuchung: arbeitsfähig ab Ergebnis: Z muss vom bis Entgeltfortzahlung leisten. Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Fall: Eingliederungsmanagement Thyssen E, Jahrgang 1968, ist seit 1984 bei Fa. TK beschäftigt. Nach Aus-bildung zum Energieanlagen-Elektroniker arbeitete er in Wechsel-schicht. E leitet unter einer schweren „Hygiene- Sensibilität“ mit Waschzwang und Berührungsängsten in Dusche und Toilette, aber auch beim Anfassen von Werkstücken. Seit Februar 2011 ist E Proband in den Sozialbetrieben. Er hat ver-schiedene Probestellen durchlaufen, seit Mai ist er in der Sattlerei. Der Meister setzt ihn zum Nähen von Feuerbeschichtungstüchern ein und lernt ihn an der Industrienähmaschine an. Der Meister möchte ihn dauerhaft beschäftigen, weil bislang nur ein einziger Mitarbeiter die komplexe Nähmaschine bedienen kann. Seit Ende November 2011 ist E nicht mehr arbeitsunfähig. Am verlangt der Personalleiter mit Unterstützung von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertreter aus dem Arbeits-verhältnis auszuscheiden, sich durch das Trainingscenter um eine andere Beschäftigung zu bemühen und eine Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen. Sonst werde er gekündigt. Wie ist die Rechtslage? Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Lösung: BEM Thyssen AG TK hat in ihrem Sozialbetrieb das betriebliche Eingliederungs-management mustergültig und erfolgreich durchgeführt: E hat seine „Hygiene- Sensibilität“ an dem Material der Feuerbeschichtungstücher überwunden. Mit diesem Erfolg bessert sich seine Erkrankung insge-samt. Weitere Therapieerfolge erscheinen jetzt möglich. In der Sattlerei ist ein leidensgerechter freier Arbeitsplatz. Es besteht aber Bedarf für einen neuen Arbeitsplatz, da nur ein einziger Mitarbeiter die Nähmaschine bedienen kann. Der probeweise Einsatz machte nur Sinn bei Aussicht auf eine Dauerbeschäftigung. Der Meister bejaht den Bedarf. Möglicherweise ist E schwerbehindert, anerkannt oder ggf. sogar offensichtlich. Eine Kündigung ist durch personenbedingte Gründe nicht gerechtfertigt. Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Fall: Rehabilitation Rentenversicherung Der 1965 geborene Tischler D ist seit 1988 bei der G GmbH (50 Mitarbeiter) als Monteur beschäftigt. Er hatte nur geringste Krankheitszeiten, seit dem ist er jedoch durchgehend arbeitsunfähig er-krankt. Seit dem ist D aus dem Krankengeld. Im Februar 2013 fordert G ihn auf, am betrieblichen Eingliederungsmanagement mitzuwirken. D erklärt sich hierzu „gerne bereit“, will aber zunächst eine laufende psychotherapeutische Behandlung abwarten. Mit Bescheid vom bewilligt die Deutsche Rentenversicherung eine „berufliche Integrationsmaßnahme als Leistung zur Teilnahme am Arbeitsleben“ vom bis Wäre eine Kündigung sozial gerechtfertigt? Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Fall: Kündigung bei Rehabilitation I. Kündigungsschutzgesetz II. Soziale Rechtfertigung: 1. Erkrankungen letzten 3 Jahre: Erkrankt seit 2 Jahren 2. Negative Prognose a) BEM: Anpassung Arbeitsbelastung nicht möglich b) Bescheid Dt. Rentenversicherung - Arbeitsunfähig bis - Vermeidung Rente wg. Erwerbsminderung: Keine 6 Stunden täglich erwerbsfähig, § 43 SGB VI 3. Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Belange: a) Organisatorische Beanspruchung b) finanzielle Belastung Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Fall: Kündigung bei Alkoholsucht Der 1948 geborene T ist seit 1997 bei der Fach-klinik für Suchterkrankungen e.V. als Ergothera-peut beschäftigt. Klinik setzt ihn in der Arbeits- und Kreativtherapie ein, in der Patienten von Suchmitteln entwöhnt werden. T ist selbst „Alko-holiker“. Klinik wusste dies, nahm bei der Einstel-lung aber an, dass T trocken sei. 2006 und 2007 kam es mehrfach zu Rückfällen und Abmahnungen. Erste Kündigung 8/2007, Rücknahme 02/2008. Nach einem weiteren Rückfall kündigt Klinik T am fristlos, hilfsweise fristgerecht zum T erhebt Kündigungsschutzklage, begründet? BAG vom – 2 AZR 32/11 Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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Lösung: Kündigung bei Alkoholsucht Fristlose Kündigung: Ist unwirksam Alkoholabhängigkeit ist Krankheit. Verstößt T infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsver-tragliche Pflichten, scheitert der Schuldvorwurf. Ordentliche Kündigung: Sozial gerecht-fertigt durch personenbedingte Gründe. T bietet aufgrund der Alkoholsucht keine Gewähr, dass er auf Dauer in der Lage sein wird, seine geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen. Mit weiteren Auffälligkeiten ist zu rechnen. Interessenabwägung: Klinik muss gegenüber Patienten und Leistungsträgern schädliche Einflüsse auf Behandlungserfolg ausschließen Wird durch 12-jährige Betriebszugehörigkeit und Alter über 60 Jahre von T nicht aufgewogen. Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2014
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