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Veröffentlicht von:Helge Vogel Geändert vor über 7 Jahren
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Internationale Zeitzeugenprojekte: Mit den Sichtweisen der anderen umgehen lernen
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Das Zeitzeugen-Projekt wurde in Ungarn, in deutschsprachigen Schulen durchgeführt. Anfangs war Europa „nur” der Bezugsrahmen, in den Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen nach 1945 eingeordnet werden sollte. Im Laufe des Projekts forderten unterschiedliche historisch-didaktischen Perspektiven immer mehr Raum auf Europa.
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Die Ziele des Projekts bei den Schülern die Fähigkeit und Bereitschaft zu einem reflektierten Umgang mit Geschichte zu fördern, durch Multiperspektivität Toleranz „den anderen gegenüber” aufzubauen, Die Auseinandersetzung mit Minderheitenschicksalen zur Entwicklung der eigene Identität zu nutzen.
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Themenwahl Unser Rahmenthema war „Ungarn und die ethnischen Minderheiten” wobei wir die deutsche Minderheit besonders berücksichtigen wollten. Wir entschieden uns, das Projekt auf das Thema „Verschleppung und Vertreibung nach 1945” zu konzentrieren.
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Begründung der Themenwahl
Ungarn ist traditionell ein ethnisch vielfältiges Land. Ethnische Vielfalt, aber auch die Besonderheiten des Umgangs mit ihr, gehören zum gelebten Alltag der Schüler. Diese Aspekte werden aber im Geschichtsunterricht, der sie ja erklären könnte, nicht automatisch reflektiert.
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Das Projekt wurde in deutschen Minderheitenschulen durchgeführt, wo die meisten Schüler bzw. ihre Familien einer ethnischen Minderheit angehören. Minderheiten und der Umgang mit ihnen, dieser wichtige Aspekt der europäischen Geschichte, ist für die Schüler ein bedeutsames Thema, um ihre eigene Gegenwart besser zu verstehen.
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Methodische Überlegungen
Als "Hauptquelle" wurden in diesem Projekt Zeitzeugengespräche in den Mittelpunkt gestellt. Zur Einordnung bzw. Objektivierung der „Quellengattung Zeitzeuge” wurden Bildquellen, Archivmaterial aus dem Sektor Gesetze, überregionale und regionale Verwaltung und Presse eingesetzt, aber auch unterschiedliche Geschichtsdarstellungen, z.B. ein Dokufilm.
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Begründung der Methodenwahl
„Verschleppung und Vertreibung nach 1945”war zur Zeit des Sozialismus ein Tabuthema. Die Quellen sind dadurch noch heute schwer zugänglich. Es liegt bislang auch nur sehr wenig Literatur vor, die die Vorgänge in Ungarn ins Zentrum rückt.
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Will man das Thema im Unterricht aufgreifen, so sind Lehrer und Schüler gezwungen, selber zu forschen – für die Förderung eines reflektierten Umgangs mit Geschichte ist das eine ideale Voraussetzung.
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Im ungarischen Geschichtsunterricht ist das bislang noch recht ungewöhnlich. Dass Geschichte kein Paukfach ist, beginnt sich zwar in den Lehrplänen niederzuschlagen, in den Klassenzimmern ist dieses Verständnis noch kaum angekommen.
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Die Zeitzeugen, die noch leben, können wichtige Informationen in den Bereichen liefern, über die sonst kaum etwas bekannt ist, eben weil Verschleppung und Vertreibung totgeschwiegen wurden. Zugleich können die Schüler deren Umgang mit Geschichte beobachten und erschließen lernen.
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Zeitzeugenbefragungen von den Schülern durchgeführt
Eine ganz besondere Möglichkeit lag darin, dass bei den Befragungen die Schüler aktiv werden und auch selbstständig Interviews durchführen konnten, da meistens in ihrer eigenen Familie oder im Dorf noch Betroffene leben, die berichten können.
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Ergebnisse der Befragungen
Schüler lernten Strategien für das Führen und Auswerten von Zeitzeugengesprächen kennen, Sie erlebten Betroffenheit und mussten damit umgehen, Durch Perspektievenwechsel lernten sie, andere Sichtweisen wahrzunehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
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Betroffenheit Die meisten Zeitzeugen, die die Schüler interviewt haben, wurden bis jetzt nicht nach ihren "Erlebnissen" gefragt. Sie haben nicht einmal in der Familie darüber gesprochen. In den Gesprächen zeigte sich deshalb Lebendigkeit, emotionale Tiefe, eine hohe Erfahrungsnähe.
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Eine Seltenheit waren Interpretationen, die von außen an die Zeitzeugen herangetragen worden sind oder einordnende Erklärungsversuche. Die Zeitzeugen interpretierten stark nach Innenmaßstäben.
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Die Betroffenheit der Zeitzeugen nach Jahren des Schweigens war hoch
Die Betroffenheit der Zeitzeugen nach Jahren des Schweigens war hoch. – Auch unsere Schüler erlebten diese Betroffenheit. Sie wurde durch den Eindruck von Echtheit, Glaubwürdigkeit ausgelöst.
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Die Betroffenheit, die die Schüler in diesem Projekt immer wieder erlebten und zeigten, verstehen wir als Chance und Herausforderung. Es erfordert, als Lehrer sensibel zu sein. Das setzt voraus, beobachten, und reagieren zu können.
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Die Präsentation der Interviewergebnisse
In einer Form von Brainstorming haben die Schüler einander ergänzt und bestätigt Es wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Interviews festgestellt Die Sichtweisen, die sie aus „ihren” Interviews mitbrachten, wurden durch die der anderen gestärkt bzw. relativiert
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Anfangs konzentrierten sich die Schüler fast ausschließlich auf das Ziel, die vergangenen Geschehnisse zu rekonstruieren. Die unterschiedlichen Deutungen der Zeitzeugen „störten” dabei eher. Als eigenes Thema wurde sie kaum wahrgenommen. Das änderte sich langsam.
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Der Lernprozess bei der Präsentation
Die Schüler lernten nachzufragen, zu belegen, noch einmal genauer hinzuhören, bzw. zu erkennen, dass an bestimmten Stellen Informationen notwendig sind, die Zeitzeugen gar nicht geben können.
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In diesem Prozess erkannten und erlebten sie zunehmend, dass die Geschichten, die über ein und dieselbe Vergangenheit geschrieben oder erzählt werden, sich zum Teil unterscheiden.
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Sie erkannten, dass die unterschiedlichen "Geschichten" davon abhängen:
auf welche Zeitzeugen, und damit Erfahrungen für die Rekonstruktion zurückgegriffen wurde, wie die Zeitzeugen die Ereignisse sehen, welcher Gruppe der Rekonstruierende angehört.
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Manche stellen auch fest, dass es von Bedeutung ist, welcher Gruppe der Rekonstruierende angehört. Die Sichten der Enkel deutschstämmiger Ungarn auf Verschleppung und Vertreibung unterschieden sich oft von denen anderer Ethnizität.
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Mit Hilfe solcher Erfahrungen lernten Schüler, dass es wichtig ist, hinter die Kulissen zu schauen, dass man nachforschen muss, um sich der Vergangenheit anzunähern, dass Rekonstruieren manchmal ein schwieriger Prozess ist.
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Multiperspektivität Aufgrund der Themenstellung hatten wir ausschließlich Deutschstämmige befragt, die verschleppt und vertrieben worden waren. Deren Wahrnehmung, dass ihnen Unrecht widerfahren ist, drohte sich auf die hier in Ungarn, in den Höfen der Deutschen, angesiedelten Vertriebenen aus Siebenbürgen und der Slowakei auszudehnen. Statt der „Förderung von Toleranz” drohte die Festigung bzw. gar erst der Aufbau von Feindbildern.
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Deshalb weiteten wir den Kreis der Befragten aus, und bezogen die Vertreibungsschicksale und Sichtweisen der Siebenbürgener und Slowaken ein. - Die europäische Dimension wurde so stärker beachtet.
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Mit den neuen Interviews hatten wir multiperspektivische Quellen für die Rekonstruktion der damaligen Vergangenheit. Dabei kam auch die Bedeutung der Sprache, in der die Interviews geführt werden, in den Blick. (ungarisch, hochdeutsch, deutsche Mundart)
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Multiperspektivische Erfahrungen der Opfer
Nicht nur die Erfahrungen, auch die Interpretationen der Opfer sind „multiperspektivisch” und nicht einheitlich. Das wurde nicht nur bei den Interviews mit Siebenbürgner oder Slowaken deutlich, sondern auch bei einem Interview mit einem Zeitzeugen, der heute in Deutschland lebt (zur Zeit des Projekts war er nur zu Besuch in Ungarn).
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Er wurde in die verschiedensten Arbeitslager in Ungarn, Rumänien und in der damaligen Sowjetunion deportiert und nach 9 Jahren Zwangsarbeit nach Deutschland ausgesiedelt, wo er auch heute lebt.
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Er hatte einen anderen Lebensweg als alle anderen Zeitzeugen: Jura-Studium, Freiheit bei der Vergangenheitsbewältigung, Möglichkeit, das persönliche Schicksal und die "große Geschichte" mit Hilfe vieler Quellen und Darstellungen, aus mehreren Perspektiven zu interpretieren.
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Seine Darstellungsweise unterschied sich stark von der der in Ungarn lebenden Zeitzeugen. Auch das steht für europäische Perspektivenerweiterung.
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Sein Bericht beinhaltete:
Die Rekonstruktion der erlebten Vergangenheit, Das Interpretieren vom Erlebten, Die Suche nach Ursachen und Zusammenhängen, Werturteile über die damaligen Geschehnisse, Volksgruppen, über menschliches Verhalten.
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Er unterschied sich von den anderen Interviewpartners vor allem dadurch, dass er viel mehr deutete, erklärte, behauptete, beurteilte, bewertete. Das war der Grund, weshalb gerade sein Interview herangezogen wurde, um das De-Konstruieren von Zeitzeugen-Geschichten zu erlernen.
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Ein erstes Ziel bei der Dekonstruktion war:
diese verschiedenen Ebenen ausseinanderzuhalten das selbst Erlebte von den Interpretationen und Orientierungshinweisen für die Jugendlichen zu trennen
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Schüler lernten während der Arbeit am Projekt das kritische Hinterfragen und Analysieren der Zeitzeugengespräche. Wir versuchten sie auf die Interpretationen und Deutungen aufmerksam zu machen, und sie dabei zu unterstützen, Strukturen zu durchschauen.
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Dabei wurde eine weitere Notwendigkeit deutlich: Mehrere Gattungen von Materialien wurden nötig, um die von den Zeitzeugen erzählten "Geschichten" in ihrer Triftigkeit zu überprüfen, und die Perspektiven der Beteiligten zu erkennen.
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Einordnung der Zeitzeugengespräche durch weitere Quellen und Materialien
Ich gehe jetzt nicht auf Gesetzestexte, Abkommen, Verwaltungsbestimmungen, Satzungen, Zeitungsartikel, Bildquellen ein. Ich stelle vielmehr die Arbeit mit einem Dokumentarfilm vor.
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Livia Gyarmati: Zusammenleben
Der Dokumentarfilm zeigt das Zusammenleben der beiden Gruppen, der zurückgekehrten Vertriebenen und der hier angesiedelten Ungarn in einem Dorf anhand einer Hochzeit zweier Jugendlicher aus den verschiedenen Völkergruppen. Es wird geschildert wie schwierig, aber gleichzeitig wie wichtig es ist, die Andersartigkeit zu verstehen.
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Es war faszinierend zu sehen, wie Schüler durch den Film und die vorangegangenen Interviews – durch den so angeregten Perspektivenwechsel also – in ihrer „Toleranz” gefördert wurden.
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Forschendes Lernen Dadurch, dass den Schülern keine fertigen Geschichten vorgelegt wurden, waren sie gezwungen, selber zu foschen, d.h. "Vergangenes aus Quellen zu rekonstruieren”, das Gefundene in Kontexte einzubinden und darzustellen, es in Zusammenhang mit der eigenen Gegenwart zu bringen.
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Dabei hatten sie die Möglichkeit zu experimentieren, neue Strategien, verschiedene Fragetechniken auszuprobieren, aus den eigenen methodischen Fehlern zu lernen. Sie haben Strategien entwickelt, die sie auch bei anderen Projekten anwenden können, und dadurch eine Kompetenz der Rekonstruktion und Dekonstruktion erworben, was ihnen das reflektierte Umgehen mit Geschichte ermöglicht.
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Entdeckendes Lernen heißt auch, Erfolgserlebnisse zu haben, was die Arbeit für die Schüler reizvoll machen kann. Wie selbstbewusst Schüler ihre eigene Tätigkeit betrachtet haben, zeigt die Aussage einer Schülerin aus der Projektgruppe.
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Diese Bereitschaft auch demnächst mit dieser Methode zu arbeiten, ist ein Gewinn, von dem in neuen Projekten unbedingt Gebrauch gemacht werden soll. Wir haben vor, die Arbeitsweise "Oral History" für ein neues Projekt einzusetzen, bei dem Klassen aus Ungarn, Rumänien, der ehemaligen DDR Erfahrungen mit dem Kommunismus erheben, und Klassen aus Belgien, Südtirol, Bayern und Österreich zeitgleiche Sichtweisen auf den Kommunismus.
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Die europäische Dimension, die in unseren ersten Projekt ursprünglich nicht zentral war, wird hier von Anfang an mit bedacht. Die Bilingualität aller beteiligten Schüler wird bewusst genutzt, um den Austausch zwischen den Klassen zu ermöglichen. Für den Austausch werden die neuen Medien genutzt. Ob auch persönliche Begegnungen möglich sind, muss noch geklärt werden.
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Flexibilität bei der Planung und Durchführung
Der Weg, der hier beschrieben wurde, war kein statischer, wo alles detailliert vorgeplant und unverändert durchgeführt wurde. Er verlangte sowohl von den Lehrern, aber auch von den Schülern Flexibilität, ein ständiges Reflektieren über den Verlauf und die Durchführung des Projekts, ein Umstruktuieren der Zielsetzungen und Aufgaben.
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Öfters mussten auch die Arbeitmethoden geändert, oder neue Quellen eingesetzt werden. Dieses Reflektieren und die Flexibilität sind bei jedem schülerorientierten Unterricht sehr wichtig, bei einem Projekt zur Entwicklung von reflektiertem und ( selbst) reflexivem Geschichtsbewußtsein sind sie unerlässlich.
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Kooperative Arbeitsweise der Projektleiter
Aus dieser Überlegung heraus ist es vorteilhaft, wenn an der Arbeit mehrere Lehrer teilnehmen. Eine unbeteiligte, distanzierte Beobachtungs-position, „ein Auge von außen” hilft viel bei dem Weiterplanen, fördert das Reflektieren und sorgt für die Flexibilität. Eine beteiligte Lehrerin äusserte sich in der Nachbesprechung folgendermaßen:
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