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Alice im Cyberspace Das Spinnennetz der jungen Frauen

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Präsentation zum Thema: "Alice im Cyberspace Das Spinnennetz der jungen Frauen"—  Präsentation transkript:

1 Alice im Cyberspace Das Spinnennetz der jungen Frauen
Vortrag von Katy Teubener anlässlich der Tagung „10 Jahre AK Politik und Geschlecht“ vom 19. bis 21. April in der Universität Hamburg

2 Wenn wir der britischen Medientheoretikerin Sadie Plant und ihrem Buch „Nullen und Einsen“ Glauben schenken wollen, dann ist das Internet, das sie als wuchernde »Gewebe von Fußnoten ohne Mittelpunkt, ohne Organisationsprinzipien und Hierarchien« bezeichnet, in der vorindustriellen Handarbeit von Frauen verwurzelt. Bereits in den verschlungenen Fäden des Webstuhls zeige sich einer der abstraktesten Herstellungsprozesse überhaupt. Textilien selbst sind, so Plant wörtlich, »buchstäblich das Software-Unterfutter aller Technologie.«

3 Vorläufer des Hypertextes
»Solche Netze sind in Umfang, Komplexität und Verwendungsmöglichkeiten beispiellos.« (Sadie Plant)

4 Das Weben und vielmehr noch das Klöppeln von Textilien bedeutete jedoch nicht nur ein kompliziertes Handwerk verbunden mit der Fähigkeit, Chaos zu ordnen, sondern immer auch eine willkommene Gelegenheit zum geselligen Beisammensein und zum Austausch von Informationen und Neuigkeiten. »Weben«, so schreibt Plant an anderer Stelle, »war bereits Multimedia: wenn Spinnerinnen, Weberinnen und Näherinnen bei ihrer Arbeit sangen, summten, Geschichten erzählten, tanzten und Spiele spielten, so waren sie auch und tatsächlich Netzwerkerinnen«. Weil Frauen bereits seit Jahrhunderten unterschiedliche Tätigkeiten simultan auszuüben, zentrale Kommunikationsformen zu umgehen und wie Baudrillard einst schrieb, ein eigenes »verschwörerisches Netz der Verführung« zu weben vermögen, seien sie – anders als Männer – geradezu geschaffen für einen erfolgreichen Umgang mit dem Internet.

5 Es waren sicherlich auch Bücher wie das von Sadie Plant, die dazu beigetragen haben, dass die Erwartungshaltung vieler engagierter Frauen gegenüber den neuen Medien am Anfang unrealistisch hoch war und deshalb geradezu zwangsläufig enttäuscht werden musste. Diese Enttäuschung ist auch Thema eines Artikels von Janelle Brown mit der Überschrift „What happened to the women’s Web?“. Sollte das Internet am Ende tatsächlich so trivial sein, wie der Untertitel des Aufsatzes es vermuten läßt:

6 „They promised a revolution, but all we got was horoscopes, diet tips and parenting advice“.
Janelle Brown

7 Auch wenn Janelle Browns Artikel uns daran zweifeln lassen mag: das Internet ist ungeachtet seiner zunehmend kommerziellen und banalen Erscheinungsweise nach wie vor ein hervorragendes Medium zur Schaffung alternativer Öffentlichkeit. Dies soll jedoch keineswegs heißen, dass der Frust vieler Frauen im Umgang mit dem Computer und vor allem dem vernetzten Computer nicht nachvollziehbar oder gar unbegründet sei – im Gegenteil. So hat beispielsweise die amerikanische Linguistin Susan Herring beobachtet, daß die Wortmeldungen von Männern insbesondere in Chats durchschnittlich länger, aggressiver und sarkastischer sind und als solche eher der Selbstinszenierung dienen, Frauen hingegen mehrheitlich an wirklicher Kommunikation interessiert sind.

8 Kommunikationsstile im Netz
vs.

9 Hinzu kommt, dass Computerexpertinnen, die nicht unter einem neutralen oder männlichen Pseudonym an öffentlichen Unterhaltungen oder Diskussionen im Netz teilnehmen, häufig Opfer sexueller Belästigungen werden. Wer wollte es da den Frauen verübeln, dass sie sich in Nischen zurückziehen, oder aber überhaupt nur sehr schwer für das Internet begeistern lassen.

10 Quelle: Girl Scout Research Institute, 2002
30 % aller weiblichen US-Teenager sind schon einmal im Internet sexuell belästigt worden. Quelle: Girl Scout Research Institute, 2002

11 Die W3B, die größte unabhängige deutsprachige Meinungsumfrage im Internet, hat ergeben, dass im Herbst 2001 lediglich 34,8 Prozent der deutschsprachigen Online-User weiblich waren. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das World Wide Web 1995 mit 93,8 Prozent noch fest in Männerhand war und sich der Anteil der Frauen seitdem kontinuierlich erhöht hat, ist dies gleichwohl ein ermutigendes Ergebnis. Ermutigend ist auch die Tatsache, dass es den Frauen ungeachtet ihres Ausschlusses aus der öffentlichen, d.h. männlich dominierten Sphäre des Internet gelungen ist, ein gigantisches Netzwerk rund um den Globus zu spinnen. Wer heute in eine Suchmaschine wie Google den Begriff „Women's Network“ eingibt, erhält je nach Tag bis zu 1,5 Millionen Treffer.

12 Quelle: W3B Fittkau & Maaß

13 Es sind aber auch Meldungen wie diese, die Frauen optimistisch stimmen dürften. »Businesswomen say Online communication gives them more power.« Laut einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2001 ist die Mehrheit aller berufstätigen Frauen der Ansicht, das ihre Ideen in der Online-Kommunikation weitaus eher gehört, geschätzt und zum Anlass einer Reaktion werden als in der traditionellen Face-to-Face-Kommunikation. Indirekt bestätigt wird diese Einschätzung durch eine andere Meldung, die besagt, dass immer mehr US-amerikanische IT-Expertinnen zu den Spitzenverdienern ihrer Branche zählen. Die möglicherweise folgenschwerste Nachricht erreichte uns jedoch im Juli 2000, als der Marktforscher Nielsen/NetRating bekannt gab, dass in den Vereinigten Staaten erstmals mehr Frauen als Männer das Internet nutzen, nämlich 50,8 Prozent. Mittlerweile liegt ihr Anteil sogar bei 52 Prozent, Tendenz steigend.

14 Google-Suche nach „Women's Network“ ergibt 1. 490. 000 Treffer (19. 04
»Businesswomen Say Online Communication Gives Them More Power.« ( ) »Women closing IT wages gap in US.« ( ) » More Women than Men Online in US.« ( )

15 Was aber gibt Anlass zu der Vermutung, dass die zunehmende Dominanz der Frauen im Internet nicht ohne Folgen bleiben wird? Ganz einfach: Das Internet war lange Zeit ein Medium von Männern für Männer. Die Frauen spielten darin eine viel zu kleine Rolle, als das es sich schlichtweg gelohnt hätte, ihren Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Das hat sich nun grundlegend geändert. Nur wenige Wochen nach Veröffentlichung der Nielsen-Studie erschien ein Bericht des Großkonzerns Unilever, der, wen wundert es, eine Statistik über die Vorlieben und Abneigungen der Frauen im Netz enthielt. Die Wirtschaft hat offensichtlich schnell erkannt, dass sich ihnen mit den Frauen ein neuer Markt bietet, ein Markt, der jedoch ganz offensichtlich auf andere Weise, das heißt mit anderen Produkten erobert werden will.

16 Besonders augenfällig wird dies am Beispiel der Computerspieleindustrie. Frauen haben erwiesenermaßen nicht weniger Interesse an Computerspielen als Männer. Dass sie sich jedoch de facto viel weniger damit beschäftigen, liegt in erster Linie daran, dass die meisten der angebotenen Produkte nicht ihren Geschmack treffen. Und so dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich die Computerspieleindustrie, die bislang eine zutiefst männlich dominierte war, ändert und zwar nicht in eine von Frauen dominierte (Stichwort „pink software“), sondern lediglich in eine bessere, eine anspruchsvollere Industrie. Und auch das bereits angesprochene Problem der Diskriminierung von Frauen in Chatrooms wird aller Voraussicht nach an Bedeutung verlieren je mehr Frauen in Zukunft in solchen Räumen vertreten sein werden. Wir kennen das aus klassischen Kommunikationssituation: Wo Männer in der Unterzahl sind, brauchen Frauen chauvinistisches Verhalten in der Regel nicht zu fürchten.

17 Wenn soeben von der Übermacht der Frauen im Netz als einer folgenschweren Nachricht gesprochen wurde, dann deshalb, weil davon auszugehen ist, dass der steigende Anteil der Frauen im Internet die gesamte Computerkultur verändern wird. Ob diese Veränderungen immer positiv sein werden, ist allerdings fraglich. Denn so sehr etwa der Kommunikationsstil der Frauen zu begrüßen ist, so sehr ist ihr vielzitierter Pragmatismus zu fürchten. Wieso das? Frauen, so heißt es in unzähligen Artikeln und Studien zum Thema, nutzen das Internet mehrheitlich wie ein Werkzeug, mit dem sie ganz bestimmte Dinge erledigen können. Für Männer hingegen sei der Computer vielmehr ein »Spielzeug« - und fast immer schleicht sich bei dieser Formulierung ein leicht abschätziger Unterton hinein, was sehr bedauerlich ist. Denn ob wir diesen Spieltrieb nun teilen oder nicht, Tatsache ist, dass er das Internet vorangetrieben und zu dem gemacht hat, was es heute ist – eine kulturelle und eben nicht allein technische Errungenschaft.

18 Kulturschaffende bei der Arbeit

19 Einen der vielleicht überzeugendesten Beweis für die kulturelle Bedeutung menschlichen Spieltriebs liefert Linux, ein frei zugängliches Betriebssystem, an dem tausende, vorwiegend männliche Computerenthusiasten in aller Welt seit Jahren unermüdlich basteln. Ohne feste Strukturen und Hierarchien ist es dieser Programmierergemeinde, die über das Internet koordiniert ist, gelungen, ein Produkt zu schaffen, dass wegen seiner hohen Qualität mittlerweile auch von internationalen Konzernen und staatlichen Einrichtungen genutzt wird. Was an Linux so fasziniert, sind jedoch weniger seine technischen Stärken als vielmehr die mit der Entwicklung freier Software verbundene Idee gesellschaftlicher Kooperation und öffentlichen Eigentums an Produktionsmitteln: Ein Programm, mit dem sich möglicherweise, wie mit Windows, Milliarden verdienen ließe, wird der Allgemeinheit von privilegierten, da an den Informationsflüssen teilhabenden Mitgliedern der Gesellschaft kostenlos zur Verfügung gestellt.

20 Computer-Nerd

21 Mit dem Siegeszug von Linux hat eine wahre „Kultur des Schenkens“ eingesetzt, die auch das renommierte MIT 2001 veranlasst haben dürfte, aus seinem Kursangebot auf dem Netz keinen Profit mehr schlagen zu wollen, sondern seine Seminare, Vortragsnotizen, Problemlösungen, Examen, Simulationen, Vorlesungsvideos etc. weltweit in einem 100-Millionen-Dollar-Programm als OpernCourseWare kostenlos zur Verfügung zu stellen und damit die hochbrisante Frage des intellectual property neu zu stellen. Was als pure Technikbegeisterung einiger weniger begann, hat so gesehen am Ende eine kleine Revolution ausgelöst.

22 Kurzum: Frauen, die das Internet nicht nur als Kampfansage an das „Old Boys Network“, das heißt als gewinnbringendes Beziehungsgeflecht verstehen, sondern es – unabhängig von der Geschlechterfrage und allen Unkenrufen zum Trotz – vor allem als ein demokratisches, da Vielfalt, unter anderem Meinungsvielfalt, förderndes Medium schätzen, dürfen einen spielerischen und das heißt immer auch zeitintensiven Umgang mit ihm nicht scheuen. Aber genau an dieser Bereitschaft scheint es ihnen offensichtlich zu mangeln. Es gibt mittlerweile zahlreiche Statistiken, die belegen, dass Frauen bedeutend weniger Zeit im Internet verbringen und vor allem weniger Seiten ansteuern als Männer, was darauf zurückzuführen ist, dass sie vorwiegend gezielt Adressen eingeben und sich weniger vom Angebot leiten lassen und durch die Seiten surfen.

23 Internet Usage in the US by Gender (May 2001)
Composition Unique Audience Time (hr:min:sec) Number of sessions Average Pages viewed Male 48,3 % 49,83 Mio. 10:23:51 20 760 Female 51,7 % 53,33 Mio. 8:56:01 18 580 Source: Nielsen/NetRatings

24 Was zunächst nach souveränem Online-Verhalten aussieht, hat bei genauer Betrachtung zu einer überaus bedauerlichen Entwicklung beigetragen: Webreisende folgen den ausgetretenen Pfaden zu ähnlichen Orten titelte bereits 1999 die L.A. Times. Sie hatte eine Studie in Auftrag gegeben, die zu dem Ergebnis kam, daß sich im Netz dieselben Konzentrationsprozesse vollzögen wie überall sonst auch. So hätten im Juni 1999 bereits 39,4 Prozent aller Webreisenden ihre Online-Zeit bei den Top 100 Websites verbracht. Bei den Top 50 Websites seien es 35 Prozent gewesen, bei den Top 10 Websites 19,2 Prozent. Der Marktforscher Reston glaubt sogar, daß die 10 größten Websites 32 Prozent der Aufmerksamkeit der Surfer auf sich ziehen. Das einst zentrumslose Web hat sich also allem Anschein nach zu einer hierarchisch strukturierten Metropole entwickelt. Und wie in jeder Metropole, so ist auch im Web das Zentrum den finanzkräftigen Unternehmen wie etwa AOL Time Warner vorbehalten.  

25 Internet-Charts Laut einer Studie im Auftrag der L. A. Times haben 1999 39,4 % der Webreisenden ihre Online-Zeit bei den Top 100 Websites verbracht, 35,0 % bei den Top 50 Websites und 19,2 % bei den Top 10 Websites.

26 Weil immer weniger User sich die Mühe machen auf Abwegen zu surfen und Orte aufzustöbern, die jenseits des Mainstreams und Agenda Settings liegen, gibt es auch immer mehr Internetseiten, die völlig isoliert sind und vergeblich auf Entdeckung hoffen. Ihr Anteil beträgt schon heute 22 Prozent. Wirklich vernetzt und problemlos erreichbar sind nur 30 Prozent aller Webseiten.

27 Digitaler Einbahnstraßenverkehr
© AltaVista, IBM, Compaq

28 Nur wer sich dem Internet mit der Haltung eines Bastlers oder Flaneurs nähert, wird es als das erhalten, was es ungeachtet aller Kommerzialisierungsversuche auch heute noch ist - als Ideenpool für unterschiedlichste Formen des Widerstands.

29 „Müßig geht er [der Flaneur] als eine Persönlichkeit; so protestiert er gegen die Arbeitsteilung, die die Leute zu Spezialisten macht. Ebenso protestiert er gegen deren Betriebsamkeit. Um 1840 gehörte es vorübergehend zum guten Ton, Schildkröten in den Passagen spazieren zu führen.“ (Walter Benjamin, Das Passagen-Werk)


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