Kapitalsorten, sozialer Raum und Klassen

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 Präsentation transkript:

Kapitalsorten, sozialer Raum und Klassen Andrea Rinaldo Viviane Aubert TO DO Text in Word und ausdrucken Fragen ausdenken Take Home Message

Ablauf Sozialer Raum & Klasse Kapitalvolumen Kapitalstruktur Soziale Laufbahn Take Home Message Diskussion

Struktur Block: Klassenstrukturen und Herrschaft Für Bourdieu’s Klassentheorie ist es wichtig, sein Konzept des sozialen Raumes zu verstehen   Dieses Modell zeigt, dass er anhand 3 Grundprinzipien konstituiert wird. In den letzten beiden Sitzungen: Praxis und Habitus Heute: Struktur, die für die Position einer Person im Raum und somit für die Ungleichheit oder Klassenbildung in der Gesellschaft mitverantwortlich ist wir haben es somit mit einer strukturalistischen Klassentheorie zu tun, und der Klassenbegriff umfasst wie man hier sieht 3 Elemente: Das Volumen/Umfang des Kapitals, die Struktur/Zusammensetzung des Kapitals und die soziale Laufbahn/Werdegang einzelner Berufsgruppen Auf diese 3 Elemente kommen wir nachher noch zusprechen, ich will zuerst den Begriff der Klasse noch genauer erläutern Quelle: Kölner Zeitschrift für Soziologie, Sonderheft 27, S. 172

Sozialer Raum Vertikale Dimension: Klassen Horizontale Dimension: Felder 3. Dimension: Zeitliche Entwicklung hier noch kurz Bourdieus Modell des sozialen Raums: Die Verteilung der sozialen Positionen im Raum wird bei Bourdieu so dargestellt (Folie).   In der vertikalen Dimension repräsentiert der soziale Raum den Stand des Statuskampfes der verschiedenen Berufsgruppen. Das ist hier rot gekennzeichnet. In der horizontalen Dimension stellt er die Differenzierung in spezifische soziale Felder dar (in späterer Sitzung) 3. Dimension bildet die zeitliche Entwicklung der Positionen- Inhaber, mit welcher Bourdieu die Dynamik im sozialen Raum zeigen will Quelle: Bourdieu 1998: 19

Klasse „Eine Klasse ist vielmehr definiert durch die Struktur der Beziehungen zwischen allen relevanten Merkmalen, die jeder derselben wie den Wirkungen, welche sie auf die Praxisformen ausübt, ihren spezifischen Wert verleiht“ (Bourdieu 1982: 184). Klasse: nicht nur durch 1 Merkmal definiert oder eine Gruppe von Merkmalen    „Eine Klasse ist vielmehr definiert die Struktur der Beziehungen zwischen allen relevanten Merkmalen, die jeder derselben wie den Wirkungen, welche sie auf die Praxisformen ausübt, ihren spezifischen Wert verleiht“ „(Bourdieu 1982: 184).

Die konstruierte Klasse Materielle Existenzbedingungen Sekundäre Merkmale (Alter, Geschlecht, Religion,…) Geschlechtsspezifische Verteilung Altersspezifische Verteilung Zeitliche Entwicklung Es genügt somit nicht, die Akteure anhand ihrer Stellung innerhalb der Produktionsverhältnisse zu einer Klasse zusammenzufassen (nicht anhand Berufsbezeichnung) wichtig, die sekundären Merkmale mitzuberücksichtigen, denn in jedem einzelnen Faktor schlägt sich auch die Wirkung aller übrigen nieder   eine zentrale Rolle nimmt in Bourdieu’s Theorie auch die Alters- und Geschlechterverteilung in einer Klasse sowie die zeitliche Entwicklung der Klasse  anhand der materiellen Existenzbedingungen und den von ihnen erzwungenen Konditionierungen so homogene Klassen wie möglich konstruieren (Zusammenschluss von Personen, die homogenen Lebensbedingungen unterworfen sind) den materiellen Existenzbedingungen verleiht Bourdieu am meisten Gewicht, diese setzen sich zusammen aus Volumen und Struktur des Kapitals.  Viviane ? soziale Laufbahn (einer Klasse)  zeitliche Entwicklung einer Klasse wichtiges Kriterium in Bourdieus Theorie, denn Individuen sind nicht vollständig durch ihre Merkmale zu definieren, die sie zu einem bestimmten Zeitpunkt besitzen, zweitens fallen die Zusammenhänge zwischen den anfänglichen und gegenwärtigen Positionen innerhalb des Sozialraums unterschiedlich stark aus die Individuen können ihre Positionen im Sozialraum also ändern; Merkmale „Einem bestimmten Umfang ererbten Kapitals entspricht ein Bündel ungefähr gleich wahrscheinlicher, zu ungefähr gleichwertigen Positionen führender Lebensläufe – das einem bestimmten Individuum objektiv gegebene Möglichkeitsfeld.“ Positionen und individueller Lebenslauf sind nicht voneinander unabhängig, und es führen nicht alle Startpositionen mit derselben Wahrscheinlichkeit zu allen Endpositionen. . trägt zur Reproduktion der Klassenstruktur bei (später im Seminar)

Kapital Ist dafür verantwortlich, dass die Wechselspiele in der Gesellschaft nicht nur ein Glücksspiel sind „Die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebene Verteilungsstruktur [...] von Kapital entspricht der immanenten Struktur der gesellschaftlichen Welt [...]“ (Bourdieu 1983: 183).

Ökonomisches Kapital Warentausch zur Profitmaximierung Prinzip des Eigennutzes Aber: „Auch scheinbar unverkäufliche Dinge haben ihren Preis“ (vgl. Bourdieu 1983: 184). Der Kapitalbegriff der Wirtschaftswissenschaft umfasst alle Güter, die zur Profitmaximierung getauscht werden. Alle übrigen Tauschebziehungen werden als uneigennützig angesehen, weil aus ihnen nicht unmittelbar ein wirtschaftlicher Profit geschlagen wird. Die Zeitdimension wird dabei völlig ignoriert, somit gilt ein Gefallen als uneigennützig und deshalb nicht fähig, wirtschaftlicher Profit zu generieren, auch wenn zu einem späteren Zeitpunkt dafür ein Gefallen zurück erfolgt. Aber: „Auch scheinbar unverkäufliche Dinge haben ihren Preis“

Kapitalvolumen Objektivismus... ...übersieht die „wahren Gründe“ eines Tauschs ...blendet nicht-ökonomische Interessen aus ...erklärt nicht-ökonomische Tauschbeziehungen als uneigennützig Stand auf der vertikalen Ebene des sozialen Raums wird durch 3 Kapitalsorten bestimmt: Ökonomisches Kapital Kulturelles Kapital Soziales Kapital --> Gesamtkapitalvolumen Eine solche ökonomische und objektive Sicht, ist nicht in der Lage, alle Arten von Gewinn oder eben von Kapital in ihre Berechnungen miteinzubeziehen. Der Objektivismus: ...übersieht die „wahren Gründe“ eines Tauschs ...blendet nicht-ökonomische Interessen aus ...erklärt nicht-ökonomische Tauschbeziehungen als uneigennützig Beispiel „Gefallen“ Bourdieu stellt nun fest, dass der Stand eines Menschen auf der vertikalen Dimension des sozialen Raums durch insgesamt drei Arten von Kapital bestimmt wird: dem ökonimisch, kulturellen und sozialen Kapital.

Kulturelles Kapital Inkorporiert Objektiviert Institutionalisiert Verinnerlicht, körpergebunden Kostet Zeit Objektiviert Materielle Träger Kann ökonomisch angeeignet werden Institutionalisiert z.B. schulische Titel Objektivierung von inkorporiertem Kulturkapital Als erstes nicht-ökonomisches Kapital nennt Bourdieu das kulturelle Kapital. Kulturelles Kapital kann in drei verschiedenen Formen vorkommen: als inkorporiertes Kapital in Form von verinnerlichtem Wissen, als objektiviertes Kapital in Form von Bildern, Büchern, Lexika, Maschinen etc. und schliesslich als institutionalisiertes kulturelles Kapital in Form von objektiven Titeln, die ihrem Träger besonderes kulturelles Kapital zuschreiben. Inkorporiertes Kapital: ist verinnerlicht und somit körpergebunden. Die Akkumulation von inkorporiertem kulturellem Kapital kann somit nicht delegiert werden und muss mit Zeit bezahlt werden, was sich wiederum nur ökonomisch wohlhabende Familien leisten können. Das Erziehungssystem dient somit zur Reproduktion der Sozialstruktur, indem es die Transmission des kulturellen Kapitals einer Familie sanktioniert. So trägt die Investition der kulturellen Kapitals einer Familie in die Ausbildung eines Kindes später auch zu einem Gewinn an ökonomischem Kapital bei. Solches inkorporiertes Kulturkapital ist immer von dem Umständen seines Erwerbs geprägt, das heisst auch hier spiegelt sich der Habitus einer Person. Objektiviertes Kapital: ist kulturelles Kapital auf einem materiellen Träger. Solche Träger wie zum Beispiel Gemälde können, im Gegensatz zum inkorporierten Kulturkapital, leicht übertragen werden. So setzt der Erwerb von objektiviertem Kulturkapital ökonomische Kapital voraus, der Gebrauch und die Herstellung jedoch inkorporiertes Kulturkapital. Institutionalisiertes Kulturkapital: Um inkorporiertes Kulturkapital zu objektivieren, wurden Titel erschaffen. Damit wird inkorporiertes Kulturkapital sozusagen anerkannt. So werden Unterschiede zwischen denjenigen, die eine Prüfung bestanden, und denjenigen, die sie nicht bestanden haben institutionalisiert. Somit wird kulturelles Kapital vergleichbar und bewertbar gemacht und es können ökonomische Geldwerte für kulturelles Kapital bestimmt werden (z.B. Zeit und Semestergebühren, die für ein Studium aufgewendet werden müssen), die danach wieder umgewandelt werden können (in Form von Löhnen).

Soziales Kapital Aktuelle und potentielle Ressourcen aus Gruppenzugehörigkeit Freundeskreis Familienzugehörigkeit Parteizugehörigkeit Klasse etc. Ständige Investitionen zur Produktion und Reproduktion des Beziehungsnetzes sind nötig Ist abhängig vom Kapitalumfang der Gruppenmitglieder Kann delegiert werden, wird dann in die Hände eines Repräsentanten gelegt Soziales Kapital: stellt die Gesamtheit derjenigen Ressourcen dar, das einem Menschen aktuell oder potentiell aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe zur Verfügung steht. Solche Gruppen können der Freundeskreis, die Familie, die Klasse oder die Partei sein. Dabei kann diese Zugehörigkeit auch institutionalisiert werden, etwa durch das Übernehmen des Familiennamens. Beispiele für soziales Kapital sind emotionale Unterstützung, ökonomische Unterstützung oder Informationen („Connections“).

Kapitalstruktur Kapitalsorten sind Quasi Monopol der herrschenden Klasse, trotzdem... Gibt es verschiedene Zusammensetzungen Position auf der horizontalen Ebene des Sozialen Raums: durch die Kapitalzusammensetzung/-struktur bestimmt Soziales Kapital wird nicht beachtet

Sozialer Raum Quelle: Bourdieu 1998: 19 Beide Gruppen sind ungefähr auf der gleichen sozialen Position (vertikale Ebene), haben aber eine gegensätzliche Kapitalstruktur. Quelle: Bourdieu 1998: 19

Soziale Laufbahn (I) = zeitliche Entwicklung einer Klasse Positionen im Sozialraum sind veränderbar „Einem bestimmten Umfang ererbten Kapitals entspricht ein Bündel ungefähr gleich wahrscheinlicher, zu ungefähr gleichwertigen Positionen führender Lebensläufe – das einem bestimmten Individuum objektiv gegebene Möglichkeitsfeld“ (Bourdieu 1979: 188). Soziale Laufbahn: drittes und letztes Element, durch welches eine Klasse konstituiert ist soziale Laufbahn (einer Klasse)  zeitliche Entwicklung einer Klasse wichtiges Kriterium in Bourdieus Theorie, denn Individuen sind nicht vollständig durch ihre Merkmale zu definieren, die sie zu einem bestimmten Zeitpunkt besitzen, zweitens fallen die Zusammenhänge zwischen den anfänglichen und gegenwärtigen Positionen innerhalb des Sozialraums unterschiedlich stark aus die Individuen können ihre Positionen im Sozialraum also ändern; Merkmale „Einem bestimmten Umfang ererbten Kapitals entspricht ein Bündel ungefähr gleich wahrscheinlicher, zu ungefähr gleichwertigen Positionen führender Lebensläufe – das einem bestimmten Individuum objektiv gegebene Möglichkeitsfeld.“ Positionen und individueller Lebenslauf sind nicht voneinander unabhängig, und es führen nicht alle Startpositionen mit derselben Wahrscheinlichkeit zu allen Endpositionen. (= die Angehörigen einer Klasse mit einem bestimmten Anfangskapital sind mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu einer bestimmten Laufbahn verurteilt, die zu einer gegebenen Position führt)

Soziale Laufbahn (II) Positionen und individueller Lebenslauf sind nicht voneinander unabhängig. Nicht alle Startpositionen führen mit derselben Wahrscheinlichkeit zu allen Endpositionen. Effekt der individuellen Laufbahn: Abweichung von der kollektiven Laufbahn Es kommt wie gesagt vor, dass eine Fraktion der Klasse A eine von der statistisch häufigsten Laufbahn der Gesamtklasse abweichende Laufbahn einschlagen wird und so zwangsläufig nach unten oder oben ausscheren muss. Abweichend ist diese Laufbahn nur für die Klasse A, für die Angehörigen der Klassen B oder C (je nachdem ob es eine im Verhältnis zur Klasse A höhere oder tiefere Laufbahn ist) wird diese jedoch den Normalfall darstellen. Bourdieu spricht hier vom Effekt der individuellen Laufbahn, der die Abweichung von der kollektiven Laufbahn bedeutet. Er taucht überall dort auf, wo Individuen mit zu einem gegebenen Zeitpunkt vergleichbaren Positionen sich unter dem Einfluss der Entwicklung von Umfang und Struktur ihres Kapitals im Laufe der Zeit differenzieren.

Laufbahneffekt (I) Einfluss, den die Erfahrung gesellschaftlichen Aufstiegs und Abstiegs auf die Einstellungen und Meinungen ausübt Unterschiedliche Biographien führen zu unterschiedlichen Einstellungen zur Gesellschaft Verwischung des Zusammenhangs von sozialer Klasse und religiösen und politischen Überzeugungen Biographische Streuung bei den Mittelklassen Der eigentliche Effekt der sozialen Laufbahn meint den Einfluss, den die Erfahrung gesellschaftlichen Aufstiegs und Abstiegs auf die Einstellungen und Meinungen ausübt. Die ursprüngliche Position stellt nichts weiter als den Bezugspunkt dar, von dem aus der spezifische Neigungswinkel der sozialen Karriere bestimmbar wird. Individuen derselben Klassenfraktion sollen ja denselben moralischen, politischen und religiösen Erziehung ausgesetzt sein. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Biographien kommt es aber vor, dass sie verschiedene Einstellungen zur Gesellschaft haben. Weil der Laufbahn-Effekt die Vorstellung von der eigenen Position in der Sozialwelt mitbestimmt, trägt er zur Verwischung des Zusammenhangs von sozialer Klasse und religiösen und politischen Überzeugungen bei. Besonders sichtbar tritt diese Verwischung bei den Mittelklassen hervor, wo Individuen mit extrem abweichenden Biographien vereint werden.

Laufbahneffekt (II) Effekt der individuellen Laufbahn: Aufstieg Abstieg Eher auffällig Effekt der kollektiven Laufbahn: Bleibt leicht als solcher unbemerkt Gefahr, dass man den synchron mit einer Klasse verbundenen Merkmale auch solche Auswirkungen zuschreibt, die in Wirklichkeit aus kollektiven Wandlungsprozessen hervorgehen neben dem Effekt der individuellen Laufbahn, der auch als Auf- oder Abstieg bezeichnet werden kann, gibt es den Effekt der kollektiven Laufbahn (kann auch Null-Gefälle aufweisen): wenn sich der Effekt auf eine Klasse insgesamt auswirkt. beim Effekt der kollektiven Laufbahn besteht die Gefahr, dass man den synchron mit einer Klasse verbundenen Merkmale (zb. bestimmte politische oder religiöse Überzeugungen) auch solche Auswirkungen zuschreibt, die in Wirklichkeit aus kollektiven Wandlungsprozessen hervorgehen. Dies nennt Bourdieu Effekt der kollektiven Laufbahn.

Take Home Message Der soziale Raum ist in 3 Dimensionen gegliedert Vertikale Dimension (Klassen) Horizontale Dimension (Felder) Zeitliche Dimension Klassenzugehörigkeit wird durch Kapitalvolumen, Felderzugehörigkeit durch Kapitalstruktur bestimmt Das Gesamtkapitalvolumen beinhaltet: Ökonomisches Kapital Kulturelles Kapital Soziales Kapital Die soziale Laufbahn beizeichnet die zeitliche Entwicklung einer Klasse Effekt der individuellen Laufbahn Effekt der kollektiven Laufbahn

Fragen?

Diskussion Religiöse Ansichten heute noch relevant für Klassenzugehörigkeit? „Deshalb lassen sie sich niemals ganz auf Beziehungen objektiver physischer (geographischer) [...] Nähe reduzieren“ (Bourdieu 1983: 191) --> Soziales Kapital im Internet?

Quellen Bourdieu, Pierre (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt, Suhrkamp. S. 171–209. Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Kreckel, Reinhard (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Göttingen, Schwartz. S. 183–198. Bourdieu, Pierre (1985): Sozialer Raum und Klassen. Zwei Vorlesungen. Frankfurt, Suhrkamp. Bourdieu, Pierre (1993:) Sozialer Sinn (Das symbolische Kapital). Frankfurt, Suhrkamp. S. 205–221. Bourdieu, Pierre (1998): Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns. Frankfurt a.M. Müller, H.-P- (1986): Grundzüge der Kultursoziologie Pierre Bourdieus. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 27. Wiesbaden.