PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008 Kinder und Medien – Mediensozialisation Termin 4: Medien-Sucht und medienethische Fragen Gibt es Mediensucht? Grundannahmen der Suchtentwicklung Fernseh-Sucht Internet-Sucht Medienethische Reflexionen PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008 Gibt es Mediensucht? (vgl. Fröhlich 1987, S. 329; Bonfadelli 2000, S. 165) Zwanghafter Drang, durch bestimmte Reize oder Handlungen Lustgefühle herbeizuführen oder Unlust zu vermeiden. Craving (Verlangen, unerträgliche innere Spannung) Kurzfristige Befriedigung, Wiederholungsdrang. Abgrenzung: habitueller Medienkonsum, Vielnutzer-Verhalten, Eskapismus, Fan-Kulturen. Frage: Welche Bedürfnisse stehen hinter einer „Mediensucht“? Worum geht es letztendlich? PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Formen des Craving (Grüsser & Thalemann 2006, S. 51) Craving aufgrund positiver Effekte Craving aufgrund der Reduktion / Elimination negativer Zustände Zwanghaftes Craving, Kontrollverlust Drei-Wege-Modell des Cravings nach Verheul, van den Brink und Geerlings (1999) mit unterschiedlichen neuronalen Fehlfunktionen gekoppelt. PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Modell der suchtspezifischen Grundannahmen nach Beck et al. (1993) Internale Risikosituation (Ängstlichkeit / Stress) Suchtspezifische Grundannahmen (nur shoppen kann mich noch entspannen) Automatischer Gedanke (Geh los und kauf dir was schönes) Negative Folgen des exzessiven Kaufens Verlangen (z.B. schlechtes Gewissen, Angst) Erlaubniserteilende Gedanken (ich hab es mir verdient) Instrumentelle Strategie (zum Einkaufszentrum fahren) Exzessives Kaufen PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Definition von Fernsehsucht (McIllwraith 1998) Fernsehsucht kann definiert werden als starker Fernsehkonsum, welcher subjektiv als nicht erwünscht und unfreiwillig empfunden wird und der andere, produktivere Aktivitäten ersetzt, wobei das Aufhören Schwierigkeiten bereitet. PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Dimensionen von Fernsehsucht (Smith 1986) Beruhigungsmittel Keine Programmwahl mehr Verminderung des Zeitgefühls TV bestimmt Tagesablauf Schuldgefühle, Wut auf sich selbst TV als Lebenssinn Wiederholungszwang (Craving) PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Wirkungen der TV-Sucht Schlechte Aufmerksamkeitskontrolle Ablenkbarkeit Tagträumen Erhöhte Langeweile Reduzierte Selbst-Wahrnehmung durch Ablenkung (distraction) PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008 Bonfadelli (2000) PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Indikatoren für Internet-Sucht (Zimmerl / Panosch 1999) Unwiderstehlicher Zwang zum Einloggen Schuldgefühle wegen zu langer Online-Zeiten Häufige Rügen durch Bezugspersonen Nachlassende Arbeitsleistung Mehrmalige vergebliche Versuche der Einschränkung Verheimlichung der Online-Aktivitäten Entzugserscheinungen in Form von Unruhe und Nervosität bei Verhinderung am Chatten. Befund: 12.7% suchtgefährdete Internetnutzer (mind. 4 von 7 Kriterien erfüllt). US-Studie: 6% (mind. 5 von 10 Kriterien). PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Internetsucht in der Schweiz (Offene Tür Zürich / Humboldt Universität Berlin, 2001) N = 565 Internetnutzer/innen 2.3% Internetsüchtige (mehr als 35 Stunden pro Woche) 3.7% Gefährdete (20 Stunden pro Woche) Mehrheit der Abhängigen: ist unter 20 Jahre alt oder ohne feste Beziehung fühlt sich einsam hat positive Erwartungen und wenig Impulskontrolle zeigt weitere Suchttendenzen PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008 Bonfadelli (2000) PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008 Sexuell motivierter Gebrauch des Internets (Grüsser & Thalemann 2006, S. 204) 30 Mio. Menschen haben in Deutschland Internetzugang: Schätzung der Süchtigen: 1 Mio. 40% aller Internetangebote enthalten pornographische Inhalte 74% aller Einnahmen im Internet werden durch Sexangebote gemacht Geschätzter Umsatz pro Jahr: 1 Mia. Dollar 25 Mio. Menschen surfen pro Woche auf eine Pornoseite 31% aller Online-Nutzer haben mind. Einmal eine Pornoseite besucht 60% aller Webseiten-Besuche sind sexueller Natur Täglich werden 200 neue sexbeuogene Webseiten ins Internet gestellt. (www.onlinesucht.de) PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008 Effekte der intensiven Online-Nutzung in US-Familien (Kraut et al. 1998) Rückgang der sozialen Involviertheit in Familie und sozialem Netzwerk Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens (Einsamkeit, Stress, Depression) Paradox: kommunikative Funktionen im Netz bevorzugt: Folge: schwache statt starke Beziehungen PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Therapieansätze bei Verhaltenssucht (Grüsser & Thalemann 2006, S. 270) Practice the opposite External stoppers Setting goals Abstinance Reminder cards Personal inventory Support groups Family therapy (nach Young, 1999) PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Die medienethische Perspektive: vgl. Funiok (2002) Betrachtung des Medienhandelns aller am kommunikativen Prozess beteiligten Akteure unter dem Aspekt der Verantwortung für die Folgen des Medienhandelns. Freiwillige Bejahung einer Verpflichtung unter Klugheitsgesichtspunkten. PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Gegenstände der Medienethik Primär: Moralische Begründungen des eigenen und fremden Medienhandelns. Sekundär: Analyse der moralischen Diskurse in den Medien (explizite und implizite Formen). PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008
Grundfragen der Medien-Philosophie vgl. Doelker (2002) Was ist wahr? (Erkenntnistheorie) Was ist gut? (Moral, Lebensführung) Was ist schön? (Ästhetik) Was ist wichtig? (Werte-Hierarchien) PD Dr. Daniel Süss - IPMZ FS 2008