Diskurse über Migration und Flucht

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Öffentliche Verwaltung in der Demokratie
Advertisements

Begleiter auf dem Weg nach Westen Deutsche und nordische Baltikumpolitik zwischen 1991 und 2004.
!!!!ÜBER FUssZEILE DEN EIGENEN NAMEN EINTRAGEN!!! 1 Lange Nacht der Wissenschaften Nordeuropa-Institut Jochen Hille Nationale Identitäten im Norden.
Internet und die Netzgesellschaft
Besonderheiten des 2. Vorschlags
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Länder- und kulturspezifischer Umgang mit Geld
Bevölkerungsentwicklung in den USA
Religionsbegriffe 1.) Unterscheidung zwischen menschlicher und göttlicher Sphäre: „Sorgfältige Verehrung der Götter“ (Cicero) „Wiederverbindung des Menschen.
Soziale Interaktion und Alltagsleben
Grundkurs praktische Philosophie 10
Die Entwicklung von Konzepten
des Emsland-Gymnasiums
Religion und Politik.
Geschichte und Sozialkunde kombiniert
Kontrollfragen zu Kapitel 12
Flucht, Vertreibung und Zwangsumsielung als Folgen des Zweiten Weltkriegs.
Zur gesellschaftlichen Bedeutung des Sports –
Legitimität Wem gehört der Staat?.
Le défi démocratique: Quelle corrélation entre le niveau de la démocratie et le degré de la protection sociale ? Conseil de lEurope – Com. Sociale/Santé/Famille.
WAS SIND MENSCHENRECHTE?
Von der „Aussen“- zur Weltinnenpolitik: Souveränität und Direkte Demokratie angesichts der transnationalen Transformation Von Andreas Gross, Politikwissenschafter,
Religion in Staat und Gesellschaft Chinas
Argumentation (aus: DUDEN, Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter,18. Aufl., Mannheim, 1980.
„There is no such thing as a baby“,
Einheit 2: Begriffsklärungen, Methoden, Ansätze
Globalgeschichte Einführung in die VO
Religion und Politik in den USA – grundlegende Unterschiede zu Europa
Einleitung Politische Ideen und ihre Träger Vorlesung WS 2000/2001 Institut für Politikwissenschaft Universität Bern, Andreas Ladner.
ABWERTEN/DISCOUNTS PASSIVITÄT
Menschenrechte als politische Aufgabe
Terrorismus.
Fundamentalismus und Religion
Die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens Menschen leben in Staaten.
„Citizenship in Europa“
Digitale Aufklärung Warum uns das Internet klüger macht
Workshop: Migration im deutschsprachigen Film
Konzepte von Interkultureller Pädagogik
Aktualität und Geschichte von politischer Theorie und Ideengeschichte 01. April 2008.
räumliche Mobilität Verkehr Tourismus
Soziologie ganz allgemein formuliert als Lehre von der Gesellschaft: der Begriff wurde zuerst von Saint Simon verwendet und dann von Auguste Comte übernommen.
Comenius-Projekt Fragebogen zum Thema
Quiz zum Thema Flucht.
Norbert Schwarz, VS Deining 2006
Gewaltfreie Kommunikation (GfK)
12. Einheit: Übergang von Klassischem zu „neuem Humanitarismus“: das internationale Flüchtlingsregime A – Grundsätzliches Wer ist ein Flüchtling? Vier.
Gastprofessor Dr. Árpád v. Klimó Katholische Kirche und Katholiken: Österreich im europäischen Kontext (19. und 20. Jahrhundert)
Arbeitsmigration Kanada
Staatstheorien.
Demos der Aufklärung 18. Jahrhundert Erweiterung der Kommunikationsinfrastruktur im 18. Jahrhundert: Freimaurer, Illuminatenorden: Logen Formen der Soziabilität:
Herausbildung eines globalen Flüchtlingsregimes II Arbeit des UNHCR zunächst auf der Basis des Good Office approach (UNHCR bietet auf Einladung betroffener.
Dr. Petra Bendel Vorlesung: Einführung in die Politische Wissenschaft Vorlesungsteil Internationale Politik II: Empirischer.
Friedrich Schleiermacher: Ziele der Erziehung
Grundkurs praktische Philosophie 20. Dezember 2004 Politische Freiheit
Migration-Integration
SE: Sicherheitspolitik nach dem Ost-West-Konflikt
Albert F. Reiterer Demographie 6: Horizontale Mobilität – Wanderung Artverbreitung – „Völkerwanderung“ – Moderne Migration Hatten die Vandalen ein Visum,
Verantwortung ohne Grenzen?
Tutorium Inhalte heute  Organisatorisches  Einführung in postmoderne Ansätze in den Internationalen Beziehungen.
Dienstabend zum Thema Migration, Flucht und Asylverfahren
Geschichte Der Ursprung des Spiels und die Herkunft des Namens sind unbekannt. Man kann nur Spekulationen anstellen, und die gibt es reichlich. Sicher.
Schweizer Geschichtsbuch 2 Handreichungen für den Unterricht Folie 0© 2011 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. 5. Das Europa der Nationalstaaten.
Schweizer Geschichtsbuch 2 Handreichungen für den Unterricht Folie 0© 2011 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. 8. Der Erste Weltkrieg Kapitel.
Schweizer Geschichtsbuch 4 Handreichungen für den Unterricht Folie 0© 2012 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. 3. Die Befreiung der Kolonien.
Woher und wohin mit der Religionsforschung? Prof. Dr. Janine Dahinden, MAPS, Universität Neuenburg Welche Religion(en) für unsere Gesellschaft – Perspektiven.
Folie 1 Kulturelle Vielfalt: eine ethische Reflexion Peter Schaber (Universität Zürich)
Migrationsrecht Völker- und verfassungsrechtliche Grundlagen.
Technische Universität Nanjing Präsentation der Bachlorarbeit.
Das geteilte Deutschland
 Präsentation transkript:

Diskurse über Migration und Flucht In vielerlei Hinsicht unterscheiden sich wissenschaftliche Diskurse (Fachdebatten) über Migration nicht so sehr von „Populärdiskursen“; Dies nicht zuletzt, weil wissenschaftliche Diskurse und Alltagsdebatten vielfach miteinander verwoben sind. Auch bei wissenschaftlichen Debatten, macht es folglich Sinn, danach zu fragen, in welchem „Diskurs“ diese zu verorten sind. Migration“ und „Migrant“ sind oft auch „Catchwords“, die in breitere gesellschaftstheoretische Debatten eingebettet sind und eine bestimmte Funktion innerhalb dieser Diskurse spielen. Beispiele: In linken Diskursen (z.b. über die „Autonomie der Migration“ werden MigrantInnen als besonders widerständig & als ProtagonistInnen einer „Globalisierung von unten“ diskutiert – vielfach ist das freilich bloß Wunschdenken oder eben nur eine Teilwahrheit

MigrantInnen als Kosmopoliten: liberales Pendant zum linken Diskurs – MigrantInnen werden in diesen Diskursen oft als Avantgarde einer postnationalen Weltgesellschaft gesehen (bekannteste Vertreterin: Yasemin Soysal); hauptsächlich findet dieser Diskurs aber außerhalb der Migrationsforschung im engeren Sinn statt (nämlich in der soziologischen Theorie, politischen Philosophie) Innerhalb der Migrationsforschung wird oft von AutorInnen, die zu „Transnationalismus“ arbeiten, in ähnlicher Weise das emanzipative und subversive (nämlich die nationalstaatliche Ordnung hinterfragende) Moment grenzüberschreitender Wanderungen und vor allem, fortdauernder grenzüberschreitender sozialer Beziehungen zum Herkunftsland und zu Mitgliedern der gleichen Herkunftsgruppe in anderen Einwanderungsländern hervorgehoben MigrantInnen als Ausdruck bzw. als Avantgarde der Globalisierung  legitim, gleichzeitig krankt die Anschauungsweise auch an den selben „Krankheiten“, denen der euphorische (oder kassandra-mäßige) Globalisierungsdiskurs eigen ist

Diskurse über Migration haben gesellschaftlich oft die Funktion „Sinn“ zu stiften, in gewisser Weise sind sie dann „Metadiskurse“ (z.B. Diskurstopos: Amerika als Einwanderungsland; Besiedlung des amerikanischen Westens, Großer Trek in Südafrika,Flucht der Palästinenser nach der Staatsbildung Israels bzw. der Besetzung des Westjordanlandes, etc.....); die wissenschaftliche Beschäftigung mit solchen Migrationsbewegungen ist aber oft eingebettet in solche „sinnstiftende“ Diskurse. In Diskursen der Refugee Studies wird hingegen sehr oft ein Diskurs geführt, der Flüchtlinge zu völlig passiven Objekten äußerer Bedingungen stilisiert und sie zu eigenschaftslosen „Opfern“ macht In dem etwas weiter abgesteckten Feld „Forced Migration Studies“ erscheinen MigrantInnen zudem oft als „globales Proletariat“, das ein Resultat der Globalisierung darstellt

Nationalstaat und Fluchtmigration In welcher Weise hängt die Herausbildung von (modernen) Nationalstaaten mit dem Flüchtlingsproblem zusammen? Charakteristika des modernen Staates: Ausmaß und „Effizienz“ moderner Herrschaftstechniken/ Bevölkerungskontrolltechnologien (Pässe, Ausweisen, Ausweiskontrollen, etc…) Ausmaß der Durchstaatlichung: moderner Staat = mehr oder weniger homogenes Rechtsgebiet (Jurisdiktion), weitgehende Ausschaltung alternativer Macht- und Herrschaftsquellen (regionale politische Einheiten, „Fronherren“, Kirche, etc.) Homogenisierungsprozesse: Religion, Sprache, Ethnie/ Nation  geht einher mit Ausschlussprozessen Veränderte (demokratische) Legitimation des Staates: Frage, wer zum „Volk“ gehört, wird damit zu einer Kernfrage für politische Gemeinschaften Grundrechte werden im wesentlichen über Staatsangehörigkeit vermittelt (allerdings in gewisser Weise aufgeweicht, siehe EMRK)  moderner Flüchtlingsstatus als Substitut für Staatsbürgerschaft

Historische Phasen: Welche waren jeweils die wichtigsten Flüchtlingsgruppen? 17. und 18.Jh: religiöse Minderheiten Obwohl schon immer Personen aus politischen Gründen flüchteten, verstärkt politische Flüchtlinge im Kontext des Zeitalters der Revolutionen (franz. Revolution, Revolutionen 1830 und 1848) Gegen Ende des 19.Jh. und massiv nach dem 1. Weltkrieg: ethnische/ nationale Minderheiten und Staatenlose, aber auch Massenflucht politischer Flüchtlinge (UdSSR, faschistisches Italien…)

Exkurs: Flucht und Migration im kolonialen Kontext Vorkoloniale Staaten: Fluchtmöglichkeiten/ -dynamiken entsprechend des Charakters von Staatlichkeit (Was unterschieden vorkoloniale afrikanischen Staatsgebilde von modernen Staaten?) Kolonialismus: Flüchtlinge (in Verbund mit Despotie, Krieg, etc.) als eine von mehreren Rechtfertigungsgründen für Kolonisierung Bsp: Südafrika: Mfecane im 19. Jh. (Unterschiede zu gegenwärtigen Diskursen über humanitäre Intervention?) Sklaverei (Form der Zwangsmigration) als Rechtfertigungsgrund für Kolonisierung (Befriedung) Migration während des Kolonialismus - Begriffe „Flüchtige“, ArbeitsmigrantInnen, etc., aber nicht Flüchtling Flucht: als „amtlicher“ Begriff reserviert für Flüchtlinge vor den Deutschen (1. Weltkrieg),  Entpolitisierte Sicht von Migration vorherrschend. Bestreben, „Flüchtlingsprobleme“ zu verleugnen.

Hannah Arendt: Auszug aus Elemente & Ursprünge totaler Herrschaft Was kennzeichnet nach Arendt den Status des „Staatenlosen“? Was unterscheidet Staatenlose von Minderheiten? Was sind die Parallelen zum modernen Verständnis von Flüchtlingen? Auf welche modernen Gruppen von Flüchtlingen treffen Arendts Beschreibungen der spezifischen Qualität von Staatenlosen besonders zu? Wie ist das Verhältnis von Staatenlosigkeit und Menschenrechten?

Lisa Malkki: Refugees and Exile & Citizens of Humanity Welche Kritik bringt Malkki an den akademischen „Refugee Studies“ vor? Was ist problematisch daran, wenn es ein eigenes, abgegrenztes Feld von „Refugee Studies“ gibt? Welche Bilder von Flüchtling werden durch die „Refugee Studies“ konstruiert? Was ist der eigentliche „Ursprung“ der Refugee Studies?

Aufgabe für die Einheit nach Ostern Basistext: UNHCR 2000 (Chapter 1) Gruppe 1: (Gil Loescher, Chapter 2 + UNHCR 2000 Chapter 1): - Welche Organisationen gab es vor dem UNHCR bzw. parallel zu ihm? Was war der Entstehungszusammenhang der einzelnen Organisationen? In welcher Weise spielte Machtpolitik im Kontext des kalten Krieges eine Rolle? Gruppe 2: (UNHCR 2000 Chapter 1 + Karatani): Welche Organisationen waren für ArbeitsmigrantInnen einerseits und Flüchtlinge andererseits zuständig? Welche Organisationen operierten in beiden Feldern? Welche Gründe gibt es für das Auseinanderdriften von Flüchtlingsregime einerseits, und globalem Migrationsregime, andererseits? Warum stellte in Augen von damaligen Policy Makers Migration bzw. nicht stattfindende Migration ein (potentielles) Problem für Europa dar? Welche Rolle kommt der USA hinsichtlich des sich herausbildenden institutionellen Arrangements zu?

Gruppe 3 (Loescher, Ch.3 & 4, UNHCR 2000 Ch.1): Mit welchen Problemen hatte der UNHCR anfangs zu kämpfen? Was war die Hauptfunktion des UNHCR in der Anfangszeit? Wie konnte der UNHCR seine Führungsrolle als Flüchtlingsorganisation erreichen bzw. behaupten? Gruppe 4: (UNHCR 2000, Ch.1 + Harzig): Worum handelte es sich bei dem Problem der „Displaced Persons“? Stellen sie dar, wie die kanadische Resettlementpolitik, die grundsätzlich im Schnittfeld zwischen Flüchtlingspolitik und ökonomisch orientierter Migrationspolitik steht, humanitäre Anliegen mit ökonomischen Interesse verband Wie können ökonomische Interessen mit humanitären Interessen verbunden werden? Welche Gefahr liegt darin? Was sind die Vorteile?