Vorlesung Steuerverwaltungsrecht Dienstag, den 30. April 2013

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Vorlesung Steuerverwaltungsrecht Dienstag, den 30. April 2013 Arten von Steuerverwaltungsakten Korrektur von Steuerbescheiden

Fall (Folie 1) Quelle: Nds. FG, 24.11.2011, 10 K 275/11 X erhält einen mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Steuerbescheid. Zwei Monate später legt er Einspruch ein. X macht geltend, die Rechtsbehelfsbelehrung sei unrichtig erteilt, weil er nicht auf die Möglichkeit hingewiesen worden sei, auch elektronisch Einspruch einlegen zu können. In dem Steuerbescheid heißt es, Einspruch könne schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt werden Elektronische Einspruchseinlegung ist möglich, § 87a I 1 AO, und zwar auch ohne elektronische Signatur, § 357 I 2 AO, und zwar auch gegen einen schriftlich erteilten Steuerbescheid Der notwendige Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung ergibt sich aus §§ 356 I AO, 55 I FGO; diese Normen lassen die Frage offen

Fall (Folie 2) Ist „elektronisch“ ein Unterfall von „schriftlich“? Ist eine unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig? Gilt dies auch bei nicht zwingend erforderlichen Angaben? Das FG hält die Rechtsbehelfsbelehrung für unvollständig und die Anfechtungsklage für begründet. Aufgehoben wird nicht der Steuerbescheid, sondern die Einspruchsentscheidung (§ 44 II FGO). Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen. Vgl. Böwing-Schmalenbrock, DStR 2012, 444

Arten von Steuerverwaltungsakten Steuerverwaltungsakte allgemein Steuerbescheide (besondere Regeln über Inhalt und Form, Schätzung, Vorbehalt der Nachprüfung, Vorläufigkeit, Festsetzungsverjährung, Korrektur) Bescheide, die Steuerbescheiden gleichgestellt sind: Grundlagen-, Mess- und Zinsbescheide gemäß §§ 181 I, 184 I, 239 I AO Besonders geregelte Bescheide: Haftungs- und Duldungs- sowie Abrechnungsbescheide Die Steueranmeldung ist kein Steuerverwaltungsakt, sondern eine qualifizierte Steuererklärung (§ 150 I 4 AO). Sie steht gemäß § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, also einem Steuerbescheid mit einer Nebenbestimmung, gleich.

Steuerbescheid Schriftform, § 157 I 1 AO Bezeichnung der erlassenden Behörde, § 119 III AO Eindeutige Bezeichnung des Steuerschuldners, § 157 I 2 AO. Zu Schreibfehlern § 129 Satz 2 AO Art und Höhe der Steuerschuld, § 157 I 2 AO. „Festgesetzt werden w Euro ESt und x Euro KiSt und y Euro SolZ, dies für den VZ z.“ Hinzu kommen evtl. Nebenleistungen. Begründung, § 121 AO. Vor allem sind die sog. Besteuerungsgrundlagen anzugeben (§§ 157 II, 199 I AO) Rechtsbehelfsbelehrung, § 157 I 3 AO. Ihr Fehlen, ihre Unvollständigkeit, ihre Unrichtigkeit macht den Steuerbescheid nicht anfechtbar, sondern wird damit sanktioniert, dass an die Stelle der Monatsfrist, § 355 I AO, die Jahresfrist, § 356 II AO, tritt.

Grundlagenbescheid Regelungsinhalt: Besteuerungsgrundlagen, anders als beim Steuerbescheid (§ 157 II AO) einheitliche und gesonderte Feststellung. Einheitlich bezieht sich auf die Zahl betr. StPfl., gesondert bezieht sich auf die Aussonderung von Besteuerungsgrundlagen Folgebescheid. Feststellungswirkung gem. § 182 I AO; zeitliche Reihenfolge §§ 155 II, 175 I 1 Nr. 1 AO; Rechtsschutz § 351 II AO Beispiel: Gewinnfeststellung bei einer Mitunternehmerschaft

Messbescheid bei Realsteuern Messbescheid des Finanzamts, Steuerbescheid der Gemeinde Steuerbescheid beruht auf Anwendung des Hebesatzes auf einen Messbetrag auch in Berlin, obwohl hier Messbescheid und Steuerbescheid beide vom Finanzamt erlassen werden.

Haftungs- u. Duldungsbescheid Haftungsbescheide ergehen zur Durchsetzung der gesetzli- chen Verpflichtung, für die Steuerschuld eines anderen einzustehen Duldungsbescheide ergehen zur Durchsetzung der gesetzli- chen Verpflichtung, wegen der Steuerschuld eines anderen die Vollstreckung in eigenes Vermögen zu dulden Gesetzesvorbehalt, §§ 38, 37 I AO Gesetze können sein: spezielle Steuergesetze (§§ 42d, 44 V EStG), allgemeine Steuergesetze (§§ 69 ff. AO), Zivilgesetze (§ 25 HGB). Vgl. insb. §§ 69 AO, 35 I GmbHG Gesamtschuldverhältnis. Vgl. etwa § 44 II 3 AO Haftungsbescheid. Ermessen! zusätzlich Zahlungsaufforderung (§ 219 AO)

Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten im Grundsatz wie im allg. Verw.R., formelle und materielle Bestandskraft Rechtsbehelfsbelehrung (§ 356 AO), Einspruchs- und Klagefrist (§§ 355 I AO, 47 FGO) Unterschiede zum allg. Verwaltungsrecht Feststellungswirkung und damit Abhängigkeit eines VA von anderen VA ist ausgeprägter Ausschluss einer grundsätzlichen, gesetzlichen aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln vorläufige Entscheidungen sind häufiger

Korrektur Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides durch die Finanzbehörde außerhalb eines Rechtsmittelverfahrens §§ 172 – 177 AO, in §§ 172 – 175 AO spezielle Korrektur- gründe, in §§ 176, 177 AO allgemeine Vorschriften gem. § 172 I 1 Nr. 2 d) AO werden die §§ 130 ff. AO verdrängt Verhältnis zum Einspruchsverfahren: § 172 I 1 Nr. 2 a), 2 u. 3 AO

Fall (Musil, SteuStud 1999, 236 – 239) In einem Umsatzsteuerbescheid der A-GmbH für 2010 ist u.a. eine Position über 15.000 Euro enthalten, die aufgrund von § 14c UStG mit der Begründung festgesetzt wurde, in einer Rechnung der A-GmbH sei Umsatzsteuer in dieser Höhe unberechtigt ausgewiesen worden. Die Begründung ist falsch; in der fraglichen Rechnung ist gar keine Umsatzsteuer ausgewiesen. Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung gem. § 208 I AO erließ das zuständige Finanzamt im Juli 2012 einen Umsatz- steueränderungsbescheid gemäß § 173 I Nr. 1 AO, in dem zwar einiges geändert, die genannte Position aber beibehalten wurde. Besagte Rechnung hat der Veranlagungsstelle weder bei Erlass des USt-Bescheides noch bei Erlass des Änderungs- bescheides vorgelegen. Wohl hat die Rechnung den Steuer- fahndungsbeamten vorlegen, die ihr aber keine Beachtung geschenkt haben.

Fall (Fortsetzung) Anfang November 2012 erhält die A-GmbH von ihrem Steuerbüro einen Hinweis, der auf all das aufmerksam macht. Das Steuerbüro hat es aus leichter Fahrlässigkeit erst nachträglich bemerkt. Nunmehr beantragt die A-GmbH beim Finanzamt unverzüglich die Änderung des Umsatzsteueränderungsbescheides und die Streichung der Position von 15.000 Euro. Hat die A-GmbH einen Anspruch auf diese Änderung?

Gesetzessystematische Orientierung Ablauf der Festsetzungsfrist, § 169 I AO Offenbare Unrichtigkeit, § 129 AO Steuerfestsetzung und Vorbehalt, vorläufige Steuerfests., Korrektur nach §§ 164, 165 AO bei endgültigen Steuerfestsetzungen Korrektur bei Vorliegen eines Korrekturgrundes, einschlägig: §§ 172 – 175 AO oder Spezialgesetz allgemeine Korrekturschranke, §§ 176, 177 AO

§ 173 AO Tatsachen und Beweismittel Neu: Hat bei Erlass des Bescheides schon vorgelegen, war aber der Finanzbehörde noch nicht bekannt (Abgrenzung zu nachträglich entstandenen Tatsachen und Beweismitteln, Abgrenzung zu § 175 I 1 Nr. 2 AO). Wissenszurechnung Rechtserheblichkeit von Tatsachen und Beweismitteln bei Erlass des Bescheides, BFH GrS BStBl. II 1987, 180 Änderungssperre des § 173 II AO grobes Verschulden des StPfl., Kompensation durch grobe Verletzung von Ermittlungspfl. der Behörden, § 173 I Nr. 2 Satz 2 AO bei Schätzung

§ 177 AO Ein Steuerbescheid leidet an einem materiellen Fehler, so dass die Steuer um 2.000 Euro zu hoch festgesetzt ist. Der Bescheid ist aber bestandskräftig. Aufgrund einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache, die Anderes betrifft, ist die Steuerfestsetzung gemäß § 173 AO zu erhöhen Ergebnis: Bei der Korrektur neutralisieren sich Korrekturgrund und materieller Fehler