7. Strukturen und Entwicklung des Arbeitsmarktes 7.1 Grundlagen

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7. Strukturen und Entwicklung des Arbeitsmarktes 7.1 Grundlagen 7.2 Arbeitsmarktsegmente 7.3 Entwicklung des Arbeitsmarktes Lehrbuch, Kap. 7 Weiteres zentrale Dimension der Einbettung von Arbeit/Unternehmen in gesellschaftliche und makroökonomische Strukturbedingungen: Absatzmarkt: Konkurrenz, Nachfrage (Konsummuster) Umgebende Industriestruktur Politisches System: regulative Normen etc. spezifische gesellschaftliche Kultur: Normen, Handlunsgweisen und Traditionem - Konsummuster Industrielle Beziehungen Arbeitsmarkt: Verfügung über bestimmte Qualifikationen und Kompetenzen, quantitative Versorgung mit AK Beispiel internat. Vergleich: Deutschl. – Frankr.

Struktur der Vorlesung Grundbegriffe Arbeit und Arbeitsorganisation Mikro- ebene Unternehmen, Netzwerke Management Meso- ebene Industrielle Beziehungen Arbeitsmarkt Makro- ebene

7.1 Grundlagen

Funktionen des Arbeitsmarktes: doppelte Allokation Vermittlung von Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften: Ausgleichsfunktion Verteilung materieller und immaterieller Lebenschancen auf die Arbeitskräfte: Verteilungsfunktion Im Vergleich zu Gütermärkten besonderer Markt „Der Arbeitsmarkt ist die in kapitalistischen Gesellschaften vorherrschende institutionelle Lösung eines doppelten Allokationsproblems: einerseits muss das Produktionssystem mit den von ihm benötigten Arbeitsleistungen versorgt werden, andererseits müssen die Arbeitskräfte mit monetären (Einkommen) und sozialen (Status) Subsistenzmitteln versorgt werden.“ (Offe/Hinrichs 1984, S. 48) Dieses Allokationsproblem wird grundsätzlich marktförmig geregelt. Es stehen sich, wie auf allen anderen Märkten, Anbieter und Nachfrager gegenüber, die in diesem speziellen Fall mit Arbeit „handeln“ und die dabei zu anderen Anbietern und Nachfragern in Konkurrenz stehen. Arbeitskraft wird auf dem Arbeitsmarkt als „Ware“ gehandelt. Dieses Markt- und Konkurrenzverhältnis impliziert, dass die einzelnen Akteure strategisch handeln und ihre Nachfrage oder ihr Angebot etwa in Hinblick auf Menge, Zeit oder auch den gerade zu zahlenden Preis nach der jeweiligen Marktsituation richten. Anders formuliert, der Arbeitsmarkt nötigt, wie jeder andere Markt, zu einer dauernden wechselseitigen strategischen Anpassung beider Seiten: Koordinationsproblem These: Freilich ist dieses Modell eines einem idealen Gütermarkt vergleichbaren Arbeitsmarktes den tatsächlichen Verhältnissen aus arbeitsmarktsoziologischer Sicht aus mehreren Gründen nicht angemessen

Besonderheit des Arbeitsmarktes I: Arbeitskraft als Ware Arbeitsvermögen ist an die Person gebunden Arbeitsvertrag ist nur unvollkommen spezifizierbar Offenheit des Arbeitsvertrages Problem der Transformation von Arbeitsvermögen in Arbeitsleistung (vgl. Kap. Arbeit und Arbeitsorganisation) Zum einen kann der Arbeitsmarkt nicht als „echter“ Markt

Besonderheit des Arbeitsmarktes II: Machtungleichgewicht Anbieter (Arbeitskräfte): Begrenzte Ressourcen und Wahlmöglichkeiten Nachfrager: „längerer Atem“ und Handlungsmöglichkeiten „primäres“ Machtgefälle auf dem Arbeitsmarkt (Offe/Hinrichs 1984) Zum zweiten: herrscht auf dem Arbeitsmarkt ein grundlegendes Machtungleichgewicht zwischen der Nachfrager- und der Anbieterseite. Denn die Anbieter, die Arbeitskräfte, sind um zu überleben, auf den Verkauf ihres Arbeitsvermögens angewiesen. Der Arbeitskraftbesitzer kann in der Regel nicht sonderlich lange warten, bis er seine „Ware“ günstig verkaufen kann; seine „Liquidität“ ist in der Regel begrenzt. Er verfügt zudem weder über die Möglichkeit, die Zahl seiner Konkurrenten zu seinen Gunsten zu beeinflussen, noch kann er sein Angebot beliebig „rationalisieren“ und verbilligen, da er in jedem Fall sein Existenzminimum sichern muss. Auch sind Anpassungsmaßnahmen an eine geänderte Nachfrage, etwa durch Weiterbildung, Umschulung oder räumliche Mobilität häufig sehr voraussetzungsvoll und lassen sich nicht immer realisieren. Freie Arbeit ohne Eigentumsrechte und Entscheidungsgewalt (Kocka) Hingegen verfügt die Nachfragerseite, nämlich die Unternehmen, in der Regel über ausreichende Ressourcen, um Angebotsengpässe zu überwinden – sie hat den vergleichsweise „längeren Atem“. So können Unternehmen Angebotsproblemen wie die Knappheit an bestimmten Qualifikationen durch Umgestaltung der Arbeitsprozesse ausweichen oder sich durch Rationalisierungsmaßnehmen gar vom Angebot auf dem Arbeitsmarkt weitgehend unabhängig machen. AG individuelle Eigentumsrechte, Entscheidungsgewalt und Macht (Kocka) Offe und Hinrichs bezeichnen diesen Zusammenhang als das grundlegende „primäre“ Machtgefälle zwischen Nachfragern und Anbietern auf dem Arbeitsmarkt (1984, S. 70)

Besonderheit des Arbeitsmarktes III: Problem des Preismechanismus Problem der Mobilisierung extra-funktionaler Qualifikationen über Lohn Gegenleistungen der Arbeitgeber mehr als Lohn Status, Anerkennung, Arbeitnehmerrechte Relativierung des primären Machtgefälles Zum dritten wäre es auf einem ausschließlich preisbestimmten Arbeitsmarkt für die Unternehmen ziemlich unmöglich, jene Qualifikationen zu mobilisieren, ohne die kaum ein Arbeitsprozess die gewünschte Produktivität erreichen würde: nämlich Motivation, Loyalität und Engagement jenseits aller Vorschriften. Diese ex-trafunktionalen Qualifikationen können, wie schon diskutiert (Kap. 3.2), grundsätzlich nicht erzwungen, sondern nur „freiwillig“ im Gegenzug zu bestimmten Gegenleistungen der Unternehmensseite erbracht werden. Diese Gegenleistungen, so Deutschmann (2002, S. 142) bestehen nicht nur aus Lohn, sondern aus „Status“, womit die Anerkennung der Position der Arbeitnehmerseite gemeint ist und letztlich das primäre Machtgefälle zu Gunsten der Arbeitnehmerseite relativiert wird. Dies ist allerdings dauerhaft nur durch institutionelle Regelungen möglich, die individuelle und kollektive Arbeitnehmerrechte festschreiben und ausschließlich preisbestimmte Marktprozesse einschränken. Nur unter diesen Bedingungen, so die arbeitsmarktsoziologische Forschung, ist gewährleistet, dass der Arbeitsmarkt seine Allokationsfunktion auch tatsächlich erfüllt. D.h. dauerhaft die Nachfrageseite mit motivierten Arbeitskräften versorgt wird (dies auch beim Roheisenverlader!!)

Funktionierender Arbeitsmarkt erfordert Institutionen und Regeln: Abschottung der Unternehmen nach außen Staat: Gesetzliche Vorgaben und Normen Gewerkschaften und Arbeitgeber: Tarifvertragliche Regelungen etc. Berufe als Institution und Regelungsmodi Arbeitsmarkt kein homogener Markt Daraus resultiert das Dauerproblem, wie die Transformation von Arbeitsvermögen in konkrete und alltägliche Arbeitsleistung bewerkstelligt werden kann. Vielfältige institutionelle Regeln, AM eine davon Die Herausbildung der Institutionensysteme des Arbeitsmarktes lässt sich generell auf eine Reihe verschiedener Einflussfaktoren zurück führen: zum einen Abschottungsstrategien der Unternehmen gegenüber dem externen Arbeitsmarkt, um bestimmte Arbeitskräfte zu halten, zum zweiten staatlich-regulative Eingriffe, die sich auf den Schutz bestimmter gefährdeter Arbeitskräftegruppen wie Frauen und Kinder richteten, zum dritten die Entstehung von Gewerkschaften zur kollektiven Interessenvertretung der Anbieter (wie umgekehrt auch die historisch sich anschließende Gründung von Arbeitgeberverbänden – Kap. 6.3) und zum vierten das Aufkommen von Berufen. Konsequenz dieser Entwicklung war eine soziale Strukturierung der Erwerbsarbeit mit einer fortschreitenden Ausdifferenzierung des Arbeitsmarktes in verschiedene Segmente, in denen sich sehr unterschiedliche Formen von Austauschprozessen einspielten. Vor allem zerlegt die berufliche Gliederung der Angebotsseite den Arbeitsmarkt in eine ganze Reihe mehr oder weniger von einander abgeschotteter Bereiche, in denen Angebot und Nachfrage in spezifischer Weise aufeinander abgestimmt und die Konkurrenz zwischen den Anbietern kanalisiert wird.

Berufe Gesellschaftlich anerkannte, zertifizierte Qualifikationsbündel Koordinationsfunktion für Nachfrager und Anbieter von Arbeitskraft Unterschiedliche Positionen und Austausch-beziehungen je nach Beruf „sekundäres“ Machtgefälle zwischen verschiedenen Berufs-/Qualifikations- gruppen (Offe/Hinrichs 1984) Mit Max Weber kann der Begriff Beruf wie folgt definiert werden: „Beruf soll jene Spezifizierung, Spezialisierung und Kombination von Leistungen einer Person heißen, welche für sie Grundlage einer kontinuierlichen Versorgungs- oder Erwerbschance ist.“ (1976, S. 80) Welche Leistungs- und Qualifikationselemente in einem einheitlichen Berufsbild miteinander verbunden sind und welche nicht, ergibt sich nicht allein aus sachlichen und ökonomischen Erfordernissen eines Arbeitsprozesses, sondern sie sind Resultat gesellschaftlicher Definitionsprozesse. Deutschmann : „Berufe sind institutionell verankerte Schemata, die technische und ökonomische Problemlösungen mit den Bedürfnissen, Interessen und biographischen Orientierungen der Arbeitenden vermitteln. Sie verleihen individuellen Lernprozessen eine gesellschaftlich anerkannte Form und sichern damit die Chance kontinuierlicher Erwerbstätigkeit. Für die Arbeitgeber erfüllen sie eine Signalfunktion bei der Lösung der Probleme der Personalauswahl wie der Strukturierung der Arbeitsplätze, für die Beschäftigten bilden sie Leitlinien und Fixpunkte ihrer Arbeitsbiographien.“ Insofern stellen Berufe einen wichtigen Koordinationsmechanismus wirtschaftlichen Handelns in modernen Gesellschaften dar: auf Grund ihres institutionalisierten Charakters sind sie Bezugspunkt des Handelns der verschiedensten Akteure.

7.2 Arbeitsmarktsegmente

Arbeitsmarkt ist zu differenzieren Bereiche für unterschiedliche Berufs- und Qualifikationsgruppen Bereiche mit spezifischen Austausch-beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Unterschiedliche Einkommens- und Beschäftigungschancen Relative Abschottung der Bereiche gegeneinander Eingeschränkter Wechsel zwischen den Bereichen Arbeitsmarktsegmente bzw. Teilarbeitsmärkte Basis: Segmentationstheorie des Arbeitsmarktes

Teilarbeitsmärkte lassen sich durch zwei Dimensionen definieren: Spezifität einer Qualifikation bzw. eines Berufs Das Konzept der Teilarbeitsmärkte fragt nach den Konstitutionsbedingungen und den Merkmalen unterschiedlicher Segmente des Arbeitsmarktes. Es basiert auf theoretischen Überlegungen, die in den 60er und 70er Jahren in den USA entwickelt und die in den 1970er und 1980er Jahren in Deutschland vor allem von Burkart Lutz (1987) und Werner Sengenberger (1987) aufgegriffen und weiterentwickelt worden sind. Mit dem Begriff des Teilarbeitsmarktes wird ein durch bestimmte Merkmale von Arbeitskräften und spezifisch strukturierten Arbeitsplätzen abgegrenztes Teilsystem des gesamten Arbeitsmarktes bezeichnet, innerhalb dessen die Allokation, Gratifizierung und Qualifizierung der Arbeitskräfte besonderen, mehr oder weniger stark institutionalisierten Regeln folgen zwei grundlegende Merkmale eines Teilarbeitsmarktes zum einen die Spezifität der Qualifikation der Arbeitskräfte, zum anderen die damit zusammenhängende Art und der Grad der Bindung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bzw. die Art der Austauschbeziehung zwischen diesen beiden Akteursgruppen – Regelungen/Institutionalisierung/objektive Strukturen Art der Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Regelung der Austauschbeziehung

Arbeitsmarktsegmente (idealtypisch) hoch Qualifikation niedrig hoch Betrieblicher Teilmarkt Bindung Berufsfachlicher Teilmarkt Unstrukturierter Teilmarkt niedrig

Unstrukturierter Teilmarkt: “Jedermannsarbeitsmarkt“ Keine besonderen fachlichen Qualifikationen; nur zivilisatorische Mindestqualifikationen z.B. Saisonarbeit, Hilfsarbeit, McDonalds, CallCenter…. Hoch flexible Beziehungen zwischen Unternehmen und Arbeitskräften, kaum Anlern- und Qualifizierungsaufwand Nur arbeitsrechtliche Rahmenregelungen; generelle Arbeitsnormen Allokation von Arbeitskraft über Preis- und Lohnmechanismus Unterdurchschnittliche Verdienste Wirksames primäres Machtungleichgewicht

Berufsfachlicher Teilmarkt: Anerkannte, zertifizierte, marktgängige fachliche Qualifikationen: Berufe z.B. Facharbeiter, Sachbearbeiter, Akademiker…. Berufe als Vermittlungsmechanismus zwischen Angebot und Nachfrage Normativ geregelte Austauschbeziehungen; vor allem tarifrechtlich, teilweise starker Einfluss der Gewerkschaften Flexible Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern Auf Grund marktgängiger Qualifikation günstige Verhandlungsposition der Arbeitnehmer Begrenztes Machtungleichgewicht

Betrieblicher Teilmarkt I: Betriebsintern qualifizierte und angelernte Arbeitskräfte: „on-the-job-training“ z.B. taylorisierte Fließbandmontage in der Autoindustrie mit fachfremd eingesetzten Arbeitskräften Betriebs- und tätigkeitsspezifische Qualifikationen Entwertung der Qualifikationen bei Betriebswechsel Eingeschränkte Mobilität der Arbeitskräfte

Betrieblicher Teilmarkt II: Stark geregelte innerbetriebliche Austauschbeziehungen; teilweise hoher Einfluss der Gewerkschaften Stabile, langjährige Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Begrenzter innerbetrieblicher Aufstieg Voraussetzung: Großbetriebe und differenzierte Arbeitssysteme Begrenztes Machtungleichgewicht

Differenzierungen I: Segment des Frauenarbeitsmarktes Teilzeitarbeit Frauendomäne Konzentration auf bestimmte Tätigkeiten Frauen selten auf höheren Positionen Unterdurchschnittliche Verdienste Längere Arbeitslosigkeit Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland unterdurchschnittlich Einerseits ist die Frauenerwerbstätigkeit in allen Industrieländern von einer wachsenden Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt gekennzeichnet. Die „Feminisierung der Arbeitswelt“ kann, so die französische Soziologin Margret Maruani als „eine der größten sozialen Veränderungen am Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts“ angesehen werden Die Erwerbsquote der Frauen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren stieg in Deutschland von rd. 55% im Jahr 1996 auf rd. 64% im Jahr 2007 Andererseits: Im Vergleich zu den Frauenerwerbsquoten in anderen OECD-Ländern rangiert Deutschland damit in der oberen Hälfte. So liegt in 2007 diese Quote in Frankreich bei 60%, während sie in den USA bei rd. 66%, in Schweden bei ca. 72% und in Dänemark bei ca. 73% liegt (Eurostat 2008). Frauen verdienen 78,50% des Bruttogehaltes der Männer (selbst errechnet). Also handelt es sich immer noch um das im Buch genannte „reichliche Fünftel“ Anteil aller in Teilzeit Tätigen: 2007: Frauen: 80,7 %

Differenzierung II: Internationalisierung des Arbeitsmarktes Einerseits Arbeitskraft „lokalisiert“ Andererseits Tendenzen zur internationalen Öffnung: - hoch qualifizierte Arbeitskräfte - Öffnung inländischer Teilarbeitsmärkte; Arbeitsmigration, illegale Beschäftigung - regionale Teilarbeitsmärkte

Differenzierung III: ethnische Ungleichheiten Wachsende Bedeutung von Migranten Gruppenspezifische Integrationsprobleme Enorme Quaifikationsdifferenzen Mehrheitlich (ethnisch differenziert) auf dem unstrukturierten Teilmarkt

7.3 Entwicklung

Erosion der Teilarbeitsmärkte Bedeutungsverlust von Berufen Abnehmende Bedeutung einfacher Qualifikationen Wachsende Bedeutung höherer Qualifikationen, insbes. von Wissensarbeit Schnelle Entwertung vorhandenen Wissens Erforderlich werden neue Basisqualifikationen

Flexibilisierung von Arbeit Abnehmende Bedeutung des Normalarbeitsverhältnisses: - Vollzeit-/Teilzeitbeschäftigung mit mindest. 50% der üblichen vollen Wochenarbeitszeit - Unbefristetes Beschäftigungsverhältnis - Integration in die Systeme der sozialen Sicherung - Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis Deutliche Zunahme atypischer bzw. prekärer Beschäftigung: Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, befristete Beschäftigung und Leiharbeit

Entwicklung von Arbeit Atypischer Beschäftigung: Befristung Teilzeit mit weniger als 20h Zeitarbeit Geringfügige Beschäftigung Solo-Selbständige - Keine Angestellten - Freiberufler - Scheinselbständige etc. Atypische Beschäftigung: Lebensunterhalt nicht auf Dauer gesichert Soziale Sicherung nicht gewährleistet

Wachsende Anteile atypischer Beschäftigung Teilzeitbeschäftigung: Verdoppelung (ohne Minijobs) in den letzten 15 Jahren Befristete Beschäftigung: eine Mio mehr als Mitte der neunziger Jahre. Minijobs: Seit 1999 Steigerung um mehr als 1,1 Mio auf 5 Mio (+ 2.3 Mio Minijobs als Nebenjob) Leiharbeit: seit 1994 mehr als verfünffacht „Aufstocker“: rd. 1,4 Mio (2010), Anstieg seit 2007 13,5% Normalarbeitsverhältnis: Auf Dauer angelegte, sozialversicherungspflichtige, unbefristete Arbeitsverhältnisse in Vollzeit außerhalb der Leiharbeit Atypische Beschäftigung: Beschäftigungsverhältnisse, abweichend vom Normalarbeitsverhältnis (Teilzeit, Befristungen, Leiharbeit, Minijobs) Prekäre Beschäftigung: Unsichere Existenzsicherung während und nach der Erwerbsphase, prekär ≠ atypisch Normalarbeitsverhältnis kein Auslaufmodell, aber quantitativ rückläufig cf. Hohedanner/IAB 2011

Wachstum von Minijobs seit 2003 cf. Weinkopf 2012

Ursachen des Wachstum atypischer Beschäftigung Zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen: Kompromiss zwischen Erwerbsarbeit und Familienarbeit Verschiebung der Beschäftigungsstruktur von der Industrie zu den Dienstleistungen: Frauentätigkeiten, flexible Beschäftigung Unternehmensstrategien „externer Flexibilisierung“: Leiharbeit, Befristung Selektive Rücknahme von arbeitsrechtlichen Sicherheiten und sozialrechtlich verbrieften Leistungen durch den Gesetzgeber: Flexibilisierung des Ar­beitsmarktes Umstrukturierungen im öffentlichen Dienst: Befristung, Privatisierungen, Flexibilisierung cf. Kronauer 2013

Perspektive: „Der Arbeitskraftunternehmer“ Erweiterte Selbststeuerung und Selbstkontrolle Flexible Ausrichtung an turbulenten Marktbedingungen Übernahme ökonomischer Risiken Verbetrieblichung der Lebensführung Generell: ausgeprägte Ambivalenz der Arbeit

Qualifikation/Einkommen Pluralisierung der Arbeitsformen hoch Qualifikation/Einkommen niedrig hoch flexibilisiertes Normalarbeits- verhältnis Wissens- arbeiter Stabilität Bindung prekäre Beschäftigungs- verhältnisse niedrig

Offizielle AL-Quote im Dez.2012: 6.7% cf.Bundesagntur für Arbeit, Monatsbericht Dez. 2012

Arbeitslosigkeit ist zu differenzieren Besonders betroffen: Ungelernte Ältere Ausländer Gesundheitlich eingeschränkte Hoher Anteil von Langzeitarbeitslosen Differenzen (Febr. 2013): D gesamt: 7,4 % D-West: 6,4 % D-Ost: 11,5 % NRW: 8,5 % Dortmund: 13,5% Bayern: 4,4% Starnberg: 3,2 % In % allerErwerbstätigen (Quelle: Bundesagentur für Arbeit)

Arbeitslosigkeit aber mehr als AL-Quote Def. Arbeitslosigkeit (ILO): erwerbstätige Person zwischen 15 und 74 Jahren, die innerhalb der letzten vier Wochen Arbeit gesucht hat und innerhalb von zwei Wochen eine Arbeit aufnehmen kann Nur Teil der Unterbeschäftigung erfasst Verdeckte Arbeitslosigkeit: Personen in Maßnahmen, entmutigte Personen, arbeitsfähige Personen, aber nicht sofort verfügbar Stille Reserve und ungenutztes Arbeitskräfte- potential

Arbeitslosigkeit höher als die offiziellen Daten Bspl. März 2011 Offiziell 3,2 Mio AL Knapp 1 Mio nicht in der Statistik: Ein-Euro-Jobs, Beschäftigungsmaßnahmen, Weiterbildung, älter als 58 etc. Ca. 0,82 Mio Stille Reserve („nicht sofort verfügbare Personen“) Insgesamt ca. 5,0 Mio AL Quellen: BA Monatsbericht März 2011; IAB Kurzbericht 7/2011

Ursachen der Arbeitslosigkeit I Saisonale AL jahreszeitliche Schwankungen der Nachfrage nach AK Konjunkturelle AL gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwankungen Technologische AL Automatisierung, Produktivitätssteigerungen Strukturelle AL Wandel der Wirtschaftsstruktur, Mismatch-AL

Ursachen der Arbeitslosigkeit II Strukturelle Erklärungen überwiegen Vor allem: mangelnde Anpassungsfähigkeit der Arbeitsmarktsegmente Aber: monokausale Erklärungen der AL nicht möglich „Königsweg“ zur Bekämpfung von AL gibt es nicht

Ausgewählte Literatur Sengenberger, W. 1987: Struktur und Funktionsweise von Arbeitsmärkten. Frankfurt/New York, Teil B Köhler, Christoph/ Krause, Alexandra (2010): Betriebliche Beschäftigungspolitik. In: Böhle, Fritz/Voß, Günter G./Wachtler, Günther (Hrsg.): Handbuch Arbeitssoziologie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 387-415 Krause, Alexandra/ Köhler, Christoph (Hg.) (2012): Arbeit als Ware – Zur Theorie flexibler Arbeitsmärkte. Bielefeld