Trauma in der Körperpsychotherapie

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 Präsentation transkript:

Trauma in der Körperpsychotherapie Bioenergetische Analyse: späte 80er Jahre – cephaler Schock (Bob Lewis, Sander Kirsch) 1967 E. Baker (1980 in deutsch: „Der Mensch in der Falle“ – S. 94) – Bezug auf Dr. Barbara Goldenberg („neu“ bei Shapiro 1989)

Frühe Traumadiskussion Ende 19. Jh.: Das Realtrauma bei Eisenbahn- und Arbeitsunfällen sowie daraus resultierende Störungen und Schadenersatzansprüche wurden diskutiert (in: Sachsse, Venzlaff u. Dulz 1997) Zeitgleich: Charcot (Salpetriere) – Diskussion um sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche

Realtrauma vs. Beziehungstrauma in der Psychoanalyse Freud und Breuer – „kathartische Methode“ Wendung von Freud – Betonung intrapsychischer Prozesse und der infantilen Fantasie Spät. seit Anna Freud und Londoner Gruppe - Beziehungstrauma Psychoanalytischer Determinismus (= Opfer sei immer auch unbewusster Mittäter)

Ist die Biologie aus unseren Gegenstand übertragbar? Diskussion noch sehr in Fluss! Argument: in Lebensgefahr reagiert der Mensch säugetierhaft Vorsicht vor biologisch begründete Gewissheiten! Der Mensch als „Säugetier“ / als psychosoziales Wesen

Technikzentriertes Vorgehen „Furor therapeuticus“ Veränderung als Ziel Symptome sind rasch zu beseitigen Vgl.: Übungen in der BA Entwicklungsperspektive Annehmen und Verstehen des Vorhandenen, ohne es zu pathologisieren Symptome als wertvolle Hinweise auf Entwicklungsblockaden

Realtrauma Realtrauma = das Individuum ist nicht mehr deutendes Subjekt, sondern Objekt. Somit ist seine Fähigkeit, traumatisches Geschehen zu verstehen, aufgehoben – „Ich kann es nicht fassen“ Ein Diskrepanzerleben zwischen objektiven Situationsfaktoren und subjektiven Erwartungen der Realität Posttraumatisches Folgeerleben nach Extremtraumatisierung: „Alles ist so wie es war, und nichts ist mehr so wie es ist!“ (Paradoxie) – berührt eine existenzielle Dimension

Trauma ist nicht gleich Trauma Extremtrauma (z. B. physische Gewalt): Schockreaktion (eine Art Totstellreflex?), Ausfall mentaler Funktionen (Zeitlichkeit, Perspektivität, Symbolisierung, Sinngebung) – als Kern eines potentiellen Strukturdefizits   Beziehungstrauma – kumulative Interaktionspathologie (Häufung von Traumata bewirkt dauerhafte Veränderung)

Trauma Der sensorische, sprachlose Teil der Erfahrung dominiert und wird im impliziten Gedächtnis gespeichert. Anstelle differenzierter Wahrnehmungsbilder werden Sinnfragmente abgespeichert und überdauern in dieser desintegrierten Form.

Hirn-Hemisphären Linke Gehirnhälfte: Analytisch-symbolisch-problemorientiertes Denken Enthält Sprachzentrum (Broca-Areal) Rechte Gehirnhälfte: Ganzheitlich-nonverbal-handelnde Funktionen Unter traumatischen Bedingungen erhöhte Aktivität

Prozess der Gedächtnisbildung Sekundengedächtnis Arbeitsspeicher (max. 2 Minuten) Mittelspeicher (Hippocampus) Dauerspeicher (Cortex) Trauma = andere Speicherung: nicht komplexe Speicherwege werden durchlaufen, sondern Information wird (aus Überlebensgründen) sofort in den Mandelkernen abgespeichert (biologisch sinnvoll, damit nicht zweimal das gleiche passiert = Parallele zum Tierbereich)

Gedächtnis Kühles Gedächtnis: Hippocampus Integration emotional wichtiger Information; Integration der Kategorien Raum, Zeit, Kausalität Heißes Gedächtnis Mandelkerne(Amygdala) Affektgeleitete Verstärkerfunktion Speicherung nimmt aus Überlebensgründen einen raschen Weg

Stress-Systeme/Notfallreaktionen Kampf-Flucht-Reaktion (sympathikoton – Zustand der Aktivierung) – kognitive Problemlösung – gesündeste Form Panik-System (parasympathikoton – Gefühl der Lähmung) – keine kognitive Problemlösung, Aktivierung des Bindungssystems Freeze-Reaktion (traumatische Erstarrung – „Totstellreflex“; innerlich Hyperarousal)

Panik-Attacke = Menschliche Freeze-Reaktion? Hyperarousal (Herzrasen) Laut-/Sprachlähmung (leise atmen) Muskelstarre Todesangst Panik-Attacke = Wiederaufleben eines traumatischen Zustandes?

Stress und Bindung Das Panik-System aktiviert das Bindungs-System Menschen sind „Herdentiere“/Hordentiere (das Bindungssystem bleibt lebenslang aktiviert) Biologisch: Bei Gefahr (Außenfeind) - Flucht ist sinnvoll, es gibt eine Biologie der Vermeidung (bei vielen Tieren ist die Erstreaktion „sich zu verdrücken“)

Gesunde u. traumat. Erfahrung Amodale wahrnehmungsintegrative Qualität Erfahrungsepisoden werden als Gesamteindrücke wahrgenommen und gespeichert Wichtig für psychische Strukturbildung sind Interaktionserfahrungen – diese werden mental repräsentiert: „Rig“ als Durchschnittswert Dissoziation = Zusammenbruch der amodalen Erlebens- und Wahrnehmungsganzheit – zentrale Abwehr früher traumatischer Erfahrung

Trauma = Prozess Traumatische Situation Traumatische Reaktion Traumaverarbeitung

Traumatische Situation Traumatische Situation = vitale Diskrepanz zwischen subjektiven Erwartungen und objektiven Situationskomponenten   Pragmatisches Realitätsprinzip Kommunikatives Realitätsprinzip

Traumatische Situation - Therapie Krisenintervention Rasches Vermitteln von Sicherheit Einfühlsamer Gesprächspartner sein Verständnis zeigen für die Traumawirkung Jeden weiteren Stress vermeiden Unmittelbare Hilfen geben (z. B. Halt)

Traumatische Reaktion - Therapie Jeden weiteren Stress vermeiden Ich-stützende Maßnahmen Entspannung Imaginative Techniken Gespräch Ev. körperlicher Halt Beratung (Gespräche, Schlaf, Kontakt mit vertrauten Menschen) Kognitive Orientierungen sind hilfreich

Anderer methodischer Zugang (ressourcenaktivierende Kurztherapie) Pat. nach Banküberfällen – Prinzipien der Therapie während der Traumareaktion Pat. mit Panik-Attacken - Stabilisierung: An Ressourcen anknüpfen Empathie Nicht-intrusive Haltung Richtiger Zeitpunkt für das Ende Sich als potentielle Anlaufstelle weiterhin zur Verfügung stellen „Übertragungs-Heilung“ (oft nach 5 bis 15 Stunden) – Arzt-Heiler-Archetypus (Rollenerwartung des Pat.) = bewusste Rollenübernahme

Beispiel einer Traumaverarbeitung Verarbeitung durch Schuldgefühl („Ich war schuld an dieser Katastrophe!“) In der Fantasie wird hier aktiv gehandelt – es wird das Gefühl „gerettet“, noch irgendwie handlungsfähig gewesen zu sein – was leichter zu ertragen ist als das Gefühl kompletter Ohnmacht

Analytische Körperpsychotherapie Die Anwendung der Widerstands- und Übertragungsanalyse auf den interaktionell-körperlichen Umgang Pat. im Konflikterleben halten, um die Abwehrprozesse und längerfristig die Beziehungsfantasien (nach Möglichkeit) IN der Übertragung erlebbar zu machen (das Herstellen neuer guter Erfahrungen durch Übungen spielt wenig Rolle) Therapeutischer Ansatz zunächst an der Traumaverarbeitung (psychoanalytische Widerstandsarbeit) – in der therapeutischen Regression wird das traumatische Material reaktiviert

Konfliktspannung halten – wie? Pat. spürt Druck auf Brust, leichte Panik – ich lege Hand auf seine Brust auf Körperebene weiterexplorieren, was Pat. tun kann damit er sich besser fühlt (dabei kommen Affekte o. Erinnerungen hervor) Wie erleben Sie unsere Beziehung, wenn Sie dieses Gefühl weiter zulassen? (Ziel: Verdeutlichen von Abwehrprozessen und Beziehungsfantasien)

Wozu Körper und Handlung nutzen? Nutzung der Körpersprache zur Verdeutlichung von Verbalassoziationen (Beispiel: wie fühle ich mich jetzt durch eine bestimmte Haltung ausdrücken) Entschlüsselung spontaner Körperausdrucksformen Spontan sich inszenierende „Enactments“ verstehen damit Bereicherung des Übertragungsverständnisses und des affektiven Erlebens

Was passiert dabei? Erweiterung des Ass. Raumes um Körper und Handlung – jene Traumafragmente können angetriggert werden, die in Form von Handlungen oder Körpererinnerungen isoliert überdauert haben – sie aktivieren sich im „Hier und Jetzt“

Wie nutzt man diese Fragmente? Ihre Aktivierung im Hier und Jetzt zulassen Das aktivierte Material nach Möglichkeit in der Beziehung, in der Konfliktspannung halten Voraussetzung: Wechseln-Können einlassen/Distanz-Nehmen – beim Pat., aber auch beim Ther.!

Retraumatisierung vermeiden Arbeit körperbezogener Art IN der Übertragung sorgfältig dosieren – wegen der hohen Affektverdichtung, d. h. von der Struktur des Patienten und vom Prozess abhängig machen

Leitperspektiven des Verstehens Unbewusste Inszenierungen und Beziehungsbedeutungen Unbewusste Abwehrprozesse (diese auch der Körperebene – z. B. Atemveränderungen etc.)

AKP = langfristiger Therapieprozess - Entwicklungsperspektive Viel Zeit braucht: Differenziertes Verstehen unbewusster Prozesse – psychisch, körperlich Umgang finden mit Täterintrojekt: vom Fremdkörper zum Eigenanteil - Verantwortung für das Täterintrojekt übernehmen (= Ressourcen aktivieren!)

Täterintrojekt und handelnde Inszenierung Ferenczi: Täterintrojekt als Fremdkörper („Das bin ich nicht!“) – Objekt-Repr. Mein Ansatz: Täterintrojekt als Selbst-Repr. deuten (= anders als viele traumather. Vorgangsweisen!) – setzt innere Ressourcen frei! Dazu ist die Erlaubnis zur „handelnden Inszenierung“ hilfreich, weil die eigene Täterschaft in diese Inszenierungen leichter einfließt (das eigene Tun ist über die eigene Motorik für den Pat. leichter spürbar)

Übungsorientierte Verfahren Vorteile: Geben dem Patienten sofort ein Werkzeug in die Hand, nutzen seine Fähigkeit zur Dissoziation (z. B. Tresor-Übung) Dadurch rasche Minderung von Leidensdruck Möglicher Nachteil: Nicht nur Ressourcen angeregt werden, sondern ebenso kompensatorische Prozesse, die im Dienste der Abwehr stehen Illusion durch die Selbstobjekt-Übertragung: ein einfühlsames Gegenüber könne die Erlösung bringen „Technik-Illusion“ (Fantasie der „richtigen Übung“)

Existenzielle Dimension - Paradoxes Dilemma Einerseits ist alles so wie immer – und andererseits ist nichts wie vorher!