Kinder und Medien – Einführung in die Mediensozialisaton

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 Präsentation transkript:

Kinder und Medien – Einführung in die Mediensozialisaton Gewaltdarstellungen in den Medien PD Dr. Daniel Süss IPMZ – Universität Zürich FS 2008

Ende der 1980er-Jahre: Brutalo-Videos Titel aus der Verbotsliste des Verbandes Schweizerischer Fachvideotheken: "Nackt und zerfleischt" "Lebendig gefressen" "Ich spucke auf dein Grab" "Frauen im Foltercamp"

Brutalo-Artikel (StGB § 135) seit 1990 Verboten sind Abbildungen… ohne schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert grausame Gewaltdarstellungen gegen Menschen oder Tiere, eindringlich dargestellt die elementare Menschenwürde in schwerer Weise verletzend

Anfang des 21. Jahrhunderts: Games

Forschungsfelder von Mediengewalt (Bonfadelli 2001) dokumentarische Medieninhalte mit Informationsfunktion fiktionale Medieninhalte mit Unterhaltungsfunktion Produktion Wie gehen Journalisten mit Kriminalität, Gewalt gegen Frauen, Terror, Krieg etc. in der Medienberichterstattung um? Wieso und wie wird Gewalt als dramaturgisches Mittel eingesetzt bzw. Mediengewalt programmiert? Inhalte Stellenwert und Darstellung von Kriminalität / Gewalt in den Nachrichten? Stellenwert und Darstellung von Gewalt in der fiktionalen Unterhaltung Rezeption Wer wendet sich wegen welcher Motive und Bedürfnisse der Mediengewalt zu? Wie wird Mediengewalt wahrgenommen? Und wieso fasziniert Mediengewalt? Wirkungen Welche Wirkungen hat Mediengewalt auf das Individuum und die Gesellschaft? Mit welchen Regulierungsversuchen reagiert die Gesellschaft auf Mediengewalt?

Wenn Gewalt zur Unterhaltung wird

Nutzungsmotive bei Online-Spielen Studie mit 1366 Online-Spielern zwischen 14-28 Jahren in der Schweiz (Husar, 2005) Spieletypen: Rollenspiele, Strategiespiele, Egoshooter Machtmotiv (Kompetenz, Beherrschung) Leistungsmotiv (Wettbewerb, E-Sport) Anschlussmotiv (Gilden, Clans, virtuelle Gemeinschaft) Vergleich mit Jantz & Martens (2005: 337f): 6 Motive bei jüngeren Jugendlichen: Wettbewerb, Kontrolle, Unterhaltung, Eskapismus, Zeitvertreib, Geselligkeit.

Sensation Seeking (Uli Gleich et al. 1998) Programmpräferenzen von HSS: Action und Horror; Erotik; Sport; Musik-Clips im MTV-Format Fernsehverhalten: Häufiger Parallelhandlungen Häufiger Zapping Freizeitverhalten und TV-Verhalten konstant: Hohe Reizsuche-Tendenz Thrill- and Adventure-Seeking Experience Seeking Disinhibition Boredom susceptibility High Sensation Seekers: eher Männer Low Sensation Seekers: eher Frauen

Sensation-Seeking und Freizeitaktivitäten (Mittelwertsunterschiede) High- versus Low-Sensation-Seeker

Sensation-Seeking und Geschlecht der Befragten High- versus Low-Sensation-Seeker (in Prozent)

High- versus Low-Sensation-Seeker (Mittelwerte)

High- versus Low-Sensation-Seeker

Rezeptionsstile (Süss 1993) Studie zur Rezeption von TV-Krimis durch Jugendliche Krimi-Vielseher oder Wenigseher? Bezugssysteme? Gewaltgenres oder Krimis Fiktion oder Realität

Unterhaltungswert und Betroffenheitswert von Filmgewalt hard U +/- B +/- U + B - soft stereotyp realitätsnah

Kontexte von Gewaltdarstellungen (Süss 1993) Wirklichkeitsbezug: Verständlichkeit Glaubwürdigkeit Sympathieführung: Opfer, Täter, Helfer Verhalten und Legitimation Formale Darstellung Angebot an Identifikationsfiguren: Erfolg, Status, Äusseres Erzählperspektiven Lenkung der Emotionen: Formale Mittel, Dramaturgie

Gewaltorientierte Jugend-Cliquen Idealisierung In-Group-Orientierung Radikale Out-Group-Abgrenzung Stärkung schwacher Selbstbilder Bestätigung durch fiktionale Modelle Einübung aggressiver Strategien Selbstproduzierte Medien als Verstärkung Medienaufmerksamkeit als Verstärkung

Nutzungsmotive für Mediengewalt: Vier Thesen Angstlust, Stimmungskontrolle Eskapismus Identifikation, Abgrenzung Verarbeitung realer Gewalt Effekte: unproblematisch bei Generalisierung (-) bei gewaltorientierten Peers (-) problematisch

Wirkungen von Action-Filmen (Janschek et al. 1997) Media Literacy Kennen der Gestaltungsmittel, Erscheinungsformen, Darstellungskonventionen Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und erlebtes Wohlbefinden versus Unbehagen Angstbewältigungsstil Defensiv versus Nichtdefensiv, niedrige versus hohe Angstwerte

Methoden Self-Report Daten Tests Non-Selfreport Daten Filmbeurteilung, etc. Tests Aggressionsfragebogen, Angstbewältigungsstil, etc. Non-Selfreport Daten Psychophysiologische Messungen Herzfrequenz, Atemfrequenz, Hautleitfähigkeit

Typen von Rezipienten Action-Kenner Action-Gegner Action-Vermeider geringe Aggressionshemmung, häufiger TV-Konsum, hohe Filmkompetenz, formal differenzierte Beurteilung, kurze mittlere Erregung, Spass Action-Gegner geringe Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, formal differenziert, ablehnend, oft im Kino Action-Vermeider defensive Angstbewältigung, wenig TV oder Kino, geringe Filmkompetenz, Vermeidung von bedrohlichen Inhalten und Situationen, hohe Erregung, lang anhaltend, negativ erlebt

Nachweis eines Habituationseffektes Wichtige Variablen sind Fazit Nachweis eines Habituationseffektes Wichtige Variablen sind Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Medienkompetenz, Aggressionshemmung, Angstbewältigungsstil, Affinität oder Ablehnung von Inhalten

Wirkungen von Mediengewalt: Vier Thesen …fördert Gewaltbereitschaft …führt zur Abstumpfung …bewirkt unmittelbar gar nichts …verhindert reale Gewalt Effekte… Stimulationsthese Habitualisierungsthese Wirkungslosigkeit Katharsis / Inhibition

Untersuchte Effekte von Mediengewalt (Grimm 1999: 429ff) Zunahme oder Abnahme von..... Legitimierung von Gewalt Empathie für Gewaltopfer Beunruhigung, Angst, Ekel Politische Apathie Selbstbewusstsein Hilfsbereitschaft Anspannung, Entspannung Variable: saubere versus schmutzige Gewalt

Mediatisierende Faktoren (Bonfadelli 2000: 249) Belohnung, fehlende Bestrafung Rechtfertigungen (Rache, etc.) Positive Helden, die Gewalt ausüben Realismus fiktiver Gewalt Strukturelle Ähnlichkeiten Personale Ähnlichkeit, Identifikation

Einflussreiche Persönlichkeitsmerkmale Selbstwertgefühl / Ängstlichkeit Soziale Integration / Isolation Empathiefähigkeit, Perspektivenübernahme Aggressivität, Kompetitivität, Dominanzanspruch Intelligenz, Kennen von Handlungsalternativen Robert Steinhäuser, Amoktäter in Erfurt, 2001