Römische Rechtsgeschichte,

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 Präsentation transkript:

Römische Rechtsgeschichte, 28.11.2013 PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)

§ 5: Das römische Recht der Republik II. Der Prätor und seine Aufgaben Die Entwicklung des Prozessrechts Der Zivilprozess steht zu Anfang ganz unter der Herrschaft der Parteien. Im Laufe der Zeit wird die staatliche Kontrolle und Einflussnahme immer wichtiger. Der Zivilprozess ist traditionell zweigeteilt: Das Verfahren in iure („auf der Gerichtsstätte“) vor dem Magistrat zur Formulierung des Prozesspro- gramms und Einleitung des eigentlichen Verfahrens Das Verfahren apud iudicem („Beim Richter“) zur Feststellung der Tatsachen und für das Urteil vor einem (Laien-)Richter

Das alte Spruchformelverfahren der Legisaktionen legis actiones waren eigentlich keine Klagen, sondern allgemein (rituelle) ‚Handlungen entsprechend dem Gesetz‘. Die Bürger konnten mittels solcher legis actiones rechtlich wirksame Handlungen vornehmen. Die legis actiones waren von einem strengen Formalismus geprägt. Nur wenn die Form einer legis actio genau eingehalten wurde, erzeugte sie die gewünschten Rechtswirkungen. Viele, aber nicht alle legis actiones waren nur wirksam, wenn sie vor einem Magistrat vorgenommen wurden.

Die Handlungen vor dem Magistrat wurden mit der Zeit als Einheit verstanden und als Prozess zusammengefasst. Dieser Prozess wurde vom Kläger durch Ladung des Beklagten eingeleitet (in ius vocatio). Nach den XII-Tafeln bestand ein besonderer Schutz für alte und kranke Beklagte. Der Kläger hatte das Recht zur Gewaltanwendung (manus iniectio), wenn der Beklagte sich weigerte, zur Gerichtsstätte mitzukommen. Der ‚Staat‘ spielte in diesem Verfahrensabschnitt keine Rolle.

Das Verfahren in iure (auf dem Gerichtshof) bis zur Streiteinsetzung Der Kläger trägt sein Begehren vor Der Prätor als Gerichtsherr prüft: Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen Ob es Rechtsschutz für das Begehren des Klägers gibt Mögliche Reaktionen des Beklagten: Anerkenntnis (confessio in iure): Vollstreckung Nichtstun: Wird durch Maßnahmen des Prätors bestraft, aber kein Versäumnisurteil, weil das Verfahren nur bei aktiver Mitwirkung des Beklagten fortgesetzt werden kann. Bestreiten

Der Prätor gibt den weiteren Prozess frei, wenn die allgemeinen Prozessvoraussetzungen (Zuständigkeit, keine rechtskräftige Ent-scheidung, Sachlegitimation des Klägers usw.) vorliegen und der Beklagte bestreitet. Die Parteien sprechen vor dem Prätor und vor Zeugen die rituellen Spruchformeln, durch die der Gegenstand des Prozesses festgelegt wird (bezeugte Streiteinsetzung, litis contestatio). Der Prätor bestätigt das Streitprogramm (iudicium dare), weist ihnen den zugelosten Richter zu und überträgt ihm den Prozess und die Entscheidungsgewalt.

Das Verfahren vor dem eigentlichen Richter, d. h Das Verfahren vor dem eigentlichen Richter, d.h. dem Urteilsgericht (apud iudicem): Kurze Zusammenfassung des Rechtsstreits mit anschließenden förmlichen Parteivorträgen Vorführung der Beweise durch die Parteien Urteil (sententia, der Inhalt des Urteils heißt iudicatum) des Richters, in dem dieser das Recht erkennt. Das Urteil stellt das Recht zwischen den Parteien verbindlich fest.

Die Vollstreckung: Kein Gerichtsvollzieher, sondern private Vollstreckung durch den Kläger. Für die Vollstreckung gab es eine besondere legis ac- tio ‚durch Handanlegung‘ (per manus iniectionem): Ladung des Beklagten durch den Kläger vor Gericht; Handanlegung (manus iniectio) an den Beklagten durch den Kläger und Ausspruch einer bestimmten Formel; Zuspruch (addictio) des Beklagten an den Kläger durch den Prätor. Danach: 60 Tage Gefangenschaft; dreimaliger Ausruf auf dem Markt; Verkauf als Sklave trans tiberim.

b. Das Formularverfahren Das Legisaktionenverfahren war nur für Prozesse unter römischen Bürgern geeignet. Prozesse unter Beteiligung von Ausländern wurden vor einem Prätor mit besonderer Zuständigkeit (praetor peregrinus) verhandelt. Der praetor peregrinus entwickelte ein spezielles, weniger fehleranfälliges Verfahren, in dem er selbst und nicht die Parteien das Prozessprogramm in einer Formel festlegte. Dieses ‚Formularverfahren‘ wurde dann auch für Prozesse unter römischen Bürgern (zunächst alternativ) angeboten.

Auch der Formularprozess wurde durch den Kläger eingeleitet. Der Kläger musste dem Beklagten bekanntgeben (editio), welche Klage (actio) er erheben und auf welche Beweismittel er sich stützen wollte. Die Ladung vor Gericht erfolgte durch den Kläger, aber es gab nun Zwangsmittel des Prätors gegen einen widerstrebenden Beklagten. Das Verfahren vor dem Prätor begann mit dem Vortrag des Klägers und seinem Antrag auf Erteilung einer bestimmten Klage (actio).

Der Prätor prüfte dann, Ob das Begehren rechtsschutzwürdig war, d.h. ob die vom Kläger begehrte Klage vorgesehen war; Ob das Begehren prozesswürdig war, d.h. nicht unschlüssig oder offensichtlich unbegründet war; Ob das Begehren nicht unbillig war, d.h. der Sachgerechtigkeit (aequitas) widersprach; Ob die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorlagen (Zuständigkeit, keine rechtskräftige Entscheidung, Sachlegitimation des Klägers usw.) Der Beklagte konnte dann wie im Legisaktionen-prozess anerkennen, nichts tun, bestreiten. Außerdem konnte er eine Einrede (exceptio) erheben.

Wenn die Prozessvoraussetzungen vorlagen, gab der Prätor den Parteien das Urteilsgericht (iudicium dare), indem er: einen Richter (iudex) aus der Richterliste im Zusammenspiel mit den Parteien einsetzte; das Prozessprogramm durch eine Prozessformel (formula) für den Richter verbindlich festsetzte. In der litis contestatio unterwarfen sich die Parteien dem eingesetzten Gericht und dem Prozessprogramm.

Beispiel einer Klage auf Kaufpreiszahlung: Die Prozessformel: Beispiel einer Klage auf Kaufpreiszahlung: Quod Aulus Agerius Numerio Negidio hominem quo de agitur vendidit, quidquid paret ob eam rem Numerium Negidium Aulo Agerio dare facere oportere ex fide bona, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, si non paret, absolvito. Da Aulus Agerius dem Numerius Negidius den Sklaven, um den gestritten wird, verkauft hat, was auch immer aufgrund dieser Sache Numerius Negidius dem Aulus Agerius geben oder tun muß nach Treu und Glauben, Richter, dazu verurteile den Numerius Negidius dem Aulus Agerius, wenn es sich nicht erweist, sprich frei. A. Agerius = Kläger; N. Negidius = Beklagter.

Das Verfahren vor dem Urteilsgericht Der Verhandlungstermin wurde noch vom Prätor festgesetzt. Am festgesetzten Termin erschienen die Parteien vor dem Richter, der die Beweisaufnahme leitete. Der Richter konnte die Beweise frei würdigen. Am Ende des Verfahrens erging ein Urteil (sententia) durch den Richter mit Formeller Rechtskraft: Die Entscheidung ist end-gültig und unangreifbar (keine weitere Instanz). Materieller Rechtskraft: Über den Streitgegen-stand ist für die Parteien verbindlich entschieden (kein weiterer Prozess möglich; ne bis in idem).

Die Vollstreckung: Die Vollstreckung wurde durch eine spezielle Klage (actio iudicati) vor dem Prätor eingeleitet. Meistens erkannte der Beklagte den Vollstreckungs-anspruch an, weil bei Verurteilung die doppelte Summe zu zahlen war. Bei erfolgreicher Klage ordnete der Prätor an: Die Personalvollstreckung (Zuspruch des Beklagten an den Kläger, wahrscheinlich Schuldknechtschaft), oder Die Vermögensvollstreckung als Konkursverfahren: Einweisung des Klägers in das Vermögen des Beklagten (missio in bona), Versteigerung des Vermögens, Verteilung des Erlöses unter den Gläubigern.

Im Prinzipat entstand ein neues Verfahren außerhalb der Ordnung (cognitio extra ordinem) aus der Gerichtsgewalt des Kaisers. Das Verfahren war nicht mehr (zwingend) zweigeteilt und stärker durch das Handeln des Richters geprägt. Der Kaiser delegierte seine Gewalt meist an seine Beamten, sodass ein System von Beamten-richtern entstand. Der Kaiser behielt sich aber eine eigene Appellationsinstanz vor. Im Laufe der Zeit starb der klassische Formular-prozess, wie zuvor bereits das Legisaktionen-verfahren, ab.

Das Edikt des Prätors (edicere: verordnen, bekanntmachen) Allgemeine Charakteristika magistratischer Edikte Alle Magistrate konnten im Rahmen ihrer Amtsgewalt (imperium) Edikte, d.h. Bekanntmachungen erlassen. Der Inhalt dieser Edikte konnte sich auf alle Handlungen beziehen, die die Magistrate vornehmen konnten: Bezogen auf einzelne Handlungen oder konkrete Probleme Bezogen auf die Dauer ihrer Amtszeit, sogenanntes edictum perpetuum.

Die Jurisdiktionsedikte der Prätoren und Ädilen Der Prätor hatte die allgemeine Gerichtshoheit (Jurisdiktionsgewalt) und die Ädilen hatten eine Spezielle für Marktstreitigkeiten. Im Rahmen dieser Gerichtshoheiten erließen der Prätor und die Ädilen Edikte als Richtlinien darüber, wie sie diese Hoheiten ausüben wollten. Die Edikte wurden bei Amtsantritt auf weißen Holztafeln (album) öffentlich bekanntgemacht Das Edikt war für den Prätor zunächst unverbindlich. Bindung der Prätoren an ihr edictum perpetuum erst durch eine lex Cornelia de iurisdictione 67 v. Chr.

Abfassung und Entwicklung des prätorischen Edikts Wie alle Magistrate ließ sich auch der Prätor durch ein Team von Fachleuten (consilium) beraten. Regelmäßig wurde das Edikt des Vorgängers unverändert übernommen. So bildete sich ein fester Bestand von stets weitergegebenen Sätzen (edictum tralaticium). Der Prätor hatte die Befugnis, Rechtsschutz außer- halb des Edikts durch analoge Klagen zu gewähren. Etablierte analoge Klagen wurden in das Edikt aufgenommen. Der Jurist Salvius Iulianus schuf eine endgültige Fassung des Edikts unter dem Kaiser Hadrian um 130 n. Chr. (ebenfalls edictum perpetuum genannt).

Der Inhalt des Edikts Das Edikt ist nicht unmittelbar überliefert. Der Romanist Otto Lenel hat das Edikt aber aus Fragmenten der Juristenkommentare rekonstruiert. Die „Ordnung“ des Edikts ist nicht systematisch, sondern historisch gewachsen. Nach Lenel war der Aufbau wie folgt: Ein einleitender Abschnitt 2. Abschnitt: Die ordentliche Rechtshilfe 3. Abschnitt: Die schleunige Rechtshilfe 4. Abschnitt: Exekution und Nichtigkeitsbeschwerde Anhänge

Der konkrete Inhalt des Edikts Der Prätor kündigte an, welchen Rechtsschutz er auf welche Weise gewähren würde: Welche Urteilsgerichte (iudicia) er einsetzen würde. Welche Sicherungsleistungen (cautiones) er verlangen würde. Welche Besitzschutzeinweisungen (Interdikte) er treffen würde. Was er sonst erlauben oder verbieten oder wogegen er einschreiten würde. Außerdem gab er im Edikt beispielhafte Muster-formeln für die angekündigten Rechtsbehelfe.

3. ius civile und ius praetorium oder honorarium Das ius civile war das Recht der römischen Bürger, das auf Gesetzen und Herkommen beruhte. Aus der Rechtsprechung des Prätors entwickelte sich eine eigenständige Rechtsmasse, die man später als ius praetorium oder honorarium anerkannte: Dig.1.1.7.1 (Papinianus 2 def.) Ius praetorium est, quod praetores introduxerunt adiuvandi vel supplendi vel corrigendi iuris civilis gratia propter utilitatem publicam. quod et honorarium dicitur ... Prätorisches Recht ist das, was die Prätoren einführten, um das Zivilrecht zum öffentlichen Wohl zu unterstützen, zu ergänzen oder zu korrigieren. Welches auch Honorarrecht genannt wird…

Der Prätor war an das ius civile wie jeder Bürger gebunden. Im Bereich des ius civile enthielt das Edikt daher nur Musterformeln. Soweit der Prätor eigenes honorarisches Recht schuf, beschrieb er im Edikt ausführlich die Umstände, unter denen er tätig werden würde. Da es kaum privatrechtliche Gesetzgebung gab, lag die Entwicklung des Privatrechts weitgehend in den Händen des Prätors und seiner Berater, der Juristen. Das klassische römische Recht ist deshalb in großen Teilen (wissenschaftliches) Juristenrecht.

Beispiele prätorischer Rechtsschöpfung Beispiel 1: Die Reform der Haftung bei Ehrverletzungen Die Ausgangslage nach den XII-Tafeln: Talion und feste Bußgelder: I.13: Wenn er ein Glied versehrt hat und sich nicht mit ihm vergleicht, soll Talion geschehen. I.14: Wenn er mit der Hand oder einem Stock einem Freien einen Knochen gebrochen hat, soll eine Strafe von 300, wenn einem Sklaven, 150 sein. I.15: Wenn er einem anderen iniuria zufügt, sei eine Strafe von 25. Die Geldentwertung als Anlaß für Reformen Die Schöpfung einer actio iniuriarum mit freier Schadensschöpfung durch den Prätor.

Die Schöpfung weiterer Rechtsbehelfe bei speziellen Ehrverletzungen, u Die Schöpfung weiterer Rechtsbehelfe bei speziellen Ehrverletzungen, u.a. De iniuriis quae servis fiunt: QUI SERVUM ALIENUM ADVERSUS BONOS MORES VERBERAVISSE DEVE INIUSSU DOMINI QUAESTIONEM HABUISSE DICETUR, IN EUM IUDICIUM DABO. ITEM SI QUID ALIUD FACTUM ESSE DICETUR, CAUSA COGNITA IUDICIUM DABO. Wer beklagt wird, einen fremden Sklaven entgegen der guten Sitten geschlagen oder ihn ohne Zustimmung des Herrn gefoltert zu haben, gegen den werde ich ein Urteilsgericht einsetzen. Ebenso, wenn ein anderes Geschehen behauptet wird, werde ich nach Untersuchung des Sachverhalts ein Urteilsgericht einsetzen.

Beispiel 2a: Die Einrede wegen Arglist (exceptio doli) Schutz vor Betrug bei Verträgen im alten römischen Recht nur durch ausdrückliche Vertragsklauseln. Der Prätor C. Aquilius Gallus gewährt im ersten Jahrhundert vor Christus erstmals auch Rechts- schutz bei dolus, wenn keine vertragliche Abrede besteht. Die Formel der exceptio doli: … si in ea re nihil dolo malo Aulii Agerii factum sit neque fiat. … wenn in dieser Angelegenheit nichts mit Arglist des Aulus Agerius geschehen ist oder geschieht.

Beispiel 2b: Die Einrede wegen Furcht (exceptio metus) Die Formel der exceptio metus: … si in ea re nihil metus causa factum est … wenn in dieser Angelegenheit nichts aufgrund von Furcht geschehen ist § 123 BGB (1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste.

Beispiel 3: actiones in factum im Bereich der lex Aquilia Dig. 9.2.7.3 (Ulpianus 18 ad ed.): Proinde si quis alterius impulsu damnum dederit, proculus scribit neque eum qui impulit teneri, quia non occidit, neque eum qui impulsus est, quia damnum iniuria non dedit: secundum quod in factum actio erit danda in eum qui impulit. Wenn daher jemand einen Schaden zugefügt hat, weil er von jemand anderen gestoßen wurde, haftet weder der, der stieß, weil er nicht getötet hat, noch der, der gestoßen wurde, weil er den Schaden nicht widerrechtlich zufügte; daher ist gegen den, der stieß, eine auf den Sachverhalt zugeschnittene Klage zu erteilen.

Dig. 9.2.7.6 (Ulpianus 18 ad ed.) Celsus autem multum interesse dicit, occiderit an mortis causam praestiterit, ut qui mortis causam praestitit, non aquilia, sed in factum actione teneatur. unde adfert eum qui venenum pro medicamento dedit et ait causam mortis praestitisse, quemadmodum eum qui furenti gladium porrexit... Celsus sagt aber, daß es einen großen Unterschied macht, ob jemand tötet oder einen Grund für den Tod setzt, weil derjenige, der einen Grund für den Tod setzt, nicht mit der aquilischen, sondern mit einer auf den Sachverhalt zugeschnittenen Klage haftet. Und er führt denjenigen an, der Gift anstelle eines Medikaments gibt und sagt, daß er den Grund für den Tod setzt, ebenso wie der, der einem Wahnsinnigen ein Schwert gibt…

Literaturhinweise: Elster, Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003 Kunkel/Schermaier, Römische Rechtsgeschichte, §§ 2, 5, 6 Lenel, Das Edictum Perpetuum: Ein Versuch seiner Wiederherstellung, 3. Aufl. 1927 Waldstein/Rainer, Römische Rechtsgeschichte, §§ 9, 22, 25.2, 4 und 5 Wieacker, Römische Rechtsgeschichte, Bd. I, §§ 13, 15, 19 ff., 25 ff.