Die Nutzung verwaister Werke aus rechtlicher Sicht

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 Präsentation transkript:

Die Nutzung verwaister Werke aus rechtlicher Sicht Rechtsanwalt Till Kreutzer, Hamburg Nachdem TG technische und ökonomische Aspekte beleuchtet hat, soll es im Folgenden um rechtliche Fragen des Handy-TV gehen und zwar mit dem Schwerpunkt auf dem öffentlichen Recht. Erst wenn der medienrechtliche Rahmen für mögliche Geschäftsmodelle feststeht, können Fragen des Privatrechts wie etwa der Vertragsgestaltung erörtert werden. Bei den öffentlich-rechtlichen Aspekten ist noch vieles ungeklärt, ich möchte im Folgenden vor allem einen Problemaufriss liefern

Agenda 1 Verwaiste Werke - Ein Können-Dürfen-Paradoxon 2 Wandel der Rahmenbedingungen 2 Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht 3 Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke 4 Freiwillige Maßnahmen der Urheber 5 Schlussfolgerungen

Verwaiste Werke - Ein Können-Dürfen-Paradoxon Was sind verwaiste Werke? Keine einheitliche (v.a. im deutschen Recht keine gesetzliche) Definition für verwaiste Werke oder „orphan works“ Das Problem: Werke können zwar - v.a. angesichts technischer Möglichkeiten - ohne weiteres, dürfen aber nicht genutzt werden, weil hierfür eine Zustimmung erforderlich wäre und der Rechtsinhaber unbekannt, nicht mehr existent oder nicht auffindbar ist. Eine problemorientierte Definition könnte lauten:

Verwaiste Werke - Ein Können-Dürfen-Paradoxon „Werke, die urheberrechtlich geschützt sind und nicht genutzt werden können, weil die Rechtsinhaber unbekannt oder nicht auffindbar sind bzw. kein Rechtsinhaber mehr existiert“

Verwaiste Werke - Ein Können-Dürfen-Paradoxon Gründe für die „Verwaisung“ von Werken: Autor war nie bekannt (anonyme oder pseudonyme Veröffentlichungen) Rechtsinhaber ist nicht auffindbar Rechtsinhaber (z. B. Verlag) existiert nicht mehr Urheber ist verstorben, Erben nicht ermittelbar Rechtliche Ursachen (u.a.): Keine Registrierungspflicht im Urheberrecht (anders bei gewerblichen Schutzrechten), lange Schutzdauer

Verwaiste Werke - Ein Können-Dürfen-Paradoxon 1. „Das Können“ Früher: Möglichkeiten analoger Wiederverwendungen vorbestehender (u.a. verwaister) Werke waren stets begrenzt: V.a. hohe Produktions- und Distributionskosten hindern kommerzielle Verwertung von „special interest content“, nicht-kommerzielle Wiederveröffentlichungen sind zu teuer/aufwändig Digitaltechnik eröffnet bislang ungekanntes Potenzial bei der Zweit- und Wiederverwertung von vorbestehenden Werken („Altmaterial“) Aufgrund geringer Produktions- und Distributionskosten können digitale Zweit- und Wiederverwertungen auch bei geringen Absatzprognosen profitabel sein, nicht-kommerzielle Wiederveröffentlichungen werden so erst möglich Aufgrund vereinfachter Handhabung der erforderlichen (Digital-)Technologien, ist Wiederverwertung in neuen Geschäftsmodellen und durch neue Interessenten (Anbieter) ohne weiteres möglich

Verwaiste Werke - Ein Können-Dürfen-Paradoxon Digitalisiertes Altmaterial kann mit geringem Aufwand in mitunter hoher Qualität in neuen Werken verwendet werden Datennetze ermöglichen, das kulturelle Erbe in Online-Repositorien international bereitzustellen. Nicht nicht nur Erhaltung des Bestandes, sondern Gewähr des Zugangs und der Nutzbarkeit wird so gewährleistet Bereitstellung von Altwerken inspiriert ihrerseits neue Kreativität, kulturelle Schaffenskraft

Agenda 1 Verwaiste Werke - Ein Können-Dürfen-Paradoxon 2 Wandel der Rahmenbedingungen 2 Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht 3 Neue Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke 4 Freiwillige Maßnahmen der Urheber 5 Schlussfolgerungen

Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht 2. „Das Dürfen“ Am Beispiel des deutschen Urheberrechts

Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht Keine (Sonder-)Privilegien für die Nutzung verwaister Werke Folge: Es gelten die allgemeinen Regeln des deutschen Urheberrechts Das heißt: Jede Nutzungshandlung von (noch) geschützten Werken, die nicht durch eine Schrankenbestimmung gestattet ist, bedarf der Zustimmung des Rechtsinhabers Kann der Rechtsinhaber nicht ermittelt werden, darf das Werk nicht genutzt werden, wenn keine Schrankenbestimmung greift

Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht Nutzungen verwaister Werke aufgrund Einschränkungen der Schutzrechte möglich: Zitate Archivkopien von eigenen Werken Öffentliche Wiedergaben ohne Erwerbszweck (nicht: für Filme) Vervielfältigungen von vergriffenen Werken Ausstellungsprivileg für Werke der bildende Künste und Lichtbildwerke (gilt auch für Einzelbilder aus Filmen (soweit unmittelbar wahrnehmbar) Katalogbildfreiheit Weitergehende Nutzung erst nach Ablauf der Schutzdauer zulässig (die z.T. sehr schwer zu ermitteln ist)

Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht Aber: Existierende Schrankenbestimmungen ermöglichen keine (Wieder-)Verwertung von verwaisten Werken im eigentlichen Sinne, sind für diesen Zweck weder bestimmt noch geeignet Schrankenbestimmungen erlauben nur sehr punktuelle Nutzung, nahezu ausnahmslos nur zu nicht-kommerziellen, internen Zwecken Beispiel: Erhalt archivierter Werke aus eigenem Besitz ist durch Schrankenbestimmungen gestattet (§ 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG; Art. 5 Abs. 2 (c) Info-Soc-Richtlinie) Aber: Was nützen Archive, deren Inhalte nicht genutzt werden dürfen? Schrankenregelungen, die eine generelle, ungehinderte (Wieder-)Veröffentlichung erlauben, sind nicht vorgesehen

Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht Folgen des geltenden deutschen Rechts für verwaiste Werke Entweder: Nutzungen unterbleiben, obwohl sie aus Sicht des Nutzers (und im Zweifel der Allgemeinheit) wünschenswert sind und sie den Interessen des Rechtsinhabers nicht entgegenstehen; oder: Urheberrechtliche Vorgaben werden missachtet - Risiko der Rechtsverfolgung wird hingenommen. Es drohen Unterlassungs-, Schadensersatz-, Vernichtungsansprüche mit u.U. gravierenden Konsequenzen (Bsp: Nutzung eines „verwaisten Fotos“ in einem 10.000 weitere Fotos enthaltenden Bildband) Beide Folgen sind negativ: Erstgenannte widerspricht Interessen von Rechtsinhabern, Nutzern und Allgemeinheit, Zweitgenannte untergräbt die Rechtsordnung und widerspricht der Schutzfunktion des Urheberrechts

Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht Die Bedeutung: Welche Rolle spielen verwaiste Werke? Belastbare, empirisch belegte Zahlen liegen bislang nicht vor (mangels allgemeingültiger Definition von „verwaisten Werken“ schwierig) Nach Schätzungen der British Library sind nach 50 Jahren 40 - 50 % aller existierenden Werke verwaist Nach Schätzung des Chairman der britischen „Museum Copyright Group“ sind 90% der Urheber aller in der Sammlung britischer Museen enthaltener - nicht hochkünstlerischer - Fotografien (ca. 19 Mill.) unbekannt (Gowers Report 2006) Die meisten verwaisten Werke haben im Zweifel keine ökonomische, dafür aber historische, kulturelle oder wissenschaftliche Bedeutung. Wiederveröffentlichung durch Rechteverwerter daher unwahrscheinlich, erfolgt sie durch einen Dritten, entsteht kein wirtschaftlicher Schaden

Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht Schlussfolgerung Um das Potenzial der Unmengen verwaister Werke nutzen zu können, sind Maßnahmen dringend geboten Ein Recht, das das Problem der verwaisten Werken nicht behandelt, erscheint dysfunktional, da es im Regelfall den Interessen aller Betroffenen widerspricht

Agenda 1 Verwaiste Werke - Ein Können-Dürfen-Paradoxon 2 Wandel der Rahmenbedingungen 2 Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht 3 Neue Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke 4 Freiwillige Maßnahmen der Urheber 5 Schlussfolgerungen

Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke Der deutsche Gesetzgeber hat sich dem Problem bislang nicht angenommen Auf Anregungen für den Zweiten Korb des „Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ wurde nicht reagiert Das Gesetzgebungsverfahren war bereits weit fortgeschritten (Bundestag - Rechtsausschuss). Zu spät für die Aufnahme eines bislang nicht beachteten Aspekts Möglicher nächster Anlauf: „Dritter Korb“, also weitere Urheberrechtsnovelle, mit der u.U. nach In-Kraft-Treten des Zweiten Korbes begonnen werden soll

Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke Lösungsansätze stehen in einem politisch brisanten Spannungsfeld Sie müssen (v.a. um politisch durchsetzbar zu sein): Die (berechtigten) Interessen der Rechtsinhaber angemessen berücksichtigen, mit den überkommenden Grundprinzipien des Urheberrechts vereinbar sein, überbordenden, dysfunktionalen Urheberrechtsschutz vermeiden und gesamtgesellschaftliche Interessen an Erhalt und Nutzbarkeit des kulturellen Erbes einbeziehen

Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke Beispiel für Regelungsansätze im Ausland: Kanada (Section 77 Canadian Copyright Act) Das Copyright Board of Canada kann auf Antrag eine nicht-exklusive Lizenz zur Nutzung von veröffentlichten Werken und/oder geschützten Leistungen (z.B. Tonaufnahmen, Sendungen) erteilen, wenn: Der Antragsteller nachweisen kann, „angemessene Bemühungen“ („reasonable efforts“) angestellt zu haben, den Rechtsinhaber ausfindig zu machen, und der Rechtsinhaber nach Auffassung des Boards nicht mit angemessenem Aufwand ermittelt werden kann. Das Copyright Board kann die Lizenz nach eigenem Ermessen definieren (z.B. zeitlich begrenzen, Lizenzgebühren festsetzen oder auf einzelne Nutzungsarten beschränken) Lizenz ist auf Nutzung in Kanada begrenzt

Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke USA - Vorschlag für einen „Orphan Works Act of 2006“ (noch nicht verabschiedet) Gegenstand: Rechtsfolgen (widerrechtlicher) Nutzung von verwaisten Werken sollen eingeschränkt werden Voraussetzungen von Sec. 514 US Copyright Act (neu): 1) Rechtsinhaber nicht auffindbar Urheber können nicht ermittelt werden, sind nicht bei der Copyright Office gemeldet oder verstorben und Erben können nicht ermittelt werden oder Der Rechtsinhaber existiert nicht mehr, es gibt keine Rechtsnachfolger oder Die Urheber/Rechtsinhaber können nicht identifiziert werden (anonyme Werke, keine ©- Informationen 2) Der Nutzer hat vor der Nutzung (im Gesetz definierte) angemessene Maßnahmen zur Ermittlung ergriffen und dokumentiert 3) Der Urheber/Rechtsinhaber wird - soweit identifizierbar - bei Nutzungen genannt

Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke Rechtsfolge: Es bestehen keine Verletzungsansprüche (Schadensersatz, Unterlassung etc.), sondern „nur“ Ansprüche auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr Keine Vergütungsansprüche bei Nutzung zu rein wohltätigen, sozialen, religiösen oder Lehr- und Forschungszwecken Wesentlicher Unterschied zu Kanada: Nutzung ist ohne weitere Genehmigung zulässig. Nutzer trägt das Risiko, einem Rechtsirrtum zu unterliegen

Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke Europäische Initiativen Im Rahmen der Initiative „i2010: Digital Libraries“ nimmt die EU-Kommission im August 2006 eine Empfehlung gegenüber den Mitgliedsstaaten an, „Mechanismen zu entwickeln, die die Nutzung von verwaisten Werken erleichtern und Verzeichnisse mit bekannten verwaisten und gemeinfreien Werken bereitzustellen“ Der Europarat schließt sich dem an und empfiehlt den Mitgliedsstaaten und der Kommission Maßnahmen zu ergreifen/vorzuschlagen, um die Digitalisierung von bzw. den Online-Zugang zu verwaisten Werken zu erleichtern Zeitrahmen Ende 2008-2009 Die Kommission setzt eine „High Level Expert Group on Digital Libraries“ mit einer Copyright Subgroup ein

Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke Im Oktober 2006 und April 2007 fasst die Subgroup Beschlüsse zu allgemeinen (nicht konkreten) Empfehlungen für komplementäre Maßnahmen: Außergesetzliche Maßnahmen („Soft Law“) sollen die Rechtssicherheit erhöhen und verhindern, dass sich das Problem verschärft. Beispiele: Datenbanken mit Informationen über verwaiste Werke; verbesserte Methoden zur Implementierung von Rights Management Informationen und zum kollektiven Rechtemanagement (Einzel-)Staatliche Maßnahmen, die die folgenden Kernprinzipien erfüllen sollen: Erfassen alle Arten von verwaisten Werken nach einer allgemeinen Definition; gewähren Unterstützung und Informationen für die Suche nach den Rechtsinhabern; räumen dem Rechtsinhaber die Möglichkeit ein, die Nutzung zu unterbinden; enthalten (angepasste) Regelungen für kommerzielle und nicht-kommerzielle Nutzungen; sehen Vergütungen für den Fall vor, dass der Rechtsinhaber sich meldet; Sind mit den Maßnahmen der anderen Staaten kompatibel.

Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke Im Auftrag der Kommission verfasstes Gutachten „The recasting of copyright & related rights for the knowledge economy“ schlägt Lösungen für „orphan works“ vor Verschiedene gesetzliche und außergesetzliche Vorschläge: Errichtung öffentlicher Einrichtungen, die spezifische Nutzungslizenzen für verwaiste Werke vergeben können (ähnlich der kanadischen Lösung) Vergütungen werden (bei einem Treuhänder oder einer Verwertungsgesellschaft) hinterlegt und können vom Rechtsinhaber abgerufen werden Rechte-Management-Informationen für neue Werke müssen in einer zentralen Datenbank hinterlegt werden (Änderung von Art. 7 der Info-Soc-Richtlinie) Kanadisches Modell „seems highly appropriate“

Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke Im Auftrag der britischen Regierung verfasster „Gowers Review on Intellectual Property“ empfiehlt eine europäische Regelung „Selbst in der creative industry verbreitet sich die Auffassung, dass eine Lösung des Problems verwaister Werke für alle vorteilhaft ist“ Verweist auf einen Regelungsvorschlag des British Screen Advisory Counsil (BSAC) aus 2006: Einführung einer Schrankenbestimmung mit Vergütungspflicht Werke dürfen per Gesetz genutzt werden, wenn Rechtsinhaber nach einer - speziell definierten - Suche nicht ausfindig gemacht werden konnten. Richtlinien für eine „reasonable search“ sollen erarbeitet werden Anwendbar für alle Werkarten, veröffentlichte und unveröffentlichte Werke, kommerzielle und nicht-kommerzielle Nutzung Meldet sich ein Rechtsinhaber muss eine Vergütung gezahlt werden, die von einer öffentlichen Instanz (Copyright Tribunal) festgesetzt wird Gesetzliche Nutzungsbefugnis endet, wenn der Rechtsinhaber sich meldet

Agenda 1 Verwaiste Werke - Ein Können-Dürfen-Paradoxon 2 Wandel der Rahmenbedingungen 2 Nutzung verwaister Werke nach geltendem Recht 3 Neue Lösungsansätze für die Nutzung verwaister Werke 4 Freiwillige Maßnahmen der Urheber 5 Schlussfolgerungen

Freiwillige Maßnahmen der Urheber Zudem können vielerlei außergesetzliche (freiwillige) Lösungen von den Urhebern selbst ergriffen werden, um die Verwaisung von Werken zu verhindern Registrierungen in Datenbanken, Einfügung von Metadaten/Rights Management Informationen Verzicht auf DRM (verhindert Wiederverwertung von Werken!) Veröffentlichung unter Open-Content-Lizenzen Veröffentlichung nach den Prinzipien des Open Access Vorteil an den letztgenannten Lösungen: Es werden allgemein gültige, automatisch zustande kommende Nutzungslizenzen erteilt. Wer oder wo der Rechtsinhaber ist, spielt für die Möglichkeit der Nutzung keine Rolle mehr (nur - im eigenen Interesse des Urhebers - für die Namensnennung)

Schlussfolgerungen Eine Nutzbarkeit verwaister Werke dient im Regelfall den Interessen der Allgemeinheit und widerspricht nicht den Interessen der Rechtsinhaber Digitale Technologien ermöglichen eine effektive und kostengünstige Sicherung und Verfügbarmachung des „kulturellen Erbes“ Das Urheberrecht setzt dem bislang enge Grenzen Gesetzliche Maßnahmen sollten neben außergesetzlichen, v.a. technischen und vertraglichen, Lösungen ergriffen werden Politische Diskussion ist auf europäischer Ebene und z.T. im Ausland fortgeschritten, in Deutschland noch nicht einmal begonnen worden. Hierfür sollte der „Dritte Korb“ genutzt werden Verschiedene Modelle wurden entwickelt und sollten weiter untersucht werden

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!