Berufskranke und andere Opfer der Arbeit In Zukunft entschädigungslos? Dr. Angela Vogel, abekra e.V. 2007
GUV II Der geplante Zustand
Vorschläge der Bund-Länder-Kommission: Eckpunkte zur Novellierung des SGB VII
Einzelne Revisionspunkte: Organisation, Struktur, Funktion und Status Haftungsablösung eingeschränkt Gesetzliche Pflichtversicherung nur noch zum Teil Abkehr vom bisherigen MdE-Prinzip Leistungsbeginn ab Antrag Entschädigungsmodifikationen und -kürzungen Leistungsende ab Altersrente GUV-Beitragszahlungen an die GRV Sperrklausel Neudefinition Berufskrankheiten
Die gute Nachricht zuerst: Der Vertrauensschutz bleibt gewahrt. Es wird keine Rückwirkung geben
´Altfälle´ 1. Alle bisherigen Leistungen und laufenden Verfahren bleiben von der Novellierung unberührt 2. Es wird vorgeschlagen, einen sog. Altlastenfond zu gründen und die Ansprüche vergangener Tage daraus zu finanzieren
Kausalitätsprinzip - Beweislastverteilung Am bisherigen Kausalitätsprinzip und der Beweislastverteilung wird fest gehalten – zum Nachteil der VersicherungsnehmerInnen und trotz mangelnder juristischer Logik Kausalitätsprinzip - Beweislastverteilung
Kapitel 1 Neustrukturierung der UVT
Straffung I Fusionierung der gewerblichen Berufsgenossenschaften zu höchstens 6 Trägern Fusionierung der öffentlichen Unfallversicherungsträger zu höchstens einem landesunmittelbarem Träger Neuorganisation der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu einem späteren Zeitpunkt
Straffung II Schaffung einer Spitzenkörperschaft der Unfallversicherungsträger mit Selbstverwaltung und verbindlicher Entscheidungskompetenz zum 1.1.2008, in denen der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Bundesverband der Unfallkassen aufgeht. Prüfauftrag an den Bund und die Länder, ob es sachgerecht ist, die Aufgaben der Dienstunfallfürsorge für Beamte auf die öffentlichen Unfallversicherungsträger zu übertragen.
Weitere Details a-d Benchmarking Selbstverwaltungsorgane erheblich reduzieren Fachausschüsse für Spezialfragen bilden Gemeinsame Arbeitsschutzstrategie UVT/BReg entwickeln
Deren Weisungen sind verbindlich ...Details e-g Neue Spitzenkörperschaften der Industrie und des Staates für Grundsatz- und Querschnittsaufgaben Deren Weisungen sind verbindlich Sie sollen den Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitswettbewerb unter den UVT organisieren
Stimmrechte Verbindliche Beschlüsse sind mit einer Mehrheit von zwei Dritteln grundsätzlich in der Vertreterversammlung und im Vorstand zu treffen Davon ausgenommen sind Entscheidungen über die Auslegung von Rechtsfragen (u.a.)
- Dieses UVT-Organisations- und Befugnismodell ist zentralistisch konzipiert - Es kopiert die rechtlich bereits verankerte Struktur der GRV-Organisation - geltend ab 2011
Amtsstatus der Spitzenverbände Die ihnen übertragenen Aufgaben, Vertretungs- und Weisungsbefugnisse macht sie zu quasi-Bundesbehörden, die demokratisch nicht kontrolliert werden können. Die Unternehmen erhalten damit via UVT noch mehr Staatsbefugnisse und damit Machtzuwachs – ein nicht nur wegen der chemischen Vergiftung von Land und Leuten ein kontraproduktives politisches Signal.
Das sind von 2010 bis 2014 voraussichtlich ca. 250 Mio. Euro Einsparziel in den ersten fünf Jahren nach der Neuorganisation sollen die Verwaltungs- und Verfahrenskosten um 20% des Etats von 2008 sinken Das sind von 2010 bis 2014 voraussichtlich ca. 250 Mio. Euro
Kapitel 2 Haftungsablösung
Die Haftung der Arbeitgeber und der Beschäftigten für Personenschäden soll unverändert ausgeschlossen bleiben 2. Die UVT übernehmen das Haftungsrisiko 3. Ausgenommen sind weiterhin Vorsatztaten und Wegeunfälle
Neu ist: 4. „Der Vorsatz muss die rechtswidrige Handlung umfassen, nicht aber zusätzlich auch noch den Verletzungsumfang. Damit soll auch in der GUV künftig wieder der zivilrechtliche Maßstab beim Vorsatz Anwendung finden.“ Das heißt: Grobe Fahrlässigkeit von Arbeitgebern z.B. bei der Beachtung von Arbeitsschutzbestimmungen sind zukünftig ein Grund dafür, dass die Haftung von der GUV nicht abgelöst (übernommen) werden kann und der Arbeitgeber selbst haften muss (eine Art von Gefährdungshaftung).
Kapitel 3: Pflichtversicherung
Versicherte kraft Satzung von Versicherungspflicht befreit „Die Pflichtversicherung der Unternehmer kraft Satzung der Berufsgenossenschaft wird in die freiwillige Unternehmerversicherung überführt.“
Begründung: „Die heutige Pflichtversicherung kraft Satzung führt zu Unverständnis, wenn die Satzung nicht zugleich ein Austrittsrecht vorsieht. Die Überführung in die freiwillige Versicherung löst das Problem
Kapitel 4-6 Leistungen/Entschädigungen
„Zielführung bei Leistungen“ GUV-Entschädigung in spe differenziert zwischen I. Einkommensverlust-Ausgleich II. Gesundheitsschadensausgleich
Die wesentlichste Änderung dabei ist: 1. neuer Begriff von MdE und 2 Die wesentlichste Änderung dabei ist: 1. neuer Begriff von MdE und 2. neue Berechnungsweise
Beträgt die MdE beim Verdienstschadensausgleich zwischen 10 und 49%, zahlt die GUV nur noch eine einmalige Abfindung
1. MdE = GdB Der Begriff der MdE soll in Zukunft der Begrifflichkeit im sozialen Entschädigungsrecht entsprechen – GdB - und Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur im Erwerbsleben berücksichtigen.
Das Modell der abstrakten Schadensberechnung wird scheinbar aufgegeben
2. Veränderter Berechnungsmodus
In Zukunft: I. Ausgleich des konkreten Erwerbsschadens (kE) - oder?
Wie folgt berechnet: „Nettoausgleich auf der Grundlage von 60% des tatsächlichen Brutto-Einkommensverlustes“ aber
I. Lfd. mtl. Lohnersatzleistung (=Rente (eK)) nur noch ab 50% Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
Achtung Bemessungsweise: Das vor dem Unfall erzielte Einkommen wird mit dem unfallbedingt erzielbaren Einkommen verglichen. Geringfügige Einkommensverluste bleiben unberücksichtigt
Begriffs-Trick Der UVT bestimmt – oder lässt bestimmen – welches Einkommen erzielbar gewesen wäre bzw. sei
Konsequenz: Der Haftpflichtversicherer legt fest, welchen Differenzbetrag er bei der Berechnung zu Grunde legen will bzw. legt
Betrug (=Denkfehler?) schon im Entwurf: Was sich als konkreter Erwerbsschadensausgleich ausgibt, ist eine neue Form der Abstraktion – einer Abstraktion, die eine Verdienst-Hypothese zur Tatsache erklärt
Der Willkür der Verwaltung und ihrer sog Der Willkür der Verwaltung und ihrer sog. Sachverständigen preisgegeben, denn: Es kann immer behauptet werden, der Geschädigte strenge sich nicht genügend an, sei nicht mobil genug und zu wenig anpassungsfähig, d.h. unterwürfig
Juristisch unsittlich Derartige Behauptungen kann ein geschädigter Versicherer nicht widerlegen. Es kann ihn nur das Kunststück gelingen, das Erwerbseinkommen trotz seiner Schädigung zu erzielen, was die BG für erzielbar gehalten hat.
Was das für die Berechnung der GUV-Entschädigung heißt, mag folgendes – fiktives – Beispiel verdeutlichen:
Berechnungs-Beispiel Differenz zwischen erzieltem und erzielbarem Einkommen = 400 Euro Brutto Das ist Netto ca. (40% Abzüge) = 240 Euro Davon 60% = 24 mal 6 = 144 Euro Davon 50% MdE = 72 Euro
In Zukunft: II. Gesundheitsschadensausgleich Folgende Modalitäten:
Abfindungen a) 1 – 29% MdE werden nicht entschädigt b) Personen unter 25 Jahren erhalten bei einer MdE von 30% 12.000 Euro
Abfindungshöhen c) 30% MdE über 60 Jahre 6 Abfindungshöhen c) 30% MdE über 60 Jahre 6.000 Euro d) 40% MdE unter 25 Jahre 24.000 Euro
Spiel mit Hoffnungen: Mitarbeiter des BMAS sagten dem Ltd Spiel mit Hoffnungen: Mitarbeiter des BMAS sagten dem Ltd. Hessischen Landesgewerbearzt, diese zukünftigen MdE(GdB)-Sätze könnten bei gleichen Krankheiten ca. 5% (aufgerundet 10%) über der jetzigen MdE liegen. – Na dann.
Gesundheitsschadensausgleich ff. mtl Gesundheitsschadensausgleich ff. mtl. Festrenten ab einer MdE von 50% je nach konkretem Schaden in unterschiedlicher Höhe (Knochentaxe) - siehe dazu folgende Tabelle mit Einzelfallbeispielen der Bund-Länder-Kommission:
Liste Rentenzahlungen für Gesundheitsschäden ab 50% MdE MdE % Beeinträchtigung (Beispiele) Mtl. Zahlbetrag 100 % Vollständige Querschnittslähmung 925 Euro 90 % Verlust der Sehfähigkeit auf einem Auge u. Sehschärfe auf dem zweiten Auge 0,1 725 Euro 80 % Verlust beider Beine im Unterschenkel 550 Euro 70 % Verlust eines Beines im Oberschenkel 400 Euro 60 % mittlere Nierenfunktionseinschränkung 275 Euro 50 % Stimmbandlähmung mit Stimmlosigkeit 175 Euro 40 % Stimmbandlähmung mit Flüsterstimme Abfindung 30 % Chronische Hepatitis mit geringer entzündlicher Aktivität Abfindung
Das Arbeitsplatzrisiko übernehmen die UVT nicht
Die gesamte Lebensführung ist beeinträchtigt. Hinweis für Gutachter Neu wäre: Die gesamte Lebensführung ist beeinträchtigt. Es muss sich um keine vorübergehenden, sondern chronische Schäden handeln. „Die Feststellung darüber wird nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahmen getroffen. Der Gesundheitsschadensausgleich wird einkommensunabhängig und bundeseinheitlich geregelt. .
Entschädigungsleistungen 2004 7.561.499.683 Euro zahlten die gewerblichen UVT (Berufsgenossenschaften) 2004 insgesamt an geschädigte Versicherte bzw. Hinterbliebene das sind 49 Mio. Euro bzw. 0,6 % weniger als 2003. Dabei entfallen 2,296 Mrd. Euro auf Heilbehandlung, 256 Mio. E auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und 4,993 Mrd. auf Renten, Beihilfen und Abfindungen.
MdE-Verteilung unter den Versicherten Davon haben eine MdE-Höhe 642.067 RentnerInnen 10-45% MdE (darunter 452.061 RentnerInnen in Höhe von 10-25%, d.s. mehr als 70% aller RentnerInnen) 72.950 RentnerInnen 50-100% MdE (d.s. 11,36% aller RentnerInnen)
GUV-Spar-Berechnungsversuch I Durchschnittseinkommen jährlich ca. 22.000 Davon 2/3 wäre Vollrente ca. = 15.400 Davon MdE 20% 3.080 3.080 Euro durchschnittliche Jahresrente bezogen 452.061 GUV-RentnerInnen 2004 452.061 mal 3.080 macht 13.923.478 Euro minus Einzahlungen an die GRV ca 50 E mtl. = 27.123.660 Euro, blieben 13.200.182 Euro Einsparung
GUV-Einsparberechnungsversuch II Nehmen wir an, dass sämtliche geschädigten Rentenbezieher das normale Altersrentenalter erreichen - Nehmen wir weiter an, dass 2/3 der GUV-RentnerInnen derzeit unter 65 Jahre alt sind - Nehmen wir an, der Durchschnitt der GUV-Rente sei 7.333 Euro jährlich, dann ergäbe sich eine geschätzte GUV - Einsparsumme von 476.678 mal 7.333 = 34.954.797 Euro jährlich durch Entschädigungsende ab Pensionierung
Grob geschätzte Teileinspar-Summe 48. 878.275 Euro für ein Jahr auf der Zahlenbasis von 2004 Darin nicht enthalten sind die Einsparungen durch veränderten Leistungsbeginn etcpp., aber auch etliche Mehrausgaben
Kapitel 5 Beginn des Leistungsfall
Ab Antragsstellung Bisher galt, der Leistungsfall trat mit der Erstdokumentation der Schadens-Chronifizierung ein. Künftig soll der Leistungsfall nur noch ab Antragsstellung gegeben sein. Die Geschädigten gehen also für die Zeit zwischen erstmaliger Diagnose/Schadenseintritt und Antragsstellung – unverschuldet – leer aus.
Ende des Leistungsfalls Kapitel 7 Ende des Leistungsfalls
Renten-Befristung Die derzeit bis zum Tod gezahlte GUV-Rente – sofern sie durch MdE-Minderung nicht vorher gekappt wird – soll mit Erreichen der Altersgrenze enden.
rechtsfragwürdig f. Was hat das Erreichen der Altersgrenze eines GUV-Geschützten mit Zahlungen aus der GUV-Haftung für dessen Körperschäden zu tun?
rechtsfragwürdig ff. - Die Beeinträchtigungen im gesamten Leben verschwinden nicht mit Eintritt in das Rentenalter. Warum also sollen die GUV-Entschädigungszahlungen dafür dann enden?
Kapitel 8 Zum "Ausgleich unfallbedingter Versorgungslücken in der Alterssicherung" sollen künftig Beiträge "an die gesetzliche Rentenversicherung" gezahlt werden.
Der Betrug mit den angeblichen GRV-Beiträgen der GUV Aber: Die BGen errechnen den mtl. GRV-Beitrag aus der Differenz zwischen dem vorher erzielten und dem nachher erzielbaren Einkommen
Beispiel 1 Angenommen eine Fabrikarbeiterin verdiente in einem Volljob 1.400 Euro mtl.; nach ihrem Arbeitsunfall verbleiben ihr chronische Gesundheitsschäden, die mit einer MdE von 20% bewertet werden. Danach findet sie einen Job als Bürohilfe in sitzender Tätigkeit. Sie verdient mit 7,50 Euro brutto die Stunde noch 1.200 Euro brutto. Von zu Grunde zu legenden 400 Euro Differenz ergibt sich also ein Betrag von 80 Euro GRV-Beitrag.
Beispiel 2 Ein zunächst weiter arbeitender und später entlassener Lärmschwerhöriger ist für die BG ein Nullsummenspiel. Sie muss keine Beiträge an die GRV abführen. Wird der Mann später entlassen, weil weitere Rationalisierungen anstehen und für ihn nur ein Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung stünde, an dem er hören können muss (z.B. Maschinenbedienung mit lautlichen Signalgebungen oder ständigem elektronisch-medialem Verständigungszwang) muss er nachweisen, dass er wegen seiner Schwerhörigkeit gekündigt wurde und nicht, weil, wie die BG sagt, die Weiterbildung fehlte, um eine solche Aufgabe bewältigen zu können; er also sowieso gekündigt worden wäre.
Fazit GUV - GRV-Beitragszahlungen: Die künftigen Beitragszahlungen an die GRV sind ein Propagandatrick, weil die UVT das für Geschädigte erhöhte Arbeitsmarktrisiko nicht tragen und befugt sein sollen, das erzielbare und nicht das faktisch erzielte Einkommen eines Geschädigten zur Grundlage ihrer Berechnungen zu machen.
Gummihosen für Sozialrichter Kapitel 9 Gummihosen für Sozialrichter
Novellierung des Sozialgerichtsgesetz Der Bundesrat hat dem Bundestag im Herbst 2006 den Entwurf eines neuen Sozialgerichtsgesetzes vorgelegt
Die wichtigsten Neu-SGG-Einschränkungen wären: Rechtsanwaltszwang für Berufungen Verkürzung des Rechtsweges und Entzug von Rechtschutz durch Einschränkung von Berufungsmöglichkeiten Beschleunigung durch u.a.Verkürzung von Anhörungs- und Äußerungsfristen Kein Parteiengutachten nach § 109 des derzeit geltenden SGG mehr