Grundlagen der Aggressionspsychologie – Zusammenfassung SS2004

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Internet und Computer Based Training –
Advertisements

Psychologie des Lernens
Sozialpsychologie = Beschreibt die Art, wie Menschen soziale Realität konstruieren, wie sich Einstellungen und Vorurteile bilden und verändert werden.
Pro-Skills-Hintergrundphilosophie
Erwerb von sozialer Kompetenz
Kosten und Konsequenzen der Emotionsregulation
ELDiB Entwicklungstherapeutischer/ entwicklungspädagogischer Lernziel-
Eigenschaftstheorien der Motivation Christina Walther.
"Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss" – Über (schulische) Erziehung Referenten: Björn Anton: Andy Caspar Michael.
Wirkungen von Mediengewalt
Was ist ein kognitives System?
Förderung emotionale und sozialer Kompetenzen
Raumbezogene Identität Virtuelle Denk- und Handlungsräume
III. Themen der Sozialpsychologie (2): Emotionen und Stimmungen
Theorien der Aggression Teil III
Modellierungsmethoden in der Verhaltenstherapie
Modellwirkung von Medien
Altruismus, Prosoziales Verhalten
Grundkonzepte der Bindungstheorie
Private Events Beobacht- bare Umwelt- bedin- gungen (Stimuli) Beobacht- bares Verhalten Das behavioristische Paradigma.
Vorlesung: Motivation und Emotion
Was ist eigentlich Psychologie????
Entwicklungspsychologie für Lehrer
Bindung und Verlust im Kindesalter
Elternabend der Kindertagesstätten in der Samtgemeinde Brome
Einführung in die Psychologie der Aggression
Psychologische Hintergründe von Machtmissbrauch
Gewalt & Aggression Gewalt und Aggression: Definition, Ursachen, Intervention und Prävention Steffi, Rabea, Lea.
Der Spracherwerb des Kindes
Modelllernen Der Werther-Effekt.
THE NEUROPHYSIOLOGY OF IMITATION AND INTERSUBJECTIVITY
Ostracism Seminar: „Sozialpsychologie der Inklusion und Exklusion“
Zur Psychologie der Emotionen IV
Mobbing mit neuen Medien Fakultät für Psychologie
Förderung sozialer Kompetenz und Prävention aggressiven Verhaltens:
Emotion Ein komplexes muster körperlicher und mentaler Veränderungen als antwort auf eine Situation, die als persönlich bedeutsam wahrgenommen wurde Erregung.
3. Aggression im Sport.
(„Aktueller Vortrag“)
Übersicht Grenzen traditioneller Erklärungen Erwartungen
Motivation Motivation begünstigt die Erreichung hochgesteckter Ziele, da motivierte Mitarbeiter sich zielstrebig, initiativ und ausdauernd verhalten. Ist.
Psychotherapie bei MS P. Calabrese.
Mobbing auf Ferienfreizeiten
Die Zielsetzung der Psychotherapie
Elternwerkstatt 2. Abend
Abweichendes Verhalten- Bullying
Vienna Conference on Consciousness Teil I "Was ist die neuronale Grundlage des Bewußtseins? Wo ist es im Gehirn?" Beitrag von Michael L. Berger (Center.
Verhaltenslernen Lernen durch Erfahrung Klassische Konditionierung
Gewalt an Schulen Teil 2.
Lerntheorie Lernen und Didaktik.
Es gibt nichts Gutes außer man tut es!
Lernen Was? Wie?.
Individuelle Unterschiede bei Aggressionen
Lerntheorie - Inhaltsübersicht
Sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura
Frustration & Aggression
Grundlagen des instrumentellen Lernens
Bestrafung und Löschung
Sozialpsychologie & Verhaltenstherapie
Die Grundlagen des instrumentellen Lernens
Theoretischen und Empirischen Vertiefung im Fach Sozialpsychologie!
Hausaufgabe 1 Was ist Sozialpsychologie und wie unterscheidet sie sich von anderen, verwandten Disziplinen? Einführung
____________ Andreas Maron Konzepte & Training
Vorgang zur Gesundheitsförderung in der Praxis
Lernen (3) Beobachtungslernen
Sprachen lernen und erwerben: erste Begriffe und Unterscheidungen Dörthe Uphoff FLM 0640 – Februar.
DGB 47 Fremdsprachenlernen Fremdspracherwerb
Förderung sozialer Kompetenz und Prävention aggressiven Verhaltens:
Die sozial- kognitive Lerntheorie nach Albert Bandura
Von der Scham zur Selbstachtung
Verhaltensweisen des Menschen… angeboren oder erlernt?
 Präsentation transkript:

Grundlagen der Aggressionspsychologie – Zusammenfassung SS2004 Dipl.-Psych. Tobias Hayer Grundlagen der Aggressionspsychologie – Zusammenfassung SS2004 Universität Bremen Institut für Psychologie & Kognitionsforschung

Aggression = aggression (engl.); aggredior/aggredi (lat.) Aggression – Der Versuch einer Definition   Aggression = aggression (engl.); aggredior/aggredi (lat.) herangehen, auf jemanden oder etwas zugehen (I) Verhalten mit Schädigungsabsicht (Absicht/Gerichtetheit) (II) Verhalten wird vom Opfer als verletzend empfunden (Schaden) (III) Normabweichung verschiedene Erscheinungsformen (Verhaltensebene) (B) aggressionsaffine Emotionen (emotionale Ebene) (C) bestimmte Einstellungen oder Absichten (motivationale Ebene)   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Aggression, Aggressivität, Gewalt, Mobbing, Bullying, Viktimisierung Aggression, Aggressivität, Gewalt, Mobbing, Bullying, Viktimisierung..........Begriffswirrwarr!   Aggressivität = Persönlichkeitsdimension „jemand ist aggressiv“ (Form, Intensität, Häufigkeit, Kontext,...) relativ überdauernde Persönlichkeitseigenschaft individuelle Ausprägung des Merkmals „Aggressionsbereitschaft“ Gewalt = strukturell vs. personale personale Gewalt meint erhebliche, direkte, böswillige Destruktionen zwischen Individuen   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

affektiv/emotional (unkontrolliert, ungeplant, impulsiv) oder Erscheinungsformen aggressives Verhaltens: Motivationale und verhaltensorientierte Taxonomien   reaktiv (als Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung) oder aktiv (zielgerichtet ausgeführt, um etwas Bestimmtes zu erreichen) affektiv/emotional (unkontrolliert, ungeplant, impulsiv) oder räuberisch/instrumentell (kontrolliert, zielorientiert, geplant) physisch (wie z.B. Treten, Schubsen, Schlagen, Würgen, Kratzen, Beißen, ....) oder verbal (wie z.B. Beschimpfen, Bedrohen, Spotten, Hetzen, ... oder beziehungsbezogen ( wie z.B. Gerüchte verbreiten, jemanden Ausgrenzen, jemanden Schlechtmachen, ...)   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Zur Erklärung aggressives Verhaltens: Ein integratives Modell 2   Inputs: personale Faktoren z.B. genetische Prädisposition, Einstellungen, Eigenschaften, Geschlecht Inputs: Situationsbedingungen z.B. anwesende Personen, Schlüsselreize, Provokationen, Drogen, Lärm, Hitze, Dichte, Schmerzen, bestimmte Anreize Routes: Informationsverarbeitung/aktuelle innere Prozesse z.B. selektive Wahrnehmnung, Gedanken, Gefühle Outcomes: Entscheidungsprozesse und Handeln z.B. geplantes Vorgehen, impulsives Handeln soziale Interaktion z.B. Reaktion des Umfeldes, Effektivität des Handelns, Entwicklung von Skripts (Ereignis-Schemata)   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Fokus: Person („An“-Trieb) Zur Erklärung aggressives Verhaltens: Psychodynamische/ethologische Ansätze   Fokus: Person („An“-Trieb) Freud: dualistische Triebtheorie (Thanatos, Eros) aggressives Verhalten ist natürlicher Bestandteil menschlichen Handelns = im Thanatos liegt eine ständig treibende Kraft, die Spannung erzeugt und die abgebaut werden muss; Lenkung nach außen und Verwandlung in sozial und kulturell akzeptable Bahnen  (biologische) Energieressourcen – bei stetiger Ansammlung ist destruktives Verhalten unumgänglich (Katharsis-Hypothese) Lorenz: Instinkttheorie Existenz angeborener Instinkte, u.a. der Aggression Aggression = angeborener Instinkt mit arterhaltender Funktion = auf den Artgenossen gerichteter Kampftrieb   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Fokus: Situation (außen; reaktiver Ansatz) Dollard et al. (1939): Zur Erklärung aggressives Verhaltens: Die Frustrations-Aggressions-Hypothese   Fokus: Situation (außen; reaktiver Ansatz) Dollard et al. (1939): Aggression ist die Folge von Frustration, d.h. von Behinderungen zielgerichteter Aktivitäten oder von Verhinderungen des Eintretens von Zielzuständen Aggression ist in jedem Fall die Folge von einer Frustration Frustration führt immer zu irgendeiner Form der Aggression Berkowitz (1962, 1989, 1993): Erweiterung der Frustrations-Aggressions-Hypothese um folgende Zwischenvariablen (a) „negativer Affekt“ (Ärger) als Antriebskomponente (b) auslösende Hinweisreize (richtungsgebende Komponente) spiegeln die Angemessenheit aggressiven Verhaltens wider   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Dipl.-Psych. Tobias Hayer Zur Erklärung aggressives Verhaltens: Die lerntheoretische Perspektive – operantes Konditionieren   Fokus: Umwelt (außen) aggressives Verhalten wird - wie jede andere Verhaltensweise auch –erlernt („Lernen am Effekt“) positive Verstärkung = Reiz, der zu einer Situation hinzukommt und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Reaktion unter ähnlichen Umständen erhöht (dem Verhalten folgt ein positives Ereignis: z.B. kann das Ausüben von Aggression zu attraktiven Ressourcen, Bewunderung oder einer Selbstwerterhöhung führen; Stimulierung) negative Verstärkung = Reiz, der, wenn er aus einer Situation entfernt wird, die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens jener Reaktion erhöht (dem Verhalten folgt das Verschwinden eines aversiven Reizes; Beispiele: Beantwortung verbaler Aggression mit physischer Gewalt; angstmotivierte Aggression; aggressives Verhalten im Sinne eines Gerechtigkeitserleben)   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Fokus: primär Umwelt (unter Berücksichtigung innerer Prozesse) Zur Erklärung aggressives Verhaltens: Die lerntheoretische Perspektive – Modelllernen   Fokus: primär Umwelt (unter Berücksichtigung innerer Prozesse) aggressives Verhalten wird nicht über eigene, sondern über stellvertretend erlebte Lernerfahrungen erworben (Modelllernen, Beobachtungslernen oder soziales Lernen) potenzielle Modelle (real oder fiktiv) Familie/primäre Bezugspersonen, Peer-Gruppe (Gleichaltrige), Medien (Fernsehen, Video, Computerspiele) Lerneffkte (a) modellierend: der Beobachter erlernt neue Verhaltensweisen (b) enthemmend/hemmend: bereits vorhandene Verhaltensweisen treten zukünftig leichter auf/werden unterdrückt (c) auslösend: unmittelbar nach dem Auftreten des Modells wird ein Verhalten, dass der Beobachter bereits vorher gelernt hat, gezeigt   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Zur Erklärung aggressives Verhaltens: Modelllernen nach Bandura (1976)   (A) Aneignungsphase (Akquisition) (1) Aufmerksamkeitsprozesse Charakteristika der Hinweisreize, Charakteristika der Modellperson, Charakteristika des Beobachters, Beziehungsverhältnis von Beobachter und Modell (2) Gedächtnisprozesse (Enkodierung) Modellreize werden in Schemata umgeformt, klassifiziert und organisiert (bildlich oder sprachlich) (B) Ausführungsphase (Performanz) (3) motorische Reproduktionsprozesse Ausführung des Verhaltens wird durch kognitive Repräsentation des Modellverhaltens gesteuert (4) Verstärkungs- und Motivationsprozesse Antizipation möglicher Konsequenzen   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Fokus: innere Prozesse in Wechselwirkung mit Situationsvariablen Zur Erklärung aggressives Verhaltens: Aggression und Kognition - Modell der sozialen Informationsverabeitung   Fokus: innere Prozesse in Wechselwirkung mit Situationsvariablen Wahrnehmung/Aufmerksamkeit   (2) Interpretation des auslösenden Ereignisses (feindselige Attributionsverzerrung)   (3) Definition der eigenen Ziele (4) Überprüfung des Handlungsrepertoires (Mangel an Handlungsalternativen) (5) Handlungsauswahl (6) Ausführung des Verhaltens   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Zur Erklärung aggressives Verhaltens: Aggression und Emotion   Fokus: aktuelle innere Prozessen/Zuständen Feindseligkeitstriade Feindseligkeit besteht aus einer variablen Konstellation von Emotionen Feindseligkeit wird von drei Grundemotionen dominiert: Zorn, Ekel und Geringschätzung (= Feindseligkeitstriade) Emotion und Formen der Aggression Zorn dominierend: direkte, ungeplante Aggression Ekel dominierend: ablehnende Aggression Geringschätzung dominierend: subtile, geplante Aggression; besonders kaltblütig   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Zur Erklärung aggressives Verhaltens: Aggression und Interaktion   Fokus: sozialpsychologische Variablen (I) Forschungsansatz – Umgebungsvariablen (Makrobene) aggressionsfördernde Bedingungen: z.B. Armut, mangelnde soziale Kontrolle, Hitze, Lärm, Dichte... (II) Forschungsansatz – Rolleneinnahme/Gruppendynamik (Mesoebene) z.B. typische Rollen: Täter, Opfer, Zuschauer, Mitläufer,... z.B. Phänomen der Deindividuation (Massenpsychologie) z.B. Phänomen der Subkultur (III) Forschungsansatz – Kommunikation/Interaktion (Mikrobene) z.B. verbale/noverbale Kommunikationsmittel wie Du-Botschaften, drohende Blicke, Auslachen, Vorwürfe, ...   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Aggression – Ein Beispiel der „täter“-orientierten Intervention   Training mit aggressiven Kindern (Petermann & Petermann, 1997) Zieldefinition: Abbau von Aggression sowie Aufbau alternativer Verhaltensweisen Einübung von motorischer Ruhe und Entspannung Wahrnehmungsdifferenzierung (Reiz-/Reaktionsdifferenzierung) angemessene Selbstbehauptung Kooperation und Hilfeleistung Selbstkontrolle Einfühlungsvermögen   Dipl.-Psych. Tobias Hayer

Dipl.-Psych. Tobias Hayer Ende...   „Prügel und Intrigen gehören zu uns Menschen wie Lieben und Glück. Schlagen Sie nach bei Shakespeare. Oder lesen Sie die Bibel!“ (Björkqvist, 2003)   Dipl.-Psych. Tobias Hayer