Finanzmärkte aus evolutorischer Sicht

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
STADA Arzneimittel AG Kennzahlenanalyse.
Advertisements

Sozialdemokratische Antwort auf die Wirtschaftskrise SPD - Wirtschaftsrat “Antworten auf die Krise – Leitideen einer neuen Wirtschaftspolitik” Berlin,
DER WIRTSCHAFTSKREISLAUF UND SEINE TEILNEHMER
Developing your Business to Success We are looking for business partners. Enterprise Content Management with OS|ECM Version 6.
Die EZB Stand 2. April 2013 Stephan Lindner
3.2 Klassische Theorie im Zusammenhang
Birkert Wertpapierhandelshaus AG Hauptversammlung am 15. Dezember 2003.
Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken
Finanzkrise – Symptom einer Systemkrise? 5. Dezember 2011 ao.Univ.-Prof. Dr. Franz Hörmann
Derivate im Kreditmarkt
Wirtschaftskreislauf
Der Panik – Gier - Zyklus. Ein Mann kann zwischen mehreren Methoden wählen, sein Vermögen loszuwerden: Am schnellsten geht es am Roulette-Tisch, am angenehmsten.
Standortfaktoren INTERN - Ausdrucksstark präsentieren.
Der Kapitalmarkt in der Strategie von Lissabon Ganz offensichtlich erforderlich sind Fortschritte im Bereich der Portfoliobeschränkungen für die Anlagetätigkeit.
Lösung: Keynes Demo dY = -144,5 dT = + 36,125 Insgesamt 8 Punkte.
gegen Armut und soziale Ausgrenzung
Tutorium: Wirtschaftliche Grundlagen für den Arbeitslehreunterricht
Tutorium: Wirtschaftliche Grundlagen für den Arbeitslehreunterricht
Einführung in die Wirtschaftspolitik
liquide Mittel für Investitionen bereitstellen
Ralf KüstersDagstuhl 2008/11/30 2 Ralf KüstersDagstuhl 2008/11/30 3.
Was machen wir besser als die Wettbewerber
EUREX-Optionen für Privatanleger
Bild 1.1 Copyright © Alfred Mertins | Signaltheorie, 2. Auflage Vieweg+Teubner PLUS Zusatzmaterialien Vieweg+Teubner Verlag | Wiesbaden.
Dr. Dierk HirschelAbteilung Wirtschaftspolitik Finanzmarktkrise und Tarifpolitik.
Wege aus der Finanzkrise Nicola Liebert Attac.
BiTS Berlin Wintersemester 2013/2014
© 2009 Burghof 1 Zum Versagen der Ratingunternehmen in der Finanzkrise: Was muss sich ändern? Prof. Dr. Hans-Peter Burghof Lehrstuhl für Bankwirtschaft.
Grün Gewachsen: Bilanz
Arnold, Bachelor-Studienphase-2-Info1 Schwerpunktmodul Finanzmärkte Bachelor Studienphase 2 Phase-2-Info
KOOTHS | BiTS: Makroökonomik WS 2013/2014, Teil 5 1 Makroökonomik Teil 5 Dr. Stefan Kooths BiTS Berlin Wintersemester 2013/2014
Veranlagungssicherheit Die Finanzmärkte erzeugen Werte, deren Wert "mit Vorbehalt" real ist, nämlich unter dem Vorbehalt, dass irgendwo produziert und.
...ich seh´es kommen !.
Eigenmittelproblematik der Grossbanken _____________________________________ Gastreferat Robert U. Vogler Swiss Banking Institute, Universität Zürich 12.
Industrieland Deutschland
Kapitel 17 Erwartungen, Wirtschaftsaktivität und Politik
Proseminar Entwicklungsökonomie WS 07/08
Die Volkswirtschaft bei langfristiger Betrachtung
Gliederung Geschichte des Rauchens Auswirkung auf die Gesundheit
Ideologie und Wirklichkeit Von der Finanzarktkrise zur Schuldenkrise
Cortal Consors - Ihr Spezialist für die private Geldanlage
Was sind Fonds? Fonds stellen eine Form der Geldanlage dar. Eine wesentliche Rolle spielt bei der Investition das Prinzip der Risikostreuung und Mischung.
WEED PeWa Peter Wahl Weltwirtschaft Ökologie & Entwicklung Berlin Hannover, 20. Februar 2013 Die Finanztransaktionssteuer (FTT) Direktiventwurf für Verstärkte.
The Lender of Last Resort
Analyseprodukte numerischer Modelle
Wege aus der Krise Bankenrettung in Österreich
NCapital – Eigenkapital für mittelständische
Finanzmarktkrise: wie lange noch?
Bezirk Frankfurt Bei der Volksabstimmung am 27. März 2011 mit NEIN stimmen ! Schuldenbremse ist Sozialabbau !
Die Rolle der G8 im internationalen Finanzsystem
WEED PeWa Peter Wahl Weltwirtschaft Ökologie & Entwicklung Lenkungskreis Steuer gegen Armut Berlin, 20. September 2011 Die FTT im politischen Prozess.
Wirtschaftsperspektiven: Finanzkrise / Wirtschaftskrise: Wie sieht es wirklich für die Kärntner Wirtschaft aus? Ao.Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber.
Dr. Gerhard Zahler-Treiber ATTAC Österreich
Wie rational sind Märkte? Die Verhaltensökonomie von Finanzkrisen Y-Projekt „sur le don“ Bern, 23. Oktober 2009 Prof. Dr. Henning Klodt Institut für Weltwirtschaft,
Quellen: Redak 2002, Huffschmid 2006, Klimenta o.J., Plihon 2006 Proseminar Entwicklungsökonomie WS 06/07 Einheit 9 Finanzmärkte 1 Karin Küblböck.
Was Marken und ihre Manager aus dem Recommender lernen können
Gesellschaftliche Bedarfe und ihre Finanzierung DL21 Herbsttagung Dr. Dierk Hirschel Bereichsleiter Wirtschaftspolitik Verdi-Bundesverwaltung.
Aktie IMMER NOCH ohne Alternative!? mit Dennis Mehrtens Sales Manager
Arnold, Bachelor-Studienphase-2-Info1 Schwerpunktmodul „Finanzmärkte“ Bachelor Studienphase 2 Phase-2-Info
Der schwarze Freitag und die große Depression
Banken Thomas Kutschera.
Armutsgefährdung in Deutschland Kinder 15,7 % (arm) jährige Männer 16 % Frauen 18 % Alleinerziehende 35,2 % Erwerbslose 69,2 % Beschäftigte.
Von der Methan Modellierung zur Credit Spread Modellierung
Die heutige Kreditvergabe
Die Vollgeldreform Warum wir eine neue Geldordnung brauchen
Rostock, 16. Juni 2011 Europa neu justieren - Wachstum fördern, Beschäftigung sichern, Europe stabilisieren- DGB Region Rostock-Schwerin, Betriebs- und.
WEED PeWa. Erster Akt Individuelle Broker und Hypothekenbanken verkaufen aktiv Haus - und Wohnungskredite an Kunden mit ge- geringer Bonität. Die Geber.
Magisches Viereck.
Peter O. Kölle A member of HVB Group Unternehmerische Chancen in Russland – Erfahrungsbericht aus dem Finanzsektor Wirtschaftliche.
 Präsentation transkript:

Finanzmärkte aus evolutorischer Sicht Zur Devolution des Kapitalismus: 1. Finanzmärkte + Evolutorik, 2. Ein alternativer Ansatz, 3. Reformvorschläge

1. Evolutionsökonomie (EÖ) I 1. Methode: Kritik neoklassischer + stochastischer (Gleichgewichts)Modelle 2. Menschenbild: self-interest, bounded rationality, Alertness, Kreativität 3. Endogene Innovationen (technischer Fortschritt), Selektion über Wettbe-werbsprozesse, Imitation bewährter Techniken

Evolutionsökonomie II 4. Unsichtbare Hand: ´Der Freiraum des innovierenden Unternehmers´, abrupte Dynamik: Allgemeinwohl, positive feedbacks: spontane Selbststeuerung 5. Politik: Rent seeking, capturing, NPÖ 6. Schumpeters ´Neue Kombinationen´: Banker-Kredite-Kaufkraftumlenkung (Realsektor, temporärInflation; Minsky)

Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: 100 Jahre später Relationship banking vs. originate and distribute/Sekuritisierung Schattenbanken, Investmentbanking Kaum Kapital- + Reserveanforderungen Intern. Megafinanzinstitute, wenig Auf-sicht, aufgeblähter Finanzsektor Zentralbanken: Lender of last/unlimited resort, Staat: bail-outs mit Steuern

Kapitalmärkte in Praxis und Theorie: Ein Vergleich mit EÖ 1. Deregulation (spontane Ordnung): Basel II (Ratings, interne Risikomodel-le), IASB, FSB, FED: Greenspan, EU 2. Effizienzmarkthypothese (EMH): EÖ contra Gaussverteilung (Black-Scholes, Value-at-Risk): Mediokristan, EÖ pro Extremistan, aber auch fat tails (power laws)?

Logik der Finanzmärkte? EMH+EÖ:Rational-konstruktiv Transaktionskosten, Neuigkeiten: gra-duelle Entdeckung (≠ Nirwanawelt) Zunächst unterschiedliche Erwartungen, langsame Preisbewegungen zum fairen Preis, höhere Handelsvoluma, aber: Handel an Fundamentalwerten orien-tiert, Zubewegung: Selbstorganisation

Realität Marktversagen: Teuflische Hand I Unrealistische Risikomodelle Versagen (privater) Ratingagenturen Unzureichendes Risikohedging, Opazität Riskante Fristentransformation Hazardöses Leverage Kein dezentrales Erkennen von System-risiken + Deleveragingkaskade

Ausnahmebereich Finanzmär-kte: Teuflische Hand II ≠ Marktdisziplinierung: Risikosteigerung Asymmetrische Informationen! Keine Entmachtung durch Wettbewerb ≠ endogene Marktmoral (Reputation) P ↑ NF ↑ → Prozyklizität Capturing der Aufsichtsbehörden + des Staates, systemischer hold-up, Olson

2. Bullen-Bären-Paradigma (BBP): Kritische Evolutorik Veblen, T.B. Absentee ownership (1923) Keynes, J.M. The General Theory (1936, Kap. 12) Galbraith, J. The great crash 1929 (1954ff.) Kindleberger, C. Manias, panics, and crashes (1978) Minsky, H. Stabilizing an unstable economy (1986) Akerlof, G./Shiller, R. Animal spirits (2009) Roubini, N. Crisis economics (2010) Stiglitz, J. Freefall (2010) Johnson, S./Kwak, J. 13 bankers (2010) Kein neuer Smith oder Keynes in Sicht

10

Turbulentes Extremistan: Stability is destabilizing Welt II: Unvollkommenes wissen, Un-terschiedliche infos + modelle Irrationales, Herdenverhalten, Betrug Heterogene, oft ´nur´qualitative Erwar-tungen: Spekulation (Blasen) Überschießen, Bullen- und Bären-Pha-sen, exzessive Handelsvolumina Handel führt nicht auf Fundamentals

Aufblähung des Finanzsektors: Dienende Funktion? Umsatz Finanzmärkte-Welt BIP: 1990 = 15fache, 2007 = 70fache Umsatz Derivate-Welt BIP: 1990 = 10fache, 2007 = 55fache UBS: 500% Bilanzsumme des Schweizer BIP

Endogene Instabilität: Boom-bust Phasen 1. Entdeckung eines „Phänomens“ (Tulpenzwiebeln, junk bonds, dotcom) 2. Steigerung der Nachfrage 3. Bubble mania (Psycho, Ponzi finance) 4. Erste Zweifel (Minsky moment) 5. Finaler Abgesang: Deleveraging 1946-1970: Keine große Finanzkrise

Zerstörerische Schöpfungen: Das ´Denovations-Theorem´ Keine gesellschaftsdienlichen Finanz-Innovationen (mehr) möglich Keine wirklich neuen Produkte, keine Patente, keine Extraleistungsgewinne! Renditesteigerung:höheres Risiko Denovationsgewinne: Regulierungsar-bitrage, asymmetrische Infos, greatest fool, Verpackungsalchimie, LEVERAGE

Verbindungslinien BBP und EÖ2 Unwissen, Arrows Infoparadox, lock-ins, Gefangenendilemmata, Nichtergodizität, Macht, Netzwerke, Gleichgewichtsferne Regulation: ständig evolvierende Mär-kte, Alertness/Imagination, NPÖ → ≠ Risikomodelle, Ratings, Makroprudence; ≠ Früherkennung: Ente statt Schwan ≠ Kernschmelze: Simplify, Stoßdämpfer

3. 1. Neue EU-Geldordnung: 100%-Geld (Simons, Fisher) 1. 100%-Geld, denn Giralgeldschöpf-ung: Krisen Giroguthaben: Volle Noten-Deckung Sparguthaben: Verleihbar (Fristigkeit) 2. Geldzufuhr: EZB gibt Geld als ´Ge-schenk´ an den Staat; Regel: Orientie-rung am nationalen Potentialwachstum, keine Neuverschuldung mehr

Auswirkungen ZB: Kontrolle über Geldmenge Geringere Prozyklizität (Kreditvergabe) 50/75 Mrd. € Seigniorage: öffentliche Güter, Geldzufuhr durch Realsektor Unabhängigkeit von Kapitalmärkten Keine Kontrolle der nationalen Budgets durch die EU-Kommission ≠ Big government + moral hazard

2. Aufbrechen der Giganten 50 ´Großbanken´: Währungen, Anlei-hen, Aktien, Derivate (GAO 1994) OTC: 10 Dealers, immer weniger Deutsche Bank: Norisbank, Sal Opp., Berliner Bank, ABN Amro, Postbank … Größenlimit der Bilanz: 100 Mrd. € Nier et al. 2008: Network models; Börsenkapitalisierung; Kornai: soft budget constraints;

„Wenn sie too big to fail sind, dann sind sie zu groß“ Höhere Risiken: höhere Gewinne Too big to fail: Steuerzahler! Konglomerate: ENTFLECHTUNG (Stiglitz, Volcker, Attac, Greenspan) Imagination: Regulierungsvermeidung AT&T/baby bells: Liberale, wo seid ihr? Höhere Risiken …: Stern/Feldman; JPM: 87 Bio. $;

3. Trennung commercial (CB) und investment banking (IB) Rendite ≠ Sicherheit; 33: Glass-Steagall Dezentrale, quasi-öffentliche Banken, wie Genossenschaften + Sparkassen CB: Kein Eigen- + Derivatehandel, An- + Verkauf von Wertpapieren (Kunden) Keine Kredite an Investmentbanken IB: Partnerschaften,≠Einlagensicherung Interessenkonflikte?; Public Utilities: Wasser

4. Investmentbanken: Mitverursacher von bubbles Größten 3: 50% aller Fusionen + IPOs OTC-Derivate, IPOs + ´Beratung´: Kar-tell } Extragewinne + Interessen Trennung: 1. Eigenhandel + Beratung, 2. IB: Emittent; unabhängige Broker verkaufen (beide kein Eigenhandel)

Weitere Forderungen IB: langfristige Investitionen durch nichtliquide Anlagen (Aktien, Anleihen) IB: Konzentration auf Kapital- + Wert-papierbeschaffung Nur Kerngeschäfte: CB, IB, Versicherun-gen, Kapitalbeteiligungsgesellschaften

5. Derivate (Futures, Optionen, Swaps) 2007: 600 Bio. $, Frankfurt Weltspitze Kein direkter Realwirtschaftszufluss OTC-Transaktion: legally unenforcable, es sei denn, Reallieferung (Beleg) Deutlich höhere initial margins (30%) ≠ Verkauf an Kleinanleger (Zertifikate) Ständige Wertänderungen; Währungen: 3% real, Rest Spekulation;

6. Finanztransaktionssteuer (Ausgestaltung, inter-national) 1. 0,01% bis 0,1%: Derivate, Quickies Casino: Future 100.000 TB für 1500 $, +/- 1%, +/- 1000 $: +/- 66% Spotpreise werden heute durch den Derivatehandel (mit)bestimmt 2. Wechselkursband, ± 5%: 50% FTS, Kapitalverkehrskontrollen (Bardepot) 3. Außenwirtschaftliche Bremse (CU) Eindämmung des manisch-depressiven

7. Höheres Eigenkapital (EK) für Alle (inkl. Hedgefonds) Bilanzielle EK-Quote: unter 2! Basel II Mehr EK: wie viel? Unternehmen: 2-3fache; 20-30% hartes Eigenkapital und keine ´Basel-Gewichtungen´ Kapitalnachschusspflicht der Besitzer oder Staatsbeteiligung (Aktien) Niederstwertprinzip (nicht mark-to-market) Rajan: riskier; ≠ Investorenkontrolle, da größer billiger; J. Blum; bil. EK-Quote: EK/Bilanzsumme;

8. ABS, Sekuritisierung, Tran-chierung, Zweckgesellschaften ≠ Zweckgesellschaften: AAA trotz B- } covered bonds (gedeckte Anleihe) mit voller Originatorhaftung On-balance: 20%; 50% Wertgarantie ------------------------ Verbot von Leerverkäufen + CDS Mark-to-model: nicht Marktwirtschaft;

10. Die Wachstums- und Verschuldungspyramide Josefspfennig: 295 Mrd. Goldweltkugeln Vermögen:Schuldner, ´Realbedienung´ Sozialprodukte steigen linear, private Geldvermögen in D/Jahr: + 7,5% Realwachstum < Realzins: Löhne sinken DE: 5 Billionen Geldvermögen Wie Gesamtschulden/BIP reduzieren? Walton Family: Wal Mart;

Einkommensverteilung in D

32

Gegen-Steuern Stärker progressive Einkommenssteuer, Erbschaftssteuer, Tobin, Kapitalbest. Angemessene Löhne (Zielinflationsrate + Produktivitätswachstum) Ziel: Kapitaleinkommen wachsen gleich schnell wie das BIP und die Löhne EÖ: Möglichst wenig Steuern?

Reformen im Dienste einer gesunden Evolutionsökonomie Die vorgeschlagenen Reformen bezwek- ken, die dysfunktionalen Denovationen und Instabilitäten einzuschränken und den Finanzsektor so einzubetten, dass er wieder die (auch) von der EÖ vorge-sehene dienende Rolle zur Förderung von Realinnovationen spielt