Wissensintegration in computer-mediierten Gruppen Ursula Piontkowski Prozessgewinne und Prozessverluste bei der Wissensintegration in computer-mediierten Gruppen Beteiligte Wissenschaftler: Juliane Hartmann, Wolfgang Keil, Ursula Piontkowski
Überblick Hidden Profile-Paradigma zur Untersuchung kollektiven Informationssammelns Forschungsdefizite Passungskonzepte: Aufgaben, Medien/Werkzeuge und Zeit Empirische Daten zum Sequenzierungsmodell
Kollektives Sammeln von Information „Hidden„Profile“: einige ungeteilte Informationen. Teilnehmer 1 und 2 favorisieren Lösung B, Teilnehmer 3 favorisiert A. Wissen des Teilnehmers 1 Wissen des Teilnehmers 3 Wissen des Teilnehmers 2 Hidden Profile
Kollektives Sammeln von Information vollständig geteilte Information; alle Teilnehmer favorisieren die beste Lösung (A). Wissen von Teilnehmer 1 Wissen von Teilnehmer 2 Wissen von Teilnehmer 3 vollständig geteilte Information
Wissensintegration Aufnahme fremder ungeteilter Informationen in das eigene Wissen und aktive Verwendung in der Entscheidung
Wissensintegration potentielles Wissen von Teilnehmer 1 nach der Diskussion von Teilnehmer 3 in die Entscheidung einbezogene Informationen potentielles Wissen von Teilnehmer 2 nach der Diskussion potentielles Wissen von Teilnehmer 3 nach der Diskussion
Informationsaustausch, -rezirkulation und -integration Austausch: Einbringen der eigenen geteilten und ungeteilten Information in die Diskussion Rezirkulation: Aufgreifen der von anderen in die Diskussion eingebrachten geteilten und ungeteilten Information in der Diskussion Integration: Anwendung von Information in der Entscheidungsbegründung eigene eingebrachte ungeteilte Information eigene nicht eingebrachte ungeteilte Information von anderen eingebrachte ungeteilte Information in die Diskussion eingebrachte geteilte Information geteilte, nicht in die Diskussion eingebrachte Information
Forschungsergebnisse zum Medienvergleich FtF-Gruppen sind sowohl beim Ausmaß der Informationsintegration als auch bei der Güte der Entscheidung CMC-Gruppen überlegen.
Theoretische Ansätze zum Medienvergleich Welche Eigenschaften von Medien haben Einfluss auf das Sammeln und Integrieren von Information Attributlisten Einfache Medientheorien Social Presence Theory Media Richness Theory Adaptive Structuration Theory
Defizite bisheriger Forschung Nachahmung von face-to-face Interaktionen Fokussierung auf Kompensation von Nachteilen und nicht auf Nutzung der Möglichkeiten Nicht prozessbezogen, d.h. wenig Integration von Anforderungen der Aufgabe an die kognitiven und sozialen Verarbeitungsprozess
Passungskonzepte: Task-Technology-Fit Unterschiedliche Aufgaben brauchen unterschiedliche Medien und Werkzeuge – Task-Technology-Fit Unterschiedlich komplexe Aufgaben brauchen unterschiedlich komplexe Werkzeuge Unter zwei Voraussetzungen ist eine Verbesserung von CMC durch Unterstützungssysteme möglich (Meta-Analyse von Dennis, Wixom & Randenberg, 2001): Passung von Aufgabe und Struktur des Unterstützungswerkzeugs Angemessenes Training im Umgang mit dem Werkzeug
Passungskonzepte: Time-Interaction-Performance Unterschiedliche Gruppenphasen brauchen unterschiedliche Unterstützung - TIP Gruppenfunktionen (production, member support, group wellness) Gruppenprojektaktivität (inception, problem solving, conflict resolution, execution) Zeitstrukturen (timing, timeliness, time cost) TIP-Modell (McGrath 1991)
Passungskonzepte: Media Synchronicity Theorie Unterschiedliche Kommunikationsprozesse brauchen unterschiedliche Synchronizitätsgrade
Passungskonzepte: Task-Interaction-Requirement Komplexe Aufgaben setzen sich aus Sub-Aufgaben zusammen. Sub-Aufgaben erfordern unterschiedliche Ebenen der Wissensrepräsentation. Sub-Aufgaben bedingen unterschiedliche Interaktionsziele. Sub-Aufgaben erfordern ein unterschiedliches Maß an sozialer Interdependenz. Medien/Werkzeuge müssen die erforderliche soziale Interdependenz angemessen unterstützen.
Task-Interaction-Requirement Konsensuale Entscheidungsfindung in einer hidden profile Aufgabe Aufgabenziel Dekomposition der Aufgabe Informationssammlung Informationsbewertung Informationsintegration Repräsentation der Evidenz (individuelles Wissen) Repräsentation der Relevanz (individuelle Bewertung) Repräsentation des Ergebnisses (indiv. und Gruppengedächt.) Def. des Niveaus der Wissensrepräsentation Vollständiger Informationsaustausch Partizipationskontrolle Management von Abweichungen und Konsensus Definition des interaktionsziels Dekomposition des Interaktionsprozeses Orientierung Bewertung und Kontrolle Entscheidung und Spannungsreduktion Def. der Funktionen, die ein CMC Werkzeug erfüllen soll Unterstützung geringer sozialer Interdependenz (z.B. wenig group awareness), externe Repräsentation der Kommunikations- objekte (externe Speicher) Unterstützung starker sozialer Interdependenz (hohe group awareness) Entscheidungsunterstützung
Erste empirische Belege Niemeier (2004) untersuchte mit dem hidden-profile-Paradigma Gruppen, die über Email-Kommunikation einen Kriminalfall lösen sollten. 2 Bedingungen: a) Gruppen erhielten die Instruktion, in einer ersten Phase nur Informationen zu sammeln und erst in einer zweiten Phase diese zu bewerten und eine Entscheidung in der Gruppe zu treffen. b) keine besondere Instruktion Nach Informationsaustausch und Entscheidung folgte eine individuelle Begründung des Urteils.
Ergebnisse: Informationsaustausch Bei einer Aufteilung der Aufgabe in Informationssammlung und Informations- bewertung/Entscheidung steigt der Anteil ungeteilter Informationen, die ausgetauscht werden.
Ergebnisse: Integration neuer Informationen Eine Aufteilung der Aufgabe in Informationssammlung und Informationsbewertung und Entscheidung bewirkt eine stärkere Berücksichtigung ungeteilter Information in der Entscheidungsbegründung.
Ergebnisse: Urteilskorrektheit Bei einer sequenzierten Aufgabenbearbeitung kommen die Gruppen häufiger zu einem richtigen Urteil.
http://psycho.uni-muenster.de/netzgruppe Weitere Informationen: Prozessgewinne und Prozessverluste bei der Wissensintegration in computer-mediierten Gruppen