vertragliche/tarifvertragliche Altersgrenzen Altersdiskriminierung? Mit 65 Schluss? vertragliche/tarifvertragliche Altersgrenzen = Altersdiskriminierung? Arbeitsrechtsforum Hannover 10.06.2009 Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Martina Karoff

Richtlinie 2000/78/EG verbietet in Art. 2 I die unmittelbare und mittelbare Diskriminierung wegen der in Art. 1 RiLi 2000/78/EG genannten Gründe, darunter auch aus Gründen des Alters. gilt auch im Arbeitsrecht. erfasst alle Stadien im Arbeitsverhältnis, d.h. nicht nur die Begründung und seine Inhalte, sondern auch seine Beendigung.

Richtlinie 2000/78/EG erlaubt eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters, sofern diese objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Umsetzung in deutsches Recht Die RiLi 2000/78/EG ist durch das AGG vom 14.08.2006 in deutsches Recht umgesetzt worden: § 10 AGG übernimmt im wesentlichen die Vorgaben der EG- Richtlinie 2000/78/EG zur Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters unter Aufzählung von Fallbeispielen (…insbesondere) Nr. 5 Zulässigkeit einer Vereinbarung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann

Entscheidungen des EuGH zur Altersdiskriminierung (1) „Mangold“- Entscheidung (EuGH 22.11.2005 –C-144/04) EuGH erklärt § 14 Abs.3 TzBfG für unanwendbar. Im Wege der Rechtsfortbildung wird das ungeschriebene primärrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung aufgestellt, das die nationalen Gerichte vorrangig vor mitgliedstaatlichen Regelungen zu beachten hätten. Eine nur nach dem Lebensalter definierte Arbeitnehmergruppe dürfe nicht während eines maßgeblichen Beschäftigungszeitraums (52-65) von festen Arbeitsverhältnissen ausgeschlossen werden. Die Frage der horizontalen Wirkung wurde offen gelassen.

Entscheidungen des EuGH zur Altersdiskriminierung (2) „Palacios de la Villa“- Entscheidung (EuGH 16.10.2007 –C-411/05) EuGH distanziert sich von den weitreichenden Aussagen zum ungeschriebenen primärrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung und akzeptiert die Begründung des Mitgliedstaates, starre Altersgrenzen dienten der Beschäftigungsförderung und der generationengerechten Verteilung von Arbeitsplätze: Das Verbot der Altersdiskriminierung wird nur noch als Willkürverbot betrachtet.

Entscheidungen des EuGH zur Altersdiskriminierung (3) „Age Concern England“- Entscheidung (EuGH 05.03.2009 – C- 388/07) EuGH verschärft die Anforderungen dahingehend, dass die Mitgliedstaaten die Beweislast dafür tragen, dass das zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung angeführte Ziel rechtmäßig ist und stellt an diesen Beweis hohe Anforderungen. Die Mitgliedstaaten hätten einen weiten Wertungsspielraum. Allgemeine Behauptungen reichten jedoch nicht. Die Mittel müssen zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sein

Entscheidungen deutscher Gerichte zur Rechtmäßigkeit von Altersgrenzen (1) LAG München, Urteil vom 18.02.2009 – 11 Sa 650/08 „Piloten“- Entscheidung Altersgrenze: 60 Jahre Rechtswirksamkeit wird unter Hinweis auf die Risiken in der zivilen Luftfahrt bejaht. BAG Urteil vom 16.10.2008 - 7 AZR 253/07 (A) „Kabinenpersonal“- Entscheidung Ist wegen fehlenden Sachgrundes unwirksam. Aber: Vorlage beim EuGH wegen § 14 Abs. 3 S. 1 TzBfG i.d.Fass. bis 30.04.2007

Entscheidungen deutscher Gerichte zur Rechtmäßigkeit von Altersgrenzen (2) BAG, Urteil vom 18.06.2008 – 7 AZR 116/07 Gebäudereiniger MTV Altersgrenze 65 Jahre im MTV-Gebäudereinigung ist wirksam, da die Altersgrenzenregelung des MTV-Gebäudereinigung zumindest auch allgemeinen beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Zielen dient.

Entscheidungen deutscher Gerichte zur Rechtmäßigkeit von Altersgrenzen (3) Arbeitsgericht Hamburg - Vorlagebeschluss vom 20.01.2009 – 21 Ca 235/08 Geringfügig Beschäftigte im Gebäudereinigerhandwerk Altersgrenze: 65 Jahre RTV Gebäudereinigung Wegen unzureichender finanzieller Absicherung und den spezifischen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt für Geringqualifizierte bestehen Zweifel an der EG-Konformität der Altersgrenzenregelung im Tarifvertrag

Entscheidungen deutscher Gerichte zur Rechtmäßigkeit von Altersgrenzen (4) Arbeitsgericht Karlsruhe - Urteil v. 12.06.2008, 8 Ca 492/07 Altersgrenze: 65 Jahre BAT/TVÖD § 33 TVÖD verstößt weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen Art. 6 I Richtlinie 2000/78/EG. BVerfG – Nichtannahmebeschluss vom 07.08.2007, 1 BvR 1941/07 Altersgrenze für Vertragsarzt in der vertragsärztlichen Versorgung ist nicht rechtswidrig.

Abwägungsgesichtspunkte pro contra Verbesserung/ Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards Verbesserung der Altersstruktur im Betrieb Berufsfreiheit im Alter Einstellungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten von jüngeren Arbeitnehmern, Berufsanfängern, Arbeitslosen, Überhangpersonal zur Verringerung der Arbeitslosigkeit und Erwirtschaftung von Sozialversicherungsbeiträgen

pro contra Berufliche/persönliche Selbstverwirklichung Berufliche Weiterentwicklung von jüngeren Arbeitnehmern im Betrieb Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit Wirtschaftliche Absicherung durch Rentenbezug – Überversorgung durch Renten u. Vergütung u. Wegfall der Sozialversicherungspflicht Erhaltung von beruflicher Erfahrung und Kompetenz Nutzung des Wissens von qualifizierten Berufsanfängern, die aus Steuergeldern ausgebildet worden sind (z.B. FH- u. HS-Absolventen Anhebung der Altersgrenze auf 67 Vermeidung von gesundheitlicher Überforderung