Pädagogische Beobachtung und diagnostische Gesprächsführung WiSe 2008/09 Burtscher
Medizinische Diagnostik Orientierung am klassischen Medizinischen Modell Defizitorientierung: „Was fehlt Ihnen?“ Defekt- und abweichungsbezogene Betrachtung Pole: krank / nicht krank (kategoriales Modell) Andere Modelle in der Medizin: z. B. Antonovsky: Gesundheits-Krankheits-Kontinuum od. Gauß- Verteilung: (dimensionales Modell) Grau- bereich gesund Grau- bereich krank krank
Lehrbuch der Psychiatrie, Dr. E. Bleuler, 1916 Das Erscheinen wird zum Wesen. Reduzierung des Menschen auf einzelne Merkmale
Psychologische Diagnostik Zentral: Psychometrische Verfahren Theorie und Methoden des Messens vorwiegend Testverfahren statistisches Wissen bedeutsam Ziel: Entscheidungen treffen (z. B. über Studienzulassung, die Eignung für einen Beruf, die Fahrtauglichkeit, Bewerberselektion bei der Bewerbung um eine Stelle, Feststellung einer Erkrankung und richtige Therapieempfehlung). Neben Tests werden auch andere Informationen (Exploration, Verhaltensbeobachtung) berücksichtigt.
Bereiche und Schwerpunkte von Diagnostikern vgl. Bernitzke 2005, 23 Informations- Schwerpunkt Sammlung von Daten über Personen Sammlung von Daten über Situationen, Auslöser, Bedingungen Zeitpunkt Statusdiagnostik Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt Prozessdiagnostik fortlaufend, erlaubt Aussagen über Veränderungen
Bereiche und Schwerpunkte von Diagnostikern Informations- Bewertung Orientierung an sozialen Bezugsnormen wie Alters-, Behindertengruppe Orientierung an den individuellen Ziel-, Norm- und Wertvorstellungen Funktion Selektions- und Zuordnungsfunktion (z. B. Einstufung nach Schweregrad, Zuordnung nach Therapieformen Modifikationsfunktion (Änderung der situativen, organisatorischen Bedingungen)
Was sind mögliche Folgen des Urteils für Bernd? Klassisches Vorgehen Fragestellung: Ist Bernd lernbehindert? Diagnostischer Prozess: Informationen sammeln z. B. Intelligenztest, Persönlichkeitsfragebögen Interpretation: z. B. IQ = 72, geringe Selbständigkeit, kaum leistungsmotiviert Urteil: Bernd soll die Sonderschule für Lernbehinderte besuchen. Was sind mögliche Folgen des Urteils für Bernd?
Was sind mögliche Folgen des Urteils für Bernd? Verändertes Vorgehen Fragestellung: Welches sind fördernde oder hindernde Faktoren in der Entwicklung von Bernd? Diagnostischer Prozess: in Dialog treten, biografische Daten mit fortlaufenden Daten erheben und reflektieren Interpretation: Zone der nächsten Entwicklung ist …(vgl. Zitat von Wygotski) Urteil: Bernd erhält einen individuellen Lehrplan in der allgemeinen Schule. Was sind mögliche Folgen des Urteils für Bernd? Wygotski Zitat vorlesen: Kindergartenpädagogik – Online Handbuch. Lew Wygotski – entdeckt für die Kindergartenpädagogik von Martin R. Textor
Be-Hinderung ist letztlich Ausdruck dessen, Was ein Mensch mangels angemessener Möglichkeiten und Hilfen und Durch vorurteilsbelastende Vorenthaltungen an sozialen Bezügen und Inhalten nicht lernen durfte und Ausdruck unserer Art und Weise, mit ihm umzugehen. (Feuser 1995, 132)