§ 2 Die Verantwortlichkeit des Schuldners

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Händler Hansmann verlangt von Michael Schadenersatz für das beschädigte Fahrrad. ( „Wer will was von wem“) Eine mögliche Anspruchsgrundlage könnte sich.
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§ 2 Die Verantwortlichkeit des Schuldners §§ 276 - 278 BGB bestimmen, wann Schuldner verantwortlich ist (Vorsatz, Fahrlässigkeit, Verschulden von Hilfspersonen). Rechtsfolgen: regeln §§ 280 - 284, 286 - 288 BGB. I. Haftung für eigenes Verschulden 1. § 276 Abs. 1: Vorsatz Vorsatz = Wissen und Wollen des Erfolges

2. Fahrlässigkeit: Definition in § 276 Abs. 2 BGB: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“ Sorgfalt ist „außer Acht“ gelassen, wenn Erfolg erkennbar und vermeidbar war. Maßstab für den Fahrlässigkeitsvorwurf ist „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt“. - Maßgebend nicht persönliche Fähigkeiten des Schuldners, sondern die typischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die einschlägige Verkehrsteilnehmer oder Berufsangehörige haben (objektiver, normativer Maßstab).

b) Beispiel Arzt kann sich nicht damit entlasten, dass er der Aufgabe nicht gewachsen war (BGH NJW 2001, 1786): Arzt leitete als Assistenzarzt eine Geburt. Als der Geburtsvorgang stockte, zog erst die Hebamme, dann der Arzt am Kopf des Kindes. Folge: Gesichtslähmung. Arzt hat sog. Schulterdystokie – Schulter des Kindes blockiert nach der Geburt des Kopfes - übersehen; Ziehen am Kopf medizinisch klar kontraindiziert. Arzt kann sich nicht damit entlasten, dass er der Geburtssituation nicht voll gewachsen war; medizinische Standards müssen auch Assistenzärzte einhalten (BGH NJW 2001, 1786; 2003, 2311 f.); auf die subjektiven Fähigkeiten des Arztes kommt es nicht an.

c) Grund für die Typisierung: Verkehrsschutz: Teilnehmer müssen auf gewisse Standards des Berufs bzw. Verkehrs vertrauen können. - § 347 HGB verlangt daher Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns.

3. Verschuldensfähigkeit § 276 I 2 BGB: Verweis auf §§ 827, 828 BGB Kinder: vor Vollendung des 7. Lebensjahres verschuldensunfähig (§ 828 I). Geisteskranke und Bewusstlose: verschuldensunfähig (§ 827 S. 1 BGB); aber: wer sich durch Rauschmittel – schuldhaft - in diesen Zustand versetzt hat, haftet (§ 827 Satz 2 BGB). Minderjährige (zwischen 7 und 18): gem. § 828 Abs. 3 BGB kommt es auf die individuelle Einsichtsfähigkeit an, nicht auf die Fähigkeit, gem. der Einsicht zu handeln. BGH großzügig: 8-10-jährige haften, wenn sie beim Zündeln Gebäude in Brand setzen oder bei Tomatenschlacht dem Mitspieler ins Auge treffen (BGH NJW 1984, 1958; Kritik: Steuerungsfähigkeit zu wenig berücksichtigt)

§ 828 Abs. 2 BGB: 7 – 10-jährige haften nicht, wenn sie Unfälle mit Kraftfahrzeugen verursachen; Grund: altersbedingte Defizite; Kinder können Entfernung und Geschwindigkeit schlecht einschätzen (seit 2002) ratio legis passt nicht, wenn ein 9-Jähriger beim Wettrennen mit seinem Skateboard parkendes Fahrzeug beschädigt (BGH NJW 2005, 354 u. 357)

II. Haftung für Dritte 1. Haftung für Erfüllungsgehilfen oder gesetzliche Vertreter (§ 278) ------------------------------------------------------------------------------ Grundgedanke: a) Korrespondenz von Vorteil (Arbeitsteilung) und Risiko (Haftung für Hilfspersonen) Ansprüche gegen Hilfsperson nicht ausreichend (nur Haftung gem. §§ 823 ff.; Insolvenzrisiko). b) Bei gesetzlichen Vertretern: Tätigkeit der Vertreter (Eltern) kommt dem Vertretenen zugute (Korrespondenz von Vorteil und Risiko).

b) Voraussetzungen: aa) Bestehendes Schuldverhältnis (Sonderverbindung): Schuldner muss sich der Hilfsperson „zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit“ bedienen - gilt sowohl für Haupt-, als auch für Nebenpflichten Fall 2: Dachdeckermeister U haftet gem. §§ 280 I, 278 S. 1 BGB für die mangelhafte Leistung des Gesellen G - in Bezug auf die Hauptleistung (Dach decken) - für die Verletzung von Schutzpflichten (Beschädigung der Beleuchtung).

Fall 2 U 631 B 611 G P - Dach mangelhaft gedeckt - Beleuchtung beschädigt - Wäsche gestohlen - Passant verletzt

Von Pflichtverletzungen „bei Erfüllung seiner Verbindlichkeit“ sind Von Pflichtverletzungen „bei Erfüllung seiner Verbindlichkeit“ sind solche „bei Gelegenheit“ zu unterscheiden. Bsp.: Diebstähle von Gehilfen Haftung für Diebstähle, wenn Hilfsperson Gelegenheit zum Diebstahl deshalb erhielt, weil sie Gläubiger gerade wegen des bestehenden Schuldverhältnisses in seinem Bereich wirken lässt (Brox/Walker, § 20 Rn. 32; Medicus/Lorenz, SR I, Rn. 391). Gegenbeispiel: Geselle entwendet das vor dem Haus abgestellte Fahrrad des Kunden; hier konnte jeder „ran“. Fall 2: U haftet gem. §§ 280 I, 278 auch für Diebstahl der Wäsche

Exkurs: weitere Beispiele für Pflichtenkreis des Schuldners: Erfüllungsgehilfen des Verkäufers oder Werkunternehmers sind nicht: Hersteller, Zwischenhändler und Lieferanten. Grund: Verkäufer verspricht nicht Beschaffung, sondern lediglich Lieferung; er darf ebenso wie Werkunternehmer darauf vertrauen, dass vom Lieferanten gekaufte Teile einwandfrei sind (Bsp.: Werkunternehmer haftet nicht für fehlerhaftes Heizungsventil, das er von seinem Lieferanten bezogen hat; BGH NJW 1978, 1157). U 631: Installation Heizung B 433: Ventile H

2. Fehlt Schuldverhältnis, haftet U nur unter den Voraussetzungen des § 831 BGB für Hilfsperson (gegenüber Passant P) a) Rechtswidrige unerlaubte Handlung des G: G hat den Körper von P verletzt. b) G müsste Verrichtungsgehilfe des U sein: - G mit Wissen und Wollen des U für diesen tätig - Weisungsgebundenheit des G (arg.: § 831 setzt voraus, dass der Verrichtungsgehilfe unter Aufsicht steht): Arbeitnehmer gem. § 611 weisungsabhängig. c) Entlastungsbeweis des U § 831 I, 2. Hs.: keine Haftung des U, wenn er nachweist, dass er bei Aufsicht und Auswahl des G die erforderliche Sorgfalt walten ließ.

c) Überblick über die Unterschiede zwischen § 278 und § 831 BGB § 278 § 831 Bestehendes Schuldverhältnis Haftung gegenüber jedermann Keine Anspruchsgrundlage, selbständige Anspruchsgrundlage sondern Zurechnungsnorm Pflichtverletzung Unerlaubte rechtswidrige Handlung des Verrichtungsgehilfen Haftung für fremdes Verschulden Haftung für eigenes Verschulden (Auswahl, Aufsichtsverschulden); Verschulden der Hilfsperson nicht erforderlich Schmerzensgeld (§ 253 BGB) Schmerzensgeld (§ 253 BGB) Kein Entlastungsbeweis Entlastungsbeweis möglich (sorgfältige Auswahl und Aufsicht) Selbständige und unselbständige Nur unselbständige Hilfspersonen Hilfspersonen (= sozial abhängige, weisungsge- bundene = Arbeitnehmer)