8. Sitzung: 26. Jun. 3. Schichten oder Milieus 4. Soziale Ungleichheit

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 Präsentation transkript:

8. Sitzung: 26. Jun. 3. Schichten oder Milieus 4. Soziale Ungleichheit Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ * Institut für Soziologie * Universität Erlangen-Nürnberg * Sommersemester 2007 * PD Dr. J. Renn * 8. Sitzung: 26. Jun. 3. Schichten oder Milieus 4. Soziale Ungleichheit

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen 4.) Wandel der Gruppen-Differenzierungsform II (von Schichten zu „Milieus“: kulturelle Pluralisierung und konsequente Entkoppelung) Fragen (letzte Staffel): 1. Was ist eine „Szene“ im Unterschied zu einer „Schicht“? 2. Worin unterscheiden sich verschiedene soziale „Milieus“ voneinander? 3. Welche Folgen hat der strukturelle Übergang von Schichten zu Milieus für Formen der sozialen Ungleichheit und Herrschaft?

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen 4.) Wandel der Gruppen-Differenzierungsform II (von Schichten zu „Milieus“: kulturelle Pluralisierung und konsequente Entkoppelung) „Schichten“ (Erinnerung): 1. stratifizierte (moderat hierarchische) Positionierung durch soz.ök. Status 2. Determination von subjektiven Orientierungen durch objektive Lagen: 3. Tendenziell mögliche vertikale Mobilität „Milieus“: 1. heterogene (pluralisierte) Positionierung durch kulturelle Orientierung (dabei: Individualisierung), formal gleicher Ressourcenzugang aber durch Lebensstil vermittelte Präferenzen (z.B. Postmaterialismus), (umstrittene) Pluralisier. v. Lebensstiltypen 2. Entkoppelung von soz.ök. Status und Orientierung 3. Tendenziell gesteigert vertikale und horizontale Mobilität (i. Sinne von: Milieuzugehörigkeit)

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Was bedeutet der Übergang von Schichten zu Milieus? Ist die Gesellschaft erfüllt von „allerlei Milieus“?

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Milieus: Sinus Milieustudien, Eine Möglichkeit: Schichtungsunterscheidungen ergänzen durch zusätzliche Differenzierung von Wert-Orientierungs-Mustern: Traditionelle Orientierung (Pflicht & Ordnung) Moderne Orientierung (Selbstverwirklichung, Genuss) (Post-) moderne Orientierung (Experimentell, „hybrid“) Abbildung soziokultureller Milieus auf einer Matrix in Bezug auf "soziale Lage/ Schichtzugehörigkeit" und "Werteorientierung„

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Andere Variante: Vertikale Achse: statt soz.strukt. Indikatoren (Einkommen, Bildung) eher „herrschaftstheoretische“ Unterscheidungen Horizontale Achse: statt prä-, haupt- und postmoderne eine eher autoritätsbezogene Wertskala: Pointe (in beiden Varianten): Interne Differenzierung von Schichten statt „Entkoppelung“: Milieuspezifika und Schichtungsindikatoren werden nur addiert Die radikalere Alternative: heterogener Charakter von Schichten und Milieus

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Milieuunterschiede sind Unterschiede in der Lebensführung, die nicht von objektiven Ressourcen, sondern von gruppenspezifischen und –konstitutiven kulturellen Hintergründen abhängig sind. Bsp. Für nicht schichtenspezif. Diff.: Beteiligung türkischstämmiger Migranten und Deutscher in verschiedenen Lebensbereichen (Prozentwerte, Mehrfachnennungen):

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Gerhard Schulze: „Erlebnisgesellschaft“ (1992) Umschalten von Produktion auf die Sphäre des Konsum »Projekt des schönen Lebens« ersetzt Lebensauffassung der Mangelbeseitigung Erlebnisorientierung wird zur kollektiven Basismotivation Beziehungswahl qua Stiltypus, Bildung, Alter bildet den Modus der Zugehörigkeit zu Großgruppen Milieus: Niveaumilieu Selbstverwirklichungsmilieu Integrationsmilieu Harmoniemilieu Unterhaltungsmilieu

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Ein alternativer Milieubegriff: Lebensstile und „Szenen“: Ronald Hitzler (siehe Reader…): Szenen sind …Gesinnungsgemeinschaften …thematisch fokussierte Netzwerke …interaktive Teilzeitgesellungsformen …haben ihre eigene „Kultur“ (dazu gleich mehr…) …sind labile Gebilde …haben typische Treffpunke …sind Netzwerke von Gruppen …sind vororganisierte Erfahrungsräume (siehe: K. Mannheim, „konjunktivischer Erfahrungsraum) …strukturieren sich um Organisationseliten …sind dynamisch …liegen quer zu bisherigen Gesellungsformen und großen Institutionen (Eine) wesentliche Quintessenz: nicht einfach Gruppen variieren und neue Gruppenformen evoluieren, sondern: das Verhältnis der einzelnen Person zu kulturell integrierten Kollektiven verändert sich: flüchtige Zugehörigkeit, Exitoption, Entscheidungsabhängigkeit ---- Individualisierung

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Ein alternativer Milieubegriff: Phänomenologie: Aron Gurwitsch, „Der Mitmensch in der Milieuwelt“: Milieubegriff nach Max Scheler: „Lebenswelt“ – Die für das Handeln, die Intentionen und Ziele der Individuen maßgebliche „Sozialstruktur“ ist die „lebensweltlich“ wahrgenommene und gruppen- (eben: milieuspezifisch) für selbstverständlich genommene Interpretation der „Umwelt“ des Milieus Richard Gratthof, Milieu und Lebenswelt: Die Analyse von Milieus setzt einen hermeneutischen Zugang zu den intern geteilten Selbstverständlichkeiten (Typiken und Relevanzstrukturen) voraus Die Erschließung des subjektiven Sinns unterscheidet sich von einer „Variablensoziologie“

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Beispiel: schichtenspezifische Selbstverortung: Auf die Frage, welcher Schicht  würden Sie sich zurechnen antworten (Allbus – Allgemeine Bevölkerungsumfrage der SoWi, 2006) – Vgl. ↓ (Mittelschicht 53 % versus ca. < 35 %)

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Milieudifferenzierung oder Schichtungshierarchie? Sven Otte (siehe Reader): Was (wieviel) erklären Schichtvariablen, was erklären Milieuvariablen (Bsp.: Parteinpräferenzen: der Anteil an Erklärungskraft von Schicht. bzw. Milieu-Variablen variiert je nach Partei!) Problem: die Umformung von lebensweltlichen bzw. impliziten Gewissheiten, die milieuspezifische Deutungen der Sozialstruktur tragen, in Variablen, deren Erklärungsanteil messbar (multivariate Regressionsanalyse) ist. Daraus folgt: die empirische Entkoppelungsthese bedeutet, dass die „Sozialstruktur“ unter Bedingungen kultureller Pluralisierung (Differenzierung von Milieus) in eine Vielzahl von gruppenspezifischen Deutungen zerfällt neben ihnen wirken objektive Ressourcenverteilungen als heterogene Bedingungen des Handelns, der Orientierungen und der sozialen Ungleichheit.

Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3 Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ 3. Entkoppelung von objektiven Lagen und subjektiven Orientierungen Andeutung eines Ausblicks: nicht die gesellschaftlichen Gruppen sind anders verteilt, sondern das komplexe Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft (inklusive intermediäre Kollektive) hat sich verändert: Personen sind der Tendenz nach zunehmend pluralistisch „vergemeinschaftet“, und das bedeutet: - subjektiv: „Individualisierung“ und „Exklusion“ (gesteigerte Möglichkeiten „heraus zu fallen“) - kollektiv: Gemeinschaften (kollekt. und indiv. Identitäten) werden wegen notwendiger Kontrasterfahrung „reflexiv“ oder (bei Insistenz auf stabilere Zuordnungen) „fundamentalistisch“ - gesellschaftlich: die Beziehung zwischen gesellschaftlichen Großsystemen und Personen (und Milieus) wird einseitiger (Problem der kollektiven Interessenbündelung und -vertretung, Asymmetrie Markt und „Lebenswelt“ siehe: „soziale Ungleichheit“) - für die „Sozialstruktur“: Die Wirkungen von quantifizierbaren Ressourcenverteilungen auf das Handeln und Orientierungen werden prismatisch gebrochen durch den Filter puralisierter Deutungshorizonte