Tagesgruppen in der Sackgasse? – Eine differenzierte Betrachtung

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 Präsentation transkript:

Tagesgruppen in der Sackgasse? – Eine differenzierte Betrachtung M. Moch: Tagesgruppen in der Sackgasse? – Eine differenzierte Betrachtung 1. Theoretische Vorbemerkung 2. Entwicklungen und Bestandsaufnahme der Hilfen zur Erziehung, insbesondere Tagesgruppen 3. Angestammte Leistungsfelder von Tagesgruppen 4. Kritische Analyse der Leistungsprofile von Tagesgruppen 5. Thesen und Ausblick M. Moch: Tagesgruppen 2005

M. Moch: Tagesgruppen 2005

M. Moch: Tagesgruppen 2005 Eckwert Fremdunterbringung Quelle: KVJS Baden-Württemberg 2005 M. Moch: Tagesgruppen 2005

Entwicklung des Umfangs der HzE in Tagesgruppen Bezogen auf 100 000 junge Menschen unter 18 Jahren hat sich der Anteil von TG-Kindern zwischen 1991 und 2004 von 15 auf 46 verdreifacht (beendete Hilfen). Der Anteil der bestehenden Hilfen in TGs an allen Hilfen außerhalb des Elternhauses (HE, Vollz.Pflege, ISE und TG) steigerte sich in der BRD von 5% im Jahr 1991 auf 12% im Jahr 2001. In Bezug auf alle im Jahr 2003 begonnenen Hilfen zur Erziehung außerhalb des Elternhauses betrug der Anteil der Hilfen in Tagesgruppen 23%. Der Anteil derjenigen, die vor der Tagesgruppe eine andere Hilfe zur Erziehung empfingen, erhöhte sich von 58% im Jahr 1991 auf 75% im Jahr 2001. M. Moch: Tagesgruppen 2005

Quelle: KVJS Baden-Württemberg 2005; eigene Berechnungen M. Moch: Tagesgruppen 2005

Relationen zwischen stationären und teilstationären Erziehungshilfen M. Moch: Tagesgruppen 2005

M. Moch: Tagesgruppen 2005

Angestammte Leistungsfelder von Tagesgruppen Rückzugsmöglichkeit; Entlastung und erweiterter Handlungsspielraum Gruppenerfahrungen zum Aufbau sozialer Kompetenzen Unmittelbarer Zugang zur Familie als primärer Bezugsgruppe Arbeit mit der Schule aufsuchende Arbeit; Einbeziehung von Peers individuelle Begleitung; Anschlusswege eröffnen fachliche Autorität der MitarbeiterInnen von TGs im institutionellen Umfeld M. Moch: Tagesgruppen 2005

Empirisch nachgewiesene Wirkungen von HZE in Tagesgruppen Bei 83% aller betroffenen Kinder/Jugendlichen zeigen sich positive Entwicklungen. Dies zeigt sich insbesondere: in der Abnahme problematischer Verhaltensweisen. im Aufbau sozialer und alltagspraktischer Kompetenzen. Demgegenüber werden belastende Bedingungen im familialen Umfeld (etwa Erziehungspraktiken, Elternabwesenheit, soziale Schwierigkeiten in der Schule) nicht nachweisbar reduziert. Quellen: JULE 1998; JES 2001 M. Moch: Tagesgruppen 2005

Differenz zwischen Problemanzeigen und Hilfeplanung M. Moch: Tagesgruppen 2005

Quelle: JULE-Studie 1998 M. Moch: Tagesgruppen 2005

"Bei den Entwicklungsaufgaben zeigt sich, dass sich der Blick "Bei den Entwicklungsaufgaben zeigt sich, dass sich der Blick ... auf das Kind verengt, obwohl in den Diagnosen und Begründungen für die Hilfe die Familie in weitaus stärkeren Maße Auslöser ... der erzieherischen Hilfe war. Es hat den Anschein, dass hier entgegen aller Programmatik alte Sichtweisen und Denkmuster vorherrschen.“ (JULE-Studie; Baur et al, 1998, 180)" M. Moch: Tagesgruppen 2005

Quellen: JULE 1998 (N=62); PG Petra 1992 (N=125) M. Moch: Tagesgruppen 2005

These 1: Die Tagesgruppe bleibt ihren Traditionen in der Heimerziehung dort verhaftet, wo sie sich in ihrer erfolgreichen Arbeit einseitig auf das Kind konzentriert. Es bestehen erhebliche Entwicklungspotenziale der Tagesgruppe, ihren Erkenntnissen und ihrem Auftrag entsprechend bestehende Umfelder (Familie und Freundeskreis) aktiver als bisher miteinzubeziehen. M. Moch: Tagesgruppen 2005

Quelle: JULE-Studie 1998 M. Moch: Tagesgruppen 2005

These 2: In der Konfrontation mit verstrickten Familienbezie-hungen scheitert die Tagesgruppe immer wieder an ihrem eigenen Erfolg: Je klarer und erfolgreicher sie dem Kind (und seinen Eltern) Wege eines gelingenderen Alltags in der TG aufzeigt, desto mehr verstärkt sie den Loyalitätskonflikt zwischen Kind und Elternhaus. M. Moch: Tagesgruppen 2005

Quelle: Schilling, Pothmann & Overmann: HZE in NRW 2002 M. Moch: Tagesgruppen 2005

Quelle: KVJS Baden-Württemberg M. Moch: Tagesgruppen 2005

M. Moch: Tagesgruppen 2005

„Er war in der Schule unter Bewachung, dann kam er in die therapeutische Tagesstätte, war er wieder unter Bewachung und abends musste er ja, also er war er wieder unter Bewachung. So hat er sich damals ausgedrückt, das sind nicht meine Worte.“ (Äußerung der Mutter eines inzwischen 18jährigen Jungen, der im Alter 12/13 eine Tagesgruppe besuchte) (JULE-Studie; Baur et al. 1998, S. 481) M. Moch: Tagesgruppen 2005

These 4: Tagesgruppen haben lange eine systematische Weiterentwicklung individuell differenzierter Betreuungsformen vernachlässigt. Darin liegt der wesentliche Grund für ihren Mangel an Attraktivität für jene Kinder und Jugendlichen, die nicht zu den Standard-Zielgruppen der Tagesgruppe gehören. M. Moch: Tagesgruppen 2005

Tagesgruppe und Schule M. Moch: Tagesgruppen 2005

Differenzierungsaspekte in der Beziehung zwischen Tagesgruppe und Schule Unterschiedliche Aufträge von Erziehungshilfe und Schule Schulprobleme und Schulleistung als bisheriger Schwerpunkt der Tagesgruppenarbeit Vermittlung und Verbindlichkeit des Angebots sowie Umfang des Auftrags Bedürfnisorientierung des Angebots (Beispiele: Schulabsentismus, Mitarbeit von Eltern) M. Moch: Tagesgruppen 2005

These 3: Ausgehend von einer klaren Differenz war und ist die Schule von Beginn an engster Kooperationspartner der Tagesgruppe. Auf dieser Grundlage hat die Tagesgruppe einen unmissverständlichen, eigenständigen Auftrag. Dieser bemisst sich an dem (nachzuweisenden) ganzheitlichen und individuellen Bedarf eines Kindes / Jugendlichen, dem zu entsprechen nicht Bestandteil eines generellen und selektiven Auftrags der Schule ist. M. Moch: Tagesgruppen 2005

Quelle: KVJS Baden-Württemberg 2005 M. Moch: Tagesgruppen 2005