Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

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Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen 30.11.2009

Sprachwandel durch Sprachausbau Sprachlicher Ausbau vom frühen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen – der sprachliche Ausbau Ausbausprache = im Anschluss an Heinz Kloss* eine Sprachvarietät, die so weit entwickelt ist, dass sie für anspruchsvolle kommunikative Zwecke (z.B. Sachprosa) dienen kann. Zum Ausbau der Sprache gehört ein gewisser Grad der Normierung in Bezug auf die Grammatik, Orthographie und den Wortschatz. Dachsprache Sprache, die einer Gruppe von Dialekten als gemeinsame Standardsprache dient, z.B. Latein im Mittelalter *Heinz Kloss: Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800. 2., erweiterte Auflage. Düsseldorf 1978.

Kommunikation und Sprachliche Entwicklung Arten der sozialen Kommunikation und Interaktion

Kommunikation und Sprachliche Entwicklung

Mündliche Kommunikation Vertikale Kommunikation die Kommunikation von Höhergestellten mit Untergebenen oder auch umgekehrt

Mündliche Kommunikation Vertikale Kommunikation

Mündliche Kommunikation Horizontale Kommunikation Arbeits- und Privatgespräche unter Bauern im Mittelalter

Mündliche Kommunikation Horizontale Kommunikation Arbeits- und Privatgespräche unter Arbeitern und Handwerkern im Mittelalter

Soziale und kommunikative Normen Horizontale Kommunikation Mittelalterliche Verkaufsgespräche

Mündliche Kommunikation Horizontale und vertikale Kommunikation bei Hofe

Der gesteuerte Ausbau des Lateinischen Die Karolingische Bildungsreform

Schriftlichkeit im Mittelalter Quelle: J. Müller-Lancé: Latein für Romanisten. Tübingen 2006, S. 38

400 – ca. 770: LATEIN ALS „ABBAUSPRACHE“ ABBAU IM BEREICH DER SCHRIFTLICHEN KOMMUNIKATION   Nur mündliche Kommunikation Sprachwandel: Lateinisch-Romanisches Kontinuum

Kultur und Bildung im frühen MIttelalter Antike Gelehrsamkeit zwischen Zäsur und Kontinuität Kultur und Bildung im frühen MIttelalter

Isidor von Sevilla (* um 560 bis 636 ) Einer der bedeutendsten Schriftsteller des Frühmittelalters, kann aber auch zu den letzten Autoren der Spätantike, weil er das antike Wissen sammelte und ordnete. Das Westgotenreich war zu seiner Zeit von der Vermischung romanischer und germanischer Kultur geprägt. Isidor von Sevilla (* um 560 bis 636 )

Isidor von Sevilla Isidor von Sevilla Seine Schriften verfasste Isidor auf Latein Das Hauptwerk Etymologiarum sive originum libri XX Das Werk orientiert sich an den Artes liberales, ergänzt diese jedoch um einen Abriss der damals bekannten Weltgeschichte. Hierin befinden sich auch einige Gedanken zur Sprachgeschichte sowie zur Periodisierung des Lateinischen

Die Struktur der Etymologiae DE GRAMMATICA DE RHETORICA ET DIALECTICA DE MATHEMATICA DE MEDICINA DE LEGIBUS ET TEMPORIBUS DE LIBRIS ET OFFICIIS ECCLESIASTICIS DE DEO, ANGELIS ET SANCTIS DE ECCLESIA ET SECTIS DE LINGUIS, GENTIBUS, REGNIS, MILITIA, CIVIBUS, AFFINITATIBUS. DE VOCABULIS. DE HOMINE ET PORTENTIS DE ANIMALIBUS DE MUNDO ET PARTIBUS DE TERRA ET PARTIBUS DE AEDIFICIIS ET AGRIS DE LAPIDIBUS ET METALLIS DE REBUS RUSTICIS DE BELLO ET LUDIS DE NAVIBUS, AEDIFICIIS ET VESTIBUS DE DOMO ET INSTRUMENTIS DOMESTICIS

Metasprachliche Hinweise 1 De linguis gentium. Linguarum diversitas exorta est in aedificatione turris post diluvium. Nam priusquam superbia turris illius in diversos signorum sonos humanam divideret societatem, una omnium nationum lingua fuit, quae Hebraea vocatur… Bezugnahme auf den Turmbau zu Babel

Metasprachliche Hinweise Periodisierung vom Altlateinischen zum Romanischen Latinas autem linguas quattuor esse quidam dixerunt, id est Priscam, Latinam, Romanam, Mixtam. Quelle: http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Isidore/9*.html#1

Metasprachliche Hinweise Prisca est, quam vetustissimi Italiae sub Iano et Saturno sunt usi, incondita, ut se habent carmina Saliorum. Latina, quam sub Latino et regibus Tusci et ceteri in Latio sunt locuti, ex qua fuerunt duodecim tabulae scriptae. Romana, quae post reges exactos a populo Romano coepta est, qua Naevius, Plautus, Ennius, Vergilius poetae, et ex oratoribus Gracchus et Cato et Cicero vel ceteri effuderunt. Mixta, quae post imperium latius promotum simul cum moribus et hominibus in Romanam civitatem inrupit, integritatem verbi per soloecismos et barbarismos corrumpens. Altlatein Latein zur Zeit der Etruskerkönige Zeit der römischen Republik Kaiserzeit und danach

Metasprachliche Hinweise DE VASIS REPOSITORIIS. […] “Z pro D, sicut solent Itali dicere ozie pro hodie.” […]  Hinweis auf die Affrizierung von [dj] in Italien http://la.wikisource.org/wiki/Etymologiarum_libri_XX_-_Liber_XX

Etwa 150 Jahre später im Karolingerreich…

Der kulturhistorische Kontext Die Karolingische Bildungsreform („Karolingische Renaissance“) In der merowingischen Zeit war es zu einem Niedergang der antiken Stadtkultur und einem allgemeinen Verfall der kirchlichen Organisation, der Liturgie, der Schriftkultur und der Baukunst gekommen. Das römische Schulwesen war weitgehend zum Erliegen gekommen. Man berichtete von Priestern, die nicht das nötige Latein beherrschten, um ein korrektes Vaterunser zu beten.

Der kulturhistorische Kontext Die Karolingische Bildungsreform („Karolingische Renaissance“) In der merowingischen Zeit war es zu einem Niedergang der antiken Stadtkultur und einem allgemeinen Verfall der kirchlichen Organisation, der Liturgie, der Schriftkultur und der Baukunst gekommen. Das Schulwesen war seit dem Ende des 5. Jahrhundert weitgehend zum Erliegen gekommen. Man berichtete von Priestern, die nicht das nötige Latein beherrschten, um ein korrektes Vaterunser zu beten.

Die Kaiserkrönun g Karls in Rom (800) Das Vorbild der Antike

Der kulturhistorische Kontext Die Karolingische Bildungsreform („Karolingische Renaissance“) 777: Karl versammelte an seinem Hof Gelehrte aus ganz Europa (Alkuin, Paulinus von Aquileia, Paulus Diaconus, Theodulf von Orléans). Versuch einer Rekonstruktion des klassischen Lateins mithilfe überlieferter Texte (was allerdings erst den italienischen Humanisten des 15. Jahrhunderts vollständig gelang) Der Abstand zur gesprochenen (romanischen) Sprache wurde durch die Bildungsreform noch größer

Die karolingische Bildungsreform Die karolingisch e Minuskel Die karolingische Bildungsreform

Der kulturhistorische Kontext Der „Wiederaufbau“ des Lateinischen im Rahmen der karolingischen Bildungsreform hat auf romanischem Gebiet (insbes. in Italien) den Ausbau des (bzw. der Volgari) verzögert Karolingisches Latein = Dachsprache Romanische Dialekte

Ca. 770 – 1450: Latein als Ausbausprache  Ausbau und Perfektionierung der schriftlichen Kommunikation im Lateinischen Ungesteuerter Polyzentrischer Ausbau des Volgare (bis 15. Jh.)

Diglossie mit Bilinguismus Kommunikation auf Latein und auf Volgare im Mittelalter am Beispiel Italiens

Diglossie mit Bilinguismus Länger und beharrlicher als in anderen romanischen Ländern wurden in Italien die muttersprachlichen Dialekte aus der literarischen und nicht literarischen Schriftsprachlichkeit ausgeschlossen. Der schriftliche Gebrauch des volgare war stark eingegrenzt.

Diglossie mit Bilingismus im MA SPRACHEN MERKMALE Latein (= Mittellatein) = High Variety (HV) Die H-Varietät wird geschrieben und vor allem in formalen Redesituationen gebraucht. Sie wird in den Bildungs-institutionen regelhaft als Register erlernt und besitzt hohes Prestige. Volgare (primäre Dialekte) = Low Variety (LV) Die L-Varietät wird als Muttersprache erworben und unterliegt keiner institutionellen Kontrolle. Sie wird in allen informalen Kommunikationssituationen gebraucht. Sie weist starke diatopische Variation auf.

Lateinische Bildung: die sieben freien Künste – Das Studium der Grammatik Die sieben freien Künste bestanden aus den Studienfächern Arithmetik: Zahlentheorie Astronomie: Lehre der Himmelskörper Dialektik: Beweislehre Rhetorik: Redelehre Geometrie: Vermesslehre Grammatik: Sprachlehre Musik: Musiklehre Sie gehörten nach römischer Vorstellung zur Bildung "eines freien Mannes“

Lateinische Bildung: die sieben freien Künste – Das Studium der Grammatik Im mittelalterlichen Lehrwesen waren sie die Grundlage für Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Die sieben freien Künste wurden in ein "Trivium" mit den prachlich ausgerichteten Fächer Grammatik, Rhetorik und Dialektik sowie ein "Quadrivium" mit mathematisch ausgerichteten Fächer Arithmetik, Geometrie,Musik und Astronomie unterteilt.

Lateinische Bildung: die sieben freien Künste – Das Studium der Grammatik Lateinunterricht im Mittelalter und in der Renaissance

Lateinische Bildung: die sieben freien Künste – Das Studium der Grammatik

Lateinische Bildung: die sieben freien Künste – Das Studium der Grammatik Lateinische Bildung: die sieben freien Künste

Lateinische Bildung: die sieben freien Künste – Das Studium der Grammatik

Lateinische Bildung: die sieben freien Künste – Das Studium der Grammatik

Lateinische Bildung: die sieben freien Künste – Das Studium der Grammatik

Lateinische Bildung: die sieben freien Künste – Das Studium der Grammatik

Der (zunächst) ungesteuerte Ausbau des Volgare Latein und Volgare im Mittelalter (800-1200)

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur volkssprachlichen - Das Veroneser Rätsel (um 800) Indovinello veronese Der Fundort

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen - Das Veroneser Rätsel ✝ separebabouesalbaprataliaaraba & albouersorioteneba & negrosemen seminaba ✝ gratiastibiagimusomnipotenssempiternedeus Se pareba boves, alba pratàlia aràba et albo versòrio teneba, et negro sèmen

Das Volgare bei Gericht 960-1200

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen - Das Veroneser Rätsel - Die Placiti campani (960)

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen - Das Veroneser Rätsel - Die Placiti campani (960) Die Placiti campani „[...] et ipse [qui] supra Aligernus benerabilis abbas pro pars [sic!] memorati sui monasteri faceret ei per testes talem consignationem se[cun]dum lege, ut singulo ad singulos ipsi testes eius teneat in manum supradictam abbreabiaturam, quam ipse Rodel[grim]us hostenserat, et testificando dicat: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, [t]renta anni le possette parte sancti Benedicti; et firmarent testimonia ipsa secundum lege per [sa]cramenta. [...]“

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen - Das Veroneser Rätsel - Die Placiti campani (960) „Ille aute(m) [= Teodemundus], tenens in manum predicta abbrebiatura, que memorato Rodelgrimo hostenserat, et cum alia manu tetigit eam, et testificando dixit: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene [...]“ „Ille autem [= Mari], tenens in manum predicta abbrebiatura, et cum alia manus tangens eam, et testificandum dixit: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene [...]“ „Ille autem [= Garipertus], tenens in manum memoratam abbrebiaturam, et tetigit eam cum alia manu, et testificando dixit: Sao ko kelle terre per kelle fini que ki contene [...]“

Das Placito Capuano Der Gegenstand des Textes aus Capua von 960 ist die Bekundung, dass bestimmte Ländereien dreißig Jahre lang im Besitz des mächtigen Klosters Sankt Benedikt zu Montecassino gewesen seien.

Das Placito Capuano Der Kontext Im März 960 verkündete der Richter Arechisi in Capua das Urteil zu Gunsten der Benediktiner. Kläger im Rechtsstreit war ein gewisser Rodelgrimus aus Aquino, der die Besitzrechte des Klosters angefochten hatte. Dem Beklagten, Abt Aligernus aus Montecassino, gelang es jedoch, drei Zeugen beizubringen, welche die folgenden Eidesformeln zu Gunsten des Klosters sprachen.

Das Placito Capuano Richter, Kläger, Beklagte und Rechtsbeistände werden z.T. namentlich vorgestellt. Daraufhin kommt es zum erstenmal zur Erwähnung einer notariellen Urschrift (abbrebiatura), in welcher die Grenzverläufe der umstrittenen Ländereien topographisch genau beschrieben sind.

Die Prozessparteien und der Prozessgegenstand Kläger Richter Beklagter der Bauer Rodelgrimus Arechisi aus Capua Abt Aligernus des Benediktinerklosters Montecassino Zeugen: Mari (Mönch und Diakon) Theodemundus (Mönch und Diakon) Garipertus (Mönch und Diakon) Wird zu einer Geldstrafe an das Kloster verurteilt Spricht Recht zugunsten des Klosters Prozessgegenstand: Streit um Ländereien: im Besitz des Klosters oder des Bauern Rodelgrimus?

Das Placito Capuano Der Kläger Rodelgrimus zeigt der Gegenpartei, vertreten durch den Abt Aligernus und seine Zeugen, die abbrebiatura. Es folgt die Beschreibung der Grenzverläufe mit Nennung von Bergen, Gewässern, Ortschaften etc., bis der Diskurs auf die besagte abbrebiatura zurückkommt.

Das Placito Capuano Es fällt in indirekter Rede schließlich der entscheidende Satz, der dann im kampanischen Text in verkürzter Form in direkter Rede wiederholt wird: [...] eo quod dicebat, ut pars memorati sui monasterii ipse iam per triginta annos possedissent, et talem dicebat exinde secundum lege comprobare quomo[do ...] infra supradicte finis haberent.

Das Placito Capuano Lateinische Passage des Protokolltextes Vorgefertigte kampanische Schwurformel [...] eo quod dicebat, ut pars memorati sui monasterii ipse iam per triginta annos possedissent, et talem dicebat exinde secundum lege comprobare quomo[do ...] infra supradicte finis haberent. “Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, trenta anni le possette parte sancti Benedicti.”

Das Placito Capuano Nach der Aussage des Klägers wird die Aussage des Abtes und seiner Zeugen vermerkt, wobei die Zeugenaussage in der Volkssprache protokolliert wird. Es kommt außerdem zur detaillierten Schilderung der Situation, in welcher die volgare-Formel angewandt wird, d.h. mit der Urkunde in der einen Hand, während mit der anderen darauf gezeigt wird, soll die vorgefasste Eidesformel vom Zeugen nachgesprochen werden:

Das Placito Capuano Nach dem Vorlesen des Formeltextes werden die drei Zeugen des Abtes namentlich genannt. Es handelt sich um drei Geistliche, die dem Richter die Wahrhaftigkeit ihrer Aussage bekunden müssen: [...] et iam dictus domnus Aliger[nus] abbas pro parte memorati sui monasterii paratus erat cum hos testes suos, idest Teodemundum diaconum et monachum, et Mari clericum et monachum, Garipertum clericum et notarium [...]

Das Placito Capuano Mit der abbrebiatura in der Hand, die der Kläger Rodelgrimus vorgelegt hatte, schwört nun jeder der Zeugen separat nach der besagten Schwurformel. Keine der volkssprachlichen Konstituenten ist zufällig. Die uniformen Zeugenaussagen enthalten in kondensierter Form die wesentlichen Informationen, die für die Urteilsfindung des Richters von Bedeutung sind.

Placito capuano Das Aussprechen der Schwurformel Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, trenta anni le possette parte sancti Benedicti.

Das Placito Capuano Ille aute(m) [= Teodemundus], tenens in manum predicta abbrebiatura, que memorato Rodelgrimo hostenserat, et cum alia manu tetigit eam, et testificando dixit: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene [...]

Das Placito Capuano Ille autem [= Mari], tenens in manum predicta abbrebiatura, et cum alia manus tangens eam, et testificandum dixit: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene [...]

Das Placito Capuano Ille autem [= Garipertus], tenens in manum memoratam abbrebiaturam, et tetigit eam cum alia manu, et testificando dixit: Sao ko kelle terre per kelle fini que ki contene [...]

Die Placiti campani “Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, trenta anni le possette parte sancti Benedicti.” [Capua, März 960] “Sao cco kelle terre, per kelle fini que tebe monstrai, Pergoaldi foro, que ki contene, et trenta anni le possette.” [Sessa Aurunca, März 960] “Kella terra, per kelle fini que bobe mostrai, sancte Marie è, et trenta anni la posset parte sancte Marie”. [Teano, Juli 963]

Die Placiti campani Ein Vergleich mit anderen Texten aus der Region, die im selben Zeitraum entstanden sind, zeigt aber auch, dass wichtige Zeugenaussagen keineswegs notwendigerweise in der Volkssprache protokolliert werden mussten, denn es gibt auch Beispiele für derartige Zitate in lateinischer Sprache: Scio quia illae terrae per illas fines et mensuras quas vobis monstravimus, per triginta annos possedit pars Sancti Vincentii.

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen – Die Testimonianze di Travale (1158)

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen – Die Testimonianze di Travale (1158) […] Viventi quondam filius, qui Henrigulus vocatur, dicit quod audivit dicere Berardinum predictum quod isti de Casa Magii, hii sunt li Nappari, fuerunt de la curte di Travale, ut ipse audivit dicere; de la Montanina dicit: Io de presi pane e vino p(er) li maccioni a Travale; de illa que est da Casa Magii dicit quod perdonatum fuit. […]

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen – Die Testimonianze di Travale (1158) “[…] Pogkino, qui Petrus dicitur, dicit quod ipse stetit cum Gkisolfolo Africanu et ab eo audivit quod Casa Magii erat de la curte de Travale et fecit ibi servitium, non quod ipse viderit vel sciat; et ab eodem Gkisolfolo audivit quod Malfredus fecit la guaita a Travale. Sero ascendit murum et dixit: Guaita, guaita male; non mangiai ma mezo pane. Et ob id remissum fuit sibi servitium, et amplius no(n) tornò mai a far guaita, ut ab aliis audivit, quia veritatem inde nescit.”

Die (toskanischen) Kaufleute als Förderer des Volgare 12. und 13. Jahrhundert

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen – Die Sprache der Kaufleute Die Bücher der Kaufleute In der Toskana nahmen die Kaufleute frühzeitig die Kontoführung in die eigenen Hände, zuvor wurde sie von Notaren ausgeübt Libri di conti Libro del dare Libro del avere Libro memoriale Libro di compere e vendite […]

Das älteste überlieferte Schriftstück aus Florenz Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen – Die Sprache der Kaufleute Das älteste überlieferte Schriftstück aus Florenz = Frammenti di un libro di conti di banchieri fiorentini (1211)

Frammento … (1211) Buonagiu(n)la‘ da-sSomaia‘ die dare lib. Xxiii‘ (e) s.-xviii per livre ve(n)titré + (e) -+ ke-i-p(re)sta(m)mo‘ i die a(n)zi kl. Luglio‘: po(nemmo) ke-die aire; (e) dene pagare‘ i(n) k. agossto‘, se-più-sta(n)do‘, a iiii d.‘ lib. il mese‘ qua(n)to-fosse‘ nostra‘ volo(n)tade‘, € s‘-ei‘ no-pagasse‘, sì-no-p(ro)mise‘ di pagare Buonone‘ f. Farolfi da Duomo‘ p(ro)de‘ (e) kapitale‘ qua(n)t‘-elli-sstessero‘. Tt.‘ […] Abkürzungen: typisch für die Kaufmannssprache d. = denari; f. = figliuolo; k., kl., kal. = calende, calendi = 1. Tag des Monats; l., lib. = libbre, libbra, livre, livra (Pfund); s. = soldi; tt. = testimoni

Schule im Mittelalter Latein und Volgare Latein in den Notarsschulen über das Volgare Die Kaufmannsschulen verzichteten weitgehend auf das Lateinische und griffen auf das Volgare zurück Von den Bürgern oder den Gemeinden finanzierte Privatschulen

Das Volgare in der religiösen Kommunikation 11. Jh. bis 15. Jh.

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen - Das Veroneser Rätsel - Die Inschrift der Comodilla-Katakombe (Rom) Gesamtaussicht und Ausschnitt

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen - Die Inschrift von S. Clemente (Rom)

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen - Die Inschrift von S. Clemente (Rom) [Sisinius]: Fili dele pute, traite. Gosmari, Albertel traite. Falite dereto co lo palo Carvoncelle   [Clemens]: Duritiam cordis vestri... saxa traere meruistis

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen - Il Cantico di Frate Sole des Hl. Franziskus Franziskus dichtete seinen Gesang auf die Schöpfung (Il Cantico di Frate Sole) am Ende seines Lebens, vermutlich Ende 1224 oder Anfang 1225. Dichtung (insbes. religiöse) in der Volkssprache war in der italienischen Kultur jener Zeit noch höchst ungewöhnlich.

Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen - Il Cantico di Frate Sole des Hl. Franziskus Canticum fratris solis vel Laudes creaturarum   Altissimu onnipotente bon signore, tue so le laude, la gloria e l’honore et onne benedictione. Ad te solo, altissimo, se konfano, et nullu homo ene dignu te mentovare. Laudato sie, mi signore, cun tucte le tue creature, spetialmente messor lo frate sole, lo qual’è iorno, et allumini noi per loi. Et ellu è bellu e radiante cun grande splendore, de te, altissimo, porta significatione. Laudato si, mi signore, per sora luna e le stelle, in celu l’ài formate clarite et pretiose et belle. Laudato si, mi signore, per frate vento, et per aere et nubilo et sereno et onne tempo, per lo quale a le tue creature dai sustentamento. […]

Der Hl. Franziskus – Gebete in Volgare Altissimo glorioso Dio, illumina le tenebre de lo core mio et da me fede dricta, sperança certa e caritade perfecta, senno et cognoscemento, Signore, che faça lo tuo santo e verace commandamento. Amen.

Der Hl. Franziskus – Gebete in Volgare Audite, poverelle dal Signore vocate ke de multe parte et province sete adunate: vivate sempre en veritate ke en obedientia moriate. Non guardate a la vita de fore, ka quella dello spirito è migliore. Io ve prego per grand'amore k'aiate discrecione de le lemosene ke ve dà el Segnore.