Pädagogische Hochschule Karlsruhe

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
H - A - M - L - E - T Handlungsmuster von Lehrerinnen und Lehrern beim Einsatz neuer Medien im Unterricht der Fächer Deutsch, Mathematik und Informatik.
Advertisements

Angebot für Führungskräftetraining:
Einführung in die Wirtschaftspädagogik – Vorlesung im SS 2009
Master of Arts: Inklusive Pädagogik und Elementarbildung Elementar- und Integrationspädagogik Dr. Arno Koch.
Mathematik und Allgemeinbildung
Anforderungen an wissenschaftliche Arbeit
Aspekte für die Beurteilung von innovativen Fortbildungsprojekten (in Klammern: Innovations-Bereiche, siehe Anlage) Schulinternes Fortbildungsprojekt Förderung.
Bildungs- und Erziehungsziele der Berufsorientierung an Gymnasien und der Oberstufe der Gesamt- / Gemeinschaftsschulen „die jungen Menschen zur Teilnahme.
Räumliche Orientierung Lehrveranstaltungsraum:
HINTERGRUND Umweltforschungsprogramm von 1997 umgesetzt (->
Beobachtungsaufgaben im Schulpraktikum
Gliederung Begriffsklärung Systematische Evaluation
Handlungsorientiert lehren und lernen
Unterrichtsevaluation: Was geschieht im Klassenraum?
Räumliche Orientierung Lehrveranstaltungsraum:
Barbara Wörndl Hochschule Merseburg (FH)
Medienbildungskom petenz Interactive Whiteboards in der hessischen Lehrerausbildung Ein Projekt des AfL Frankfurt in Kooperation mit SMART Manfred König.
Kernlehrplan Sekundarstufe I Musik Hintergründe - Informationen
Zentrale Lernstandserhebungen 2008 (Vergleichsarbeiten - VERA) in der Jahrgangsstufe 3 Informationen für Eltern Lernstandserhebung 2008.
Elternarbeit in der innovativen Ausbildung von Lehrern
Qualitative Forschung
Evaluation der Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2012 Name des Dozenten Name der evaluierten Veranstaltung ? Studierende haben sich an der Evaluation.
MBFJMWVLW Ökonomische Bildung am Gymnasium, Ökonomische Bildung am Gymnasium in Rheinland-Pfalz.
Teil 2 Marco Fileccia Kurze Wiederholung Teil 1 Prinzip Gruppenbildung
Konzept der Fort- und Weiterbildung für die SeelsorgerInnen im Bistum Münster Hauptabteilung 500, Seelsorge - Personal Gruppe 512, Fortbildung Hermann.
„Jeder von uns rennt umher und tut irgend
Einführung in die Sportwissenschaft Wissenschaft und Praxis
Gestaltung sächsischer Lehrpläne - Lehrplanmodell -
Praxissemester im modularisierten Lehramtsstudium Rahmenbedingungen für die Fachdidaktik im PS Verzahnung mit der universitären Ausbildung und dem Referendariat.
Die professionelle Lerngemeinschaft
Arbeitstitel der Dissertation:
Diplomarbeit | Dlesk Peter | Juni 2008
professioneller Akteur
Gemeinsames Verständnis von Qualität
Lehrerausbildung in Estland
Was ist eigentlich Wirtschaftspädagogik?
Ein ganz besonderes Thema?
SPIN-Innovationswerkstätte am 26. Jänner 2006 SPIN-Innovationswerkstätte 26. Jänner 2006 Elisabeth Jantscher / Michaela Haller.
Ausbildung von Berufspädagogen neu justiert
Vielfalt gestalten - Migrantenorganisationen & interkulturelle Öffnung Landesintegrationskongress Solingen, Erol Çelik.
Ergebnisse und Wirkungen der Politik: Ein Überblick
Didaktik des BM-Unterrichts: Übergreifende BM-Ziele und Fachinhalte
Finnische Lehrerinnenbildung: Forschungsorientiert Englisch Research-based teaching According to the teaching philosophy of the University, teaching and.
Räumliche Orientierung Lehrveranstaltungsraum:
Friederike Maier Hochschultag HWR Berlin 2013
Verbreiterung von eLearning FI Mag. Günther Schwarz.
Deutschlehrerwoche / Bariloche – Jürgen Mertens Sprachlehrerausbildung (nur?) im Fernstudium (E-LINGO)
KiP 2 – Finissage, 4. Mai 2012 Christine Heidinger Das Bio-KiP-Modell: Wie gelingt der Zugang zur Welt der Naturwissenschaften? SchülerInnen, LehrerInnen,
KIRCHLICHE PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE IN WIEN VIDEOKASUISTIK Neuer Weg des Lernens in der Hochschuldidaktik? Peter GLATZ.
Kompetenzorientiert fortbilden –kompetenzorientiert unterrichten
Forschungsplattform Theorie und Praxis der Fachdidaktik(en)
Deutsch unterrichten in einer mehrsprachigen Gesellschaft
Soziale Repräsentationen von pädagogischen Fachkräften zu interkulturellem Lernen Forschungsprojekt:
Der ausführliche Unterrichtsentwurf für das Fach Geschichte an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe Nach dem Grundsatzpapier zur schriftlichen Unterrichtsplanung.
Lernzyklus Lerntypen MacherInnen EntdeckerInnen DenkerInnen
Flächenseminar Qualitätsrahmen QB Q - Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung (Pflichtbereich) Kriterium Q 1 – Grundsätze der Lehrerbildung.
PH - OÖ Institut für Fortbildung und Schulentwicklung II
neuere Entwicklungen in der Lehrerausbildung
GK/LK Sozialwissenschaften
Überlegungen zur Pädagogischen Facharbeit
Dagmar Much Empirische Erhebung Bildungsträger und Bildungsplaner.
SysBO an RS 2.VeranstaltungWürzburg 4. März 2015 Systematische Berufsorientierung an Realschulen in Unterfranken Gerhard Waigandt Teamleiter Berufsberatung.
Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik Berufliche Fachrichtung Fahrzeugtechnik „Beruflichkeit“ als Konzept für die Gestaltung von Studium und wissenschaftlicher.
RAHMENCURRICULA für den studienbegleitenden Deutsch- und Fremdsprachenunterricht.
Anhang 2 aus den Rahmencurricula: Beschreibung der Kompetenzen
Masterarbeitsvorbereitung
Fakultät für Humanwissenschaften Lehrstuhl für Schulpädagogik, Dr. Matthias Erhardt I NFORMATIONSVERANSTALTUNG ZUR P RÜFUNG IM F ACH S CHULPÄDAGOGIK NACH.
Praxistauglichkeit der Lehrerinnen und Lehrerausbildung Studieren an der Pädagogischen Hochschule fhnw.
Landesschulamt und Lehrkräfteakademie Einführung Das neue Kerncurriculum – Perspektiven für die Aufgabenstellungen im Landesabitur Fachtag Geschichte der.
Die klassischen Methoden der historisch-vergleichenden Forschung Universität Zürich Soziologisches Institut Seminar: Methoden des internationalen Vergleichs.
 Präsentation transkript:

Pädagogische Hochschule Karlsruhe University of Education · École Supérieure de Pédagogie Institut für Fremdsprachen und Sprachlernforschung Prof. Dr. Jürgen Kurtz (juergen.kurtz@ph-karlsruhe.de) DGFF Nachwuchstagung, 3. Oktober 2007 in Giessen Fremdsprachendidaktische Lehrerbildung im Umbruch Zur Entwicklung von Wissen und Können im Verbund von Theorie und Praxis, von Forschung und Lehre, von Hochschule und Schule < http://ltsc.ph-karlsruhe.de >

Zwei einleitende Hinweise Vor zehn Jahren: 17. Kongress für Fremdsprachendidaktik der DGFF in Koblenz. Thema: Fremdsprachen lehren lernen – Lehrerausbildung in der Diskussion Kongressdokumentation: Hermes, Liesel & Schmid-Schönbein, Gisela (Hrsg.) (1998). Fremdsprachen lehren lernen - Lehrerausbildung in der Diskussion. Dokumentation des 17. Kongresses für Fremdsprachendidaktik, veranstaltet von der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) Koblenz, 6.-8. Oktober 1997. Berlin: Pädagogischer Zeitschriftenverlag. Vor vier Jahren: 23. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts in Rauischholzhausen. Thema: Fremdsprachenlehrerausbildung Bausch, Karl-Richard; Königs, Frank G. & Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2003). Fremdsprachenlehrerausbildung. Konzepte, Modelle, Perspektiven. Arbeitspapiere der 23. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr.

Fremdsprachenlehrerbildung im Gesamtkontext der aktuellen Lehrerbildungsdiskussion in Deutschland Wie soll die Lehrerbildung / die Fremdsprachenlehrerbildung der Zukunft aussehen? Einige Stichworte / Reizthemen: Beschränkte Zulassung zum Studium?! (nach welchen Kriterien)?! Verortung an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen oder an Fachhochschulen? - ggf. nach Lehrämtern differenziert?! Mehrphasig Institutionen übergreifend gegliedert (Hochschule, Seminar und Schule)?! Bundeseinheitlich geregelt?! Leitbilder? (ggf. für das Gymnasiallehramt stärker fachwissenschaftlich orientiert)?! Theoretisch fundiert?! Historisch ‚unterkellert‘?! Berufsfeld- bzw. praxisorientiert?! Forschungsorientiert / studentische Forschung fördernd?! Interdisziplinär (besser) verknüpft?! Grundständig?! Polyvalent?! Konsekutiv?! An Standards gebunden?! Modularisiert?! Evaluiert und akkreditiert?! International angepasst (BA/MA)?! Zeitlich gestrafft?! gender-sensitiv?! Deutschsprachige Lehrveranstaltungen?!, Qualifikation der Lehrerbildner? etc. ?!

Quo vadis, (Fremdsprachen-)lehrerbildung? Die scheinbar einfachste Lösung, basierend auf einer mehr oder weniger elaborierten Struktureffektannahme,lautet: Eine stringentere, weniger Zeit (sowie ggf. weniger Geld und Personal) beanspruchende Strukturierung der (Fremdsprachen-)lehrerbildung, verbunden mit modularisierten, an international vergleichbaren Standards ausgerichteten und wesentlich kleinschrittiger überprüften Inhalten kann zu besser qualifizierten Lehrkräften - und in letzter Konsequenz - zu besserer Unterrichtsqualität und besseren Lernergebnissen führen.

Zur Effektivität der Lehrerbildung in Deutschland „Wirkt Lehrerbildung eigentlich – und wenn ja: wie? Die tief sitzende, alle bisherigen Bemühungen antreibende Grundannahme lautet ja: Bessere Lehrerbildung ‚erzeugt‘ besser qualifizierte Lehrkräfte, die aufgrund dieser Qualifikationen sichtbar verbesserte Lern- und Erfahrungsprozesse auf Seiten der Schüler ‚erzeugen‘.“ „Der Punkt ist nun, dass nicht zweifelsfrei klar ist, wir stark (…) Lehrerbildung in Richtung auf die ‚Erzeugung‘ gewünschter Lehrqualifikationen wirkt.“ Terhart, Ewald (2004), „Struktur und Organisation der Lehrerbildung in Deutschland.“ In: Blömeke, S.; Reinhold, P.; Tulodziecki, G. & Wildt, J. (Hrsg.). Handbuch Lehrer-bildung. Braunschweig: Westermann, 37-59. Fazit: Kaum wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, dafür aber viele Visionen und damit verbundene Wirkungshoffnungen

(Vermeintliche) Stärken und Schwächen der Lehrerbildung / Fremdsprachenlehrerbildung in Deutschland (?) + - Verwissenschaftlichung der Lehrerbildung, vergleichsweise hohes Maß an Fachlichkeit bzw. an fachwissenschaftlicher Fundierung Dauer der Ausbildung, unklare Zielrichtung, starke strukturelle und inhaltliche Zersplitterung, Beliebigkeit der Ausbildungsinhalte (besonders im Studium), mangelnde interdisziplinäre Verknüpfung, Praxisferne bzw. das unverbundene Nebeneinander von theorie- und praxisbezogenen Aktivitäten (Studium), problematische Prüfungen (die Auswendiglernen und Anpassung prämieren) - die Struktur der Lehrämter zementiere überholte Schulstrukturen, die stark prägende Berufseinstiegsphase (‚survival stage‘) finde viel zu wenig Berücksichtigung, Lehrerbildung werde bislang noch kaum als eine übergreifende berufsbiografische Aufgabe wahrgenommen

Berufsfeldorientierte Wissenschaftlichkeit als Leitidee der Fremdsprachenlehrerbildung heute Grundannahme: Qualität und Wirksamkeit der Fremdsprachenlehrerbildung hängen davon ab, wie gut es gelingt, eine Balance zwischen Wissenschaftsorientierung und Berufsfeldbezug, Theorie und Praxis, zu finden. Hintergrund: Wissenschaftliches (fachwissenschaftliches, fachdidaktisches, pädagogisches, etc.) Wissen ist noch längst keine hinreichende Basis für das Handeln im beruflichen Alltag. Handeln-Können im Fremdsprachen-unterricht lässt sich nicht auf die Anwendung von wissenschaftlichen Erkenntnissen reduzieren. Einen bruchlosen Transferzusammenhang zwischen Fremdsprachendidaktik (Wissenschaft und Forschung) und Fremdsprachenunterricht (schulische Alltagspraxis) gibt es nicht.

Theorie (Fremdsprachendidaktik) und Praxis (Fremd-sprachenunterricht) – eine ‚schwierige‘ Beziehung (1) Theorie: situationsunspezifisch, fallübergreifend, distanziert, handlungsentlastet, Komplexität reduzierend, generalisierend; auf Objektivität ausgerichtet, Forschungswissen ist oftmals vorläufig (‚praxisorientierte Implikationen‘) und daher unterrichtspraktisch nur bedingt verwertbar Praxis: situationsspezifisch, fallbezogen, faktorenkomplex, konkret, mit Zeit-, Handlungs- und Entscheidungsdruck verbunden, subjektiv ‚eingefärbt‘, gleichwohl - oder gerade deswegen - aber auf ‚ökologisch valide‘ bzw. didaktische relevante wissenschaftliche Erkenntnisse angewiesen (Unterrichtsprinzipien)

Theorie (Fremdsprachendidaktik) und Praxis (Fremd-sprachenunterricht) – eine ‚schwierige‘ Beziehung (2) Fazit: Fremdsprachendidaktik (Hochschulsystem) und Fremdsprachenunterricht (Schulsystem) sind als sich gegenseitig durchdringende Systeme mit Eigencharakter zu verstehen. Sie tendieren zwar zu Geschlossenheit, ermöglichen sich wechselseitig aber dadurch, dass sie in das jeweils andere System ihre vorkonstituierte Eigenkomplexität einbringen. Dabei ist die Komplexität, die sie einander zur Verfügung stellen, für das jeweils andere System unfassbare Komplexität, d.h. Unordnung. – Akteure in der FD wie auch im FU stehen damit vor der Herausforderung, die aus der jeweiligen Systemperspektive resultierende Unordnung in Ordnung zu überführen. Luhmann, Niklas (1984). Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Theorie (Fremdsprachendidaktik) und Praxis (Fremd-sprachenunterricht) – eine ‚schwierige‘ Beziehung (3) Erkenntnisse der Wissensverwendungsforschung: Die Verwendung von Theoriewissen vollzieht sich in Form von langen, örtlich, zeitlich und sozial versetzten Interpretationsprozessen; in einer aktiven, die jeweiligen Ergebnisse der Forschung im Horizont praktischer Erwartungen und Erfahrungen über viele Instanzen und Zeiträume neu deutenden und nach eigenen Regeln herstellenden 'Umgangsform'. Verwendung ist also nicht Anwendung, sondern ein aktives Mit- und Neuproduzieren der Forschungsergebnisse, die gerade dadurch den Charakter von Ergebnissen verlieren und im Handlungs-, Sprach-, Erwartungs- und Wertkontext des jeweiligen Praxiszusammenhangs nach immanenten Regeln in ihrer praktischen Relevanz überhaupt erst geschaffen werden. Beck, Ulrich & Bonß, Wolfgang (Hrsg.) (1989). Weder Sozialtechnologie noch Aufklärung? Analysen zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Theorie (Fremdsprachendidaktik) und Praxis (Fremd-sprachenunterricht) – eine ‚schwierige‘ Beziehung (4) Fazit: Zum Verhältnis von Wissen, Handeln und Können „Experten handeln auf der Basis impliziten Wissens, das sich im Handeln zeigt, und das partiell expliziert und rekonstruiert werden kann. Handeln vollzieht sich hier nicht als Regelanwendung mehr oder weniger gewusster oder gar bewusster Handlungsregeln. Für die Theorie und Praxis sind damit differente Wissensformen vorausgesetzt, und das Erfahrungswissen der Praxis drückt sich im Können aus.“ (Kolbe 2004: 211) Differente Wissensformen: situationales, konzeptuelles, prozedurales, strategisches, explizites, implizites Wissen; (knowing-that – Regelwissen, knowing how – Können), etc, etc. Kolbe, Fritz-Ulrich (2004), „Verhältnis von Wissen und Können“. In: Blömeke, S.; Reinhold, P.; Tulodziecki, G. & Wildt, J. (Hrsg.). Handbuch Lehrerbildung. Braunschweig: Westermann, 206-231.

Theorie (Fremdsprachendidaktik) und Praxis (Fremd-sprachenunterricht) – eine ‚schwierige‘ Beziehung (5) Unterrichtspraktiker bringen eine eigenständige dritte Wissensform hervor, „die im Verwendungsgeschehen wissenschaftlichen Wissens in berufspraktischen Zusammenhängen entsteht.“ „Weder führt [..] Wissenschaft neues Wissen in die Praxis ein, noch selektiert die Praxis Relevantes aus dem wissenschaftlichen Wissen. Vielmehr ergänzen sich beide im Sinne einer Relativierung der Perspektive.“ „Professionelles Handeln stellt [..] eine ‚Relationierungsform von Theorie und Praxis‘ dar. [..] In der Wissensverwendung entsteht so ein Professionswissen, das durch Routinisierung des Interpretierens und Handeln-Könnens und durch wissenschaftliche Habitualisierung seiner Reflexion hervorgebracht wird.“ (Kolbe 2004: 214).

Konsequenzen für die fremdsprachendidaktische Lehrerbildung in der 1 Konsequenzen für die fremdsprachendidaktische Lehrerbildung in der 1. Ausbildungsphase (1) Eine Erhöhung der Praxisanteile im Studium ist wichtig, aber nicht hinreichend. Theorie und Praxis; theoretisches Wissen, reflektiertes Handeln und praktisches Können müssen in Bezug gebracht werden. Auf der Zielebene der universitären Lehre bedeutet dies zunächst, dass ein entsprechend aufgefächertes Kompetenzprofil geschaffen werden muss. Hochschuldidaktisch und methodisch bedarf es darüber hinaus eines integrativen Ansatzes, etwa im Sinne von Lehrveranstaltungen, die im Verbund von Theorie und Praxis auf eine wissenschaftlich fundierte, Fall verstehende Reflexivität im Wechselspiel von Praxisenthaltung (unter-richtliche Distanz) und Praxisgestaltung (unterrichtliche Involvierheit) abheben (Prinzip des Exemplarischen). Einen Ansatzpunkt hierfür können videografierte Beispiele von good / best practice bieten.

Konsequenzen für die fremdsprachendidaktische Lehrerbildung in der 1 Konsequenzen für die fremdsprachendidaktische Lehrerbildung in der 1. Ausbildungsphase (2) Ergänzend zum Stichwort good / best practice: Ein Ersetzen der einzelsprachlichen Fachdidaktiken (Englisch, Französisch, etc.) durch eine vermeintlich polyvalente Fremdsprachendidaktik kann unter dieser Prämisse nicht in Frage kommen (vgl. hierzu: Klippel 2004: 439). Klippel, Friederike (1994), „Fachdidaktik Englisch.“ In: Blömeke, S.; Reinhold, P.; Tulodziecki, G. & Wildt, J. (Hrsg.). Handbuch Lehrerbildung. Braunschweig: Westermann, 439-442. Auch muss die Spezifik der Lehrämter Berücksichtigung finden. Das Qualifikationsprofil der Hochschullehrenden muss ebenfalls entsprechend breit gefächert sein (Theorie / Praxis).

Zur Verknüpfung von Theorie und Praxis, Forschung und Lehre – Beispiel: Fachdidaktik Englisch (Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen“) Übergreifende Zielsetzung: Verbesserung der spontansprachlichen Handlungskompetenz der Schülerinnen und Schüler im Englischunterricht auf den Sekundarstufen I und II Forschungsansatz: Hermeneutisch-empirisch; zyklisch; Erkenntnisgewinnung und Theorie-bildung im Verbund von Theorie und Praxis, von Praxisenthaltung und Praxisgestaltung; Prozess- und Produktevaluation im Dialog mit Englischlehrerinnen und -lehrern sowie mit Studierenden in universitären Lehrveranstaltungen, etc. (in Teilen im Sinne von Aktionsforschung).

Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen“ (Kurtz 2001) – Planung / Ablauf Phase Wissenschaftssystem Praxissystem 1 Identifizierung von grundlegenden Problemen im Zusammenhang mit dem Aufbau der zielsprachlichen Sprechhandlungsfähigkeit in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts (persönliche Beobachtungen und Erfahrungen als Englischlehrer, Gespräche mit Lehrkräften in Lehrerzimmern, auf Fachkonferenzen, im Rahmen der universitären Lehrerausbildung und der Lehrerfortbildung, während der Entwicklung von Lehrwerken). 2a Problemgeschichtliche und problemspezifische Einordnung und Gewichtung der in der Unterrichts-praxis festgestellten Schwierigkei-ten auf der Grundlage der fremd-sprachendidaktischen und der bezugswissenschaftlichen Literatur.

Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen“ (Kurtz 2001) – Planung / Ablauf Phase Wissenschaftssystem Praxissystem 2b Bestimmung und Gegenüberstellung von historischen und aktuellen Theorie-Praxis-Diskrepanzen in Bezug auf die Förderung der zielsprachlichen Sprechhandlungs-fähigkeit im Fremdsprachenunterricht. Erarbeitung und Konkretisierung der Fragestellungen, die das Erkenntnis-interesse leiten sollen. 2c Analyse der forschungsmethodolo-gischen Konsequenzen, die sich aus der komplexen Wechselbeziehung von Theorie und Praxis und der Spezifität des zu untersuchenden Unterrichtsprozesse ergeben.

Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen“ (Kurtz 2001) – Planung / Ablauf Phase Wissenschaftssystem Praxissystem 2d Entwurf eines Forschungskonzepts unter dem Gesichtspunkt der Verzahnung von Theorie und Praxis (Theoriebildung im Verbund von Theorie und Praxis; Unterrichtsevaluation im Dialog mit den Unterrichtenden). 2e Entwurf einer vorläufigen Theorie zur Entwicklung spontansprachlicher Hand-lungskompetenz in der Zielsprache unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Forschungsstandes und der entspre-chenden curricularen Vorgaben (roughly: Sprechhandlungsfähigkeit über Improvisation)

Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen“ (Kurtz 2001) – Planung / Ablauf Phase Wissenschaftssystem Praxissystem 3 Schaffung von Lernarrangements, die dem entworfenen Lehr- und Lern-konzept zum improvisierenden Sprechen im fremdsprachlichen Unterricht entsprechen. Erprobung und Reflexion der zu Unterrichtssequenzen gebündelten Lernarrangements gemeinsam mit Studentinnen und Studenten in der universitären Lehrerausbildung (in Seminaren, die das Forschungsprojekt begleiten). Mündliche und schriftliche Kontakt-aufnahme mit verschiedenen Schulen und Schulformen, also mit den Schulleitungen, interessierten Fachlehrern und den Eltern (und damit auch indirekt mit den Schülern). Verständliche Vorstellung des Forschungs-vorhabens und Erstellung eines Organisa-tionsplans, der den Aufenthalt in der Unterrichtspraxis regelt. Materialbe-schaffung zur Datengewinnung. 4 Unterrichtshospitationen in verschiedenen Lerngruppen einer Jahrgangsstufe. Analyse der jeweils dominanten Lehr- und Lehrformen und der damit verbundenen fremdsprachlichen Sprechhandlungspro-zesse. Zugleich behutsame Kontaktauf-nahme mit den Schülern. Erkundung der konkreten Verwirklichungsbedingungen an den einzelnen Schulen.

Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen“ (Kurtz 2001) – Planung / Ablauf Phase Wissenschaftssystem Praxissystem 5a Vorgespräche mit den Lehrkräften. Darlegung der geplanten Unterrichtsum-gestaltung. 5b Erste Rückmeldungen an die Studierenden. Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von entsprechen-den Lernarrangements in den forschungbegleitenden Veranstaltungen. Durchführung der geplanten Unterrichts-reihe in unterschiedlichen Lerngruppen eines Jahrgangs an verschiedenen Schulen. Gegebenenfalls Umstellung, Veränderung oder Neuentwicklung einzelner Aktivitäten. Rücküberprüfung der Stimmigkeit der revidierten Lernarrangements und ihrer handlungspraktischen Realisierung mit der entworfenen Theorie aus der unmittelbar als Lehrkraft involvierten Perspektive. Zugleich Beobachtung und Evaluation der Unter-richtsumgestaltung durch die Fachlehrer.

Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen“ (Kurtz 2001) – Planung / Ablauf Phase Wissenschaftssystem Praxissystem 6 Weitere Rückmeldungen an die Studie-renden. Fortsetzung der gemeinsamen Entwicklung und Weiterentwicklung von zielsprachlichen Sprechgelegenheiten bzw. unterrichtlichen Sequenzen. Fort-laufende Veröffentlichung von Zwi-schenergebnissen und Aufnahme der Rückmeldungen in den Prozess der Theoriebildung. Gegebenenfalls Modifi-kation des Lehr- und Lernkonzepts zum produktiven Sprechen bzw. Optimie-rung der damit korrespondierenden Sprechgelegenheiten. Durchführung der Unterrichtsumgestaltung in unterschiedlichen parallelen Lerngrup-pen einer Jahrgangsstufe durch die Lehrkräfte. Evaluation der handlungsprak-tischen Verwertbarkeit der Lernarrange-ments. Zugleich Hospitation des Unter-suchenden. Kontrolle der interindividuellen Verwendungsstabilität der einzelnen Lern-arrangements. Fortlaufende Unterrichtsdo-kumentation und Auswertung der fremd-sprachlichen Sprechhandlungsprozesse. Sukzessive Rücküberprüfung und eventuell Revidierung der Theorie. 7 Weiterführung der Forschungsschritte 5b und 6. Wiederholung der Forschungsschritte 3 bis 6 in anderen Jahrgangsstufen und mit anderen Lehrkräften (an anderen Schulen).

Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen“ (Kurtz 2001) – Planung / Ablauf Phase Wissenschaftssystem Praxissystem 8 Synthetisierung der Forschungsergeb-nisse auf höherer Abstraktionsebene und abschließende Zusammenfassung der Forschungsresultate zur Förderung des improvisierenden Sprechens im Fremdsprachenunterricht. Zusammenstellung der (schriftlich formulierten) handlungspraktischen Evaluationen der an der Untersuchung beteiligten Lehrkräfte. 9 Gegenüberstellung von Theoriewissen und Praxiswissen. Identifizierung von möglichen Diskrepanzen und Versuch der Generierung eines Begründungs-zusammenhangs. 10 Fertigstellung der Veröffentlichung und Publikation der Gesamtergebnisse.

Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen im Fremdsprachenunterricht“ (Zentrale Publikationen) Kurtz, Jürgen (1997a). Improvisation als Übung zum freien Sprechen. Englisch, 3, 87-97.  Kurtz, Jürgen (1997b). Auf dem Wege zum selbständigen Sprechhandeln im 5. Schuljahr: Die Improvisation 'The Chase'. Englisch, 4, 121-127. Kurtz, Jürgen (1998). Kooperatives Sprechhandeln im Englischunterricht: Die Improvisation 'Once Upon a Time'. Englisch, 2, 41-49. Kurtz, Jürgen (2001). Improvisierendes Sprechen im Fremdsprachenunterricht. Eine Untersuchung zur Entwicklung spontansprachlicher Handlungskompetenz in der Zielsprache. Tübingen: Narr.  Kurtz, Jürgen (2004). Kreative Schülerpräsentationen im Englischunterricht: Lehrwerkanalyse, Gestaltungsempfehlungen, Sprachmittel. In: Deringer, Ludwig (Hrsg.). Innovative Fremdsprachendidaktik. Kolloquium zu Ehren von Wolfgang Butzkamm. Kurtz, Jürgen (2005). Schülerpräsentationen im Englischunterricht: Lehrwerkkritik, Handlungsoptionen, Sprachmittel. Englisch, 2, 6-19. Kurtz, Jürgen (2006). Improvised Speaking in the EFL Classroom: Aufgaben als Elemente einer unterrichtlichen Figurationstheorie fremdsprachlichen Lehrens und Lernens. In: Bausch, Karl-Richard; Burwitz-Melzer, Eva; Königs, Frank G. & Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2006). Aufgabenorientierung als Aufgabe. Arbeitspapiere zur 26. Frühjahrstagung zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr, 130-139.

Das Forschungsprojekt „Improvisierendes Sprechen im Fremdsprachenunterricht“ (Videografie) Siebold, Jörg (Hrsg.) (2004). Let’s Talk. Lehrtechniken. Vom gebundenen zum freien Sprechen. Berlin: Cornelsen. [Darin die Improvisation „Bus Stop“ (S. 114-125) einschließlich DVD-Video/ROM]