Dr. Andreas Schmidt, Insolvenzgericht Hamburg NIF,

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 Präsentation transkript:

Dr. Andreas Schmidt, Insolvenzgericht Hamburg NIF, 28.9.09 Zweiter Insolvenzantrag, zweiter Restschuld-befreiungsantrag – was geht, was geht nicht? Dr. Andreas Schmidt, Insolvenzgericht Hamburg NIF, 28.9.09

Zweiter Insolvenzantrag während des eröffneten Insolvenzverfahrens Ausgangsszenario: Der Schuldner macht während des eröffneten Insolvenzverfahrens da weiter, wo er vorher aufgehört hat: Er begründet neue Verbindlichkeiten…

Zweiter Insolvenzantrag während des eröffneten Insolvenzverfahrens Ist ein Gläubigerantrag eines sog. Neugläubigers zulässig? Kontrollüberlegung - Vollstreckung durch Neugläubiger: Sie kann nur in das insolvenzfreie Vermögen erfolgen. Aufgrund der Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse kommt dies nur bei einer Freigabe gemäß § 35 Abs.2 InsO in Betracht.

Zweiter Insolvenzantrag während des eröffneten Insolvenzverfahrens Ein Gläubigerantrag nach Eröffnung ist unzulässig (BGH ZInsO 2008, 924; AG Dresden, Beschluss vom 19.3.09 – 531 IN 459/09). Zulässig ist aber ein Gläubigerantrag gegen das gemäß § 35 Abs.2 InsO freigegebene Sondervermögen (AG Hamburg, ZInsO 2008, 680; HambKomm-Wehr § 14 Rn.6a; weitergehend, aber verfehlt AG Göttingen NZI 2008, 313 („Parallelinsolvenzverfahren“). Entsprechendes gilt für einen Eigenantrag; dies ist aber bislang ohne praktische Relevanz.

Zweiter Insolvenzantrag während des eröffneten Insolvenzverfahrens Voraussetzungen: Gläubiger muss die Voraussetzungen des § 14 InsO glaubhaft machen. Außerdem ist darzulegen, dass in einem (ersten) Insolvenzverfahren eine Freigabe gemäß § 35 Abs.2 InsO erfolgt ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, so gilt die Amtsermittlungspflicht des § 5 InsO (AG Hamburg ZInsO 2008, 680). Achtung: Der Schuldner kann in diesem Verfahren keine Restschuldbefreiung erlangen, weil es sich um ein Insolvenzverfahren über ein Sondervermögen (und nicht um eines über das Vermögen einer natürlichen Person) handelt.

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Ist ein Gläubigerantrag eines Neugläubigers während des Restschuldbefreiungsverfahrens zulässig?

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Kontrollüberlegung - Vollstreckung: Ein Neugläubiger kann während des Restschuldbefreiungsverfahrens vollstrecken. Lediglich der pfändbare Teil der laufenden Bezüge ist für die Dauer von sechs Jahren ab Eröffnung an den Treuhänder abgetreten, § 287 Abs.2 S.1 InsO. In Betracht kommende Gegenstände: (halbe) Erbschaft, Lottogewinn; bei Angestellten: sog. Motivationsrabatt; bei Selbständigen: Gewinn aus dem Unternehmen…

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Ein Gläubigerantrag ist nach gewichtigen Stimmen in der Literatur (generell?) unzulässig (so HambKomm-Wehr § 14 Rn.49; A. Schmidt, Privatinsolvenz § 5 Rn.62). AA aber AG Oldenburg ZVI 2009, 195; Gläubigerantrag ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 14 InsO vorliegen und glaubhaft gemacht wird, dass neues pfändbares Vermögen vorhanden ist. AA auch AG Göttingen ZInsO 2007, 1164: Gläubigerantrag ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 14 InsO vorliegen; ob neues Vermögen vorhanden ist, ist eine Frage der Amtsermittlung, § 5 InsO.

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Bei selbständigen Schuldnern entsteht eine Konfliktlage: Einerseits hat der selbständige Schuldner die Obliegenheit des § 295 Abs.2 InsO im ersten Verfahren. Andererseits fallen sämtliche Einkünfte, die der selbständige Schuldner während des zweiten Verfahrens erzielt, in die Masse des zweiten Verfahrens. Dieses Ergebnis deckt sich mit der obigen Kontrollüberlegung-Vollstreckung.

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Fazit: Hält man einen zweiten Insolvenzantrag während des laufenden Restschuldbefreiungsverfahren für zulässig, so ist es dem selbständigen Schuldner unmöglich, seine Obliegenheiten gemäß § 295 Abs.2 InsO aus dem ersten Verfahren zu erfüllen.

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Was gilt für angestellte Schuldner? Findet die Auffassung des AG Oldenburg bzw. AG Göttingen auch hierfür eine Lösung? AG Oldenburg ZVI 2009, 195 betrifft einen selbständigen Schuldner. Bei AG Göttingen ZInsO 2007, 1164 ist dies unklar; es handelt sich um eine Entscheidung gemäß §§ 4 InsO, 91a ZPO.

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Ausgangsüberlegung: Die Abtretungserklärung aus dem ersten Verfahren (§ 287 Abs.2 S.1 InsO) gilt sechs Jahre. Würde ein (zweites) Insolvenzverfahren eröffnet werden, so entsteht eine Konfliktlage: Der Treuhänder des ersten Verfahrens und der Insolvenzverwalter des zweiten Verfahrens streiten um den pfändbaren Teil der Bezüge! Lösungsmöglichkeiten: …

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Lösung 1: Für die Abtretung gemäß § 287 Abs.2 S.1 InsO gilt § 114 Abs.1 InsO. Konsequenz: Das Restschuldbefreiungsverfahren müsste zwei Jahre nach Eröffnung wegen Unmöglichkeit beendet werden, und der Schuldner könnte keine Restschuldbefreiung erlangen. Dies aber würde faktisch dazu führen, dass Neugläubiger nach Ablauf von zwei Jahren auf den pfändbaren Teil dser Bezüge zugreifen könnten – ein Widerspruch zur Kontrollüberlegung Vollstreckung!

Lösung 2: Es findet § 91 InsO Anwendung. Konsequenz: Das Restschuldbefreiungsverfahren müsste unmittelbar nach Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens wegen Unmöglichkeit beendet werden; der Schuldner könnte auch hier keine Restschuldbefreiung erlangen. – Auch dies würde faktisch dazu führen, dass Neugläubiger nach Ablauf auf den pfändbaren Teil der Bezüge zugreifen könnten – auch hier ein Widerspruch zur Kontrollüberlegung Vollstreckung!

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Lösung 3: Weder § 91 InsO noch § 114 Abs.1 InsO findet Anwendung (m.E. richtig!!!!). Begründung: § 114 Abs.1 InsO ist auf die als prozessuale Erklärung des § 287 Abs.2 S.1 InsO nicht anwendbar. § 91 InsO ist teöleologisch zu reduzieren… Konsequenz: Die Abtretung bleibt bis zum Ablauf von sechs Jahren wirksam. Nur dann ist der pfändbare Teil der Bezüge dem Treuhänder des ersten Verfahrens zuzuordnen. Nur diese Lösung deckt sich mit der oben angesprochenen Kontrollüberlegung-Vollstreckung. Nur mit dieser Maßgabe kann der Auffassung des AG Oldenburg bzw. des AG Göttiungen gefolgt werden.

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Zwischenergebnis (nach der Auffassung, wonach ein zweiter Insolvenzantrag während des laufenden Restschuldbefreiungsverfahrens zulässig ist): - Angestellter Schuldner: Pfändbarer Teil der Bezüge kommt den Gläubigern des ersten Verfahrens zugute. Er kann Restschuldbefreiung im ersten Verfahren erlangen. - Selbständiger Schuldner: Einkünfte kommen den Gläubigern des zweiten Insolvenzverfahrens zugute. Er erlangt uU keine Restschuldbefreiung, wenn ein Versagungsgrund gemäß § 295 Abs.2 InsO gestellt wird.

Zweiter Insolvenzantrag während d. Restschuldbefreiungsverfahrens Endergebnis: Der Aufassung AG Oldenburg bzw. des AG Göttingen kann gefolgt werden, soweit selbständie Schuldner betroffen sind. Für angestellte Schuldner kann ihr nur unter der Prämisse gedolgt werden, dass die §§ 114 Abvs.1, 91 InsO keine Anwendung finden. Ein Insolvenzantrag während des Restschuldbefreiungsverfahrens ist daher nur dann - ausnahmsweise - zulässig, wenn der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode neues Haftungsvermögen erlangt hat, dass nicht von § 287 Abs.2 S.1 InsO erfasst ist ( so wohl auch HambKomm-Wehr § 14 Rn.49; A. Schmidt, Privatinsolvenz § 5 Rn.62).

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.