Sicherheit durch Medikamente ? Chancen und Gefahren Dr. Alice Heidorn-Schübel Fachambulanz Gerontopsychiatrie II 20. Februar 2007
Psychische Erkrankungen im höheren Lebensalter Affektive Störungen: Depressionen / bipolare Störungen Schizophrene und wahnhafte Störungen Neurotische Störungen Suchterkrankungen Organische psychische Störungen Demenzen Delir andere
Demenzformen Alzheimerdemenz ca. 5 % der über 65 - Jährigen Vaskuläre Demenz Mischformen andere Demenzformen > z. B.bei Parkinsonsyndrom > z.B. mit Lewykörperchen
Demenz - Symptomatik Störung des Gedächtnisses Neuropsychologische Störungen > der Orientierung > des Sprachverständnisses > des Lesens , Schreibens , Rechnens Störung des Denkvermögens Störung der Urteilsfähigkeit damit verbundene alltagsrelevante Einschränkungen der Lebensführung Dauer länger als 6 Monate
Demenzassoziierte Verhaltensstörungen Depressives Syndrom Sinnestäuschungen Wahnerleben ( psychotisches Syndrom ) Schlafstörungen Psychomotorische Unruhezustände > Angst > Erregungszustände > Aggressivität
Demenzbehandlung Gesamtbehandlungsplan Vernetzung von Pflege / Fachpflege - ambulant / stationär - , Angehörigen / Betreuer , Hausarzt > Facharzt , komplementären Einrichtungen und Therapeuten Integration von Pflege / nicht medikamentösen Maßnahmen und Therapien, ärztlicher Diagnostik, Psychopharmakotherapie
Besonderheiten der Psychopharmakotherapie im Alter I strenge Indikationsstellung Ausschöpfung nicht - medikamentöser Maßnahmen Körperliche Voruntersuchungen und Verlaufskontrollen unter besonderer Berücksichtigung bestehender körperlicher Erkrankungen und von Medikamenteninteraktionen
Besonderheiten der Psychopharmakotherapie im Alter II einschleichende Dosierung möglichst niedrige Erhaltungsdosis möglichst Monotherapie syndromorientierte Therapie immer wieder Nutzen / Risiko - Abwägung Absetzversuche
Psychopharmakotherapie der Demenz Antidementiva Acetylcholinesterasehemmer > Donepezil > Galantamin > Rivastigmin Memantine andere > z.B.Gingko biloba – Präparate
Antidementiva Acetylcholinesterasehemmer Donepezil , Galantamin , Rivastigmin Indikationen : > leichte bis mittelschwere Alzheimerdemenz > leichte bis mittelschwere Demenz vom Mischtyp > Demenz bei Parkinsonsyndrom ( nur Rivastigmin )
Memantine andere Antidementiva Indikationen : > mittelgradige bis schwere Alzheimerdemenz > mittelgradige bis schwere Demenz vom Mischtyp z.B. Gingko biloba- Präparate > Alzheimerdemenz , vaskuläre Demenz und Mischformen
Antidementiva Wirkung / Nutzen I Besserung der Beeinträchtigungen der Hirnleistung Verbesserung der Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten und / oder Verlangsamung des Fortschreitens der Symptomatik Verbesserung der Gesamtbefindlichkeit / Lebensqualität
Antidementiva Wirkung / Nutzen II Besserung leicht ausgeprägter demenzbegleitender Verhaltensstörungen Einsparung anderer Psychopharmaka Verringerung des Pflegeaufwandes im Allgemeinen gute Verträglichkeit
Antidementiva Behandlungsprobleme Besserung der Symptomatik nur bei 10 – 20 % der Patienten Behandlung ausgeprägterer Verhaltensstörungen meist nur in Kombination mit anderen Psychopharmaka Kosten – Nutzen – Bewertungen > z.B. zeitliches Verschieben vollstationärer Pflege möglich ? > z.B. Langzeitbehandlung sinnvoll ?
Antidementiva Behandlungsprobleme / häufige Nebenwirkungen I Magen-Darm: Übelkeit ,Erbrechen,Durchfall, Appetitverlust > v.a. Cholinesterasehemmer > meist zu Behandlungsbeginn > ggf. Absetzen / Abklärung > ggf. anderes Präparat
Antidementiva Behandlungsprobleme / häufige Nebenwirkungen II ZNS : Schlafstörungen, Schläfrigkeit , Verwirrtheit, Halluzinationen, Unruhe, Aggressivität ; Schwindel , Zittern , Muskelkrämpfe ; Stürze , Synkopen > meist nach länger dauernder Behandlung > ggf. Absetzen / Abklärung > ggf. anderes Präparat
Behandlung begleitender Befindlichkeitsstörungen Depressives Syndrom > bei vorbestehender psychischer Störung oder im Rahmen der Demenz auftretend > Symptomatik : >> Störung von Antrieb und Gestimmtheit >> Denkhemmung, innere Unruhe, Wahn , Schlafstörungen , Appetitverlust > Verlauf : rasch wechselnd ; episodisch ; chronisch
Depressives Syndrom bei Demenz Psychopharmakotherapie Ausschluss anderer organischer Ursachen nichtmedikamentöse Maßnahmen Behandlung mit Antidepressiva > Serotonin - Wiederaufnahme – Hemmer (SSRI ) > Mirtazapin Reboxetin Venlafaxin > ggf. ``ältere Antidepressiva ´´
Antidepressiva Wirkung / Nutzen I Indikationen : > depressive Störungen aller Ursachen / Schweregrade > Schlafstörungen >> sedierende `ältere´ Präparate; >> Mirtazapin > andere z.B. Angststörungen >> SSRI
Antidepressiva Wirkung / Nutzen II Besserung der Verstimmung und des Antriebes Besserung der Gesamtbefindlichkeit Besserung von Schlafstörungen Besserung der Beeinträchtigung von Alltagskompetenzen
Antidepressiva Behandlungsprobleme/ häufige Nebenwirkungen I Anticholinerge / Vegetative : orthostatische Dysregulation , Unruhe / Erregungszustände Halluzinationen ; Harnverhalt ; Glaukomanfall ; Verstopfung ; Mundtrockenheit; > v.a. `ältere Antidepressiva´ >> ggf. Absetzen / Abklärung >> ggf.anderes Präparat
Antidepressiva Behandlungsprobleme/ häufige Nebenwirkungen II Herz : Rhythmusstörungen > v.a.`ältere´ Antidepressiva >> Absetzen / anderes Präparat Magen / Darm : Appetitlosigkeit , Übelkeit, Durchfall > v.a.SSRI zu Therapiebeginn >> ggf. Absetzen / Abklärung >> ggf. Dosisanpassung >> ggf. anderes Präparat
Antidepressiva Behandlungsprobleme / häufige Nebenwirkungen III ZNS : Schläfrigkeit , Benommenheit , Schlafstörungen , Zwangsgähnen , Kopfschmerzen > (auch ) nicht Schlaf fördernde Präparate >> ggf. Absetzen / Abklärung >> ggf. Dosisanpassung >> ggf. anderes Präparat andere v.a. Interaktionen mit anderen (Psycho-) Pharmaka / Alkohol ]
Behandlung begleitender Verhaltensstörungen Wahn , Halluzinationen , psychomotorische Unruhe , Störungen des Schlaf –Wach -rhythmus > bei vorbestehender psychischer Störung oder i.R. der Demenz auftretend > Symptomatik : >> unkorrigierbar falsche Beurteilung der Realität >> Wahrnehmungen ohne äußere Sinnesreize >> psychisch bedingte motorische Unruhe >> Schlafstörungen ,Tagesschläfrigkeit
Begleitende Verhaltensstörungen Psychopharmakotherapie Ausschluss anderer organischer Ursachen > v.a. bei akutem Auftreten / Bewusstseinstrübung ( Delir) nichtmedikamentöse Maßnahmen Behandlung mit > Neuroleptika [Antipsychotika] > Hypnotika
Begleitende Verhaltensstörungen Behandlung mit Neuroleptika [Antipsychotika] I Hochpotente Neuroleptika > konventionelle Neuroleptika >> Benperidol >> Haloperidol >> andere > atypische Neuroleptika >> Risperidon >> Clozapin >> [ Quetiapin ]
Begleitende Verhaltensstörungen Behandlung mit Neuroleptika [Antipsychotika ] II Mittel – und niederpotente Neuroleptika > Melperon > Pipamperon > Prothipendyl > Levomepromazin > andere
Neuroleptika [Antipsychotika] Wirkung / Nutzen I Indikationen > psychotische Syndrome aller Ursachen und Schweregrade : konventionelle hochpotente Neuroleptika > chronische Aggressivität mit Selbst – oder Fremdgefährdung ;psychotische Symptome, durch die Patient erheblich beeinträchtigt wird : Risperidon
Neuroleptika [Antipsychotika] Wirkung / Nutzen II Indikationen : > psychotische Syndrome bei Parkinsonkrankheit : Clozapin / (Quetiapin:off label) > psychomotorische Unruhezustände und Erregungszustände : mittel-und niederpotente Neuroleptika > Schlafstörungen mittel – und niederpotente NL
Neuroleptika [Antipsychotika] Wirkung / Nutzen III Behandlung von Wahn , Angst , Halluzinationen Psychomotorische Beruhigung Besserung von Schlafstörungen Wiederherstellung Tag - Nachtrhythmus Rückgang von Erregung und Aggressivität >> Besserung von Gesamtbefindlichkeit und Alltagskompetenzen
Neuroleptika [Antipsychotika] Behandlungsprobleme häufige Nebenwirkungen I Anticholinerge / Vegetative : orthostatische Dysregulation , Unruhe , Verwirrtheit , Naheinstellungsstörungen ( Augen ) , Harnverhalt , Verstopfung Mundtrockenheit > v.a. niederpotente NL, Clozapin >> ggf. Absetzen /Abklärung >> ggf. anderes Präparat
Neuroleptika Behandlungsprobleme / häufige Nebenwirkungen II ZNS : Extrapyramidalmotorische Störungen Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen) Parkinson-Symptomatik ( Zittern , Bewegungseinschränkung, Sturzgefahr ) Akathisie ( Sitz-, Beinunruhe ) > v.a.hochpotente konventionelle NL >> ggf. Absetzen >> ggf.Dosisanpassung >> ggf.anderes Präparat
Neuroleptika[Antipsychotika] Behandlungsprobleme häufige Nebenwirkungen ZNS : Schläfrigkeit / Benommenheit >auch nicht schlaffördernde NL v.a. zu Therapiebeginn >nieder – mittelpotente NL >>ggf. Absetzen / Abklärung >>Dosisanpassung >>anderes Präparat
Neuroleptika [Antipsychotika] Behandlungsprobleme / häufige Nebenwirkungen III ZNS : zerebrovaskuläre Ereignisse : erhöhtes Mortalitätsrisiko bei älteren Patienten mit Demenz > konventionelle und atypische Neuroleptika [Antipsychotika] > besonders strikte Indikationsstellung , niedrige Dosierung , Absetzversuche
Neuroleptika [Antipsychotika] Behandlungsprobleme / häufige Nebenwirkungen IV Andere häufige Nebenwirkungen : Interaktionen mit anderen (Psycho ) –Pharmaka / Alkohol besondere Vorschriften : Clozapin (v.a.Blutbildveränderungen) andere Neuroleptika [Antipsychotika] : off Label
Begleitende Verhaltensstörungen Behandlung mit Hypnotika I Benzodiazepine z.B. > Lormetazepam > Nitrazepam > Temazepam > Lorazepam Anxiolytikum
Begleitende Verhaltensstörungen Behandlung mit Hypnotika II Nicht-Benzodiazepinhypnotika z.B. > Melatonin > Zolpidem > Zopiclon > Promethazin
Hypnotika Wirkung / Nutzen I Indikationen : > Ein – Durchschlafstörungen > psychomotorische Unruhe ( nur Promethazin ) > Ausnahme : Lorazepam >> Angstzustände
Hypnotika Wirkung / Nutzen II Behandlung von Ein – Durchschlafstörungen Wiederherstellung Tag –Nachtrhythmus > psychomotorische Beruhigung > Besserung von Gesamtbefindlichkeit und Alltagsaktivitäten
Hypnotika Behandlungsprobleme / häufige Nebenwirkungen Abhängigkeitsentwicklung Kumulation Hang-over –Effekte > ggf. anderes Präparat Herabsetzung des Muskeltonus Sturzgefahr > Absetzen > ggf. Dosisanpassung > anderes Präparat
Zusammenfassung Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Psychopharmakotherapie im Alter ist im Rahmen des Gesamtbehandlungsplanes eine Besserung der psychischen Befindlichkeit , eine Verbesserung bzw. der Erhalt von Alltagskompetenzen sowie ein Rückgang von Verhaltensstörungen erreichbar. Hierdurch ist eine Reduktion freiheitsentziehender Maßnahmen erzielbar . Nebenwirkungen sind unerwünschte Wirkungen und bedingen eine Therapieänderung . `
Arbeitskreis der Münchner Pflegekonferenz Zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen In München gibt es bislang keine Anträge an das Vormundschaftsgericht, die Psychopharmakagabe zum Zweck des Freiheitsentzuges bzw. der Freiheitsbeschränkung zu genehmigen . Die Praxis geht von einem therapeutischen Einsatz und Nutzen aus . Landeshauptstadt München Städtische Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege Stand 6 / 2005
Literatur Benkert O , Hippius H. Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie . Heidelberg : Springer Medizin Verlag 2008 Förstl H.( 2008 ) Behandlungs – und Versorgungsstrategien bei Alzheimer und verwandten Demenzen . Der Nervenarzt 79 : 617 - 629 3. Jessen F , Maier W . ( 2007 ) Ein Beitrag zur aktuellen Antidementivadiskussion in Deutschland . Der Nervenarzt 78 : 491 – 497 4. Landeshauptstadt München , Städtische Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege München (2005 ) Empfehlungen zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen 5. Möller J.-J, Laux G , Kapfhammer H.-P . (Hrsg.) Psychiatrie und Psychotherapie . Heidelberg : Springer Medizin Verlag 2008