Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt

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 Präsentation transkript:

Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt HORMONELL AKTUELL Pissouri/Zypern 2.12.2006 Einfluss der Sexualsteroide auf die weibliche Psyche Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt

Hormoneinflüsse auf die Psyche Zyklusabhängige Symptomatik Veränderungen in der Schwangerschaft Postpartale Depression Einfluss der hormonalen Kontrazeptiva Klimakterische Symptomatik Veränderungen durch Hormonsubstitution Endogene oder exogene Hyperandrogen-ämie

Einfluss von Sexualsteroiden auf die Struktur und Funktion des ZNS (I) Fetalzeit: Sexualsteroide sind an der unterschiedlichen morphologischen und funktionellen Ausprägung der Nuklei des ZNS beteiligt (geschlechtsabhängiger Dimorphismus, Entstehung einer Prädisposition?). Selektive Ausbildung von Neurotransmitter-Phänotypen in den Nuklei. Modulation der neuronalen Vernetzung durch Sexualsteroide. In den Nuklei unterschiedliche Expression der Steroid-rezeptoren und dadurch unterschiedliche Wirkungen der endogenen und exogenen Steroide. Estrogene fördern die Bildung synaptischer Verbindungen und modulieren den Stoffwechsel der Neuronen sowie die synaptischen Aktivitäten.

Einfluss von Sexualsteroiden auf die Struktur und Funktion des ZNS (II) Reproduktionsphase: Plastizität des ZNS während des ganzen Lebens (dynamische Restrukturierung während der Pubertät, im Menstruationszyklus und in der Schwangerschaft). Zirkulierende und lokal gebildete Sexualsteroide kontrollieren die Expression ihrer Rezeptoren sowie die Struktur und Aktivität der Nuklei. Estrogene fördern neuronale Vernetzung und Aktivität und wirken neuroprotektiv. Sie verhindern Schädigungen und Dystrophien, haben aber keinen Einfluss auf Reparaturen. Estrogenmangel führt zum Abbau der neuronalen Vernetzung. Gestagene schwächen den Estrogeneffekt ab.

Hormone und neuronale Aktivität Genomische Wirkungen der Sexualsteroide über spezifi-sche Rezeptoren im Zellkern, Bindung an hormonsensitive Elemente der DNS, moduliert durch Transkriptionsfaktoren. Rasche nicht-genomische Effekte an Zellmembranen (Ionenkanäle, Membranpotentiale, second-messenger-Systeme) Neuronale Wirkungen auch durch hormonal unwirksame Steroid-Metaboliten bzw. Neurosteroide (Modulation der GABAA-Rezeptoren) Regionale Verteilung der Rezeptoren und damit die Hormonwirkungen sind in den verschiedenen Kernen des ZNS sehr unterschiedlich.

Steroide im ZNS Anreicherung im ZNS Synthese im ZNS aus der Zirkulation (Bildung der Neurosteroide in Astrozyten und Oligodendrozyten) Estrogene Pregnenolon Androgene Progesteron Progesteron 5a-Pregnandion Cortisol Pregnanolon Estradiol aus Testosteron DHEA DHT aus Testosteron Steroidsulfate

Aktivierung und Hemmung der neuronalen Aktivität Aktivierung durch exzitatorische Aminosäuren (Glutaminsäure, Asparaginsäure) nach Bindung am NMDA-Rezeptor: Öffnung der Kalziumkanäle, verstärkter Kalziumeinstrom und Depolarisierung der Neuronenmembran; längerfristig Zunahme der synaptischen Verbindungen. Hemmung durch Bindung der GABA (g-Aminobuttersäure) an den GABAA-Rezeptor: Öffnung der Chloridkanäle, verstärkter Chlor-ioneneinstrom und Erhöhung des Membranpotentials (Hyper-polarisierung), so dass die Erregbarkeit vermindert ist (sedierender, anxiolytischer oder antikonvulsiver Effekt). Jeder Aktivierung folgt normalerweise eine Gegenregulation, um Stressreaktionen zeitlich zu begrenzen und Überreaktionen zu verhindern. Bei deren Störung können psychische Symptome ausgelöst werden.

Verstärkung der neuronalen Aktivität Estrogene und Testosteron verstärken Wirkung der exzita-torischen Aminosäuren (Glutamin- und Asparaginsäure) am NMDA (N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptor: Depolarisierung, Ca++-Einstrom, Zunahme der synaptischen Verbindungen Estrogene verstärken Freisetzung und Rezeptorbindung der Glutaminsäure, hemmen deren Metabolisierung zur GABA und inhibieren GABAA-Rezeptoren. Glukokortikoide wirken akut aktivierend, chronisch jedoch verursachen sie eine Atrophie der Dendriten. Pregnenolon, Pregnenolon-Sulfat und DHEA-Sulfat schwächen die GABA-Wirkung am Rezeptor und wirken aktivierend.

Wirkungen der Estrogene Estrogene können in den verschiedenen Regionen des ZNS unterschiedliche Reaktionen auslösen. Im allgemeinen wirken sie exzitatorisch, erhöhen die Serotoninaktivität und reduzieren die Noradrenalinaktivität. Sie hemmen den Abbau von Serotonin und Noradrenalin durch die Monoaminoxidase (MAO). Sie können die Dopaminaktivität erhöhen und in hohen Konzentrationen antidopaminerg wirken. Sie verstärken die Acetylcholinaktivität. Sie erhöhen die Freisetzung der ß-Endorphine, welche die Ausschüttung von Dopamin und Noradrenalin hemmen. Sie verstärken die Wirkung der exzitatorischen Aminosäuren. Sie reduzieren die GABAA-Rezeptoren. Sie wirken neuroprotektiv (antioxidativ), erhöhen die Plastizität.

Bedeutung des Serotonins Serotoninpiegel ist bei Frauen mit geringen klimakterischen Symptomen (Kupperman-Index) 2-3 mal so hoch wie bei Frauen mit schweren Symptomen (Slopien et al. 2003). Serotonin dämpft Emotionen, Aggressionen und psychomotorischen Antrieb. Der Serotoninspiegel ist reduziert bei Depression, Angst, Aggressivität und impulsivem Verhalten. Serotonin beeinflusst Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger-Sättigungsgefühl, Schmerzempfinden. Sexualverhalten, Thermoregulation, Hormonregulation, Blutdruck. Estrogene erhöhen die Serotonin-Aktivität, bei PMS ist die Serotonin-Aktivität reduziert.

Sexualsteroide und ß-Endorphine ß-Endorphine hemmen präsynaptisch die Freisetzung von Dopamin und Noradrenalin: Hemmung der ZNS-Aktivität. Estrogene stimulieren Freisetzung der ß-Endorphine, Gestagene sind ohne zusätzlichen Effekt. ß-Endorphine präovulatorisch und in Lutealphase erhöht: Reduktion der Aktivität von Dopamin und Noradrenalin. Abfall des Estradiols (prämenstruell, postpartal oder peri- und postmenopausal): bei Disposition reboundartige Zunahme der Dopamin- und Noradrenalinaktivität mit ver-stärkter Erregbarkeit des ZNS: Spannungsgefühle, Angst, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen Stress erhöht vorübergehend ACTH und die ß-Endorphine.

Gestagene hemmen die ZNS-Aktivität Gestagene antagonisieren Estrogeneffekt: Reduktion der Estrogenrezeptoren, Reduktion der synaptischen Verbindungen. Progesteron reduziert NMDA-Rezeptoren und die Wirkung exzitatorischer Aminosäuren (Progesteronderivate ?). Gestagene stimulieren die MAO und COMT und verstärken den Abbau von Serotonin und Dopamin. Progesteron und Pregnanolone stimulieren die Myelinisierung und Bildung von Gliazellen. Progesteron wird zu Pregnanolonen metabolisiert, die am GABAA-Rezeptor die Wirkung der GABA verstärken und dadurch die ZNS-Aktivität hemmen (sedierender und anxiolytischer Effekt). Tetrahydrodeoxycorticosteron (THDOC, aus Corticosteron) und Androsteron (aus DHEA-S) wirken ebenfalls hemmend; sie sind viel wirksamer als Benzodiazepine (10x) und Pentobarbital (100x).

Wirkungen von Estradiol und Progesteron auf zentrale Funktionen aktivierende Wirkung sedierende Wirkung wirkt prokonvulsiv wirkt antikonvulsiv hemmt Effekt der GABA verstärkt Effekt der GABA stimuliert ER- und PR-Synthese hemmt ER- und PR-Synthese erhöht NMDA-Rezeptoren reduziert NMDA-Rezeptoren verstärkt Bildung von Synapsen hemmt Bildung von Synapsen erhöht Serotonin-Konzentration reduziert Serotonin-Konzentration verbessert das Wohlbefinden fördert depressive Verstimmung verbessert sensorische Funktionen wirkt anästhetisch bessert Kurzzeitgedächtnis wirkt anxiolytisch

Steroidspiegel (ng/ml) 3. Trimester postpartal Estradiol 6,2 + 0,4 Soldin et al. 2005 Steroidspiegel in der Schwangerschaft und postpartal (Bestimmung mit HPLC / Photoionisation / Massenspektrometrie) Steroidspiegel (ng/ml) 3. Trimester postpartal Estradiol 6,2 + 0,4 < 0,1 + 0,02 Progesteron 70,5 + 3,3 0,9 + 0,2 17a-Hydroxyprogesteron 3,5 + 0,2 0,4 + 0,1 Cortisol 287 + 13 107 + 6,7 11-Deoxycortisol 1,9 + 0,1 0,4 + 0,04 DHEA 2,1 + 0,3 1,9 + 0,3 DHEA-S 295 + 35 596 + 62 Androstendion 0,8 + 0,1

Bloch et al. 2000 Simulation des postpartalen Hormonabfalls Je 8 Frauen mit oder ohne Vorgeschichte einer postpar-talen Depression. Ovarielle Suppression mit GnRH-Agonist. 8 Wochen Behandlung mit hohen Dosen Estradiol (4-10 mg täglich ansteigend) und 400-900 mg Progesteron anstei-gend (bis 50 ng/ml). Entzug unter Placebobedingungen (weitere 4 Wochen mit GnRH-Analog). 5 der 8 Frauen mit postpartaler Depression hatten affektive Symptome (Depression, Angst, Reizbarkeit), die aber schwächer waren als postpartal. Keine der 8 Frauen ohne postpartale Depression in der Vorgeschichte hatte depressive Symptome.

Wirkung von Ovulationshemmern auf die Psyche (I) Keine konsistenten Ergebnisse hinsichtlich positiver oder negativer Affekte. Trotz Reduktion der Serumspiegel des Estradiols und der neuroaktive Steroide (Pregnanolone, THDOC, Pregnenolon, DHEA) bzw. deren Präkursoren keine negativen Wirkungen auf asymptomatische Frauen (Rapkin et al. 2006). Stabilisierung von zyklusabhängigen negativen Stimmungsschwankungen bei prädisponierten Frauen durch monophasische Ovulationshemmer. Ovulationshemmer vermindern negative Affekte in der Menstruationsphase. Unter der Behandlung mit Dreistufenpräparaten gibt es stärkere Schwankungen bei den positiven Effekten und mehr negative Stimmungsveränderungen.

Wirkung von Ovulationshemmern auf die Psyche (II) Ovulationshemmer können depressive Symptome bei disponierten Frauen verursachen: PMS, Schwangerschafts- oder postpartale Depression in der Anamnese, familiäre Belastung. Negative Effekte treten vor allem im einnahmefreien Intervall auf. Sie lassen sich durch die die kontinuierliche Einnahme eines monophasischen Ovulationshemmers reduzieren oder vermeiden. Die Reduktion der Ethinylestradiol-Dosis kann die Stimmung beeinträchtigen. Es gibt Kasuistiken über Panikattacken, die zum ersten Mal nach dem Wechsel von einem monophasischen Ovulationshemmer auf ein Dreistufenpräparat auftraten.

Klimakterium und Postmenopause Abfall der Estrogenspiegel verursacht klimakterisches Syndrom. Dazu zählen psychische Symptome (depressive Verstimmung, Reizbarkeit, Nervosität, Ängstlichkeit). Ursache ist möglicherweise eine Störung des Serotonin-Systems im ZNS. Frauen mit Depressionen in der Anamnese kommen früher in die Perimenopause (Harlow et al. 2003). Eine Estrogensubstitution verbessert meist die Stimmung, das Wohlbefinden und den Antrieb. Die zusätzliche Gabe eines Gestagens kann die günstige Wirkung des Estrogens beeinträchtigen. Offensichtlich sind davon Frauen mit entsprechender Prädisposition betroffen.

de Novaes Soares et al. 2001 Depressionen bei perimenopausalen Frauen Randomisierte placebokontrollierte Doppelblind-Studie mit 50 perimenopausalen Frauen mit Depression (DSM-IV Kriterien: 26 mit schwerer Depression, 11 mit dysthymer Störung, 13 mit leichter Depression): 12 Wochen 100 µg Estradiol transdermal oder Placebo. Remission der Depression: 68% mit Estradiol 20% mit Placebo günstiger Effekt auch 4 Wochen nach Absetzen. Besserung der vasomotorischen Beschwerden um >50%: 68% mit Estradiol 28% mit Placebo 4 Wochen nach Absetzen ist günstiger Effekt verschwunden

Hormonsubstitution: Gestageneffekt Estrogene allein bessern Stimmung postmenopausaler Frauen. Der sequentielle Gestagenzusatz kann in zyklischer Weise die Stimmung verändern und physische Symptome verursachen. Dies wurde bei zusätzlicher Gabe von Progesteronderivaten (Medroxyprogesteronacetat) und Nortestosteronderivaten (Norethisteron, Lynestrenol, Levonorgestrel) beobachtet. Die synthetischen Gestagene werden nicht zu Pregnanolon metabolisiert. Progesteron hat eine Sonderstellung!

Rudolph et al. 2004 HRT und postmenopausale Depression Randomisierte placebokontrollierte Doppelblind-Studie mit 129 postmenopausalen Frauen mit leichter bis moderater Depression (Hamilton Depression Score > 16): Nach 24 Wochen kontinuierlich-kombinierter Therapie mit 2 mg Estradiol + 2 mg Dienogest: Therapie Placebo n = 64 EV + DNG n = 65 keine Besserung (HAMD > 16) 41 (64,1%) 20 (30,8%) teilweise Besserung (HAMD 9-15) 6 (9,4%) 17 (26,1%) komplette Remission (HAMD < 8) 17 (26,6%) 28 (43,1%)

Stress Freisetzung des CRF wird u.a. durch die GABA kontrolliert. Eine Alarmreaktion beginnt mit akuter Ausschüttung des Neuropeptids DBI: Dieses blockiert die hemmende Wirkung der GABA am GABAA-Rezeptor und steigert in den Glia-zellen die Bildung des exzitatorischen Pregnenolons. Infolgedessen starke Ausschüttung des CRF und damit des ACTH: Stimulation der adrenalen Freisetzung von Gluko-kortikoiden und Katecholaminen (DBI steigert auch direkt die adrenale Steroidproduktion). Gegenregulation: THDOC aus der NNR und Pregnanolon aus den Gliazellen verstärken zunehmend die hemmende Wirkung der GABA und verhindern eine Überstimulation der Neuronen. Eine Störung kann zu Depressionen und anderen psychischen Symptomen führen.

Zielparameter DBI-Peptid Diazepam Diazepam-Bindungs-Inhibitor (DBI) (MG 8.200) bindet an zentrale (CBR) und periphere Benzodiazepin-Rezeptoren (PBR). Konzentration des DBI sehr hoch (100 ng/mg Protein) Zielparameter DBI-Peptid Diazepam GABA-Wirkung Blockade Verstärkung Steroidsynthese Stimulation ? Mitosen, Proliferation Stimulation? Hemmung Immunreaktion Suppression Stimulation

Roca et al. 2003 Regulation der HPA-Achse beim PMS Progesteron – nicht Estradiol – verstärkt bei normalen Frauen die Reaktion der HPA-Achse auf körperlichen Stress (Laufband): Bei Frauen ohne PMS ist die stressinduzierte Freisetzung von ACTH und Cortisol in der Lutealphase signifikant stärker als in der Follikelphase. Bei Frauen mit PMS ist dieser Effekt nicht zu beobachten; ACTH und Cortisol sind in der Follikelphase sogar höher (nicht signifikant). Bei Frauen mit PMS ist die adrenale Reaktion auf Stress (Cortisol:ACTH Ratio) reduziert. Im Gegensatz dazu ist bei Frauen mit schwerer Depression die adrenale Reaktion auf Stress verstärkt.

Depression und Angst Angst und Depression infolge Störung der Regulation und Dämpfung von Stressreaktionen? Bei Angst und Neurosen überwiegen die exzitatorischen Steroide: verstärkte Reaktion auf Stimuli, erhöhtes Cortisol. Bei Depression erhöhte Konzentration der GABA-Antagonisten (höhere Wirkungsschwelle für Barbiturate) Die biologischen und biochemischen Abläufe ähneln denen bei Stressreaktionen. Hyperaktivität der Hypothalamus-Hypophyse-NNR-Achse (erhöhtes Cortisol), verstärkte Freisetzung von GABA-Antagonisten (Corticosteron, DHEA-Sulfat, Pregnenolon-Sulfat). GABA-Agonisten (Pregnanolon, THDOC) wirken anxioly-tisch und antidepressiv.

Angst- und Zwangserkrankungen Veränderungen der Symptomatik im Menstruationszyklus, in der Schwangerschaft und postpartalen Phase, in der Perimenopause und unter der hormonalen Kontrazeptiva sowie der Hormonsubstitution deuten auf einen Einfluss der Sexualsteroide hin. Angst- und Zwangssymptomatik verschlechtert sich häufig in der Lutealphase. Gelegentlich Auftreten oder Verschlechterung durch die Einnahme oraler Kontrazeptiva. Ängstlichkeit und Anspannung treten häufig in der Perimenopause auf und lassen sich meist durch eine Hormontherapie bessern. Es fehlen systematische kontrollierte Studien.

Affektive Störungen Affektive Störungen (PMS, depressive oder manische Symptome) werden durch hormonale Einflüsse beeinflußt (Schwangerschaft, Hormonabfall, Estrogenmangel, Lutealphase). Bei zyklusabhängigen Verschlechterungen können orale Kontrazeptiva den Zustand bessern. Gegebenenfalls ist die kontinuierliche Einnahme eines Ovulationshemmers (Langzyklus) zu empfehlen. Bei Therapie mit Antidepressiva bzw. Psychopharmaka ist eine zuverlässige Kontrazeption notwendig (teratogenes Risiko). Bestimmte Psychopharmaka können die Wirkung der Ovulationshemmer beeinträchtigen.

Estrogene und Schizophrenie Estrogene scheinen einen gewissen protektiven Effekt zu haben. Ein Estrogenabfall oder Estrogenmangel kann einen ungünstigen Einfluss haben. Zunahme der Rückfälle in der perimenstruellen Phase, eventuell Besserung durch kontinuierliche Einnahme eines Ovulationshemmers (Langzyklus). Psychosen können sich während einer Schwangerschaft bessern und in der postpartalen Phase verschlechtern. Anstieg des Erkrankungsrisikos in der Perimenopause. Die Hormonsubstitution kann bei peri- und postmeno-pausalen Frauen einen günstigen Einfluss auf den Verlauf haben und die Wirkung von Neuroleptika verstärken. Antipsychotika könen Hyperprolaktinämie verursachen. Jedoch kein Unterschied zu Frauen mit normalem Prolaktin hinsichtlich Hormonspiegel und Zyklusstörungen (Canuso et al. 2002).

Wirkungen des DHEA DHEA ist wichtiger Präkursor für endogenes Testosteron und Estradiol. Wirkungen von täglich 50 mg DHEA oral hauptsächlich durch Konversion zu Testosteron (bei Frauen) und Estradiol (bei Männern). Hinweise auf direkte Wirkungen im ZNS: Erhöhung des Serotoningehalts in bestimmten ZNS-Bereichen. DHEA bessert Stimmung und Wohlbefinden bei Frauen und Männern mit NNR-Insuffizienz (vermutlich direkte Wirkung auf das ZNS). Anstieg des sexuellen Interesses nur bei Frauen

Zusammenfassung Estrogene wirken aktivierend und prokonvulsiv, bessern die Stimmung und das Wohlbefinden, sensorische Fähigkeiten und Kurzzeitgedächtnis. Ein Estrogenmangel oder –abfall kann psychische Symptome verursachen. Gestagene können die Estrogenwirkung beeinträchtigen und depressive Verstimmungen auslösen. Progesteron wirkt ebenfalls antiestrogen, hat aber zusätzlich sedierende und anxiolytische Wirkungen. Testosteron wirkt aktivierend, während DHEA nach Umwandlung in Estradiol und Testosteron wirksam wird. Neurosteroide sind hormonal unwirksam, beeinflussen aber die neuronale Aktivität. Bei disponierten Frauen kann Stress unter dem Einfluss von Gestagenen affektive Störungen auslösen.