Willensfreiheit-Selbstverständlichkeit oder Illusion

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Willensfreiheit-Selbstverständlichkeit oder Illusion Slavica RISTIC

Die neuronale Basis des Willens Vor allem Prozesse der Großhirnrinde gewährleisten die Vielfalt unseres Denkens Redens und Tuns. Die Anordnung der Pyramidenneuronen sichern die Fähigkeit beliebige Informationen mit anderen zu kombinieren. Anordnung der Pyramidenzellen ist weitgehend zufällig und die gemeinsame Aktivität von Neuronen verstärkt ihre Verbindung (assemblies) Die „Zündung“ der assemblies ruft das entsprechende Informationselement auf. Durch Kombination entsteht ein Reichtum an vielfältigen räumlich-zeitlichen Mustern, dabei sind chaotische Prozesse von Bedeutung. Das Gehirn ist eine „Kreativitätsmaschine“ , aber ebenso eine „Kreativitätsverhinderungsmaschine“. („exekutive Funktionen“ im präfontalen Kortex, aber keine übergeordnete Instanz)

Experimente/Aspekte der Naturwissenschaft 1. Benjamin Libet: - amerik. Neurobiologe - in späten 70ern Experiment zum „freien Willen“ Frage: Wann entsteht bewusster Wille? Problem: Wann ist sich eine Person über Willen bewusst? Fazit Libets: Solange weder Determinismus noch Indeterminismus bewiesen ist, Glaube an wirklich freien Willen ! Kritik: •zu einfach gestrickt •keine wirklichen Entscheidungsalternativen •bereits vor Experiment Wissen, was gemacht werden soll (Instruktion) •Entscheidungen sind keine singulären, zeitlich genau bestimmten Ereignisse

Libet´s Experiment Oscilloscope „clock“ Lichtpunkt rotiert in 2.56 sec. einmal um die Uhr Angabe des Zeitpunkts des Entschlusses (W) jetzt die Bewegung auszuführen („urge to move“)

Experimente/Aspekte der Naturwissenschaft 2. Gerhard Roth: seit 1989 Direktor am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen. Seit 1997 Rektor des Hanse-Wissenschaftskollegs. Das Gefühl bei der Willensbildung und Entscheidung ist eine Illusion, aber für unser komplexes Handeln notwendig. Es wird durch vier Inhalte bestimmt: Wir sind Quelle unseres Willens und Verursacher unserer Handlungen. Unser Wille bzw. Willensakt geht unseren Handlungen voraus und verursacht unsere Handlung direkt und auf eine (im naturwissenschaftlichen Sinne) nicht-kausale Weise. Wir könnten auch anders handeln bzw. hätten im Rückblick auch anders handeln können, wenn wir nur gewollt hätten. Wir fühlen uns für Willenshandlungen persönlich verantwortlich.

Experimente/Aspekte der Naturwissenschaft Doch dieses Konzept der Willensfreiheit bringt folgende Probleme mit sich: Aus dem Gefühl, wir seien bei Willkürhandlungen willensfrei, folgt nicht zwingend, dass Willensfreiheit tatsächlich existiert. Willensfreiheit wird mit „einen Willen haben" verwechselt. Es gibt Willensakte ohne nachfolgende Willenshandlung und Willenshandlungen ohne vorausgehende Willensakte. Selbst wenn quantenphysikalische Phänomene doch eine gewisse oder gar bedeutende Rolle spielen, bedeuten das, dass im Gehirn der schlichte Zufall regiert.

Experimente/Aspekte der Naturwissenschaft Die Steuerung von Willkürhandlungen aus neurobiologischer Sicht: Die Verkettung von Amygdala, Hippocampus sowie limbischer Zentren, ventraler und dorsaler Schleife hat zur Folge, dass beim Entstehen von Wünschen und Absichten das unbewusst arbeitende emotionale Erfahrungsgedächtnis das erste und das letzte Wort hat. Diese Letztentscheidung fällt 1-2 Sekunden, bevor wir diese Entscheidung bewusst wahrnehmen und den Willen haben, die Handlung auszuführen. Hingegen können bei stark automatisierten Handlungen die Basalganglien allein die entsprechenden Bewegungen auslösen. Wir erleben sie dann mit begleitendem Bewusstsein oder führen sie ganz unbemerkt aus. Nach heutiger Erkenntnis sind sowohl die bewusst ablaufenden Prozesse als auch die unbewussten deterministische Vorgänge.

Philosophische Aspekte und Beiträge 1. Gerhard Vollmer: Professor für Philosophie in Braunschweig Es hätte wenig Sinn, über Willensfreiheit zu diskutieren, bevor man sich nicht einig, was man unter Willensfreiheit verstehen will. Sein Vorschlag: Definition von G.E. Moore: Meine Entscheidung war frei, wenn ich auch anders halte entscheiden können. Ergebnisse von Libet, zeigen, dass unsere intuitive Überzeugung, uns frei zu entscheiden, mindestens hinsichtlich des Zeitpunktes eine Illusion ist. Als Argumente gegen die Willensfreiheil deshalb besonders wirksam, aber nicht zwingend. Da unser Verhalten vollständig Im Rahmen der Naturgesetze ablaufe, so die radikale These mancher Hirnforscher, brauchten wir ein "neues Menschenbild", In dem Begriffe wie "Willensfreiheit" und "Schuld" keinen Platz mehr hätten.

Philosophische Aspekte und Beiträge 2. Ansgar Beckermann: Professor für Philosophie in Bielefeld Die Argumente der Hirnforscher greifen zu kurz, weil sie von einem ganz bestimmten (inkompatibilistischen) Freiheitsbegriff ausgehen und Alternativen nicht berücksichtigen. Die Forschungen von B. Libet sprechen uns nur dann die Willensfreiheit ab, wenn man von einem kartesischen Menschenbild ausgeht. Dieses ist jedoch unhaltbar! Ansonsten zeigen sie nur, dass der Überlegensprozess ein neuronal realisierter Prozess ist. Und dies bedeutet nicht, dass nicht wir die Entscheidungen treffen. Die Ergebnisse der Hirnforschung werden uns daher vor die folgende Alternative stellen: Ein naturalistisches Menschenbild zu entwickeln, also, dass wir Wesen sind, die verantwortlich handeln und daher zur Rechenschaft gezogen werden können.

Philosophische Aspekte und Beiträge 3. Holm Tetens: Professur für Philosophie an der Freien Universität Berlin An den folgenden Fundamentalhypothesen der Hirnforschung soll nicht gezweifelt werden: (1) Alle Bewegungen und Veränderungen des Leibes sind lückenlos gehirngesteuert. (2) Alle bewussten mentalen Aktivitäten (an etwas Denken, Wahrnehmen, Fühlen) sind zwingend an neuronale Aktivitäten des Gehirns gebunden. Aber genauso wenig soll an folgenden Alltagserfahrungen gezweifelt werden: (a) Oftmals handeln wir erst, nachdem wir die Handlungssituation überdacht haben. (b) Häufig verändern sich unsere Handlungsziele, nachdem wir mit anderen diskutiert haben. (c) Veränderte Handlungsweisen gehen meistens mit veränderten Gründen einher.

Philosophische Aspekte und Beiträge Die Kritik an der Willensfreiheit krankt, weil Hirnforscher die philosophischen oder alltäglichen Vorstellungen von Willensfreiheit, die sie angreifen und glauben empirisch widerlegen zu können, nicht klar benennen. Libet -Experiment lässt vermuten, dass unser Handeln, Durchdenken sowie das bewusste Entscheiden für eine Handlung außer intentional-inhaltlich nur zeitlich miteinander zusammenhängen. Philosophie soll empirische Befunde berücksichtigen, aber selbst die grundlegenden Einsichten der Neurobiologie lassen der Philosophie noch großen Spielraum, um seelisch-geistigen Phänomene philosophisch zu deuten. Es würde sich im Grunde ja gar nichts verändern, wenn die Menschheit das Postulat der Willensfreiheit fallen ließe.

Philosophische Aspekte und Beiträge 4. Gottfried Seebaß: Professor für Philosophie in Konstanz Willensfreiheit heißt Ungehindertheit im Wollen und der Willensbildung. Alle Arten von Freiheit sind graduierbar, je nach der Anzahl der Möglichkeiten. Bei Neurowissenschaftlern meist kein klares Bild, was sie unter Willensfreiheit verstehen und ablehnen. Keine empirische Beweise gegen die Möglichkeit bewusster Willenskontrolle. Da empirische Lücken zu groß sind. Libets Experimente haben eine Reihe von methodischen Schwachstellen. (womit und wie genau „Bereitschaftspotenliale" korreliert sind)

Philosophische Aspekte und Beiträge 5. Peter Bieri: Berliner Philosoph Kritisiert die Bemühung einen unbedingt freien Willen experimentell dingfest zu machen. So ein Wille müsste vollkommen unbeeinflusst sein, d.h. er wäre: Zufällig, unbegründet, unbelehrbar und unkontrollierbar! Ein handlungsleitender Wille entsteht, wenn wir einen Wunsch nicht nur haben, sondern Ihm zustimmen, aktiv zu verwirklichen versuchen und uns schließlich mit einem Wunsch zu "identifizieren„. Manchmal misslingt die Identifikation, da der Wunsch nicht zürn Willen entwickelt wird, dann nur begrenzte Willensfreiheit.

Philosophische Aspekte und Beiträge Der freie Wille ist klar bedingt: Durch unser Denken und Urteilen. Ein freier Wille Ist ein Wille, der unserem Urteil und Entschluss folgt. Es gibt Grade der Willensfreiheit: Wille umso freier, je umfassender er vom Nachdenken geleitet werde. Unsere Autonomie leide dort, wo es jemand darauf anlege, unsere Entscheidungsfreiheit außer Kraft zu setzen. ABER: Beeinflussungen können uns sogar zu größerer Willensfreiheit verhelfen, vorausgesetzt, sie stießen ein verstärktes Nachdenken an.

Weitere interessante Beiträge Jan Philipp Reemtsma: Literaturwissenschaftler und Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung Willensfreiheit: Damit ist gemeint, dass wir unterstellen, die Leute hätten anders handeln können. Gegenwärtige Aufregung ist sprachlich bedingt: 1.Libet`s- Experiment spricht nur dann gegen Willensfreiheit, wenn man die Vokabel "Entschluss" und "Entscheidung" verwechselt.

Weitere interessante Beiträge 2.Gedanken kommen nicht "aus" neuronalen Prozessen, sondern das, was in unserer Alltagsprache "unsere Gedanken" heißt, nennen Neurobiologen "so und so beschaffene neuronale Prozesse". Durch falsche Redensweise hat sich Kausalbeziehung entwickelt. Ohne Unterstellung des freien Willens, wäre unsere Gesellschaft nicht denkbar (Gewissen, Moral und Rechtssystem). Grundlagentheoretische Gefechte nicht zielführend, wichtiger ist konkrete Auseinandersetzung damit, was Freiheit in unserer "lebensweltlichen Praxis" - vor allem im Bereich des Rechts - spielt.

Konsequenzen, wenn es keine Willensfreiheit Willensanstrengungen erscheinen sinnlos. Entscheidungsfinden macht keinen Sinn. Sich selbst organisieren wird überflüssig. Selbstkontrolle erscheint als Fiktion, Selbstmanagement im Grunde aussichtslos. Vorwerfbare Schuld entfällt. Verantwortung gibt es nicht mehr. Fatalismus und Schicksalsglauben wird der Boden bereitet.. Glauben heißt für wahr halten, ohne zu wissen. Eine (un)verzichtbare Funktion im Leben?