Die bemerkenswerte Geometrie im antiken Ägypten und Babylonien

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 Präsentation transkript:

Die bemerkenswerte Geometrie im antiken Ägypten und Babylonien

Inhalt: Die ägyptische Geometrie: - Flächenberechnung - Volumina - Exkurs zur Herleitung des Pyramidenstumpfes Die babylonische Geometrie: - Flächenberechnung - Volumina - „Trigonometrie“

Die ägyptische Geometrie Nach Aristoteles liegt der Ursprung der Mathematik in Ägypten (z.B. verbrachte Pythagoras über 20 Jahre in Ägypten um sich dem Mathematikstudium zu widmen)

Beispiele für die ägyptische Geometrie Hier zeigen sich die elementaren geometrischen Kenntnisse des alten Ägyptens unübersehbar (Totendenkmäler am Nil, etc.)

Pyramiden Konstruktionen wie die Pyramide von Gizeh (2900 v. Chr.) versetzen unter damaligen Arbeitsbedingungen in Staunen Sie besteht aus ca. 2 Millionen Steinblöcken von je 2,5 Tonnen Probleme im Transport, der Bautechnik und Statik (Aber: relativer Messfehler des rechten Winkels 1:27000)

Mathematische Quellen Die priesterlichen Quellen überliefern uns nichts von der ägyptischen Mathematik Wichtigste Quellen: 1.) Moskauer Papyrus 2.) Papyrus Rhind (ca. 1800 v. Chr.)

Diese bringen keine Zahlenmystik und keine mathematische Deduktion (wie etwa Euklid) Sie bringen schlichte Rechenpraxis, wie sie für ägyptische Beamte benötigt wurde

Anwendungsgebiete 1.) Bestimmung des Getreidebedarfs für die Bierproduktion 2.) Verteilung von Lohnsummen 3.) Berechnung von Flächeninhalten 4.) Berechnung des Inhalts von Kornspeichern

Beispiel: Problem (51) des Papyrus Rhind Dieses „Problem“ berechnet die Fläche eines gleichschenkligen Dreiecks auf der Hälfte der Basis, multipliziert mit der Höhe. Rechtfertigung:

Die Zerlegung dieses Dreiecks zu zwei rechtwinkligen Dreiecken durch die Höhe Diese können nun zu einem Rechteck zusammengefasst werden

Eine erstaunlich genaue Formel zur Berechnung der Kreisfläche: Gegeben sei ein Kreis Man subtrahiere vom Durchmesser d seinen 9. Teil Nun multipliziere diesen Ausdruck mit sich selbst (ägyptische Anleitung)

Im Klartext: Man berechnet die Kreisfläche gemäß der Formel: A= (8/9 d)2 = Δd2 ,wobei Δ eine Approximation für (π/4) ist, die π≈ 3,1605… ergeben würde.

Das vorhandene Textmaterial gibt keinen Aufschluss über die Herleitung dieser Formel Es gibt allerdings schwache Hinweise, die auf folgender Überlegung beruhen:

Der Koeffizient (8/9)2 scheint ein unveränderlicher Koeffizient zu sein Dieser erscheint nämlich nicht nur bei der Berechnung der Kreisfläche, sondern auch bei der Berechnung des Kreisumfangs Formel für den Umfang: 4d (8/9)2

Da A=Δd2 und U= 4Δd ist, darf angenommen werden: Die Formel für die Kreisfläche war der Ausgangspunkt, da Δ das Verhältnis der Flächen und nicht der Umfänge ist!

Ein theoretischer Vergleich: Die Kreisfläche mit der Fläche eines umschriebenen Quadrates Diesem Quadrat werden die Ecken abgeschnitten In der Tat scheint eine solche Figur, die Quadratfläche mit Kreisfläche vergleicht, auf eine Herleitung (möglicherweise) hinzuweisen

Da man das Quadrat in 9 kleine Quadrate unterteilt, legt die spezielle Bauart des Koeffizienten Δ nahe, die Ecken zunächst so abzuschneiden, dass man zunächst das mittlere Drittel der Quadratseite unberührt lässt Dies führt uns zu einer ersten Näherung der Kreisfläche: A=d2-(2/9)d2=(7/9)d2

Von dort aus ist es (zum Teil wegen des gering vorhandenen Textmaterials) nicht ersichtlich, wie man von diesem Ausdruck zur ägyptischen Formel gelangt! Bezeichnend für die ägyptische Mathematik ist, dass zwischen einer solchen Annäherung und einer exakten Bestimmung noch nicht unterschieden wurde!

Volumina „Krumme“ Flächen wie der Zylindermantel wurden durch abrollen auf der Ebene bestimmt Das Zylindervolumen wird für das Beispiel eines rechten Zylinders durch (angenäherte) Basiskreisfläche mal der Höhe berechnet

Die bemerkenswerteste Volumenbestimmung

Aufgabe 14 des Moskauer Papyrus: Der Verfasser gibt die Höhe 6, obere Kante 2 und untere Kante 4 an: „Man quadriere die Zahlen 2 und 4 und füge zur Summe dieser Beiden Quadrate das Produkt der Zahlen 2 und 4 hinzu, um die so erhaltene Zahl 28 (4+16+8=28) mit einem Drittel von 6 (also 2) zu multiplizieren“

Diese Anweisung entspricht exakt der heutigen Formel: V=(a2+ab+b2)*(h/3) für einen Kegelstumpf mit der Höhe h und den Kantenlängen a und b

Wenn wir von Formeln sprechen ist dies selbstverständlich auch hier, wie auch sonst immer so zu verstehen, dass der ägyptische Text selbst mit konkreten Zahlen rechnet, aber nach einer Vorschrift, die eben durch unsere Vorschrift (Formel) ausgedrückt wird !!!

Es scheint so, dass die Pyramidenstumpfberechnung nur bautechnischen Zweck gehabt haben kann Sie diente beispielsweise zur Volumen- bzw. Gewichtsberechnung für einen Eckblock zwischen zwei geböschten Flächen

So wird der Körper wohl folgende Gestalt annehmen dürfen:

Zu beachten: Der Gesamtkörper ist aufgebaut durch a) einen Quader des Inhalts h*ab (gebildet aus quaderförmigen Innenteil) b) zwei kongruente Seitliche Prismen c) und einer Pyramide der Grundfläche (a-b)2 und der Höhe h

Annahme: Man konnte damals das Volumen der Pyramide konkret berechnen Annahme: Man konnte damals das Volumen der Pyramide konkret berechnen. So folgt für das Volumen: h/3*(a-b)2 = h(a2/3 -2/3ab +b2/3) Nach Addition des Volumens des ersten Körpers entsteht die uns bekannte Formel!

Die Voraussetzungen für diese Überlegungen sind den ägyptischen Mathematikern bekannt gewesen Die einzige Umformung, die nötig war, war die Umformung des Binoms (a-b)2 , und gerade diese ist textlich belegt ! Auch das Zusammensetzen von ab-(2/3)ab=(1/3)ab war der ägyptischen Mathematik geläufig

Die wichtigste Voraussetzung jedoch war die Kenntnis der richtigen „Pyramidenvolumenformel“.  Doch das diese existierte ist wohl mit Recht anzunehmen, wie eben unser Beispiel zeigt.

Wie kam man zur Erkenntnis dieser Pyramidenformel? Es hat wenig Sinn, weitreichende Betrachtungen zu machen, da notwendig Unkorrektheiten in der Herleitung enthalten sein müssen, da dabei die Infinitesimalrechnung nicht umgangen werden kann! Vermutung:

Man hat durch irgendeinen speziellen Fall, (z. B Man hat durch irgendeinen speziellen Fall, (z.B. Eckpyramide im Würfel) durch anschauliche Betrachtung die korrekte „Formel“ gefunden und diese ohne weiteres auch auf die nicht trivialen Fälle ausgedehnt.

Exkurs – Die Herleitung der Pyramidenformel: Die allgemeine Formel für das Volumen der Pyramide ist: (Grundfläche mal Höhe)/3. Die Berechnung des Volumens des Stumpfes erfolgt, indem vom Volumen der großen Pyramide (Höhe x + h) das der kleinen (Höhe x) abgezogen wird. x ist jedoch unbekannt und muß erst berechnet werden

Durch Anwendung des Strahlensatzes gilt aufgrund ähnlicher Dreiecke: X:(b/2) = (x+h): (a/2) => (a*x)/2 = (b*x +b*h)/2 Nun gilt: a*x = b*x + b*h, a*x – b*x = b*h, x(a – b) = b*h Und x = (b*h)/(a-b). Das Volumen des Pyramidenstumpfes beträgt daher: V= a2(x+h)/3 – (b2*x)/3 = [a2((b*h)/(a-b))+h)]/3 – b2*(b*h/(a-b))/3 Nach Termumformungen erhalten wir den Ausdruck: h/3* ((a3-b3)/(a-b)). Durch Polynomdivision erhält man nun: (a3 – b3) : (a – b) = a2 + 2a*b +b2 Daher gilt schließlich: V= h/3* (a2 + 2a*b +b2)

Die babylonische Geometrie

Die ca. 300 Keilschrifttafeln mit mathematischen Inhalt (die älteste aus der Zeit der Sumerer (2100 v. Chr.)) weisen babylonische Mathematiker als geschickte und –besonders ägyptischen – Zeitgenossen weit überlegene Arithmetiker und Algebraiker aus

Ähnlich wie bei den Ägyptern werden Flächen von Quadraten, Rechtecken, Dreiecken, Trapezen, etc. und Volumina von Würfeln, Quadern und Prismen berechnet!

Der Pyramidenstumpf Der Pyramidenstumpf wird korrekt und analog zur ägyptischen „Formel“ berechnet:

Ein großer Teil der Aufgaben, die sich in den mathematischen Texten befinden, betreffen rein praktische Fragen.

Beispiel: Berechnung der Anzahl von Menschen, die benötigt werden, um gewisse Erdarbeiten auszuführen, etwa dem Aushub von Kanälen oder Bauwerksfundamenten, das Errichten von Dämmen und Wällen.

Der Belagerungswall In diesem Zusammenhang finden wir beispielsweise eine Formel zur Bestimmung des Volumens eines Körpers (eines Belagerungswalles):

V= ½*[(a+b)/2 + (a‘+b‘)/2]*(h+h‘)/2*l

Wenn auch diese Aufgaben rein praktische Bedeutung hatten, steht fest: Es herrschten eine Reihe von Erkenntnissen elementargeometrischer Beziehungen vor, wie z.B. Ausnutzung einfacher Proportionalitäten im Dreieck und ähnliches!

Was hebt nun die babylonische über die ägyptische Mathematik? Den Babyloniern war bereits der so genannte „Lehrsatz des Pythagoras“ bekannt  Diese Erkenntnis lässt die babylonische unmittelbar in die griechische Geometrie übergehen

Altbabylonischer Aufgabentexte Konstruktionen und Berechnungen dieser Art konnten aufgrund der Kenntnis des „Lehrsatzes des Pythagoras“ leicht bestimmt und berechnet werden.

Unter Voraussetzung des pythagoreischen Lehrsatzes wird auch die Diagonale d in einem gleichschenkligen Trapez mit Schenkeln a und Parallelseiten b und c bestimmt:

Offensichtlich gilt: h2= a2- [(c-b)/2]2 und d2= h2+[(c-(c-b)/2)]2 , also d2 = a2 + bc. Dieser Trapezsatz leistet für (c-b)/2 = a* cos(α) dasselbe wie der Kosinussatz der ebenen Trigonometrie und erlaubt den Aufbau einer winkelfreien elementaren Geometrie !!!

Trigonometrische Vorlieben Die Babylonier waren wie bereits erwähnt, sehr tabellenbegeistert Sowohl die Babylonier als auch die Ägypter kannten noch keine Winkelmaße im modernen Sinne Doch die Babylonier besaßen eine Art Vorform einer trigonometrischer Wertetabellen

Verfahren der „trigonometrischen Wertetabelle“ Gesucht werden pythagoreische ganze Zahlen a,b,c mit: a2 = c2-b2 Zuerst werden rationale Zahlen r‘= b/a, r‘‘= c/a und 1= (r‘‘)2-(r‘)2 bestimmt. Setzte nun r‘+r‘‘=p/q mit ganzen Zahlen p und q

(r‘‘)2-(r‘)2=(r‘‘+r‘)(r‘‘-r‘) r‘‘-r‘= p/q, d.h.: r‘=½(p/q-q/p) Dann folgt wegen (r‘‘)2-(r‘)2=(r‘‘+r‘)(r‘‘-r‘) r‘‘-r‘= p/q, d.h.: r‘=½(p/q-q/p) =(p2-q2)/2pq und r’’=½(p/q+q/p) =(p2+q2)/2pq Also setzt man : a = 2pq, b = p2 - q2 und c = p2 +q2 (Verfahren ist textlich belegt !)

In der babylonischen Vorliebe für Rechentabellen drückt sich nicht nur eine arithmetisch-algebraische Begabung aus Die babylonische Astronomie beweist, dass sie scharfe Beobachter und Sammler von Messdaten waren

Fazit der babylonischen Geometrie: Nur aus diesen Ergebnissen waren die Griechen in der Lage ihr Planetensystem zu entwickeln Mathematikgeschichtlich zeigt sich bei den Babyloniern der Nährboden, mit dem sich später die Trigonometrie ausbilden wird: Arithmetisch-algebraische Fertigkeiten bei geometrischen Grundkenntnissen und das Interesse an Tabellen zur Vereinfachung von Rechnungen

Weiterführende und vertiefende Literatur: Mainzer,Klaus:Geschichte der Geometrie, Zürich 1980. O. Neugebauer: Vorgriechische Mathematik, Berlin/New York 1969. O. Neugebauer: The exact sciences in antiquity. Gillings, Richard J.: Mathematics in the time of the Pharaos.